Legal Lexikon

Abtretung


Begriff und Definition der Abtretung

Die Abtretung bezeichnet im deutschen Zivilrecht die Übertragung einer bestehenden Forderung von einem Gläubiger (dem sogenannten Zedenten) auf einen anderen Gläubiger (den sogenannten Zessionar). Mit der Abtretung geht die Forderung mit allen Rechten und Nebenrechten, die mit ihr verbunden sind, auf den neuen Gläubiger über. Die rechtliche Grundlage der Abtretung findet sich insbesondere in den §§ 398 bis 413 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).

Laienverständliche Definition der Abtretung

Einfach ausgedrückt bedeutet Abtretung, dass eine Person (Gläubiger) ihre Rechte gegenüber einer anderen Person (Schuldner) an eine dritte Person überträgt. Dadurch kann die dritte Person nun das Recht ausüben, das ursprünglich nur dem ursprünglichen Gläubiger zustand.

Beispiel:
Herr Müller hat gegen Frau Schmidt eine Forderung aus einem Privatdarlehen. Herr Müller kann diese Forderung an Herrn Meier abtreten. Ab diesem Moment hat Herr Meier das Recht, von Frau Schmidt Rückzahlung zu verlangen.

Rechtlicher Kontext und Relevanz

Die Abtretung ist ein zentrales Instrument im deutschen Schuldrecht und spielt eine bedeutende Rolle in verschiedensten Lebensbereichen. Sie ermöglicht die Mobilisierung von Forderungen und dient der Flexibilisierung von Geschäftsbeziehungen sowie der Verwertung von offenen Ansprüchen.

Typische Anwendungsbereiche der Abtretung sind u. a.:

  • Finanzierung, z. B. beim sogenannten Factoring
  • Inkassounternehmen, die Forderungen erwerben
  • Sicherungsabtretungen im Rahmen von Krediten
  • Übertragung von Forderungen bei Unternehmensverkäufen

Gesetzliche Grundlagen zur Abtretung

Die zentralen Bestimmungen zur Abtretung finden sich im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB):

  • § 398 BGB (Abtretung): Die Vorschrift legt fest, dass eine Forderung von dem bisherigen Gläubiger durch Vertrag mit einem neuen Gläubiger auf diesen übertragen werden kann.
  • §§ 399, 400 BGB: Bestimmen Einschränkungen der Abtretbarkeit, zum Beispiel wenn eine Abtretung durch Gesetz oder Vereinbarung ausgeschlossen ist oder wenn die Forderung unpfändbar ist.
  • §§ 401, 402 BGB: Regeln den Übergang von Nebenrechten (z. B. Hypotheken, Pfandrechten) im Zusammenhang mit der abgetretenen Forderung.

In bestimmten Spezialgesetzen gibt es weitere einschlägige Regelungen. Beispielsweise enthält das Handelsgesetzbuch (HGB) Regelungen zur Abtretung von Forderungen im kaufmännischen Geschäftsverkehr.

Typische Anwendungsbereiche der Abtretung

Wirtschaft und Verwaltung

In der Praxis kommt die Abtretung in unterschiedlichen Zusammenhängen zur Anwendung, insbesondere:

  1. Forderungsmanagement und Inkasso: Offene Forderungen aus Warenlieferungen oder Dienstleistungen werden häufig an Inkassounternehmen abgetreten, die diese auf eigenes Risiko eintreiben.
  2. Factoring: Beim Factoring verkaufen Unternehmen ihre Forderungen aus Waren- oder Dienstleistungsverträgen regelmäßig an Factoringgesellschaften, um Liquidität zu gewinnen.
  3. Sicherungsabtretung: Banken verlangen im Rahmen von Kreditvergaben die Sicherungsabtretung von Forderungen gegen Schuldner, um sich gegen das Ausfallrisiko abzusichern.
  4. Unternehmensübertragungen: Bei der Übernahme oder dem Verkauf eines Unternehmens werden häufig auch bestehende Forderungen abgetreten.
  5. Privater Bereich: Im privaten Umfeld können Forderungen beispielsweise im Rahmen von Erbschaften oder Schenkungen abgetreten werden.

Weitere Anwendungsfälle

  • Bau- und Immobilienwirtschaft: Abtretung von Zahlungsansprüchen aus Bauaufträgen zur Sicherung von Baufinanzierungen.
  • Versicherungswirtschaft: Abtretung von Versicherungsleistungen an Dritte, etwa an die finanzierende Bank.
  • Vereins- und Verbandswesen: Übertragung von Ansprüchen aus Mitgliedsbeiträgen oder Spenden.

Voraussetzungen und Formerfordernisse der Abtretung

Voraussetzungen einer wirksamen Abtretung

Die Wirksamkeit einer Abtretung setzt verschiedene Voraussetzungen voraus:

  • Bestehen einer abtretbaren Forderung: Die Forderung darf nicht durch Gesetz oder Vertrag von der Abtretung ausgeschlossen sein.
  • Abtretungsvertrag: Zwischen Zedent und Zessionar muss ein Vertrag geschlossen werden.
  • Formfreiheit: Die Abtretung ist grundsätzlich formfrei möglich, außer das Gesetz oder der zugrunde liegende Vertrag schreiben eine besondere Form vor (z. B. Schriftform bei der Abtretung von Hypotheken).

Abtretungsverbot

Ein Abtretungsverbot kann sich ergeben:

  • Aus dem Gesetz (§ 399 BGB: „Eine Forderung kann nicht abgetreten werden, wenn die Leistung an einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger nicht ohne Veränderung des Inhalts erfolgen kann oder die Abtretung durch Vereinbarung mit dem Schuldner ausgeschlossen ist.“)
  • Aus einer vertraglichen Vereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner

Anzeige und Zustimmung

Für die Wirksamkeit der Abtretung ist die Zustimmung des Schuldners grundsätzlich nicht erforderlich. Die Abtretung entfaltet, sobald sie zwischen Zedent und Zessionar vereinbart wurde, Wirkung. Allerdings empfiehlt sich die Anzeige der Abtretung an den Schuldner (§ 409 BGB), damit der Zessionar in den Schutzbereich des Schuldners einbezogen wird und der Schuldner erfährt, an wen er erfüllen muss. Leistet der Schuldner an den bisherigen Gläubiger, ohne von der Abtretung Kenntnis zu haben, so wird seine Zahlung trotzdem wirksam.

Rechte und Pflichten der beteiligten Parteien

Bei der Abtretung sind in der Regel drei Parteien beteiligt:

  • Zedent: Bisheriger Gläubiger, der die Forderung abtritt
  • Zessionar: Neuer Gläubiger, der die Forderung erwirbt
  • Schuldner: Die Person, gegen die sich die Forderung richtet

Rechte und Pflichten im Überblick:

  • Der Zedent ist berechtigt, die Forderung auf den Zessionar zu übertragen und muss diesen über wesentliche Umstände informieren.
  • Der Zessionar erwirbt die Forderung samt Nebenrechten und kann die Leistung gegenüber dem Schuldner verlangen.
  • Der Schuldner ist zur Leistung an den Zessionar verpflichtet, nachdem ihm die Abtretung angezeigt wurde, behält aber alle Einwendungen und Einreden, die ihm gegen den ursprünglichen Gläubiger zustanden (§ 404 BGB).

Häufige Problemstellungen und Besonderheiten bei Abtretung

Abtretbarkeit von Forderungen

Nicht jede Forderung ist abtretbar. Ein Abtretungsverbot kann ausdrücklich vereinbart werden oder sich aus der besonderen Natur der Forderung ergeben (z. B. persönlichkeitsgebundene Leistungen wie Unterhaltsansprüche).

Mehrfachabtretung

Ist dieselbe Forderung von einem Gläubiger an mehrere Zessionare abgetreten worden, gilt grundsätzlich diejenige Abtretung zuerst, die chronologisch zuerst vollzogen wurde.

Streit um Bestand und Umfang der Forderung

Der Zessionar tritt mit Abtretung in die rechtliche Lage des ursprünglichen Gläubigers ein. Bestehen Einreden oder Einwendungen gegen die Forderung, wirken diese auch gegen den neuen Gläubiger. Daher ist eine gründliche Prüfung vor Annahme einer abgetretenen Forderung ratsam.

Risiken bei der Abtretung von künftigen oder bedingten Forderungen

Auch künftige oder bedingte Forderungen können abgetreten werden, sofern sie bestimmt oder bestimmbar sind. Hier besteht jedoch das Risiko, dass die Forderung letztlich nicht entsteht oder nicht durchsetzbar ist.

Zusammenfassung

Die Abtretung ist ein zentrales Rechtsinstitut im deutschen Schuldrecht, das die Übertragung von Forderungen zwischen Gläubigern regelt. Sie schafft Flexibilität für Wirtschafts- und Alltagsgeschäfte, ermöglicht die Mobilisierung von Forderungen und ist in vielen Lebensbereichen von großer praktischer Bedeutung. Die rechtlichen Grundlagen sowie die Voraussetzungen und Folgen der Abtretung sind im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt. Bei der Abtretung ist zu beachten, dass nicht jede Forderung abtretbar ist, ein vertragliches oder gesetzliches Abtretungsverbot bestehen kann und Einwendungen des Schuldners auch gegenüber dem neuen Gläubiger Gültigkeit behalten.

Hinweise zur Relevanz

Die Abtretung ist insbesondere relevant für Unternehmen, Kreditinstitute, Institutionen der öffentlichen Verwaltung, Inkassounternehmen sowie Privatpersonen im Rahmen von Vertrags- und Erbangelegenheiten. Wer regelmäßig mit Forderungen arbeitet oder sich vor Übertragung von Ansprüchen absichern möchte, sollte die Regelungen und typischen Problemfelder rund um die Abtretung kennen. Eine genaue Prüfung der Abtretbarkeit und der mit der Forderung verbundenen Rechte ist in der Praxis unerlässlich.

Häufig gestellte Fragen

Was versteht man unter einer Abtretung?

Unter einer Abtretung versteht man die Übertragung einer Forderung von einem Gläubiger (Zedent) auf einen neuen Gläubiger (Zessionar). Das bedeutet, dass der ursprüngliche Gläubiger seine Rechte aus einem Vertrag oder Rechtsverhältnis auf eine andere Person überträgt. Die Abtretung ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) in den §§ 398 ff. geregelt. Möglich ist sie grundsätzlich bei allen übertragbaren Forderungen, solange nicht gesetzliche Vorschriften, der Inhalt des Schuldverhältnisses oder vertragliche Vereinbarungen eine Abtretung ausschließen. Für die Wirksamkeit der Abtretung ist kein Zustimmungserfordernis des Schuldners notwendig, allerdings darf durch die Abtretung seine Stellung nicht unzumutbar verschlechtert werden. Die Abtretung muss nicht zwingend schriftlich erfolgen, empfiehlt sich jedoch aus Gründen der Beweisführung. Nach erfolgter Abtretung kann der neue Gläubiger die Forderung im eigenen Namen gegenüber dem Schuldner geltend machen.

Welche Arten von Abtretungen gibt es?

Es gibt verschiedene Arten der Abtretung, die sich vor allem in Bezug auf die Modalitäten und Verwendungszwecke unterscheiden. Eine Unterscheidung erfolgt etwa zwischen der offenen und stillen Abtretung. Bei der offenen Abtretung wird der Schuldner über den Forderungsübergang informiert, bei der stillen Abtretung bleibt ihm dies zunächst verborgen – der Schuldner leistet dann im Regelfall noch an den ursprünglichen Gläubiger, der das Entgelt wiederum an den Zessionar weiterleitet. Zudem gibt es Globalzessionen, bei denen sämtliche gegenwärtige und künftige Forderungen abgetreten werden, meist zur Sicherung eines Kredits. Ebenso ist die Vorausabtretung relevant, insbesondere bei künftigen, zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht bestehenden Forderungen. Schließlich unterscheidet man noch zwischen Sicherungszession (zur Kreditsicherung) und Inkassozession (zur Einziehung von Forderungen).

Welche Voraussetzungen müssen für eine wirksame Abtretung erfüllt sein?

Für die Wirksamkeit einer Abtretung sind verschiedene rechtliche Voraussetzungen einzuhalten. Zunächst muss eine zum Zeitpunkt der Abtretung bestehende oder künftig entstehende Forderung vorliegen, die überhaupt abtretbar ist. Gesetz, Vereinbarung oder die Natur des Schuldverhältnisses dürfen die Übertragung nicht ausschließen. Weiterhin ist ein Abtretungsvertrag zwischen Zedent und Zessionar notwendig. Die Abtretung braucht keine bestimmte Form, kann also auch mündlich erfolgen, es sei denn, für die zugrundeliegende Forderung ist eine bestimmte Form vorgeschrieben (z. B. beim Grundstückskaufvertrag: notarielle Beurkundung). Außerdem dürfen weder das Abtretungsverbot noch ein Zustimmungsvorbehalt verletzt werden. Die Abtretung ist dem Schuldner gegenüber wirksam, sobald sie erfolgt ist, auch wenn er davon zunächst nichts erfährt. Trotz fehlender Anzeigepflicht empfiehlt sich in der Praxis eine sofortige Mitteilung an den Schuldner, um Zahlung an den richtigen Gläubiger zu gewährleisten.

Welche Rechte und Pflichten ergeben sich für den Schuldner nach einer Abtretung?

Für den Schuldner bleibt die Hauptverbindlichkeit im Prinzip unverändert, jedoch ist er nun gegenüber dem neuen Gläubiger – anstelle des ursprünglichen Gläubigers – leistungspflichtig. Nach § 407 BGB hat er jedoch eine Schutzposition: Solange ihm die Abtretung nicht angezeigt wurde, kann er weiterhin mit schuldbefreiender Wirkung an den alten Gläubiger leisten. Ferner kann der Schuldner alle Einwendungen und Einreden, die ihm zum Zeitpunkt der Abtretung gegenüber dem alten Gläubiger zustanden, auch gegenüber dem neuen Gläubiger geltend machen (§ 404 BGB). Hierzu zählen zum Beispiel die Einrede der Verjährung oder Aufrechnungen. Sind mit der Forderung Sicherheiten verbunden, gehen auch diese in der Regel auf den neuen Gläubiger über.

Wann ist eine Abtretung ausgeschlossen?

Eine Abtretung ist ausgeschlossen, wenn das Gesetz dies ausdrücklich vorsieht, etwa bei höchstpersönlichen Forderungen (z. B. familienrechtlichen Unterhaltsansprüchen) oder wenn die Übertragung dem Inhalt nach ausgeschlossen ist. Ebenso kann das grundsätzliche Recht auf Abtretung durch vertragliche Vereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner ausgeschlossen oder an die Zustimmung des Schuldners gebunden werden. Diese Vereinbarung ist allerdings nur zwischen den Parteien wirksam („relatives Abtretungsverbot“) und wirkt gegenüber Dritten nur dann, wenn der Schuldner schutzwürdiges Interesse nachweisen kann (§ 399 BGB).

Welche Bedeutung hat die Anzeige der Abtretung gegenüber dem Schuldner?

Die Anzeige der Abtretung an den Schuldner ist zivilrechtlich für die Wirksamkeit der Abtretung nicht erforderlich, sie ist aber aus praktischen Gründen unerlässlich. Ohne Anzeige weiß der Schuldner nicht, an wen er leisten muss und könnte daher mit schuldbefreiender Wirkung weiterhin an den ursprünglichen Gläubiger zahlen (§ 407 BGB). Erst nach Zugang der Mitteilung muss der Schuldner seine Leistung an den neuen Gläubiger richten. Darüber hinaus kann die Anzeige der Abtretung beispielsweise bei der Kreditsicherung oder im Rahmen des Factorings eine zentrale Rolle für die Transparenz und die Durchsetzung der abgetretenen Forderung spielen.

Welche Risiken bestehen bei einer Abtretung für den neuen Gläubiger?

Der Zessionar trägt das Risiko, dass die abgetretene Forderung tatsächlich besteht, nicht bereits erfüllt, verjährt oder an eine andere Person abgetreten wurde (Doppelabtretung). Ebenso kann es sein, dass der Schuldner Einreden oder Einwendungen gegen die Forderung hat, die sich auch gegen den neuen Gläubiger fortsetzen. Zum Schutz vor diesen Risiken empfiehlt sich eine sorgfältige Prüfung der Forderung und des Abtretungsvertrags. Ferner kann der neue Gläubiger, sofern nicht anders vereinbart, im Falle der Nichtdurchsetzbarkeit der Forderung vom Zedenten Schadensersatz verlangen, wenn dieser schuldhaft eine mangel- oder rechtswidrige Abtretung vorgenommen hat.