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Kindschaftssachen


Begriff und Definition von Kindschaftssachen

Kindschaftssachen sind ein zentraler Begriff des deutschen Familienrechts und umfassen gerichtliche Verfahren, die sich unmittelbar auf die elterliche Sorge, das Umgangsrecht und andere das Kind betreffende Angelegenheiten beziehen. Kindschaftssachen sind im FamFG (Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit) definiert und gehören zu den gerichtlich zu regelnden familiären Angelegenheiten, bei denen das Wohl des Kindes im Vordergrund steht.

Im formellen Sinn bezeichnen Kindschaftssachen solche Streitigkeiten oder Regelungen, die in einem besonderen familiengerichtlichen Verfahren entschieden werden, weil sie den rechtlichen Status und die Lebensverhältnisse eines Kindes betreffen. Laienverständlich umfassen Kindschaftssachen gerichtliche Entscheidungen über Fragen wie das Sorgerecht, Umgangsrecht, die Feststellung oder Anfechtung der Abstammung sowie die Adoption von Kindern.

Die Regelungen zu Kindschaftssachen sind eng mit dem Schutz des Kindeswohls verbunden und finden sowohl im Alltag betroffener Familien, in der gerichtlichen Praxis als auch in verschiedenen Verwaltungskontexten Anwendung.


Rechtliche Einordnung und Relevanz

Kindschaftssachen sind in Deutschland in den §§ 151-170 FamFG näher geregelt. Zentraler rechtlicher Rahmen ist das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), insbesondere die Vorschriften zu elterlicher Sorge (§§ 1626 ff. BGB), Umgangsrecht (§§ 1684 ff. BGB), Abstammungsrecht (§§ 1591 ff. BGB) und Adoption (§§ 1741 ff. BGB). Die Verfahren werden ausschließlich beim Familiengericht geführt.

Gesetzliche Grundlagen

Folgende Vorschriften bestimmen die rechtlichen Rahmenbedingungen:

  • FamFG (Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit), insbesondere §§ 151-170 FamFG
  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), insbesondere §§ 1591 ff., 1626 ff., 1684 ff., 1741 ff.
  • SGB VIII (Sozialgesetzbuch Achtes Buch – Kinder- und Jugendhilfe), u.a. für Mitwirkung des Jugendamts

Das Familiengericht ist bei sämtlichen Kindschaftssachen sachlich zuständig (§§ 23 b GVG, 151 FamFG).


Typische Arten und Sachverhalte von Kindschaftssachen

Kindschaftssachen umfassen eine Vielzahl von Streitigkeiten oder Anträgen, die Kinder und deren rechtliche Beziehungen zu ihren Eltern und anderen Personen betreffen. Zu den zentralen Verfahrensarten zählen:

Übliche Anwendungsbereiche

  • Sorgerecht: Entscheidungen zur Übertragung, Entziehung oder Regelung des Sorgerechts (insbesondere Aufenthaltsbestimmungsrecht, Gesundheitsfürsorge, Vermögenssorge)
  • Umgangsrecht: Regelungen und Streitigkeiten zum Umgangsrecht eines Elternteils oder anderer Bezugspersonen mit dem Kind
  • Herausgabe des Kindes: Verfahren, in denen der Aufenthaltsort des Kindes streitig ist und ein Elternteil die Herausgabe verlangt
  • Abstammungssachen: Feststellung oder Anfechtung der rechtlichen Elternschaft (z. B. Vaterschaftsanerkennung, Vaterschaftsanfechtung)
  • Kindschaftsbezogene Schutzmaßnahmen: Anordnungen zum Schutz des Kindeswohls, z. B. Annäherungsverbote oder Unterbringung in einer Einrichtung
  • Adoptionssachen: Entscheidungen über die Annahme eines Kindes als Kind
  • Übertragung der elterlichen Sorge auf das Jugendamt oder Dritte: beispielsweise in Fällen von Kindeswohlgefährdung (§ 1666 BGB)

Beispielhafte Sachverhalte

  • Nach der Trennung nicht verheirateter Eltern entscheidet das Gericht darüber, bei welchem Elternteil das gemeinsame Kind seinen Lebensmittelpunkt hat.
  • Im Konfliktfall wird geregelt, wann und wie häufig das Kind den nicht betreuenden Elternteil besucht.
  • Das Familiengericht klärt, ob die rechtliche Mutter des Kindes diejenige ist, die es geboren hat; das betrifft vor allem Fälle mit medizinisch unterstützter Fortpflanzung.
  • Im Adoptionsverfahren prüft das Gericht, ob die Voraussetzungen einer Adoption erfüllt sind und das Wohl des Kindes nicht gefährdet wird.

Verfahrensablauf und Institutionelle Beteiligung

Das Verfahren über Kindschaftssachen ist auf die Förderung des Kindeswohls ausgerichtet und folgt den besonderen Regelungen des FamFG. Die Verfahrensbeteiligung und der Ablauf sind klar durch das Gesetz bestimmt.

Grundsätze und Verfahrensbesonderheiten

  • Amtsermittlungsgrundsatz: Das Gericht klärt den Sachverhalt eigenständig und ist nicht an Parteivortrag gebunden. Es kann von Amts wegen Beweise erheben.
  • Unmittelbarkeit: Das Kind wird regelmäßig persönlich angehört.
  • Verfahrensrechtliche Beteiligung: Neben den Eltern wird das Jugendamt beteiligt, bei schwerwiegenden Angelegenheiten auch ein Verfahrensbeistand für das Kind bestellt.
  • Vertraulichkeit und Datenschutz: Kinderschutz steht im Vordergrund, Informationen aus dem Verfahren sind vertraulich zu behandeln.

Beteiligte Institutionen

  • Familiengericht: Zentrale Entscheidungsebene für alle Kindschaftssachen
  • Jugendamt: Beteiligung als sachverständige Behörde mit Stellungnahmepflicht (§ 162 FamFG)
  • Verfahrensbeistand: Unabhängige Interessenvertretung für das Kind im Verfahren (§ 158 FamFG)
  • Gegebenenfalls Sachverständige: Für psychologische Gutachten oder Abstammungsuntersuchungen

Ablauf eines typischen Kindschaftssachen-Verfahrens

  1. Antragstellung durch Elternteil oder sachbefugte Behörde
  2. Anhörung der Beteiligten, insbesondere des Kindes (altersabhängig)
  3. Stellungnahme des Jugendamts
  4. Ggf. Einholung von Gutachten
  5. Entscheidung durch das Familiengericht, häufig mit Möglichkeit der Beschwerde ans Oberlandesgericht

Häufige Problemstellungen und Besonderheiten

Kindschaftssachen zeichnen sich durch eine hohe Konfliktdichte und Komplexität aus. Das Kindeswohl ist das überragende Entscheidungsprinzip, weshalb besondere Sorgfalt gefordert ist. Typische Probleme sind:

  • Streitigkeiten um das Aufenthaltsbestimmungsrecht, insbesondere nach Trennung oder Scheidung
  • Entfremdung eines Elternteils durch den anderen (sogenanntes Eltern-Kind-Entfremdungssyndrom)
  • Beeinträchtigung des Umgangsrechts, z. B. durch wiederholte Missachtung gerichtlicher Anordnungen
  • Erforderlichkeit eines Gutachtens bei unklaren pädagogischen oder psychologischen Sachverhalten
  • Zeitlicher Druck, insbesondere bei Gefährdungslagen (Kindeswohlgefährdung nach § 1666 BGB)
  • Schwierigkeiten bei grenzüberschreitenden Kindschaftssachen, etwa nach Entführungen – hier greifen internationale Übereinkommen wie das Haager Kindesentführungsübereinkommen

Eine Besonderheit ist das Prinzip der Kooperationspflicht: Alle Verfahrensbeteiligten sind gehalten, konstruktiv an einer Lösung mitzuwirken, die dem Wohle des Kindes entspricht.


Übersicht: Wesentliche Gesetzliche Regelungen und Institutionen

Zentrale Gesetze und Paragraphen

  • FamFG §§ 151-170 (Kindschaftssachen, insbesondere Definition und Verfahren)
  • BGB §§ 1591 ff. (Abstammung), §§ 1626 ff. (elterliche Sorge), §§ 1684 ff. (Umgang), §§ 1741 ff. (Adoption)
  • SGB VIII (Regelungen zur Beteiligung des Jugendamts)

Wichtige Institutionen

  • Familiengericht als sachlich und örtlich zuständige Instanz
  • Jugendamt als Beteiligte sowie fördernde und unterstützende Stelle
  • Verfahrensbeistände für die unabhängige Interessenvertretung der Kinder

Zusammenfassung und Relevanz von Kindschaftssachen

Kindschaftssachen sind gerichtliche Verfahren, die das rechtliche Verhältnis zwischen Kindern und Eltern oder weiteren Bezugspersonen sowie das Wohl des Kindes betreffen. Sie nehmen einen besonderen Stellenwert im Familienrecht ein und unterliegen spezifischen gesetzlichen Regelungen, die das Verfahren und den Schutz des Kindeswohls gewährleisten.

Typische Verfahren drehen sich um die elterliche Sorge, das Umgangsrecht, Fragen der Abstammung oder Adoption. Die Verfahren sind sachlich dem Familiengericht zugeordnet und binden regelmäßig das Jugendamt sowie gegebenenfalls einen Verfahrensbeistand ein. Die gesetzlichen Grundlagen finden sich vor allem im FamFG und im BGB.

Besondere Beachtung wird der Sicherung des Kindeswohls und der Einbeziehung des Kindes ge­schenkt. Problematisch sind oft die emotionale Belastung, der Zeitdruck bei Gefährdungslagen sowie die Vielzahl der betroffenen Interessen. Die Verfahren sind darauf ausgerichtet, einvernehmliche und tragfähige Lösungen unter allen Beteiligten zu befördern.

Hinweise zur Relevanz

Kindschaftssachen betreffen insbesondere Eltern, die sich in Trennung oder Scheidung befinden, Personen, die Abstammungs- oder Adoptionsfragen klären möchten, sowie Behörden und Institutionen im Bereich Kinderschutz. Sie sind für alle relevant, denen das Wohl und die Rechte von Kindern in gerichtlichen Verfahren am Herzen liegen oder die mit kindesbezogenen Rechtsstreitigkeiten konfrontiert sind.


Kindschaftssachen sind damit ein essentielles Element des Familienrechts und spielen eine bedeutende Rolle beim Schutz und bei der Rechtswahrung von Kindern in verschiedensten familiären und gesellschaftlichen Konstellationen.

Häufig gestellte Fragen

Was sind Kindschaftssachen und welche Verfahren fallen darunter?

Kindschaftssachen sind familiengerichtliche Verfahren, die sich mit den rechtlichen Beziehungen zwischen Kindern und ihren Eltern oder anderen Sorgeberechtigten befassen. Hierzu zählen insbesondere das Sorgerecht, das Umgangsrecht, die Regelung zum Aufenthalt des Kindes, die Kindesherausgabe, Fragen der Abstammung (Vaterschaftsfeststellung oder -anfechtung) sowie die Pflegschaft und Vormundschaft. Ziel dieser Verfahren ist stets das Kindeswohl. Die Familiengerichte prüfen im Rahmen von Kindschaftssachen genau, welche Lösung für das betroffene Kind am besten ist. Die Beteiligung des Jugendamtes ist dabei regelmäßig vorgesehen, da es das Gericht hinsichtlich des Schutzes und der Interessen des Kindes unterstützt.

Wer kann bei einer Kindschaftssache einen Antrag beim Familiengericht stellen?

Grundsätzlich sind antragsberechtigt sämtliche Personen, deren Rechte oder Pflichten durch das Verfahren unmittelbar betroffen werden. Dazu zählen regelmäßig die Eltern eines Kindes, aber auch das Kind selbst, das nach Erreichen eines bestimmten Alters und einer gewissen Reife oder vertreten durch einen Verfahrensbeistand bzw. das Jugendamt auftreten kann. In Ausnahmefällen sind auch andere Bezugspersonen, etwa Großeltern oder Pflegeeltern, antragsberechtigt, wenn sie zum Beispiel ein Umgangsrecht geltend machen oder als Pflegepersonen eingesetzt sind. Das Jugendamt ist in vielen Fällen von Amts wegen beteiligt und kann – etwa bei Kindeswohlgefährdung – von sich aus einen Antrag stellen.

Wie läuft ein Verfahren in Kindschaftssachen typischerweise ab?

Ein Verfahren in Kindschaftssachen wird zunächst durch einen schriftlichen Antrag einer antragsberechtigten Person eingeleitet. Das Familiengericht setzt einen Verhandlungstermin an und hört im Regelfall alle Beteiligten an, wozu auch das betroffene Kind gehört, sofern dessen Alter und Reife es erlauben. Häufig wird ein Verfahrensbeistand – eine Art Anwalt des Kindes – bestellt, um dessen Interessen zu vertreten. Das Jugendamt nimmt an dem Termin teil und gibt eine fachliche Stellungnahme ab. Zusätzlich kann das Gericht Gutachten etwa zu den Erziehungsfähigkeiten der Eltern in Auftrag geben. Ziel ist es, möglichst einvernehmliche Lösungen zu finden, häufig im Rahmen einer gerichtlichen Einigung. Falls dies nicht gelingt, entscheidet das Gericht nach sorgfältiger Abwägung aller vorgelegten Fakten und mit Blick auf das Wohlergehen des Kindes.

Welche Rolle spielt das Jugendamt in Kindschaftssachen?

Das Jugendamt ist in Kindschaftssachen regelmäßig als beteiligte Stelle in das Verfahren einzubeziehen und unterstützt das Familiengericht mit seiner Expertise im Kinderschutz. Es hat die Aufgabe, kostenlos zu beraten und zu vermitteln. Im Verfahren gibt das Jugendamt eine Stellungnahme ab, die sich am Kindeswohl orientiert und sowohl die Lebensumstände als auch die Erziehungsfähigkeiten der betroffenen Personen beurteilt. Es kann selbst als Antragsteller auftreten, wenn eine ernsthafte Gefährdung für das Kind besteht, oder das Gericht anregen, notwendige Maßnahmen zu treffen. Während des gesamten Verfahrens übernimmt das Jugendamt auch eine vermittelnde und unterstützende Funktion, um die Situation für das Kind zu stabilisieren.

Was bedeutet das „Kindeswohl“ und wie wird es festgestellt?

Das Kindeswohl ist der zentrale rechtliche Maßstab in allen Kindschaftssachen und umfasst das gesamte körperliche, geistige und seelische Wohl eines Kindes. Es steht über den Interessen der Erwachsenen. Zur Feststellung des Kindeswohls prüft das Gericht sowohl die Kindsituation als auch die Erziehungsfähigkeit der Eltern oder anderer Sorgeberechtigter. Ausschlaggebende Kriterien sind unter anderem die Bindungen des Kindes, die Förderung und Erziehung, die Kontinuität der Lebensverhältnisse sowie der Schutz vor Gefahren. Häufig werden hierzu Berichte des Jugendamts, Aussagen der Eltern und des Kindes, sowie ggf. familienpsychologische Gutachten herangezogen.

Kann ein Kind selbst im Verfahren angehört werden?

Ja, das Gericht wird das Kind grundsätzlich persönlich anhören, sofern dies dem Entwicklungsstand des Kindes entspricht und es älter als etwa drei Jahre ist. Die Anhörung erfolgt in einem kindgerechten Rahmen, oft ohne die Eltern, und kann auch durch eine/n Verfahrensbeistand/in begleitet werden. Dabei kann das Kind seine Wünsche äußern, die das Gericht bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt – auch wenn das Gericht nicht an diese Wünsche gebunden ist, sondern das Kindeswohl immer an oberster Stelle steht.

Kann eine Entscheidung in Kindschaftssachen später geändert werden?

Ja, Entscheidungen in Kindschaftssachen sind nie unabänderlich. Sie können immer dann geändert werden, wenn sich die zugrunde liegenden tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse maßgeblich geändert haben und die Änderung dem Wohl des Kindes dient. Ein erneuter Antrag beim Familiengericht ist in solchen Fällen möglich. Typische Beispiele sind Umzüge, gravierende Entwicklungsveränderungen beim Kind oder neue Partnerschaften der Eltern, die Einfluss auf das Sorgerecht oder das Umgangsrecht haben.

Wer trägt die Kosten eines Kindschaftsverfahrens?

In Kindschaftssachen trägt in der Regel jede Partei ihre eigenen Anwaltskosten selbst. Gerichtskosten werden teilweise vom Staat übernommen, ein Vorschuss kann jedoch vom Antragsteller verlangt werden. Bei schwieriger finanzieller Lage kann Verfahrenskostenhilfe beantragt werden, die die Gerichtskosten und gegebenenfalls auch die Anwaltskosten ganz oder teilweise übernimmt. Das Verfahren selbst soll möglichst niederschwellig und im Sinne des Kindeswohls nicht durch Kostenbelastungen der Beteiligten erschwert werden.