Definition und Bedeutung des Realakts
Der Begriff Realakt ist ein zentraler Bestandteil des deutschen Rechtssystems und bezeichnet ein tatsächliches Handeln mit einer unmittelbaren Rechtswirkung, welches keine ausdrückliche Willenserklärung voraussetzt. Im Unterschied zu Rechtsgeschäften und Verwaltungsakten basiert der Realakt auf einer tatsächlichen Tätigkeit, die von einer natürlichen oder juristischen Person vorgenommen wird und aus der sich rechtliche Folgen ergeben, ohne dass ein auf einen bestimmten Rechtserfolg gerichteter Wille erforderlich wäre.
Abgrenzung des Realakts zu anderen Rechtshandlungen
Realakt versus Rechtsgeschäft
Ein wesentlicher Unterschied zwischen dem Realakt und dem Rechtsgeschäft liegt in der Bedeutung des erklärten Willens. Während Rechtsgeschäfte, etwa Verträge oder Kündigungen, gezielt auf die Begründung, Änderung oder Beendigung eines Rechtsverhältnisses durch eine Willenserklärung ausgerichtet sind, treten beim Realakt Rechtsfolgen ein, ohne dass eine solche ausdrückliche Willenserklärung erforderlich ist. Ein klassisches Beispiel hierfür ist das bloße Entzünden eines Feuers.
Realakt versus Verwaltungsakt
Auch gegenüber dem Verwaltungsakt ist der Realakt abzugrenzen. Verwaltungsakte sind hoheitliche Maßnahmen einer Behörde, die auf die unmittelbare Rechtswirkung gegenüber einer Person oder Sache ausgerichtet sind und regelmäßig mit einer Regelungsabsicht verbunden werden. Realakte der Verwaltung (sog. schlichtes Verwaltungshandeln) hingegen umfassen tatsächliche Handlungen wie die Instandhaltung von Straßen oder die Beförderung einer Person. Hierbei steht das tatsächliche Tun der Behörde im Vordergrund, nicht jedoch die Regelung eines Einzelfalls.
Erscheinungsformen des Realakts im Recht
Zivilrechtliche Realakte
Im Zivilrecht treten Realakte etwa dann auf, wenn jemand eine Sache aus der Hand gibt (z. B. bei der Übergabe eines Gegenstandes gemäß § 929 BGB im Rahmen der Übereignung). Auch das „Begraben einer Leiche“ gilt als Realakt, da hierdurch bestimmte Rechtsfolgen ausgelöst werden, ohne dass auf einen konkreten rechtlichen Erfolg gezielt wird.
Öffentlich-rechtliche Realakte
Im öffentlichen Recht wird zwischen dem regelnden und dem schlicht-hoheitlichen Verwaltungshandeln unterschieden. Schlichtes Verwaltungshandeln manifestiert sich insbesondere bei Handlungen staatlicher Behörden, die konkrete Tatsachenhandlungen ausführen, wie z. B. Abschleppmaßnahmen, Straßenreinigung und Auskunftserteilung.
Realakt in weiteren Rechtsgebieten
Im Strafrecht kann eine echte Handlung als Realakt Rechtsfolgen nach sich ziehen, wenn durch sie tatbestandliche Voraussetzungen eines Straftatbestands erfüllt werden. Im Sozialrecht treten Realakte zum Beispiel bei Maßnahmen wie der Auszahlung von Leistungen auf.
Rechtsfolgen und Bedeutung des Realakts
Rechtliche Wirksamkeit und Folgen
Obwohl beim Realakt keine Willenserklärung notwendig ist, sind mit ihm dennoch rechtliche Konsequenzen verbunden. Ein Realakt kann beispielsweise dazu führen, dass Eigentum an einer beweglichen Sache übertragen wird (Besitzübergabe). Zudem werden Realakte im Verwaltungsrecht teilweise einer gerichtlichen Überprüfung unterzogen, sofern sie in Grundrechte eingreifen oder sich unmittelbar auf die Rechte Betroffener auswirken.
Anfechtbarkeit und Rechtsschutz
Realakte sind grundsätzlich nicht unmittelbar anfechtbar, da sie keine Regelungswirkung im Sinne eines Verwaltungsakts entfalten. Liegt jedoch eine Beeinträchtigung von Rechten durch einen Realakt vor, ist unter Umständen gerichtlicher Rechtsschutz (z. B. im Wege der Leistungsklage oder Unterlassungsklage) möglich. Unterscheidend wirkt hier jedoch stets, ob der Realakt in geeignetem Maße eine rechtserhebliche Beeinträchtigung auslöst.
Beispiele für Realakte
Im Verwaltungsrecht
- Schneeräumung und Straßenreinigung durch kommunale Behörden
- Abschleppen eines widerrechtlich geparkten Fahrzeugs
- Herausgabe von Verwaltungsinformationen
Im Zivilrecht
- Besitzübertragung durch tatsächliche Übergabe einer Sache
- Zerstörung oder Verbrauch eines Gegenstandes
Im Strafrecht
- Herbeiführung eines Taterfolges durch eine körperliche Handlung
- Mitführen verbotener Gegenstände durch eine bewusste Handlung
Relevanz des Realakts in der Rechtswissenschaft
Der Realakt besitzt eine bedeutende Stellung innerhalb des deutschen Rechtssystems, da er wesentliche praktische und dogmatische Fragen aufwirft, insbesondere in Bezug auf den Rechtsschutz bei schlicht-hoheitlichem Verwaltungshandeln sowie bei der Abgrenzung zu anderen Rechtsinstituten. Seine praktische Relevanz zeigt sich sowohl in der Verwaltungspraxis als auch im privaten Rechtsverkehr und bildet daher eine unverzichtbare Kategorie für die Analyse und Einordnung rechtlicher Vorgänge.
Literatur und weiterführende Hinweise
- Erman, BGB, Kommentar, aktuelle Auflage, Leipziger Verlag
- Kopp/Schenke, VwVfG-Kommentar, aktuelle Auflage, Beck Verlag
- Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, aktuelle Auflage, Beck Verlag
Hinweis: Dieser Artikel dient der allgemeinen rechtswissenschaftlichen Information über den Realakt und berücksichtigt die aktuelle Rechtslage sowie anerkannte Literaturquellen.
Häufig gestellte Fragen
Wie unterscheidet sich der Realakt von Rechtsgeschäften und anderen rechtsgeschäftsähnlichen Handlungen?
Ein Realakt ist eine Handlung, bei der ein rechtlicher Erfolg allein durch die tatsächliche Vornahme eines Tuns oder Unterlassens eintritt, ohne dass darauf ein rechtsgeschäftlicher Wille gerichtet ist. Im Gegensatz dazu setzt ein Rechtsgeschäft – etwa ein Vertrag oder eine einseitige Willenserklärung – stets einen auf einen rechtlichen Erfolg gerichteten Willen voraus. Besonders deutlich wird der Unterschied, wenn man den Realakt mit der rechtsgeschäftsähnlichen Handlung vergleicht, bei welcher der Wille zwar ebenfalls nicht auf einen rechtlichen Erfolg gerichtet ist, der Eintritt der Rechtsfolge jedoch vom Gesetz an ein tatsächliches Handeln oder Erklärungen knüpft (z.B. die Anzeige des Zugangs einer Willenserklärung oder die Mahnung). Während die Rechtsfolge beim Realakt unmittelbar durch die tatsächliche Handlung ausgelöst wird – wie beispielsweise der Besitzübergang durch das Übergeben einer Sache – bleibt bei Rechtsgeschäften der Wille auf einen bestimmten rechtlichen Erfolg zentrales Element.
Welche wesentlichen Rechtsfolgen können sich aus einem Realakt ergeben?
Die Rechtsfolgen eines Realakts ergeben sich allein aus dem tatsächlichen Handeln. Typische Beispiele sind der Erwerb des Besitzes nach § 854 BGB durch tatsächliche Erlangung der Herrschaft über eine Sache oder der Eigentumserwerb durch Verarbeitung gemäß § 950 BGB. Beim Realakt ist unerheblich, ob der Handelnde einen rechtlichen Erfolg bezweckt; die Handlung selbst genügt für die Rechtsfolge. Fehlerhafte oder irrtümliche Realakte können allerdings, anders als bei Rechtsgeschäften, regelmäßig nicht wegen Irrtums gemäß §§ 119 ff. BGB angefochten werden. Rechtswidrige Realakte können aber unter bestimmten Voraussetzungen Schadensersatzansprüche oder Rückabwicklungsverhältnisse begründen.
Gibt es Formerfordernisse oder besondere Voraussetzungen für einen Realakt?
Realakte bedürfen in aller Regel keiner bestimmten Form, da sie lediglich faktische Handlungen darstellen. Ausnahmen können sich jedoch aus spezialgesetzlichen Regelungen ergeben, wenn ein Gesetz für die Wirksamkeit der durch den Realakt ausgelösten Rechtsfolge eine besondere Form vorschreibt. Ein Realakt kann grundsätzlich von jedermann vorgenommen werden, sofern keine besonderen gesetzlichen Einschränkungen (beispielsweise Geschäftsunfähigkeit bei Minderjährigen) bestehen. Ein weiteres typisches Merkmal ist, dass der Realakt nicht der Stellvertretung i.S.d. §§ 164 ff. BGB zugänglich ist, da ihm ein rechtsgeschäftlicher Vertreterwille nicht innewohnt.
Welche Beispiele für Realakte sind im deutschen Recht besonders relevant?
Typische Realakte im deutschen Recht finden sich im Zivilrecht, Verwaltungsrecht und Strafrecht. Im Zivilrecht sind dies etwa die Besitzbegründung (§ 854 BGB), die Übergabe im Rahmen der Übereignung beweglicher Sachen (§ 929 S. 1 BGB), die Verarbeitung (§ 950 BGB) und das Finden einer verlorenen Sache (§ 965 BGB). Im öffentlichen Recht zählt insbesondere der Realakt der Verwaltung, wie etwa die räumliche Abschiebung einer Person, die hoheitliche Abriegelung eines Gebäudes durch Polizeikräfte oder die Ingewahrsamnahme einer Person zu den wichtigsten Beispielen. Im Strafrecht kann auch das Begehen einer Tat als Realakt angesehen werden, etwa im Deliktsrecht.
Können Realakte rückgängig gemacht oder rückabgewickelt werden?
Die Rückgängigmachung eines Realakts erfolgt nicht wie bei einem Rechtsgeschäft durch Anfechtung, sondern richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften des Schuldrechts, insbesondere nach Bereicherungsrecht (§§ 812 ff. BGB) oder Deliktsrecht (§§ 823 ff. BGB). Hat der Realakt einen rechtswidrigen oder unberechtigten Eingriff bewirkt, kann der Geschädigte auf Herausgabe oder Schadensersatz klagen. Da der Realakt keine ausdrückliche Willenserklärung enthält, gibt es keine Möglichkeit einer Anfechtung wegen Irrtums. Im Verwaltungsrecht kann eine Behörde einen faktischen Realakt grundsätzlich nicht mit Wirkung ex tunc zurücknehmen, sondern lediglich die entstandene Rechtsfolge durch andere Maßnahmen beenden oder korrigieren.
Ist eine Willenserklärung beim Realakt notwendig oder möglich?
Für die Wirksamkeit eines Realakts ist eine Willenserklärung grundsätzlich nicht erforderlich und in der Regel auch nicht möglich. Der Eintritt der Rechtsfolge hängt einzig und allein von der tatsächlichen Handlung ab. Zwar kann der Handelnde parallel einen bestimmten Willen verfolgen, juristisch relevant ist jedoch nur das tatsächliche Geschehen, nicht die dahinterstehende Willensrichtung. Ausnahmsweise können subjektive Elemente, wie insbesondere Sachherrschaftswillen beim Besitzerwerb, für das rechtliche Verständnis einer Handlung von Bedeutung sein, stellen aber dennoch keinen rechtsgeschäftlichen Willen im eigentlichen Sinne dar.
Kann der Realakt durch Dritte vorgenommen werden? Gibt es Besonderheiten bei der Vertretung?
Im Normalfall ist die Vertretung bei Realakten ausgeschlossen, da diese gerade nicht auf einer rechtsgeschäftlichen Willenserklärung basieren, sondern allein an die tatsächliche Handlung anknüpfen. Ein Dritter kann aber real-handeln und so zum Beispiel für jemand anderen den Besitz an einer Sache begründen, wenn er im „Geschäft für den, den es angeht“ tätig wird. Klassische Stellvertretung nach §§ 164 ff. BGB ist dabei jedoch nicht einschlägig, da kein rechtlicher Vertreterwille für den/die Vertretene(n) erklärt wird. In bestimmten Konstellationen – etwa bei Verwahrern oder Besitzmittlern – kann die Zurechnung dennoch auf tatsächlicher Ebene erfolgen, richtet sich dann aber nach den jeweiligen gesetzlichen Regelungen und nicht nach den Regeln der Vertretung bei Rechtsgeschäften.