Definition und Grundlagen des Versorgungsausgleichs
Der Versorgungsausgleich ist ein zentrales Instrument des deutschen Familienrechts, das gemäß §§ 1587 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sowie dem Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG) geregelt ist. Es handelt sich dabei um den Ausgleich von während einer Ehe erworbenen Anwartschaften und Ansprüchen auf Alters- und Invaliditätsvorsorge zwischen den Ehegatten im Falle einer Scheidung oder Aufhebung der Ehe. Ziel des Versorgungsausgleichs ist die gerechte Aufteilung während der Ehe erworbener Rentenanwartschaften, sodass beide Ehepartner eine eigenständige Alterssicherung erlangen können.
Formelle und laienverständliche Definition
Der Versorgungsausgleich stellt eine rechtliche Regelung dar, nach der bei einer Scheidung alle während der Ehezeit erworbenen Rentenansprüche und Ansprüche auf Alters- oder Invaliditätsversorgung zwischen den Ehepartnern gleichmäßig aufgeteilt werden. Grundlegend verfolgt er das Prinzip, dass jeder Ehegatte einen Anspruch darauf hat, an den Versorgungsleistungen teilzuhaben, welche gemeinsam während der Ehe aufgebaut wurden – unabhängig davon, wer diese durch eigene Erwerbstätigkeit erworben hat.
Relevanz und Anwendungsbereiche des Versorgungsausgleichs
Der Versorgungsausgleich ist insbesondere im Zusammenhang mit der Auflösung von Ehen relevant. Er betrifft die Bereiche Recht und Verwaltung unmittelbar und hat durch Auswirkungen auf die Altersvorsorge auch weitreichende Bedeutung für die private Lebensplanung und Wirtschaft. Ein Ausgleich erfolgt grundsätzlich automatisch im Zuge des Scheidungsverfahrens, sofern keiner der Ehegatten auf den Ausgleich verzichtet oder die gesetzlichen Ausnahmen greifen.
Zu den typischen Konstellationen, in denen der Versorgungsausgleich zur Anwendung kommt, zählen:
- Ehescheidung: Regelfall bei der Auflösung einer Ehe.
- Aufhebung einer Ehe: Seltener Fall, betrifft unzulässige oder nichtige Ehen.
- Wirkung auf die Altersvorsorge: Besonders relevant, wenn ein Ehegatte während der Ehezeit den Haushalt geführt oder Kinder betreut hat und dadurch weniger eigene Ansprüche erwerben konnte.
- Zivile und betriebliche Versorgungssysteme: Ausgleich betrifft nicht nur gesetzliche Rentenansprüche, sondern häufig auch betriebliche und private Zusatzversicherungen.
Gesetzliche Grundlagen und Paragraphen
Das Recht zum Versorgungsausgleich ist im Wesentlichen in folgenden Vorschriften geregelt:
- Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG): Das am 1. September 2009 in Kraft getretene Gesetz ist die zentrale Rechtsgrundlage. Es regelt Ablauf, Umfang und Durchführung des Versorgungsausgleichs.
- §§ 1587-1587o BGB (alte Fassung): Bis 31. August 2009 galten diese Vorschriften. Seither wurde das Versorgungsausgleichsrecht grundlegend reformiert und die entsprechenden Regelungen ins VersAusglG überführt.
- BGB (allgemeine Eherechtsregelungen): Ergänzende Vorschriften zu Scheidung und Auflösung der Ehe.
- Sozialgesetzbuch VI (SGB VI): Regelungen zum Ausgleich von Anwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung.
Zuständig für die Durchführung ist regelmäßig das Familiengericht, das im Scheidungsverfahren auch die Entscheidung über den Versorgungsausgleich trifft.
Konkrete Durchführung des Versorgungsausgleichs
Ablauf und Verfahrensschritte
Das Verfahren des Versorgungsausgleichs vollzieht sich in folgenden Schritten:
- Feststellung der Versorgungsanrechte: Beide Ehegatten müssen Auskünfte über sämtliche während der Ehezeit erworbenen Anrechte zur Alters- und Invaliditätsvorsorge erteilen.
- Bewertung der Anwartschaften: Alle Anrechte werden auf einen einheitlichen Maßstab (Barwert) gebracht, um die Vergleichbarkeit zu gewährleisten.
- Ermittlung des Ausgleichsanspruchs: Anschließend erfolgt die Gegenüberstellung der einzelnen Anrechte beider Ehepartner. Besteht ein Ungleichgewicht, wird dieses durch Übertragung von Rentenanrechten ausgeglichen.
- Durchführung des Ausgleichs: Der übertragende Versorgungsträger richtet für den ausgleichsberechtigten Ehepartner eigene Anrechte ein.
Ausgleichsfähige Versorgungsansprüche
Zu den ausgleichsrelevanten Versorgungsanrechten zählen unter anderem:
- Gesetzliche Renten (Deutsche Rentenversicherung)
- Beamtenversorgung
- Betriebliche Altersversorgung (Pensionsfonds, Unterstützungskassen)
- Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes (VBL)
- Berufständische Altersversorgung (z.B. Ärzteversorgung)
- Private Rentenversicherungen mit Rentenwahlrecht
Nicht ausgeglichen werden zum Beispiel Ansprüche, die bereits vor der Ehe oder nach deren Beendigung erworben wurden, oder gesetzlich ausgeschlossene Kleinstanrechte.
Ausnahmen und Besonderheiten
Vom Versorgungsausgleich ausgenommen sind bestimmte Einzelfälle, darunter:
- Ehezeit unter drei Jahren: Der Versorgungsausgleich findet nur auf Antrag statt.
- Geringfügige Anrechte: Anwartschaften von geringem Wert können ausgeschlossen werden.
- Ausschluss durch Vereinbarung: Die Ehegatten können den Versorgungsausgleich durch notariellen Vertrag ausschließen oder modifizieren, sofern keine unangemessene Benachteiligung eines Partners vorliegt.
Auch das sogenannte „Quasi-Splitting“ findet Anwendung, wenn eine Übertragung von Rentenleistungen auf ein Versorgungssystem des Ausgleichsberechtigten nicht möglich ist.
Häufige Problemstellungen und relevante Besonderheiten
Bei der Anwendung des Versorgungsausgleichs treten typische Fragen und Schwierigkeiten auf, darunter:
- Unvollständige Angaben: Unvollständige oder verspätete Auskünfte führen zu Verzögerungen im Verfahren.
- Unterschiedliche Versorgungssysteme: Die Bewertung von Anrechten verschiedener Systeme ist komplex (z.B. Auslandsrenten, betriebliche Versorgung).
- Verluste durch Übertragung: Teilweise kann es zu Nachteilen für den Ausgleichsverpflichteten kommen, etwa bei bereits laufenden Rentenzahlungen oder steuerlichen Aspekten.
- Nachträgliche Änderungen: Im Einzelfall können Änderungen nach Abschluss des Scheidungsverfahrens erforderlich werden, z.B. bei später aufgedeckten Anrechten.
Beispiele für den Versorgungsausgleich
Beispiel 1:
Ein Ehepaar lässt sich nach 20 Jahren scheiden. Der Ehemann hat während der Ehe 40 Rentenpunkte (gesetzliche Rentenversicherung) erworben, die Ehefrau 10. Im Rahmen des Versorgungsausgleichs werden die während der Ehe erworbenen 50 Punkte addiert und durch zwei geteilt. Jeder erhält 25 Punkte als Grundlage für die Altersrente.
Beispiel 2:
Die Ehefrau war während der Ehe im öffentlichen Dienst tätig und erwirbt eine Betriebsrente, der Ehegatte war selbstständig und hat in eine private Rentenversicherung eingezahlt. Alle Anrechte werden vergleichend bewertet und aufgeteilt. Dabei richtet jeder Versorgungsträger – gesetzlich, betrieblich, privat – für den Ausgleichsberechtigten ein neues, selbständiges Anrecht ein.
Bedeutung und Ziel des Versorgungsausgleichs
Der Versorgungsausgleich verfolgt das Ziel, Unabhängigkeit und Gleichstellung beider Ehegatten nach der Scheidung zu gewährleisten. Damit wird sichergestellt, dass auch Ehepartner mit geringerer oder keiner eigenständigen Altersvorsorge – beispielsweise aufgrund von Kindererziehung oder Haushaltsführung – abgesichert sind. Dieses Prinzip trägt maßgeblich zur sozialen Gerechtigkeit im Familienrecht bei.
Zusammenfassung und abschließende Bewertung
Der Versorgungsausgleich ist ein wesentliches Element der deutschen Scheidungsfolgenregelung. Er gewährleistet, dass während der Ehezeit gemeinsam erworbene Anrechte auf Alters- und Invaliditätsversorgung im Falle einer Scheidung objektiv und fair zwischen den Ehegatten aufgeteilt werden. Die gesetzlichen Regelungen sorgen für eine systematische und nachprüfbare Handhabung, während Ausnahmeregelungen und Verfahrensvorschriften dem Einzelfall Rechnung tragen.
Hinweise zur Relevanz
Der Begriff Versorgungsausgleich ist für folgende Personengruppen und Bereiche besonders relevant:
- Ehegatten, die eine Scheidung planen oder sich in einem Scheidungsverfahren befinden
- Personen, die während der Ehezeit keine oder geringe Rentenanwartschaften erworben haben
- Personen, die bestehende oder geplante Versorgungsanrechte im Hinblick auf eine Eheschließung oder Scheidung absichern möchten
- Institutionen und Träger der gesetzlichen, betrieblichen und privaten Altersvorsorge
- Verwaltungseinrichtungen und Gerichte, die mit Verfahren zur Ehescheidung und Auflösung befasst sind
Regelmäßige Überprüfung und Dokumentation eigener Versorgungsanrechte ist ratsam, um im Falle einer Scheidung eine transparente und zügige Durchführung des Versorgungsausgleichs zu ermöglichen.
Häufig gestellte Fragen
Was ist der Versorgungsausgleich und wann findet er statt?
Der Versorgungsausgleich ist ein Teil des deutschen Familienrechts und regelt im Fall einer Scheidung die Aufteilung der während der Ehezeit erworbenen Ansprüche auf Altersversorgung zwischen den Ehepartnern. Ziel ist es, beide Ehegatten im Hinblick auf die Altersvorsorge möglichst gleichzustellen, da häufig ein Ehegatte, zum Beispiel wegen Kindererziehung oder Teilzeitarbeit, weniger Rentenanwartschaften erwerben konnte. Der Versorgungsausgleich wird grundsätzlich bei jeder Ehescheidung von Amts wegen durchgeführt, das heißt automatisch durch das Familiengericht veranlasst – unabhängig davon, ob die Ehegatten dies wünschen. Ausnahmen gibt es nur bei sehr kurzen Ehen (unter drei Jahren), sofern der Ausgleich nicht ausdrücklich beantragt wird, oder wenn im Ehevertrag ein rechtswirksamer Ausschluss des Versorgungsausgleichs vereinbart wurde.
Welche Ansprüche werden im Versorgungsausgleich berücksichtigt?
Im Versorgungsausgleich werden grundsätzlich sämtliche während der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechte einbezogen, die auf eine Versorgung im Alter oder bei Erwerbsminderung gerichtet sind. Dazu gehören die gesetzliche Rentenversicherung, betriebliche Altersversorgung, private Rentenversicherungen, Beamtenpensionen, berufsständische Versorgungswerke, Riester- oder Rürup-Renten sowie ausländische Versorgungssysteme, sofern eine Durchführung in Deutschland möglich ist. Ansprüche, die bereits vor Beginn oder nach Ende der Ehezeit erworben wurden, bleiben unberücksichtigt. Auch die Zeit, die als Versorgungsausgleichszeitraum zählt, geht meist von Beginn des Monats der Eheschließung bis zum Ende des Monats vor Zustellung des Scheidungsantrags.
Wie läuft das Verfahren zum Versorgungsausgleich ab?
Das Verfahren zum Versorgungsausgleich ist fest an das Scheidungsverfahren gekoppelt. Nach Einreichung des Scheidungsantrags übermittelt das Familiengericht beiden Ehepartnern Fragebögen, in denen sämtliche Versorgungsanrechte offen zu legen sind. Die jeweils zuständigen Versorgungsträger (z.B. Deutsche Rentenversicherung, betriebliche Versorger, Versicherungsunternehmen, berufsständische Kassen) werden vom Gericht angeschrieben und ermitteln die exakten Anwartschaften, die während der Ehezeit erworben wurden. Nach Eingang aller Auskünfte berechnet das Gericht die auszugleichenden Ansprüche und entscheidet in einem Beschluss über den Versorgungsausgleich. Dieser Beschluss wird Teil des Scheidungsurteils.
Kann der Versorgungsausgleich ausgeschlossen werden?
Grundsätzlich können Ehegatten in einem Ehevertrag den Versorgungsausgleich ganz oder teilweise ausschließen. Ein solcher Ausschluss muss jedoch notariell beurkundet sein und wird vom Familiengericht im Rahmen der Scheidung auf seine Wirksamkeit überprüft. Das Gericht kann den Ausschluss für unwirksam erklären, wenn dieser eine grobe Benachteiligung eines Ehepartners zur Folge hätte oder sittenwidrig ist. Auch nach einer Trennung kann ein Verzicht auf den Versorgungsausgleich im Rahmen einer Scheidungsfolgenvereinbarung erfolgen, sofern beide Ehepartner zustimmen.
Welche Kosten entstehen beim Versorgungsausgleich?
Die Kosten für den Versorgungsausgleich richten sich nach dem sogenannten Verfahrenswert, der vom Familiengericht festgesetzt wird. Dieser Wert hängt von der Anzahl und dem Wert der auszugleichenden Anrechte ab. Pro Anrecht wird ein Betrag (aktuell i.d.R. 10% des inländischen Rentenanrechts in einem Jahr) zum Verfahrenswert addiert. Daraus berechnen sich die Gerichts- und ggf. Anwaltskosten, die in der Regel von beiden Ehepartnern hälftig getragen werden. Zusätzlich können Gebühren der einzelnen Versorgungsträger für Auskünfte entstehen, die jedoch meist von der Behörde getragen werden.
Was passiert, wenn einer der Ehegatten verstirbt?
Verstirbt ein Ehegatte nach Rechtskraft der Scheidung und Durchführung des Versorgungsausgleichs, bleiben die im Rahmen des Ausgleichs übertragenen Rentenanrechte grundsätzlich bestehen. Stirbt jedoch einer der Ehegatten vor der Rechtskraft der Scheidung oder des Versorgungsausgleichsbeschlusses, wird das Verfahren nicht weitergeführt. Für bestimmte betriebliche oder private Versorgungswerke können Besonderheiten gelten, etwa Rückzahlungen, wenn die ausgleichsberechtigte Person verstirbt, bevor sie Leistungen aus dem übertragenen Anrecht bezieht.
Kann der Versorgungsausgleich nachträglich geändert werden?
Der Versorgungsausgleich kann auf Antrag nachträglich abgeändert werden, wenn sich die tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse, auf denen die ursprüngliche Entscheidung beruhte, wesentlich und dauerhaft geändert haben (Abänderungsverfahren nach § 51 VersAusglG). Dies betrifft insbesondere Fälle, in denen sich die Höhe der ausgeglichenen Anrechte nachträglich deutlich verändert hat, was zum Beispiel durch Rentenreformen, neue Rechtsprechung oder nachträgliche Versorgungslücken der Fall sein kann. Ein solches Verfahren ist jedoch an enge gesetzliche Voraussetzungen gebunden und wird stets vom Familiengericht sorgfältig geprüft.