Begriff und Bedeutung des Eigenwirtschaftlichen Interesses
Der Begriff „Eigenwirtschaftliches Interesse“ ist ein rechtlich relevanter Terminus, der in verschiedenen Bereichen des deutschen und europäischen Rechts Anwendung findet. Er bezeichnet das individuelle Bestreben einer natürlichen oder juristischen Person, eigene wirtschaftliche Vorteile zu verfolgen oder zu sichern. Das eigenwirtschaftliche Interesse kann erhebliche Bedeutung für die Begründung, den Umfang sowie die Begrenzung von Rechten, Pflichten und rechtlichen Verantwortlichkeiten haben. In zahlreichen materiellen und prozessualen Rechtsgebieten ist das eigenwirtschaftliche Interesse ein zentrales Abgrenzungskriterium, insbesondere wenn es um die Frage der Legitimation, Anspruchsberechtigung, Haftungsmaßstäbe und Interessenkollisionen geht.
Rechtliche Grundlagen und Anwendungsbereiche
Zivilrecht
Im Zivilrecht stellt das eigenwirtschaftliche Interesse ein zentrales Kriterium bei der Bestimmung von Anspruchsberechtigungen, Rechtspositionen und bei der Ausgestaltung von Schadensersatzansprüchen dar.
Anspruchsberechtigung
Grundsätzlich steht zivilrechtliche Anspruchsberechtigung einer Person nur dann zu, wenn sie von einer Rechtsgutverletzung selbst betroffen ist, also ein eigenes wirtschaftliches Interesse am Schutz des betroffenen Gutes vorweisen kann. Beispiele dafür sind Eigentums- und Besitzschutz, bei denen der jeweilige Anspruchssteller eigene wirtschaftliche Nachteile durch Eingriffe in seine Rechtsposition geltend machen muss.
Drittschadensliquidation
Ein typischer Anwendungsfall des eigenwirtschaftlichen Interesses ergibt sich in der Drittschadensliquidation: Hier kann eine Person Schadensersatzansprüche gegen einen Schädiger nur dann geltend machen, wenn sie ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Geltendmachung des fremden Schadens hat. In der Regel wird zwischen verdecktem und offenem Geschäft für den, den es angeht, unterschieden, wobei das eigenwirtschaftliche Interesse maßgeblich für die Durchsetzung des Anspruchs ist.
Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA)
Bei der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB) kommt dem eigenwirtschaftlichen Interesse Bedeutung bei der Abgrenzung zwischen unechter und echter Geschäftsführung zu. Wer ein Geschäft aus eigenwirtschaftlichem Interesse führt, aber vorgibt, im Interesse eines anderen zu handeln, kann sich auf die Regeln der GoA nicht berufen.
Gesellschaftsrecht
Im Gesellschaftsrecht dient das eigenwirtschaftliche Interesse der Gesellschafter als Grundlage für die Annahme bestimmter Handlungsbefugnisse und für die Grenzen von Treuepflichten. Insbesondere bei der Geschäftsführung und Vertretung einer Gesellschaft muss das Handeln im Rahmen eines eigenwirtschaftlichen Interesses stehen. Überschreitet ein Geschäftsführer oder Gesellschafter dieses Interesse zugunsten Dritter, kann er gegen gesellschaftsrechtliche Pflichten verstoßen.
Verwaltungsrecht
Im Verwaltungsrecht ist das eigenwirtschaftliche Interesse ein Abgrenzungskriterium für die Anerkennung von subjektiven öffentlichen Rechten, insbesondere im Zusammenhang mit der Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO. Grundsätzlich muss der Kläger geltend machen können, durch den Verwaltungsakt in eigenen Rechten (und damit letztlich in eigenwirtschaftlichen Interessen) verletzt zu sein. Reines Allgemeininteresse oder Drittinteressen begründen grundsätzlich keine Klagebefugnis.
Beispielhaft ist das eigenwirtschaftliche Interesse im Baurecht von Bedeutung, wenn etwa Nachbarn gegen Baugenehmigungen vorgehen möchten. Maßgeblich ist, ob sie in eigenen, durch das öffentliche Baurecht geschützten Rechten betroffen sind.
Wettbewerbsrecht und Kartellrecht
Im Wettbewerbs- und Kartellrecht wird das eigenwirtschaftliche Interesse verwendet, um Klagebefugnisse für Konkurrenten zu legitimieren. Ein Wettbewerber kann etwa im Rahmen der §§ 8 ff. UWG Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche nur dann geltend machen, wenn er als Mitbewerber ein eigenwirtschaftliches Interesse an der Einhaltung von Marktverhaltensregeln hat. Die Geltendmachung erfolgt hierbei nicht zum Schutz des Marktes im Allgemeinen, sondern aus eigener, unmittelbarer wirtschaftlicher Betroffenheit.
Strafrecht
Im Strafrecht kann das Vorliegen eines eigenwirtschaftlichen Interesses bei der Bewertung von Tatbestandsmerkmalen, insbesondere im Korruptionsstrafrecht, bedeutsam sein. So kann etwa der Vorteilsempfang (§ 331 StGB) dann nicht strafbar sein, wenn eine Amtsperson ein Handeln aufnimmt, das im Rahmen eines eigenwirtschaftlichen Interesses steht und kein Bezug zum öffentlichen Amt besteht.
Eigenwirtschaftliches Interesse als Abgrenzungskriterium
Abgrenzung zum Fremdinteresse
Die Abgrenzung zwischen eigenwirtschaftlichem und fremdwirtschaftlichem (oder auch altruistischem) Interesse ist entscheidend, um die Zuordnung von Rechten, Pflichten und Verantwortlichkeiten vorzunehmen. Im Gegensatz zum eigenwirtschaftlichen Interesse verfolgt das Fremdinteresse Vorteile für Dritte. Die genaue Beurteilung ist jeweils anhand des Einzelfalls vorzunehmen und kann im Mehrpersonenverhältnis (z. B. bei Treuhand, Geschäftsbesorgung, Vertretung oder GoA) erhebliche Bedeutung entfalten.
Praktische Fallgruppen
- Treuhandverhältnisse: In Treuhandverhältnissen ist zu klären, ob der Treuhänder überwiegend im Interesse des Treugebers oder im eigenen wirtschaftlichen Interesse handelt.
- Vermögensverwaltungen: Bei Vermögensverwaltern führt ein Überschreiten des eigenwirtschaftlichen Interesses zur Verletzung von Sorgfalts- und Treuepflichten.
- Vertretungstätigkeiten: Handelt ein Vertreter ausschließlich auf fremde Rechnung, liegt kein eigenwirtschaftliches Interesse vor; dieses kann jedoch in Mischverhältnissen auftreten.
Bedeutung des Eigenwirtschaftlichen Interesses in Gesetzgebung und Rechtsprechung
Die Rechtsprechung und Gesetzgebung nehmen vielfach auf den Begriff des eigenwirtschaftlichen Interesses Bezug, um Abgrenzungsfragen, Haftungstatbestände sowie Anspruchsberechtigungen zu klären. Ein eigenwirtschaftliches Interesse begründet häufig die Aktivlegitimation für Klagen und Ansprüche und ist Voraussetzung für die Annahme eines Rechtsverhältnisses. Die Beurteilung erfolgt dabei meist objektiv und unabhängig von der subjektiven Motivation, sofern sich ein klar zuordenbares wirtschaftliches Eigeninteresse feststellen lässt.
Zusammenfassung und rechtliche Bewertung
Das eigenwirtschaftliche Interesse ist ein vielschichtiges, in zahlreichen Rechtsgebieten relevantes Merkmal zur Bestimmung von Rechten, Pflichten und Ansprüchen. Es dient insbesondere der Abgrenzung zum Fremdinteresse, beeinflusst die Anspruchsberechtigung sowie die Klagebefugnis und ist für die Zurechnung von Handlungen und Unterlassungen maßgebend. Aufgrund seiner Querschnittsrelevanz in Gesellschafts-, Zivil-, Verwaltungs- und Wettbewerbsrecht ist die genaue Feststellung und Bewertung des eigenwirtschaftlichen Interesses in jedem Einzelfall unerlässlich. In der Gesetzesanwendung und Rechtsprechung wird dem eigenwirtschaftlichen Interesse daher eine zentrale Rolle beim Schutz individueller wirtschaftlicher Positionen zugemessen.
Siehe auch:
- Treuhand
- Geschäftsführung ohne Auftrag
- Aktivlegitimation
- Mitbewerberklage
- Klagebefugnis
- Drittschadensliquidation
Häufig gestellte Fragen
Wann liegt im rechtlichen Sinne ein eigenwirtschaftliches Interesse vor?
Ein eigenwirtschaftliches Interesse besteht aus rechtlicher Sicht immer dann, wenn eine Handlung, ein Verhalten oder ein Geschäftsvorgang in erster Linie dem eigenen wirtschaftlichen Vorteil der handelnden Person oder Organisation dient. Dies betrifft typischerweise alle Tätigkeiten, die auf die Erzielung von Gewinn, Vermögensmehrung, Kostenersparnis oder auf sonstige materielle Nutzen für die eigene wirtschaftliche Sphäre ausgerichtet sind. Ein eigenwirtschaftliches Interesse wird regelmäßig unterstellt, sobald der Handelnde in einem eigenen wirtschaftlichen Zusammenhang steht, etwa als Unternehmer, Vertragspartei im Wirtschaftsleben oder im Rahmen der Vermögensverwaltung. Ein derartiges Interesse steht insbesondere im Zentrum zahlreicher Rechtsgebiete, wie dem Steuer-, Zivil- oder Wettbewerbsrecht, und bildet häufig die Grundlage für die rechtliche Qualifizierung einer Handlung, etwa im Hinblick auf die Zuständigkeit von Gerichten, die Anwendbarkeit bestimmter Vorschriften oder die Abgrenzung von gemeinnützigen bzw. fremdnützigen Zwecken. Daher kann das Vorliegen eigenwirtschaftlicher Interessen erhebliche Rechtsfolgen, beispielsweise bei Haftungsfragen, Steuerabzugsmöglichkeiten oder bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen, nach sich ziehen.
Wie wird eigenwirtschaftliches Interesse im Steuerrecht berücksichtigt?
Im deutschen Steuerrecht hat das eigenwirtschaftliche Interesse entscheidende Bedeutung, etwa im Rahmen der Unterscheidung zwischen Betriebsausgaben und Privataufwendungen sowie bei der Abgrenzung von Liebhaberei oder der Anwendung bestimmter Steuervorteile. Insbesondere kommt es darauf an, ob eine Handlung überwiegend zur Förderung der eigenen Einkünfte erfolgt oder ob ein fremdnütziges Interesse vorliegt. So sind beispielsweise Aufwendungen nur dann als Betriebsausgaben abziehbar, wenn sie objektiv mit der Erzielung von Einnahmen zusammenhängen und subjektiv im eigenwirtschaftlichen Interesse getätigt werden. Bei gemischt motivierten Ausgaben, also solchen mit sowohl eigen- als auch fremdnützigen Motiven, ist anhand überwiegender Zwecksetzungen zu differenzieren. Gerichte und Finanzämter prüfen dabei regelmäßig, ob die geltend gemachten Ausgaben tatsächlich der wirtschaftlichen Tätigkeit und nicht dem privaten Bereich zugeordnet werden können.
Welche Rolle spielt das eigenwirtschaftliche Interesse im Wettbewerbsrecht?
Im Wettbewerbsrecht ist eigenwirtschaftliches Interesse ein zentrales Abgrenzungskriterium für unternehmerisches Handeln nach § 2 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb). Die Vorschriften des UWG kommen grundsätzlich nur zur Anwendung, wenn Handlungen „zu Zwecken des eigenen oder eines fremden Unternehmens“ – also aus eigenwirtschaftlichem Interesse – erfolgen. Werbemaßnahmen, Verkaufsförderungsaktionen oder geschäftliche Stellungnahmen fallen nur dann in den Anwendungsbereich des UWG, wenn sie darauf gerichtet sind, das eigene oder das wirtschaftliche Interesse eines anderen zu fördern. Reine Gefälligkeiten oder lediglich hoheitliche beziehungsweise caritative Tätigkeiten sind in der Regel ausgenommen, weil es hier an dem erforderlichen eigenwirtschaftlichen Bezug fehlt. Somit bildet das eigenwirtschaftliche Interesse den juristischen Maßstab zur Unterscheidung zwischen geschäftlichem Handeln und bloßen Privat- oder sozialen Aktivitäten.
Welche Bedeutung hat eigenwirtschaftliches Interesse bei der Haftung von Organen juristischer Personen?
Das eigenwirtschaftliche Interesse spielt auch bei der Haftung von Organen juristischer Personen, wie Geschäftsführern oder Vorständen, eine entscheidende Rolle. Nach den Grundsätzen der Organhaftung (§ 43 GmbHG, § 93 AktG) sind Geschäftsleiter verpflichtet, die Belange der Gesellschaft zu wahren und Schaden zu verhindern, sofern kein eigenwirtschaftliches – sondern ausschließlich ein gesellschaftsbezogenes – Interesse verfolgt wird. Wird jedoch im Rahmen der Geschäftsführung ein eigenwirtschaftliches Interesse, zum Beispiel zugunsten der eigenen Person oder eines nahestehenden Dritten, entgegen den Interessen der Gesellschaft verfolgt, kann dies einen Pflichtverstoß und damit persönlich haftungsbegründend sein. In solchen Fällen muss eine sorgfältige Interessenabwägung und Offenlegung erfolgen; andernfalls droht den Organen Schadenersatzpflicht.
Inwiefern ist das eigenwirtschaftliche Interesse bei der Gemeinnützigkeit von Bedeutung?
Die Abgrenzung zwischen eigenwirtschaftlichem und gemeinnützigem Interesse ist für die Anerkennung als steuerbegünstigte Körperschaft (§§ 51 ff. AO) maßgeblich. Eine Körperschaft verfolgt nur dann gemeinnützige Zwecke im Sinne der Abgabenordnung, wenn ihre Tätigkeit selbstlos, ausschließlich und unmittelbar der Allgemeinheit zugutekommt und sie eben nicht primär eigenwirtschaftliche Interessen bedient. Sobald eine Organisation eigene wirtschaftliche Vorteile für ihre Mitglieder oder nahestehende Personen in den Vordergrund stellt, ist die Gemeinnützigkeit ausgeschlossen. Im Falle einer Verletzung dieser Voraussetzung droht die Aberkennung des Gemeinnützigkeitsstatus mit entsprechenden steuerlichen Konsequenzen und Nachforderungen.
Kann ein eigenwirtschaftliches Interesse auch bei öffentlichen Behörden gegeben sein?
Grundsätzlich verfolgen öffentliche Behörden primär hoheitliche Aufgaben und handeln im Allgemeininteresse. In bestimmten Fällen jedoch, insbesondere bei Leistungserbringung auf dem freien Markt (zum Beispiel kommunale Wirtschaftsbetriebe oder öffentliche Ausschreibungen), können Behörden auch mit eigenwirtschaftlichem Interesse tätig werden. Hier stellt sich regelmäßig die Frage, ob die Aktivitäten noch dem öffentlichen Zweck zuzurechnen sind oder ob ein Handeln im Wettbewerb mit privaten Marktteilnehmern und damit ein eigenwirtschaftliches Interesse vorliegt, was zur Anwendung bestimmter handels-, steuer- und wettbewerbsrechtlicher Normen führen kann.
Welche Beweislastregelungen gelten für das Vorliegen eigenwirtschaftlichen Interesses?
Die Beweislast für das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines eigenwirtschaftlichen Interesses obliegt grundsätzlich derjenigen Partei, die daraus rechtliche Konsequenzen ableitet. Im Zivil- und Steuerrecht wird dabei häufig derjenige, der bestimmte Begünstigungen, wie Betriebsausgabenabzug oder Gemeinnützigkeit geltend macht, darlegungs- und beweispflichtig für das Fehlen eines überwiegenden eigenwirtschaftlichen Interesses. Gerichte und Verwaltungsbehörden verlangen regelmäßig objektive Nachweise, wie Verträge, Abrechnungen oder betriebliche Unterlagen, um den tatsächlichen Charakter der jeweiligen Handlung beurteilen zu können. Zeugenaussagen oder rein subjektive Erklärungen reichen hierfür in der Regel nicht aus.