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Strafgedinge


Begriff und Definition des Strafgedinges

Das Strafgedinge ist ein historischer Begriff aus dem deutschsprachigen Rechtsraum, der sich auf die besondere Gerichtssitzung oder Gerichtsversammlung bezieht, die der Ahndung strafbarer Handlungen diente. Insbesondere im Mittelalter und der frühen Neuzeit wurde das Strafgedinge im Gegensatz zum sogenannten „Zivilgedinge“ oder „Dinggericht“ abgehalten, welches die Regelung zivilrechtlicher Angelegenheiten zum Gegenstand hatte. Der Begriff wird heute nahezu ausschließlich in der rechtsgeschichtlichen Forschung genutzt, hat jedoch für das Verständnis der Entwicklung des Strafverfahrensrechts zentrale Bedeutung.

Historische Entwicklung des Strafgedinges

Ursprung im mittelalterlichen Recht

Das Strafgedinge findet seinen Ursprung in den Versammlungen frühmittelalterlicher Stammesgerichte (Ding) im Rahmen der germanischen Rechtsordnung. Ursprünglich war das Ding eine allgemeine Gerichts- und Volksversammlung, die sowohl öffentlich-rechtliche als auch zivilrechtliche Aufgaben wahrnahm. Mit der Differenzierung und Spezialisierung der Gerichtsbarkeiten entwickelte sich das Strafgedinge als gesonderte Zusammenkunft, die ausschließlich der Beurteilung und Verfolgung strafbarer Handlungen vorbehalten war.

Abgrenzung zu anderen Gerichtstagen

Das Strafgedinge unterschied sich von anderen Gerichtstagen wie etwa dem Landgeding oder Zivilgedingen in seiner ausschließlichen Zuständigkeit für Delikte. Während bei anderen Gerichtstagen über Eigentumsstreitigkeiten, Nachbarschaftsfragen oder Erbrechtskonflikte entschieden wurde, lag der Fokus beim Strafgedinge auf der Verfolgung von Unrechtstatbeständen (z.B. Diebstahl, Raub, Totschlag). Mitunter wurde das Strafgedinge auch als Hochgericht bezeichnet, insbesondere wenn es um Kapitalverbrechen und schwerste Vergehen ging.

Entwicklung während der Landfriedensbewegungen

Mit der Entstehung der Landfriedensbewegungen und der Durchsetzung herrschaftlicher Rechte gewannen Strafgedinge erheblich an Bedeutung. Die Veranstaltung dieser Gerichtstage diente nicht nur der Ahndung individueller Straftaten, sondern auch der Abschreckung und Sicherstellung des öffentlichen Friedens. Besonders im Rahmen der Peinlichen Gerichtsbarkeit („peinliches Gericht“) hatte das Strafgedinge eine zentrale Funktion.

Typische Struktur und Ablauf eines Strafgedinges

Zusammensetzung des Gerichts

Dem Strafgedinge stand zumeist der Landesherr oder ein von ihm bestellter Richter vor. Ergänzt wurde das Gericht durch Schöffen, die als urteilende und beratende Laienrichter fungierten. Die Anzahl der Schöffen variierte je nach Gebiet und Zeit.

Verfahren und Verhandlungsablauf

Das Verfahren vor dem Strafgedinge war in vielen Bereichen des deutschsprachigen Raums geprägt von der Mündlichkeit und dem Grundsatz der Öffentlichkeit. Die Beschuldigten wurden entweder auf Anzeige (Anklage) oder von Amts wegen vor das Strafgedinge geladen. Das Verfahren beinhaltete die Anhörung der Parteien, Zeugenaussagen, ggf. einen Eid oder das Gottesurteil (Ordal), und die abschließende Urteilsfindung durch das Gerichtskollegium.

In der Praxis waren die Verfahren häufig stark formalisiert, insbesondere im Bereich der schweren Kriminalität. Mit der Rezeption des römisch-kanonischen Inquisitionsverfahrens im Spätmittelalter, wurden auch beim Strafgedinge verstärkt schriftliche Protokolle, systematische Untersuchungen und Beweisführung eingeführt.

Strafen und Rechtsfolgen

Die durch das Strafgedinge verhängten Sanktionen richteten sich nach der Schwere der verhandelten Delikte und konnten von Geldbußen (Buße, Wehrgeld) über Leibstrafen bis hin zur Todesstrafe („Halsgerichtsbarkeit“) reichen. Insbesondere bei Kapitalverbrechen war das Strafgedinge häufig das einzige zuständige Gremium, da nur ihm die sogenannte „hohe Gerichtsbarkeit“ zukam.

Rechtsquellen und Normen zum Strafgedinge

Reichweite und Bedeutung in der Rechtsgeschichte

Die Rechtsgrundlagen für das Strafgedinge variierten im Alten Reich erheblich. Sie ergaben sich oftmals aus Landesrechten, Stadtrechten, Gewohnheitsrecht, einzelnen Weistümern oder besonderen Gerichtsordnungen. In einzelnen Regionen wurden Statuten geschaffen, die Ablauf, Zuständigkeit und Kompetenzen des Strafgedinges detailliert regelten.

Einflüsse durch Rezeption und Kodifikation

Mit der Rezeption des römisch-kanonischen Rechts und der zunehmenden Kodifikation im 15. und 16. Jahrhundert (etwa durch die Carolina von 1532, Constitutio Criminalis Carolina), änderte sich die Funktion der Strafgedinge grundlegend. Sie wurden nach und nach von den modern organisierten Strafgerichten abgelöst, wobei einige prozedurale Elemente erhalten blieben.

Bedeutung des Strafgedinges für die Entwicklung des Strafprozessrechts

Das Strafgedinge nimmt in der Entwicklungsgeschichte des mitteleuropäischen Strafprozessrechts eine Schlüsselstellung ein. Es markiert die allmähliche Trennung von Zivil- und Strafgerichtsbarkeit und steht für die Institutionalisierung einer eigenständigen Methode zur Verfolgung und Ahndung von Verbrechen. Viele Grundsätze des heutigen Strafprozessrechts, insbesondere der Öffentlichkeit sowie der Urteilsfindung durch ein plurales Gremium, lassen sich bis zu den Organisationsformen der mittelalterlichen Strafgedinge zurückverfolgen.

Abschließende Bewertung

Das Strafgedinge stellt einen wesentlichen Baustein in der Entwicklung des europäischen Gerichts- und Strafwesens dar. Mit dem Übergang zur frühneuzeitlichen Territorialstaatlichkeit und der Etablierung moderner Gerichtsstrukturen hat der Begriff an praktischer Relevanz verloren, bleibt jedoch für das Verständnis der historischen Genese und Systematik des Strafverfahrensrechts von erheblicher Bedeutung.


Literatur und Quellen:

  • Carl Adolf von Scheurl: Beiträge zur Geschichte des deutschen Strafrechts. Hildesheim 1970
  • Heinrich Brunner: Deutsche Rechtsgeschichte. München 1999
  • Constitutio Criminalis Carolina (1532)
  • Weistümer und Stadtrechte des Mittelalters

Dieser Artikel bietet eine umfassende Übersicht über das historische Strafgedinge, seine Rechtsquellen, Verfahren, Bedeutung und Entwicklung im deutschen Rechtsraum.

Häufig gestellte Fragen

Wann ist ein Strafgeding erforderlich?

Ein Strafgeding ist immer dann erforderlich, wenn eine Straftat zumindest vermutet wird und die Ermittlungsbehörden ein förmliches Verfahren einleiten müssen. Gemäß der deutschen Strafprozessordnung dient das Strafgeding dazu, den Rechtsweg zur Ahndung strafbaren Verhaltens zu eröffnen. Ein solches Verfahren kann von Amts wegen durch die Staatsanwaltschaft, aber auch durch Privatklage angestoßen werden. Dazu gehört die Aufnahme von Ermittlungen, das Erheben einer Anklage und die Durchführung der Hauptverhandlung vor dem zuständigen Gericht. Das Strafgeding sorgt für die Anwendbarkeit prozessualer Rechte und Pflichten, wie etwa das Recht auf Verteidigung, Akteneinsicht und das Verbot der Doppelbestrafung. Darüber hinaus ist für bestimmte Delikte, insbesondere bei Offizialdelikten, ein Strafgeding zwingend vorgeschrieben, wohingegen es bei reinen Antragsdelikten zunächst der Antragstellung durch das Opfer bedarf.

Welche Verfahrensrechte haben die Beteiligten in einem Strafgeding?

Im Strafgeding sind allen Verfahrensbeteiligten zahlreiche Rechte garantiert. Dem Beschuldigten steht das Recht auf rechtliches Gehör, Akteneinsicht und anwaltliche Verteidigung zu. Zudem herrscht das Schweigerecht; niemand muss sich selbst belasten. Opfer einer Straftat können als Nebenkläger auftreten und ebenfalls Akteneinsicht beantragen sowie eigene Anträge stellen. Die Staatsanwaltschaft ist zur Objektivität verpflichtet und muss sowohl belastende als auch entlastende Umstände ermitteln. Das Gericht ist zur Unparteilichkeit und zur gründlichen Sachverhaltsaufklärung verpflichtet. Zudem besteht die Möglichkeit, gegen gerichtliche Entscheidungen Rechtsmittel wie Berufung oder Revision einzulegen. Besonderheit besteht für Zeugen, die auf bestimmte Auskunftsverweigerungsrechte zurückgreifen können, etwa bei Selbstbelastungsgefahr.

Wie läuft das Strafgeding-Verfahren ab?

Das Strafgeding-Verfahren beginnt in der Regel mit einer Strafanzeige oder Strafantrag, woraufhin die Staatsanwaltschaft Ermittlungen einleitet. Nach Abschluss dieser Ermittlungen wird entschieden, ob Anklage erhoben, das Verfahren eingestellt oder weiterer Ermittlungsbedarf erkannt wird. Bei Erhebung der Anklage prüft das Gericht die Zulassung und legt gegebenenfalls einen Hauptverhandlungstermin fest. In der Hauptverhandlung werden Beweise erhoben, Zeugen und Sachverständige angehört und die Beteiligten vernommen. Nach Abschluss der Beweisaufnahme erfolgt das Schlussplädoyer der Staatsanwaltschaft, der Verteidigung und des Angeklagten selbst. Das Gericht verkündet sodann das Urteil, welches wiederum mit Rechtsmitteln angefochten werden kann. Jeder Schritt unterliegt strengen gesetzlichen Vorgaben der Strafprozessordnung.

Welche Entscheidungen kann im Rahmen eines Strafgedings das Gericht treffen?

Das Gericht kann im Strafgeding verschiedene Entscheidungen treffen. Dies reicht von der Eröffnung des Hauptverfahrens über einstweilige Maßnahmen wie U-Haft-Anordnung bis hin zu Entscheidungen in der Hauptverhandlung selbst. Nach Durchführung der Beweisaufnahme ergeht das Urteil, welches einen Freispruch, eine Verurteilung zu einer Strafe oder eine Maßregel der Besserung und Sicherung vorsehen kann. Daneben sind Verfahrenseinstellungen, Zwischenentscheidungen über Beweisanträge oder Aussetzungen der Verhandlung möglich. Nach Verurteilung entscheidet das Gericht auch über etwaige Nebenfolgen, wie Einziehung von Tatmitteln oder Anordnung eines Fahrverbots. In allen Fällen müssen die gerichtlichen Entscheidungen rechtlich begründet und mit Rechtsmitteln überprüfbar sein.

Was unterscheidet ein Strafgeding von anderen gerichtlichen Verfahren?

Das Strafgeding unterscheidet sich von anderen Verfahren, etwa dem Zivil- oder Verwaltungsprozess, durch seinen Fokus auf Straftaten und die Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs. Während im Zivilprozess Rechte und Ansprüche zwischen Privatpersonen geklärt werden, geht es im Strafgeding um die Ahndung rechtswidrigen Verhaltens gegenüber der Allgemeinheit. Das Ermittlungsverfahren wird überwiegend von Amts wegen durch die Staatsanwaltschaft durchgeführt, wobei die Beteiligten spezifisch strafprozessuale Rechte und Pflichten haben. Es gelten besondere Grundsätze, wie der Unschuldsvermutung, dem Legalitätsprinzip und der Möglichkeit, Zwangsmaßnahmen wie Durchsuchungen und Festnahmen anzuordnen.

Unter welchen Voraussetzungen kann ein Strafgeding eingestellt werden?

Ein Strafgeding kann aus verschiedenen formellen und materiellen Gründen eingestellt werden. Formell ist eine Einstellung möglich, wenn etwa kein hinreichender Tatverdacht besteht, der Beschuldigte wegen derselben Tat bereits rechtskräftig freigesprochen wurde oder das Verfahren unverhältnismäßig wäre (Opportunitätsprinzip). Dies kann auch mit oder ohne Auflagen erfolgen, beispielsweise bei geringer Schuld nach § 153 StPO. Materiell erfolgt eine Einstellung oft mangels ausreichender Beweise, bei Verfahrenshindernissen (wie Verjährung) oder wenn das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung nicht gegeben ist. Die Entscheidung darüber trifft im Ermittlungsverfahren die Staatsanwaltschaft, im Hauptverfahren das Gericht, stets unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben des Strafprozessrechts.

Welche Rolle spielt der Verteidiger im Strafgeding?

Der Verteidiger nimmt im Strafgeding eine zentrale Rolle ein: Er wahrt die Rechte des Beschuldigten, wirkt auf die Einhaltung sämtlicher Verfahrensvorschriften hin und sorgt für die bestmögliche Verteidigung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht. Dem Verteidiger obliegt es, Beweisanträge zu stellen, Akteneinsicht zu verlangen, Anträge auf Einstellung des Verfahrens zu stellen oder etwaige Verfahrensfehler zu rügen. Im Hauptverfahren führt er das Schlussplädoyer und kann gegen Entscheidungen Rechtsmittel einlegen. In bestimmten Fällen, insbesondere bei schweren Tatvorwürfen oder tatsächlicher Freiheitsentziehung, ist die Bestellung eines Pflichtverteidigers gesetzlich vorgeschrieben, um das Gebot des fairen Verfahrens zu gewährleisten. Der Verteidiger ist zudem in der Beratung seines Mandanten umfassend zur Verschwiegenheit verpflichtet.