Begriff und Definition des Differenzgeschäfts
Das Differenzgeschäft ist ein Begriff aus dem deutschen Zivilrecht und Kapitalmarktrecht und bezeichnet eine vertragliche Konstruktion, bei der anstelle der Lieferung eines Handelsobjekts der Ausgleichsbetrag zwischen dem vereinbarten und dem tatsächlichen Wert zum Zeitpunkt der Vertragserfüllung gezahlt wird. Der Austausch von Ware oder Währung findet bei dieser Transaktionsart in der Regel nicht statt; vielmehr beschränkt sich das Geschäft auf die Auszahlung oder Vereinnahmung eines Geldbetrags, der sich aus der Differenz zwischen zwei vereinbarten Preisen ergibt. Differenzgeschäfte sind insbesondere bei Finanzinstrumenten wie Wertpapieren, Devisen, Rohstoffen oder Edelmetallen von Bedeutung.
Rechtsgrundlagen des Differenzgeschäfts
Zivilrechtliche Einordnung
Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) findet sich keine ausdrückliche Regelung des Differenzgeschäfts. Die zivilrechtliche Behandlung orientiert sich am allgemeinen Schuldvertragsrecht. Differenzgeschäfte werden nach den Grundsätzen der §§ 145 ff. BGB als gegenseitige Verträge eingeordnet, bei denen die Leistungspflicht auf Zahlung des Differenzbetrags beschränkt ist.
Eine besondere Bedeutung kommt dem Differenzgeschäft im Kontext von Termingeschäften (§ 762 BGB) zu. Nach § 762 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Spiel und Wette rechtlich nicht erzwingbar (Naturalobligation). In Abs. 1 Satz 2 ist geregelt, dass das gleiche für Differenzgeschäfte gilt, bei denen beide Parteien nicht beabsichtigen, den Leistungsgegenstand zu liefern oder abzunehmen, sondern lediglich den Differenzbetrag zu fordern oder zu zahlen.
Abgrenzung zum Termingeschäft
Das klassische Termingeschäft sieht den Erwerb oder die Lieferung eines bestimmten Handelsobjekts zu einem vereinbarten Zeitpunkt vor. Beim Differenzgeschäft besteht hingegen keine Realerfüllungsabsicht, das heißt, die Parteien beabsichtigen von Beginn an lediglich einen Barausgleich. Im rechtlichen Sprachgebrauch werden solche Differenzgeschäfte als „Leveragegeschäfte“, „Spekulationsgeschäfte“ oder „CFDs“ (Contracts for Difference) bezeichnet, wobei es keine vollständige Deckungsgleichheit der Begriffe gibt.
Finanzmarktrechtliche Vorschriften
Wertpapierhandelsgesetz (WpHG)
Das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) und die darauf basierende Verordnung (EU) Nr. 600/2014 (MiFIR) regeln differenzierende Geschäfte hinsichtlich Insiderhandels, Marktmissbrauch sowie der Zulässigkeit und des Anbietens von bestimmten derivativen Produkten. Differenzgeschäfte gelten als Finanzinstrument nach § 2 Abs. 2 Nr. 3 WpHG (Derivative Finanzinstrumente). Dadurch unterliegen sie Markt- und Aufsichtsvorschriften sowie besonderen Transparenz- und Informationspflichten.
Verbot und Beschränkung bestimmter Differenzgeschäfte
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat nach § 4b Wertpapierhandelsgesetz und §§ 15, 20 Produktsinterventionsverordnung die Möglichkeit, bestimmte Differenzgeschäfte wie CFDs mit Nachschusspflicht zu verbieten oder einzuschränken, um Anlegerschutz vor übermäßigen Risiken sicherzustellen. Ein vollständiges Verbot von Differenzgeschäften besteht jedoch nicht. Stattdessen gelten spezifische Anforderungen an Produktgestaltung, Vermarktung und Vertrieb an Privatkunden.
Handels- und steuerrechtliche Aspekte
Im Handelsrecht werden Differenzgeschäfte als Geschäfte mit Bezug zu Finanzinstrumenten (§ 1 HGB i. V. m. § 340 HGB) eingeordnet. Die steuerrechtliche Behandlung erfolgt nach den Grundsätzen der Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG) oder aus gewerblicher Tätigkeit (§ 15 EStG), wenn die Geschäfte planmäßig und in erheblichem Umfang getätigt werden.
Abgrenzung zu ähnlichen Rechtsinstituten
CFD-Geschäft
Der „Contract for Difference“ (CFD) ist ein typisches Differenzgeschäft aus dem angloamerikanischen Rechtskreis. Im deutschen Recht fallen CFDs unter die Definition des Differenzgeschäfts, sofern sie keinen echten Erfüllungswillen hinsichtlich der Lieferung oder Abnahme des Basiswerts vorsehen.
Kassageschäft
Im Gegensatz zum Differenzgeschäft wird beim Kassageschäft der Basiswert sofort beziehungsweise kurzfristig physisch geliefert und bezahlt. Es handelt sich daher nicht um ein Differenzgeschäft im Rechtssinn.
Optionsgeschäft
Ein Optionsgeschäft räumt einer Partei das Recht, aber nicht die Pflicht zum Kauf oder Verkauf eines Basiswerts ein. Möglichkeiten zum Barausgleich können dem Differenzgeschäft ähneln, rechtlich handelt es sich jedoch um eigenständige Vertragsarten.
Rechtliche Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit
Nichteinklagbarkeit gemäß § 762 BGB
Differenzgeschäfte, die den Voraussetzungen des § 762 Abs. 1 Satz 2 BGB entsprechen (keine Liefer- oder Abnahmeabsicht, sondern reiner Barausgleich), sind rechtlich nicht einklagbar. Dies bedeutet, dass aus derartigen Geschäften keine klagbaren Ansprüche erwachsen; freiwillige Zahlungen bleiben jedoch wirksam (§ 762 Abs. 2 BGB).
Ausnahmen und Einschränkungen
Von der Nichteinklagbarkeit ausgenommen sind Differenzgeschäfte, die als Börsentermingeschäfte im Sinne des § 2 Abs. 3 Wertpapierhandelsgesetzes abgeschlossen werden. Solche Geschäfte gelten als rechtswirksam und einklagbar, sofern sie über eine organisierte Börse oder ein multilaterales Handelssystem abgewickelt werden.
Verbraucherschutzrechtliche Aspekte
Anbieter von Differenzgeschäften unterliegen umfangreichen informations- und aufklärungspflichten gegenüber Verbrauchern. Dies betrifft insbesondere Hinweis-, Risiko- und Produktinformation zur Vermeidung unerwünschter Fehlspekulationen und Verlustrisiken.
Praxisrelevanz und Bedeutung
Differenzgeschäfte haben in der Anlagepraxis, insbesondere beim Einsatz von gehebelten Produkten, stark an Bedeutung gewonnen. Sie ermöglichen es, bereits mit geringen Kapitaleinsatz an Kursentwicklungen und Preisdifferenzen zu partizipieren. Aufgrund der Komplexität und hohen Risiken sind Differenzgeschäfte jedoch vorrangig für professionelle Marktteilnehmer vorgesehen. Der Vertrieb an Privatanleger unterliegt in Deutschland strengen regulatorischen Hürden.
Rechtsprechung und Literatur
In der Rechtsprechung wird regelmäßig auf die Nichteinklagbarkeit gemäß § 762 BGB hingewiesen (vgl. BGH, Urteil vom 12.01.1987 – II ZR 186/85). Fachliteratur und Kommentare zu Differenzgeschäften betonen insbesondere die Abgrenzung von spekulativen Geschäften zur erlaubten Termingeschäftspraxis und die Anwendbarkeit aufsichtsrechtlicher Vorschriften.
Zusammenfassung
Das Differenzgeschäft ist ein zivil- und kapitalmarktrechtlich relevantes Vertragsmodell, bei dem ohne Lieferung der Basiswerte lediglich Preisdifferenzen abgerechnet werden. Rechtlich unterliegen Differenzgeschäfte Einschränkungen hinsichtlich der Durchsetzbarkeit (§ 762 BGB), soweit sie nicht als Börsentermingeschäfte gelten. Ihre umfassende Regulierung im Finanzmarktrecht bezweckt insbesondere den Anlegerschutz angesichts hoher Risiken. Differenzgeschäfte sind für professionelle Marktteilnehmer bedeutsam, insbesondere im Bereich von Derivaten und Finanzinnovationen. Die Produktgestaltung, Zulässigkeit und Rechtsfolgen von Differenzgeschäften sind Gegenstand steter Weiterentwicklung durch Gesetzgebung, Finanzaufsicht und Rechtsprechung.
Häufig gestellte Fragen
Welche gesetzlichen Regelungen gelten für Differenzgeschäfte in Deutschland?
Differenzgeschäfte unterliegen in Deutschland vielfältigen gesetzlichen Vorschriften. Grundsätzlich ist der Abschluss und die Ausführung von Differenzgeschäften nach § 37d Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) an besondere Auflagen geknüpft. Den rechtlichen Rahmen bildet zudem das Kreditwesengesetz (KWG), das unter anderem regelt, wer überhaupt zum Angebot und zur Durchführung von Differenzgeschäften berechtigt ist. Nach § 1 Abs. 1a KWG handelt es sich bei Differenzgeschäften um Finanzdienstleistungen, für deren Erbringung eine Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) erforderlich ist. Hinzu kommen Vorschriften der Marktmissbrauchsverordnung (MAR) und der EU-Richtlinie MiFID II, die Transparenz-, Informations- und Wohlverhaltenspflichten vorsehen. Es ist zudem zu beachten, dass die BaFin im Rahmen ihrer Aufsichtsbefugnisse seit August 2017 einen sogenannten Produktinterventionsmechanismus einsetzt, durch den etwa der Vertrieb von Differenzkontrakten (CFDs) an Privatkunden mit Nachschusspflichten in Deutschland verboten wurde. Weitere Beschränkungen können sich aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) ergeben, insbesondere im Zusammenhang mit dem sogenannten Differenzgeschäftsverbot nach § 762 BGB.
Wann sind Differenzgeschäfte rechtlich als Termingeschäfte im Sinne des BGB zu werten?
Differenzgeschäfte gelten rechtlich als Termingeschäfte, wenn sie nicht lediglich spekulativen Charakter aufweisen, sondern darauf abzielen, Differenzbeträge zwischen dem vereinbarten Basispreis und dem tatsächlich erzielten Preis auszutauschen, ohne dass eine tatsächliche Lieferung des Basiswerts erfolgt. Dies entspricht der Legaldefinition des Termingeschäfts nach § 2 Abs. 2 WpHG in Verbindung mit § 762 BGB. Demnach handelt es sich immer dann um Termingeschäfte, wenn mit ihnen ein künftiger Geld- oder Warenwert erreicht werden soll und zumindest eine Vertragspartei ein erhebliches Risiko hinsichtlich der Marktentwicklung übernimmt. Insbesondere bei zwischen nicht-professionellen Marktteilnehmern abgeschlossenen Differenzgeschäften prüft die Rechtsprechung regelmäßig, ob diese gemäß § 762 Abs. 1 BGB als Differenzgeschäftsverbot unwirksam sind, es sei denn, sie werden unter die Ausnahmeregelungen subsumiert.
Unter welchen Voraussetzungen sind Differenzgeschäfte nach § 762 BGB nichtig?
Nach § 762 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Wetten und sogenannte Differenzgeschäfte grundsätzlich nichtig, sofern sie nicht mit einem gewerbsmäßigen Veranstalter abgeschlossen werden. Das bedeutet, Differenzgeschäfte sind immer dann rechtlich unwirksam, wenn sie im privaten Bereich zwischen zwei Beteiligten ohne konzessionierte Vermittlung oder Abwicklung geschlossen werden. Die Nichtigkeit entfällt, wenn mindestens eine Vertragspartei den erlaubnispflichtigen Geschäftsbetrieb – etwa als Bank, Finanzdienstleister oder Börsenhändler – betreibt. Voraussetzung hierfür ist das Vorliegen einer entsprechenden Erlaubnis nach dem KWG beziehungsweise die Beaufsichtigung durch die BaFin. Bei institutionellen Finanzakteuren sowie im Rahmen des organisierten Marktes (z.B. Börsen) unterliegen Differenzgeschäfte dieser Ausnahme und sind damit rechtlich wirksam.
Welche Pflichten haben Anbieter und Vermittler von Differenzgeschäften gegenüber Privatkunden?
Anbieter und Vermittler von Differenzgeschäften unterliegen zahlreichen Pflichten zum Anlegerschutz, insbesondere wenn Privatkunden adressiert werden. Nach dem WpHG und der MiFID II sind umfangreiche Informationspflichten zu beachten. Dazu zählt insbesondere, Kunden über die Funktionsweise des Produkts, die Risiken – etwa das Totalverlustrisiko und mögliche Nachschusspflichten -, sowie Gebührenmodelle umfassend zu informieren. Es besteht eine Pflicht zur Dokumentation und Geeignetheitsprüfung, also die Pflicht, die Angemessenheit und Eignung des Produkts für den jeweiligen Kunden zu überprüfen. Anbieter müssen zudem Warnhinweise und Verluststatistiken offenlegen. Ferner ist das Verbot von Nachschusspflichten bei CFDs für Privatkunden zwingend umzusetzen. Die nationalen Vorgaben hierzu wurden von der BaFin durch Allgemeinverfügungen konkretisiert, die den Vertrieb und die Bewerbung bestimmter Differenzgeschäfte an Privatkunden untersagen oder erheblich einschränken können.
Welche besonderen rechtlichen Risiken bestehen für Privatpersonen bei Differenzgeschäften?
Für Privatpersonen bestehen beim Abschluss von Differenzgeschäften rechtliche Risiken vor allem hinsichtlich der Wirksamkeit des Vertrags und des Schutzes vor Nachschusspflichten. Insbesondere besteht das Risiko, dass ein Differenzgeschäft gemäß § 762 BGB mangels gewerbsmäßigen Gegenparts als nichtig angesehen wird, sodass aus dem Geschäft keine gegenseitigen Ansprüche entstehen. Dies schließt grundsätzlich auch das Rückforderungsrecht für bereits geleistete Zahlungen ein, sofern nicht Ausnahmeregelungen greifen. Ein weiteres Risiko betrifft die Rechtsfolgen aus Insolvenzen des Vertragspartners, beispielsweise bei ausländischen Anbietern, deren Insolvenzrecht nicht dem deutschen Standard entspricht. Schließlich besteht das Risiko, dass aufgrund mangelnder oder fehlerhafter Aufklärung Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden können, wobei die Beweislast häufig beim Privatkunden liegt.
Welche Bedeutung hat eine BaFin-Erlaubnis für die Legalität von Differenzgeschäften?
Die BaFin-Erlaubnis ist eine zentrale Voraussetzung für die rechtliche Zulässigkeit des Angebots und der Vermittlung von Differenzgeschäften. Nur Unternehmen, die über eine Erlaubnis nach dem Kreditwesengesetz oder als Wertpapierinstitut verfügen, dürfen diese Geschäfte anbieten, vermitteln oder durchführen. Ohne eine solche Erlaubnis ist das Anbieten, das Vermitteln und auch die Ausführung von Differenzgeschäften in Deutschland sowohl aufsichtsrechtlich als auch zivilrechtlich unzulässig und kann zur Nichtigkeit der Verträge führen. Zudem drohen bei Fehlverhalten empfindliche Sanktionen, darunter Untersagungsverfügungen, Bußgelder oder strafrechtliche Konsequenzen. Für Kunden ist eine BaFin-Lizenz ein zentrales Sicherheitsmerkmal, das auf die Seriosität und Legalität des Anbieters schließen lässt.
Wie ist der grenzüberschreitende Handel mit Differenzgeschäften aus deutscher Sicht geregelt?
Der grenzüberschreitende Handel mit Differenzgeschäften unterliegt innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) dem Prinzip des EU-Passes. Das bedeutet, dass Anbieter mit Zulassung in einem EU- oder EWR-Mitgliedsstaat nach Anzeige bei der BaFin ihre Dienstleistungen auch in Deutschland legal anbieten dürfen, sofern dies von der jeweiligen Erlaubnis abgedeckt ist. Dennoch gilt deutsches Aufsichtsrecht in bestimmten Punkten ergänzend und insbesondere bei Verbraucherschutzthemen, so dass Anbieter auch die deutschen Produktinterventionsmaßnahmen und Verhaltensregeln beachten müssen. Angebote von Anbietern außerhalb der EU sind in der Regel nicht zulässig, sofern sie sich gezielt an deutsche Kunden richten, und können daher sowohl aufsichts- als auch zivilrechtliche Konsequenzen für Anbieter und Kunden nach sich ziehen.