Entgeltfortzahlung: Definition, Kontext und rechtliche Grundlagen
Was ist Entgeltfortzahlung?
Die Entgeltfortzahlung bezeichnet die gesetzlich oder vertraglich geregelte Verpflichtung des Arbeitgebers, das Arbeitsentgelt an den Arbeitnehmer auch dann weiterzuzahlen, wenn dieser aufgrund bestimmter Gründe – wie Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit – vorübergehend keine Arbeitsleistung erbringen kann. Sie stellt eine Kernregelung des deutschen Arbeitsrechts dar und dient der sozialen Absicherung von Arbeitnehmern im Falle kurzfristiger Verhinderung.
Allgemeiner Kontext und Relevanz der Entgeltfortzahlung
Entgeltfortzahlung bildet einen wichtigen Bestandteil des Systems sozialer Sicherheit in Deutschland. Sie schützt Arbeitnehmer vor dem plötzlichen oder vorübergehenden Wegfall ihres Einkommens, wenn sie unverschuldet nicht zur Arbeit erscheinen können. Besonders bei Krankheit, aber auch in weiteren, explizit geregelten Situationen, greift die Entgeltfortzahlung, wodurch finanzielle Härten abgefedert werden.
Durch diese Regelung wird sichergestellt, dass Arbeitnehmer nicht aus Angst vor Einkommensverlust zur Arbeit gehen, obwohl sie gesundheitlich dazu nicht in der Lage sind („Präsentismus“), und die gerechte Behandlung im Arbeitsverhältnis gestärkt wird.
Formelle und laienverständliche Definition
Aus arbeitsrechtlicher Sicht bedeutet Entgeltfortzahlung die Zahlung des vertraglich vereinbarten Arbeitsentgelts für eine bestimmte Zeit auch ohne tatsächliche Arbeitsleistung, sofern die Verhinderung auf gesetzlich anerkannte Ursachen zurückzuführen ist. Dies geschieht insbesondere bei vorübergehender Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit, aber auch in weiteren Fällen wie Mutterschaft oder kurzfristiger Arbeitsverhinderung.
Aus Sicht der Alltagssprache handelt es sich um den finanziellen Ausgleich von Lohn oder Gehalt, den Beschäftigte weiterhin erhalten, wenn sie z.B. krankheitsbedingt ausfallen, ohne dass ihnen dadurch ein Einkommensverlust entsteht.
Rechtliche und thematische Perspektiven
Die Entgeltfortzahlung ist in Deutschland im Wesentlichen durch das Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) geregelt. Sie beruht auf dem Grundsatz des Schutzes des Arbeitnehmers im Fall von Arbeitsverhinderung, sofern diese nicht selbst verschuldet ist.
Grundzüge der gesetzlichen Regelungen:
- Gesetzliche Grundlage: Das wichtigste Gesetz ist das Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG). Weitere relevante Bestimmungen finden sich beispielsweise im Mutterschutzgesetz (MuSchG) oder im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB).
- Anspruchsvoraussetzungen: Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht in der Regel, wenn das Arbeitsverhältnis mindestens vier Wochen ununterbrochen bestanden hat (§ 3 Abs. 3 EFZG).
- Höhe der Entgeltfortzahlung: Grundsätzlich entspricht die Höhe der Entgeltfortzahlung dem regelmäßigen Arbeitsentgelt, das der Arbeitnehmer ohne Arbeitsverhinderung erhalten hätte (§ 4 EFZG).
- Dauer der Entgeltfortzahlung: Die maximale Dauer beträgt gewöhnlich sechs Wochen (42 Kalendertage) für denselben Krankheitsfall (§ 3 Abs. 1 EFZG).
- Ausschluss und Einschränkung: Wird die Arbeitsunfähigkeit vom Arbeitnehmer vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt, entfällt in der Regel der Anspruch auf Entgeltfortzahlung (§ 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG).
Wichtige Gesetze und Paragraphen:
- Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG): §§ 1-13 EFZG
- Mutterschutzgesetz (MuSchG): insbesondere §§ 18 ff. MuSchG (Mutterschaftsgeld und Arbeitgeberzuschuss)
- Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): § 616 BGB („vorübergehende Verhinderung“)
Typische Anwendungsbereiche der Entgeltfortzahlung
Die Anwendung der Entgeltfortzahlung erstreckt sich auf unterschiedliche Bereiche:
1. Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit
Der häufigste Anwendungsfall ist die Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit. Arbeitnehmer müssen dem Arbeitgeber unverzüglich die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer mitteilen (§ 5 EFZG). Eine ärztliche Bescheinigung ist in der Regel spätestens am vierten Tag vorzulegen.
2. Mutterschutz
Während bestimmter Mutterschutzfristen erhalten Arbeitnehmerinnen einen Entgeltersatz in Form von Mutterschaftsgeld sowie ggf. Arbeitgeberzuschüsse (§§ 18-20 MuSchG), wodurch im Ergebnis eine Entgeltfortzahlung erfolgt.
3. Arbeitsverhinderung aus persönlichen Gründen
Bei kurzfristigen, unverschuldeten Verhinderungen – beispielsweise bei einer plötzlichen Krankheitsnotlage eines Kindes – kann ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung für eine angemessene Zeit bestehen (§ 616 BGB). Typische Beispiele:
- Krankheit des eigenen Kindes (sofern keine anderweitige Regelung greift)
- Todesfall in der Familie
- Hochzeit oder Geburt eines eigenen Kindes
4. Quarantäne und behördlich angeordnete Maßnahmen
In bestimmten Fällen, etwa bei behördlich angeordneter Quarantäne, kann ebenfalls eine Entgeltfortzahlungspflicht bestehen. Hier greifen je nach Einzelfall das Infektionsschutzgesetz (IfSG) oder die allgemeinen Regeln zur Entgeltfortzahlung wegen Arbeitsverhinderung.
5. Weitere Kontexte
Bei Tätigkeitsverboten (z. B. nach § 31, § 56 IfSG) oder bei Kuren/Reha-Maßnahmen kann unter bestimmten Voraussetzungen eine Entgeltfortzahlung erfolgen.
Exemplarische Übersicht: Fälle von Entgeltfortzahlung
Nachfolgend eine Aufzählung häufiger Konstellationen, in denen das Thema Entgeltfortzahlung zum Tragen kommt:
- Krankheit und Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers
- Schwangerschaft und Mutterschutzfristen
- Pflege eines erkrankten Kindes
- Kur- und Rehabilitationsmaßnahmen
- Persönliche Gründe wie Eheschließung, Todesfall naher Angehöriger oder Umzug (sofern im Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag geregelt)
- Quarantäne oder behördlich angeordnete Maßnahmen
Gesetzliche Verfahren und Pflichten
Sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber unterliegen bestimmten Pflichten rund um die Entgeltfortzahlung:
Arbeitnehmerpflichten
- Unverzügliche Anzeige der Arbeitsunfähigkeit beim Arbeitgeber
- Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
- Mitwirkungspflichten im Falle behördlicher Anordnungen
Arbeitgeberpflichten
- Fortzahlung des Arbeitsentgelts für die gesetzlich vorgesehene Dauer und Höhe
- Information der Krankenkasse im Kontext von Folgeleistungen (Krankengeld)
- Berücksichtigung tariflicher oder einzelvertraglicher Regelungen
Häufige Problemstellungen und Besonderheiten
Im Zusammenhang mit Entgeltfortzahlungen ergeben sich wiederkehrende Herausforderungen:
- Wiederholte Arbeitsunfähigkeiten: Tritt eine erneute Arbeitsunfähigkeit unmittelbar oder in engem zeitlichem Zusammenhang auf, stellt sich die Frage, ob es sich um einen „einheitlichen“ Krankheitsfall handelt oder ein neuer Anspruch auf Entgeltfortzahlung entsteht.
- Probezeit und kurze Betriebszugehörigkeit: In der Wartezeit von vier Wochen nach Beginn eines Arbeitsverhältnisses besteht kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach dem EFZG.
- Ausschlüsse und Sonderfälle: Bei selbst verschuldeter Erkrankung (z. B. Unfall unter Drogeneinfluss) entfällt die Entgeltfortzahlungspflicht.
- Teilzeit- und Minijob-Beschäftigte: Der Anspruch gilt – bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen – auch für Teilzeitkräfte und Minijobber.
Institutionen und Verfahren zur Regelung von Streitigkeiten
Streitigkeiten im Zusammenhang mit Entgeltfortzahlungen werden in der Regel vor den Arbeitsgerichten entschieden. Die Krankenkassen spielen zudem eine Rolle bei Folgeleistungen (etwa Krankengeld nach Auslaufen der Entgeltfortzahlung) und der Kontrolle von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen.
Zusammenfassung: Die wichtigsten Aspekte der Entgeltfortzahlung
Zusammenfassend stellt die Entgeltfortzahlung eine zentrale arbeitsrechtliche Regelung zum Schutz von Arbeitnehmern dar. Sie verpflichtet Arbeitgeber, das Arbeitsentgelt in Fällen vorübergehender, unverschuldeter Arbeitsverhinderung – vor allem bei Krankheit – bis zu sechs Wochen weiterzuzahlen. Grundlagen, Voraussetzungen und Verfahrensweisen sind im Entgeltfortzahlungsgesetz und ergänzenden Gesetzen klar geregelt.
Typische Anwendungsfälle sind Krankheitsausfall, Mutterschutz, Pflege erkrankter Angehöriger oder kurzfristige persönliche Verhinderungen. Sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer sind zu bestimmten Mitwirkungshandlungen verpflichtet, um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten.
Entgeltfortzahlung dient der sozialen Absicherung und verhindert Einkommensausfälle in unverschuldeten Kurzzeitsituationen. Sie ist insbesondere für Arbeitnehmer, aber auch für Personalverantwortliche und Unternehmen von großer Bedeutung, da sie den Umgang mit krankheits- oder persönlichkeitsbedingten Abwesenheiten rechtssicher regelt.
Hinweise zur Relevanz der Entgeltfortzahlung
Die Entgeltfortzahlung ist für folgende Personengruppen besonders relevant:
- Arbeitnehmer:innen in Deutschland, um Rechte und Pflichten im Krankheitsfall zu kennen
- Arbeitgeber, Personalverantwortliche und Führungskräfte im Rahmen der Entgeltabrechnung und Personalverwaltung
- Beschäftigte in Teilzeit, Minijobs und befristeten Arbeitsverhältnissen
- Mitglieder von Betriebsräten und Personalräten
Wer regelmäßig mit Beschäftigungsverhältnissen zu tun hat, sollte sich über die aktuelle Gesetzeslage zur Entgeltfortzahlung und deren praktische Umsetzung informieren, um Zahlungsverpflichtungen, Fristen und Anzeigepflichten korrekt zu erfüllen.
Weiterführende Informationen und Gesetzestexte:
- Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG), aktuelle Version: https://www.gesetze-im-internet.de/entgfg/
- Mutterschutzgesetz (MuSchG): 616.html“>https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/616.html
Diese Regelungen erhalten eine fortlaufende Anpassung an gesellschaftliche und arbeitsrechtliche Entwicklungen, weshalb eine regelmäßige Aktualisierung der Kenntnisse zu empfehlen ist.
Häufig gestellte Fragen
Wer hat Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall?
Arbeitnehmer haben grundsätzlich Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, sofern das Arbeitsverhältnis seit mindestens vier Wochen ununterbrochen besteht. Dieser Anspruch ist im Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) geregelt. Hierzu zählen auch Teilzeitkräfte, geringfügig Beschäftigte (Minijobber) und Auszubildende. Voraussetzung ist, dass die Arbeitsunfähigkeit unverschuldet eintritt, sprich: Die Krankheit darf nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig selbst herbeigeführt worden sein, etwa durch risikoreiches Verhalten trotz Warnung. Auch Arbeitsunfähigkeit infolge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit fällt unter die Entgeltfortzahlungspflicht. In besonderen Fällen wie zum Beispiel bei Saison- oder kurzfristig Beschäftigten kann der Anspruch jedoch ausgeschlossen sein.
Wie lange zahlt der Arbeitgeber das Entgelt im Krankheitsfall weiter?
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, dem Arbeitnehmer bis zu sechs Wochen (42 Kalendertage) das regelmäßige Arbeitsentgelt fortzuzahlen. Nach Ablauf dieser Frist endet die Entgeltfortzahlungspflicht des Arbeitgebers und der Arbeitnehmer kann Krankengeld von der gesetzlichen Krankenversicherung beziehen. Erkrankt der Arbeitnehmer während der sechs Wochen erneut an derselben Krankheit, verlängert sich die Entgeltfortzahlung nicht – die 6-Wochenfrist gilt pro Krankheit. Tritt eine neue, nicht zusammenhängende Krankheit auf, kann ein neuer Anspruch auf Entgeltfortzahlung entstehen.
Was zählt zum fortzuzahlenden Arbeitsentgelt?
Das fortzuzahlende Arbeitsentgelt umfasst grundsätzlich das regelmäßige Gehalt, das der Arbeitnehmer ohne die Krankheit verdient hätte. Dazu gehören Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit, gegebenenfalls regelmäßig gezahlte Prämien und Provisionen, sowie Sachbezüge (z. B. Firmenwagen oder Unterkunft) und Sonderzahlungen wie Weihnachtsgeld, sofern diese regelmäßig gezahlt werden. Nicht dazu zählen Aufwendungsersatz (z. B. Spesen), Einmalzahlungen und freiwillige Arbeitgeberleistungen, es sei denn, diese werden regelmäßig und verlässlich gewährt.
Müssen Arbeitnehmer dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit melden?
Ja, Arbeitnehmer sind verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Die Krankmeldung sollte idealerweise am ersten Krankheitstag erfolgen. Spätestens ab dem vierten Krankheitstag ist eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) vom Arzt erforderlich, die dem Arbeitgeber vorgelegt werden muss. Der Arbeitgeber hat jedoch das Recht, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung schon ab dem ersten Tag zu verlangen.
Wie verhält es sich mit der Entgeltfortzahlung bei wiederholter Krankheit?
Bei wiederholter Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit entsteht ein neuer Anspruch auf Entgeltfortzahlung erst dann, wenn der Arbeitnehmer mindestens sechs Monate ununterbrochen gearbeitet oder zwölf Monate seit Beginn der ersten Erkrankung vergangen sind. Bei einer erneuten Erkrankung innerhalb der sechs Monate an derselben Krankheit wird die Gesamtdauer der Entgeltfortzahlung auf die 42 Tage pro Krankheit angerechnet. Handelt es sich um unterschiedliche Krankheiten mit zwischenzeitlicher Arbeitsfähigkeit, beginnt gegebenenfalls ein neuer Anspruch.
Gibt es Ausnahmen oder Ausschlusstatbestände vom Anspruch auf Entgeltfortzahlung?
Ja, der Anspruch auf Entgeltfortzahlung kann ausgeschlossen sein, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit vorsätzlich oder grob fahrlässig selbst verursacht, beispielsweise durch Alkoholmissbrauch, Beteiligung an illegalen Autorennen oder andere grob fahrlässige Handlungen. Ebenfalls ausgeschlossen sind Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis noch keine vier Wochen ununterbrochen bestanden hat, sowie kurzfristig oder ausschließlich zur Saison beschäftigte Mitarbeiter, solange dies im Arbeitsvertrag entsprechend festgelegt ist.
Was passiert mit der Entgeltfortzahlung bei einer Krankheit während des Urlaubs?
Erkrankt ein Arbeitnehmer während seines Urlaubs und weist er dies durch eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nach, so werden die durch Krankheit verlorenen Urlaubstage nicht auf den Urlaub angerechnet. In diesem Fall hat der Arbeitnehmer während der Dauer der Krankheit auch Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Die Urlaubstage bleiben bestehen und können zu einem späteren Zeitpunkt genommen werden. Wichtig ist die unverzügliche Information und der Nachweis durch die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gegenüber dem Arbeitgeber.