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Widerruf falscher Aussagen


Widerruf falscher Aussagen: Rechtslage und Bedeutung

Der Widerruf falscher Aussagen ist ein zentraler Begriff des Zivil- und Strafrechts, insbesondere im Bereich des Persönlichkeits- sowie Medien- und Presserechts. Er beschreibt die Rücknahme unwahrer, ehrenrühriger oder rufschädigender Tatsachenbehauptungen, die gegenüber Dritten aufgestellt wurden. Dieser Artikel beleuchtet umfassend die rechtlichen Grundlagen, Formen, Voraussetzungen, Folgen und Besonderheiten des Widerrufs falscher Aussagen.


Definition: Was ist der Widerruf falscher Aussagen?

Ein Widerruf falscher Aussagen bezeichnet die öffentliche Rücknahme und Korrektur einer zuvor behaupteten, objektiv unzutreffenden Tatsache, durch welche die Rechte einer anderen Person verletzt wurden. Ziel des Widerrufs ist die Wiederherstellung des ursprünglichen Ansehens des Betroffenen und die Beseitigung fortdauernder Beeinträchtigungen, die aus der Verbreitung der falschen Information resultieren.


Rechtliche Grundlagen des Widerrufs falscher Aussagen

Zivilrechtliche Regelungen

Im Zivilrecht basiert der Anspruch auf Widerruf falscher Aussagen vorrangig auf Normen zum Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (§ 823 Abs. 1, § 1004 Bürgerliches Gesetzbuch, BGB) sowie ergänzend auf presserechtlichen Vorschriften der Landespressegesetze.

Allgemeines Persönlichkeitsrecht (§ 823 Abs. 1, § 1004 BGB)

Wer durch die Behauptung oder Verbreitung falscher Tatsachen in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt wird, kann nach § 1004 BGB in Verbindung mit § 823 Abs. 1 BGB Unterlassung und Widerruf verlangen. Voraussetzung ist eine unwahre Tatsachenbehauptung, die geeignet ist, das Ansehen oder die soziale Wertschätzung des Betroffenen zu beeinträchtigen.

Widerruf im Medien- und Presserecht

Das Presserecht der Bundesländer regelt spezifisch, dass Betroffene bei falscher Berichterstattung einen Anspruch auf Widerruf oder Gegendarstellung gegenüber dem Medium haben. Die Landespressegesetze sehen für Zeitungen, Zeitschriften und Rundfunkanstalten entsprechende Verpflichtungen vor, soweit durch die Verbreitung von Unwahrheiten Rechte Dritter verletzt wurden.

Form und Art des Widerrufs

Die Form des Widerrufs richtet sich nach dem ursprünglichen Verbreitungsweg der Aussage. In der Regel muss der Widerruf im gleichen Medium, an vergleichbarer Stelle und mit ähnlicher Publizität erfolgen wie die beanstandete Aussage.

Strafrechtliche Aspekte

Auch das Strafrecht kennt Bestimmungen, die den Widerruf falscher Aussagen betreffen:

Falsche Verdächtigung (§ 164 Strafgesetzbuch, StGB)

Wer wider besseres Wissen einen anderen bei einer Behörde oder öffentlich einer rechtswidrigen Tat oder eines sonstigen pflichtwidrigen Verhaltens bezichtigt, kann sich strafbar machen. Ein späterer Widerruf der Aussage kann sich strafmildernd auswirken.

Falsche uneidliche Aussage und Meineid (§§ 153, 154 StGB)

Im Kontext gerichtlicher Aussagen kann der Widerruf einer falschen Aussage in bestimmten Konstellationen strafbefreiend wirken, sofern der Widerruf rechtzeitig (also noch vor Entscheidungsfindung des Gerichts) erfolgt und den Tatbestand der tätigen Reue erfüllt.


Voraussetzungen für einen Anspruch auf Widerruf

Unwahrheit der Tatsachenbehauptung

Grundvoraussetzung für einen Anspruch auf Widerruf ist die Objektivierung der Unwahrheit der verbreiteten Behauptung. Während Werturteile in der Regel nicht widerrufsfähig sind, da sie dem Schutz der Meinungsfreiheit unterliegen, fällt die Verbreitung nachprüfbarer, falscher Tatsachen in den Anwendungsbereich des Widerrufsanspruchs.

Wiederholungs- und Fortsetzungsgefahr

Ein Widerruf kann insbesondere dann verlangt werden, wenn zu befürchten steht, dass die falsche Aussage weiterhin geglaubt, aufgegriffen oder erneut verbreitet wird. Hierbei kommt dem präventiven Schutzgedanken eine wichtige Rolle zu.

Beeinträchtigung rechtlich geschützter Interessen

Erforderlich ist zudem, dass durch die falsche Aussage das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das Recht am eigenen Bild, das Recht auf Ehre oder ein vergleichbares Rechtsgut des Betroffenen verletzt wurde.


Rechtsfolgen und Durchsetzung des Widerrufs

Anspruchsdurchsetzung

Die Durchsetzung des Widerrufsanspruchs erfolgt regelmäßig außergerichtlich durch Abmahnung, sodann notfalls gerichtlich im Wege einer Klage auf Widerruf. Dabei ist das praktische Vorgehen maßgeblich von der Art der Aussage und dem genutzten Medium abhängig (z. B. Printmedien, Online-Plattformen, Rundfunk).

Umfang und Veröffentlichungspflicht

Dem Widerruf kommt öffentliche Wirkung zu. Um die Rufschädigung zu beseitigen, muss der Widerruf in vergleichbarem Umfang und an gleicher Stelle veröffentlicht werden, wie die ursprüngliche Aussage.

Schadensersatz und Schmerzensgeld

Zusätzlich zum Widerruf können Ansprüche auf Schadensersatz (§ 823 Abs. 1 BGB) oder Geldentschädigung wegen erlittener Persönlichkeitsrechtsverletzung geltend gemacht werden, sofern durch die Falschbehauptung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist.


Besondere Aspekte und Abgrenzungen

Widerruf und Gegendarstellung

Während der Widerruf die Rücknahme und Korrektur falscher Tatsachen bedeutet, regelt die Gegendarstellung das Recht auf Präsentation einer abweichenden Sichtweise des Betroffenen. Beide Instrumente dienen dem Persönlichkeitsschutz, erfüllen jedoch unterschiedliche Zwecke.

Unterscheidung zwischen Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerung

Nicht jede problematische Äußerung ist widerrufsfähig. Werturteile, bei denen der Wahrheitsgehalt nicht objektiv feststellbar ist, fallen regelmäßig unter die Meinungsfreiheit nach Art. 5 Grundgesetz und begründen nur ausnahmsweise einen Widerrufsanspruch – etwa bei Formalbeleidigungen oder Schmähkritik.


Praxisbeispiele und Rechtsprechung

Die Rechtsprechung hat dem Widerruf falscher Aussagen umfangreiche Leitlinien gegeben. Die Gerichte stellen insbesondere auf die nachhaltige Rufbeeinträchtigung und die konkrete Reichweite der beanstandeten Äußerung ab. Sobald feststeht, dass eine unwahre, rufschädigende Tatsachenbehauptung öffentlich gemacht wurde, ist das betroffene Medium zur Veröffentlichung eines Widerrufs verpflichtet.


Zusammenfassung

Der Widerruf falscher Aussagen ist ein bedeutsames Instrument im deutschen Rechtsstaat, um nachweisbar unwahre und rufschädigende Tatsachenbehauptungen zu korrigieren und die Rechte des Betroffenen zu schützen. Die rechtlichen Vorgaben umfassen Regelungen des Zivil-, Presse- und Strafrechts. Der Anspruch ist an enge Voraussetzungen gebunden und zielt auf eine vollständige Beseitigung der fortdauernden Wirkungen der beanstandeten Aussage. Im Rahmen der Abwägung von Ehrenschutz und Meinungsfreiheit bieten Rechtsprechung und Gesetzgebung umfassenden Schutz vor rufschädigenden Falschbehauptungen.


Weiterführende Begriffe:

  • Persönlichkeitsrecht
  • Unterlassungsanspruch
  • Gegendarstellung
  • Presserecht
  • Schadensersatz bei Persönlichkeitsrechtsverletzung

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für einen Widerruf falscher Aussagen vorliegen?

Ein Widerruf falscher Aussagen setzt grundsätzlich voraus, dass eine tatsächlich unwahre Tatsachenbehauptung öffentlich bzw. gegenüber Dritten getätigt wurde. Die Aussage muss objektiv nachweislich falsch und geeignet sein, Rechte oder den Ruf eines Dritten zu beeinträchtigen. Der Betroffene muss zudem ein berechtigtes Interesse am Widerruf haben, beispielsweise weil seine Persönlichkeitsrechte, seine berufliche Reputation oder sonstige schützenswerte Rechtspositionen verletzt wurden. Die rechtlichen Grundlagen für den Widerruf liegen im deutschen Zivilrecht, insbesondere im Deliktsrecht (§ 823 BGB) sowie im allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. § 1004 BGB analog). Für die Durchsetzung ist keine vorangehende Abmahnung zwingend erforderlich, sie ist jedoch üblich. Der Widerruf kann sowohl gerichtlich als auch außergerichtlich gefordert und durchgesetzt werden.

Wer ist zur Abgabe eines Widerrufs verpflichtet?

Zur Abgabe eines Widerrufs ist grundsätzlich derjenige verpflichtet, der die falsche Tatsachenbehauptung aufgestellt oder verbreitet hat. Dies betrifft nicht nur den ursprünglichen Urheber der Aussage, sondern nach der sogenannten Störerhaftung auch Personen oder Institutionen, die die falsche Aussage weiterverbreiten, sofern sie sich diese zu eigen machen oder für die Verbreitung verantwortlich sind (z. B. Presse, Online-Plattformen). Die Verpflichtung zum Widerruf kann sich zudem auf Medienunternehmen oder Arbeitgeber erstrecken, wenn sie deren Plattform für die Veröffentlichung genutzt haben und kein ausreichender redaktioneller Prüfmechanismus bestand. Für Medien gilt im Rahmen der journalistischen Sorgfaltspflicht (§ 57 RStV, § 12 Pressekodex), dass erkannte Falschdarstellungen zu widerrufen und zu korrigieren sind.

Welche Fristen gelten für die Geltendmachung eines Widerrufs?

Für die Geltendmachung eines Widerrufs gibt es keine besondere gesetzliche Ausschlussfrist; sie unterliegt jedoch den allgemeinen zivilrechtlichen Verjährungsfristen. Ansprüche aus unerlaubter Handlung (z. B. § 823 BGB) verjähren regulär nach drei Jahren ab Kenntnis von der Person des Pflichtigen und der Falschbehauptung (§ 195, § 199 BGB). Ein schnelles Tätigwerden ist allerdings ratsam, da eine langfristige, widerspruchslose Hinnahme der Aussage als konkludente Einwilligung verstanden werden kann und ein Widerrufsinteresse entfallen kann. Gegenüber Medien sind zudem die presserechtlichen Gegendarstellungsansprüche oft an sehr kurze Fristen gebunden (meist wenige Wochen nach Veröffentlichung).

Wie muss ein Widerruf formal gestaltet und verbreitet werden?

Der Widerruf muss inhaltlich eindeutig, unmissverständlich und öffentlichkeitswirksam erfolgen. Die frühere falsche Behauptung sollte umfassend richtiggestellt werden, mit einem klarem Bezug zur ursprünglichen Aussage. Er soll im selben Medium und in ähnlicher Form (z. B. auf derselben Internetseite oder Zeitungsrubrik, in welchem der Fehler erschien) veröffentlicht werden, um die Öffentlichkeit ebenso zu erreichen wie die ursprüngliche Falschinformation. Der Umfang des Widerrufs richtet sich nach Art und Reichweite der Erstveröffentlichung; je größer diese war, desto umfassender und transparenter muss der Widerruf erfolgen. Der Betroffene kann die genaue Art und Weise in Form eines Textvorschlags konkretisieren, der Beklagte muss jedoch nicht wörtlich diesem Vorschlag folgen, solange der Widerruf objektiv ausreichend klar und geeignet ist, den streitigen Sachverhalt richtigzustellen.

Welche rechtlichen Folgen hat die Nichtbefolgung einer Widerrufsaufforderung?

Ignoriert der Verursacher einer falschen Aussage eine berechtigte Widerrufsaufforderung, kann der Geschädigte seinen Anspruch gerichtlich durchsetzen. Das Gericht kann im Wege des Unterlassungs- und Widerrufsbegehrens einen Titel erlassen, wonach der Verantwortliche den Widerruf öffentlich abzugeben hat; bei Zuwiderhandlung drohen Ordnungsgeld oder Ordnungshaft (§§ 890, 891 ZPO). Zusätzlich kann die andauernde Verbreitung der falschen Behauptung weiterhin eine laufende Verletzung darstellen, sodass Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden können, insbesondere immaterieller Art (z. B. Ersatz für erlittene Rufschädigung nach § 823 Abs. 1 BGB, ggf. § 1004 BGB analog).

Unterscheidet sich der Widerruf von der Gegendarstellung oder der Richtigstellung?

Im rechtlichen Sinn bezeichnet der „Widerruf“ die förmliche Rücknahme und öffentliche Korrektur einer unwahren Tatsachenbehauptung durch den Ursprungstäter. Die Gegendarstellung ist hingegen ein spezieller presserechtlicher Anspruch (nach Landespressegesetzen), bei dem der Betroffene verlangen kann, dass seine eigene, gegenteilige Aussage veröffentlicht wird, unabhängig davon, ob die Erstbehauptung objektiv falsch war oder nicht. Die „Richtigstellung“ wird meist auf redaktionelle Initiative vorgenommen, wenn ein Medium von sich aus errors eingesteht und korrigiert. Der Widerruf ist im Gegensatz zu den anderen Instrumenten an die objektive Unwahrheit und an das Verschulden der behauptenden Partei geknüpft, während die Gegendarstellung einen formalisierten und schnellen Schutz bietet, ohne dass zunächst ein Verschulden festgestellt werden muss.

Welche Kosten können dem Anspruchssteller im Widerrufsverfahren entstehen?

Im Widerrufsverfahren fallen sowohl außergerichtlich als auch im Klageverfahren anwaltliche Gebühren und Gerichtsgebühren an. Wer ohne Erfolg einen Widerruf verlangt oder rechtsmissbräuchlich handelt, muss mit der Kostentragung nach § 91 ZPO rechnen. Erfolgt die Widerrufsabgabe außergerichtlich, muss der Schuldner – sofern er sich im Verzug befindet – die Rechtsanwaltskosten des Gläubigers (§ 286 BGB) erstatten. Im gerichtlichen Verfahren bestimmt sich der Streitwert und somit die Gerichtskosten nach der Intensität des Eingriffs und dem wirtschaftlichen Interesse an der Richtigstellung; bei prominenten oder wirtschaftlich bedeutsamen Sachverhalten können diese Beträge erheblich sein. Ferner können Kosten aus eventuellen einstweiligen Verfügungsverfahren entstehen.