Legal Lexikon

Deckungskauf


Definition und Grundlagen des Deckungskaufs

Der Deckungskauf ist ein rechtlicher Begriff aus dem deutschen Schuldrecht, der im Zusammenhang mit dem gesetzlichen Schadensersatzanspruch bei Leistungsstörungen im Kaufrecht von wesentlicher Bedeutung ist. Ein Deckungskauf liegt vor, wenn der Käufer einer Ware nach Rücktritt vom Vertrag oder Ablehnung der mangelhaften Leistung die geschuldete Sache anderweitig – etwa von einem Dritten – kauft und die Kosten zur Kompensation seines aufgetretenen Schadens gegen den ursprünglichen Verkäufer geltend macht. Der Deckungskauf stellt damit ein zentrales Instrument der Schadensbegrenzung (Schadensminderung) und -ersatzberechnung im Kaufrecht dar.

Rechtliche Grundlagen des Deckungskaufs

Gesetzliche Verankerung

Die rechtliche Grundlage des Deckungskaufs findet sich insbesondere in §§ 280, 281, 283, 437 Nr. 3, 440 sowie § 326 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch). Er ist dabei eng verknüpft mit dem Schadensersatz statt der Leistung. Im Falle einer Pflichtverletzung des Verkäufers – beispielsweise bei Nichtlieferung, verspäteter Lieferung oder mangelhafter Lieferung – kann der Käufer, nachdem er dem Verkäufer erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt oder diese ausnahmsweise entbehrlich ist, von dem Vertrag zurücktreten und seiner Schadensminderungspflicht nachkommen, indem er einen Deckungskauf ausführt.

Voraussetzungen des Deckungskaufs

Voraussetzung für einen zulässigen Deckungskauf sind insbesondere:

  • Leistungsstörung: Der Verkäufer hat die geschuldete Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß erbracht (zum Beispiel Nichtlieferung, Verzug oder Lieferung einer mangelhaften Sache).
  • Fristsetzung: Der Käufer muss dem Verkäufer grundsätzlich eine angemessene Frist zur Nacherfüllung setzen (§ 281 Abs. 1 BGB), es sei denn, die Fristsetzung ist ausnahmsweise entbehrlich.
  • Rücktritt oder Ablehnung: Der Kunde muss von seinem Rücktrittsrecht Gebrauch machen oder die mangelhafte Leistung endgültig ablehnen.
  • Durchführung des Deckungskaufs: Der Käufer erwirbt eine zwar gleichartige, jedoch oftmals teurere Ware von einem anderen Lieferanten, um seinen Bedarf zu decken.
  • Kausalität und Schadenshöhe: Der durch den Deckungskauf entstandene Mehrbetrag (Deckungskaufpreis abzüglich ursprünglicher Kaufpreis) ist dem Grund nach kausal durch die Pflichtverletzung des Verkäufers verursacht worden.

Rechtliche Wirkung und Anspruchsgrundlage

Der Deckungskauf versetzt den Käufer in die Lage, seinen entstandenen Mehraufwand als Schadenersatz geltend zu machen. Die Anspruchsgrundlage hierfür ist insbesondere § 281 Abs. 1, Abs. 2 i. V. m. § 280 Abs. 1 BGB (bei Verzug oder Nichtleistung) oder § 437 Nr. 3, § 440 BGB (bei Sachmängeln). Die Differenz zwischen dem ursprünglichen Kaufpreis und dem beim Deckungskauf gezahlten höheren Preis stellt den zu ersetzenden Schaden dar.

Beispiel:
Käufer K kauft bei Verkäufer V einen Computer zum Preis von 1.000 Euro. V liefert nicht, trotz Fristsetzung und Rücktritt des K. K kauft einen gleichen Computer bei Händler H für 1.200 Euro. K kann von V den Differenzbetrag von 200 Euro als Schadensersatz verlangen.

Funktionen und Grenzen des Deckungskaufs

Funktionen

  • Schadensbegrenzung: Der Deckungskauf ist ein Mittel zur Schadensminderungspflicht (vgl. § 254 BGB), da dem Gläubiger (Käufer) zugemutet wird, durch raschen Ersatzkauf größere Schäden (z. B. Produktionsausfälle) zu vermeiden.
  • Schadensberechnung: Der tatsächlich gezahlte Kaufpreis beim Deckungskauf dient als objektive Schadensbemessungsgrundlage.

Grenzen

Für die Anerkennung des Deckungskaufs als Schadensersatz beanspruchender Maßnahme gelten bestimmte Grenzen:

  • Angemessenheit des Preises: Der Ersatzkaufpreis darf nicht unangemessen hoch sein; der Geschädigte hat nach § 254 BGB Aufwand und Preis des Ersatzkaufs auf ein zumutbares Maß zu beschränken.
  • Zeitpunkt des Deckungskaufs: Der Deckungskauf muss in angemessenem zeitlichen Zusammenhang zur Pflichtverletzung und zum Rücktritt erfolgen.
  • Vergleichbarkeit der Sachen: Die im Deckungskauf erworbene Ware muss mit der ursprünglich geschuldeten vergleichbar sein. Bei abweichenden Produkten besteht kein voller Schadensersatzanspruch.
  • Wahlrecht: Der Käufer ist nicht verpflichtet, einen Deckungskauf zu tätigen, sondern kann auch anderen Ersatz verlangen (z. B. entgangener Gewinn).

Deckungskauf im Verhältnis zu anderen Schadensermittlungsarten

Der Deckungskauf ist eine Form der konkreten Schadensermittlung. Alternativ kann der Geschädigte auch einen Schaden fiktiv, also nach dem Beschaffungspreis am Markt (abstrakt), berechnen, sofern ein tatsächlicher Erwerb nicht erfolgt ist. Allerdings ist der konkrete Deckungskauf vorrangig, wenn ein Einkauf tatsächlich vorgenommen wurde.

Deckungskauf bei Mangelhafter Lieferung

Sachmängelhaftung

Im Fall von Sachmängeln erhält der Käufer nach Rücktritt und fehlgeschlagener Nachbesserung ebenfalls das Recht zum Deckungskauf (vgl. § 437 Nr. 3, § 280, § 281, § 440 BGB). Der Käufer kann den zur Beschaffung einer mangelfreien Sache erforderlichen Mehraufwand als Schadenersatz beanspruchen.

Geltendmachung und Nachweis

Der Käufer trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des Deckungskaufs, insbesondere für Pflichtverletzung, Rücktritt, Durchführung des Ersatzkaufs, Angemessenheit des Kaufpreises und Schadenshöhe.

Deckungskauf in internationalen Kaufverträgen

Im internationalen Warenkauf, etwa nach dem UN-Kaufrecht (CISG), ist der Deckungskauf in Art. 75 CISG geregelt: Der Geschädigte kann hier ebenfalls einen Schadensersatz in Höhe der Differenz aus Deckungskaufpreis und Vertragspreis geltend machen, unter der Voraussetzung, dass der Deckungskauf in angemessener Weise und innerhalb einer angemessenen Frist erfolgt.

Abgrenzung zu anderen Rechtsinstituten

Der Deckungskauf ist abzugrenzen vom Selbstvornahmerecht (§ 637 BGB) bei Werkverträgen, bei dem der Besteller anstelle des Unternehmers einen Dritten mit der Mängelbeseitigung beauftragt. Auch zum Rücktritt ohne Schadensersatz und zum Ersatz des entgangenen Gewinns bestehen klare Unterschiede.

Besonderheiten beim Deckungskauf

Öffentliche Ausschreibungen und Deckungskauf

Vor allem im Vergaberecht stellt sich die Frage, ob und inwieweit dem Auftraggeber bei Leistungsstörungen der Deckungskauf offensteht. Hier gelten besondere Formvorschriften und Schwellenwerte, die einen Deckungskauf möglich, aber in der Praxis aufwendiger gestalten.

Steuerrechtliche Behandlung

Der Deckungskauf kann ggf. zu umsatzsteuerlichen und ertragssteuerrechtlichen Folgen führen, weil Mehraufwendungen und Ersatzansprüche buchhalterisch korrekt abzubilden sind.

Zusammenfassung

Der Deckungskauf ist eine zentrale Rechtsfigur im deutschen Kaufrecht, mit der der Käufer im Falle einer Leistungsstörung seine Vermögensinteressen schadensersatzrechtlich wahren kann. Voraussetzung ist, dass er nach Rücktritt eine vergleichbare Ware von einem Dritten erwirbt, um durchsetzbare Mehraufwendungen als Schadenersatz gegenüber dem ursprünglichen Verkäufer geltend zu machen. Die Angemessenheit von Preis und Zeitpunkt sowie die grundsätzliche Vergleichbarkeit der gekauften Güter sind hierbei zu beachten. Auch nach internationalem Recht bestehen vergleichbare Regelungen, wobei stets die konkreten Umstände des Einzelfalls maßgeblich sind.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist im Rahmen des Deckungskaufs zum Schadensersatz verpflichtet?

Im Kontext des Deckungskaufs ist grundsätzlich der ursprüngliche Verkäufer schadensersatzpflichtig, sofern er seine Leistungsverpflichtung aus dem Kaufvertrag verletzt hat, beispielsweise durch Nicht- oder Schlechterfüllung (Verzug oder Lieferung mangelhafter Ware). Der Käufer muss dem Verkäufer eine angemessene Nachfrist gesetzt haben oder diese ist nach den gesetzlichen Vorschriften entbehrlich (§ 281, § 323 BGB). Kommt es nach Fristablauf bzw. erfolgloser Nachbesserung/Mängelbeseitigung zum Deckungskauf, kann der Käufer vom ursprünglichen Verkäufer Ersatz der Mehrkosten (Differenz zwischen ursprünglichem und Deckungskaufpreis) sowie etwaiger weiterer durch die Vertragsverletzung entstandener Aufwendungen verlangen. Voraussetzung ist stets, dass dem Verkäufer die Pflichtverletzung zur Last gelegt werden kann, zum Beispiel kein Fall höherer Gewalt oder keine Mitverursachung durch den Käufer selbst vorliegt.

Muss vor einem Deckungskauf immer eine Nachfrist gesetzt werden?

Im Regelfall ist das Setzen einer Nachfrist zwingend erforderlich, bevor der Käufer einen Deckungskauf tätigen und den daraus entstandenen Mehrbetrag als Schaden geltend machen kann. Eine Nachfrist dient dazu, dem Verkäufer eine letzte Gelegenheit zur ordnungsgemäßen Vertragserfüllung zu geben und ist gesetzlich in § 281 sowie § 323 BGB verankert. Ausnahmen bestehen nur in besonderen gesetzlich geregelten Fällen, etwa wenn der Verkäufer die Leistung endgültig verweigert, eine Fristsetzung offenkundig keinen Erfolg verspricht oder wenn eine Terminsache („Fixgeschäft“) vorliegt. Die Nachfrist muss angemessen sein und dem Verkäufer eine realistische Möglichkeit zur Erfüllung einräumen. Unterbleibt die Nachfristsetzung ohne Vorliegen einer Ausnahme, kann Schadenersatz im Rahmen des Deckungskaufs regelmäßig nicht erfolgreich gefordert werden.

Für welche Schäden haftet der Verkäufer beim Deckungskauf?

Beim Deckungskauf haftet der Verkäufer primär für den sogenannten Preisunterschiedsschaden, also die Differenz zwischen dem vereinbarten Kaufpreis und dem höheren Preis, den der Käufer aufgrund des Deckungskaufs zahlen musste. Neben dem reinen Preisunterschied sind auch mittelbare Schäden ersatzfähig, sofern diese adäquat kausal auf die Vertragsverletzung des Verkäufers zurückzuführen sind und nicht unter den Ausschluss gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB fallen. Dazu können Transportkosten, Aufwendungen für die Suche nach Ersatzlieferanten sowie etwaige Mehrkosten für die schnellere Beschaffung gehören. Zinsen für den finanzierten Mehrbetrag oder entgangener Gewinn kommen als weitere Schadenspositionen in Betracht, wenn nachweislich ein konkreter Veräußerungsvertrag mit Dritten bestand. Die Haftung kann durch individuelle Vertragsklauseln beschränkt sein, darf aber nicht gegen zwingendes Recht verstoßen.

Welchen Nachweis muss der Käufer über den Deckungskauf erbringen?

Der Käufer trägt die volle Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich des geschlossenen Deckungskaufs und der daraus resultierenden Schadenshöhe. Er muss dokumentieren, dass und zu welchen Bedingungen der Ersatzkauf abgeschlossen wurde, zum Beispiel durch Vorlage von Verträgen, Rechnungen und Zahlungsbelegen. Zudem muss der Käufer nachweisen, dass der Deckungskauf erforderlich und geeignet war („wirtschaftlich vergleichbar“) sowie im Rahmen des Zumutbaren erfolgte. Ein spekulativer oder unverhältnismäßig teurer Deckungskauf geht nicht zu Lasten des Verkäufers; der Käufer hat vielmehr eine Schadensminderungspflicht (§ 254 BGB). Weiterhin muss der Käufer darlegen, dass der Preisunterschied ausschließlich auf die Pflichtverletzung des Verkäufers zurückzuführen ist.

Wann ist ein Deckungskauf als unverhältnismäßig anzusehen?

Ein Deckungskauf ist dann unverhältnismäßig, wenn der Käufer Ersatz zu erheblich abweichenden Konditionen tätigt, obwohl er bei zumutbarer Anstrengung ein günstigeres Angebot erhalten hätte. Die Rechtsprechung fordert, dass der Käufer im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren bleibt und im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht Alternativen prüfen muss. Ein Ersatzkauf zu einem signifikant höheren Preis, der etwa darauf beruht, dass deutlich hochwertigere oder nicht notwendige Zusatzleistungen erworben werden, kann dazu führen, dass der entstehende Mehrpreis nicht vollständig vom Verkäufer übernommen werden muss. Es genügt nicht, dass der Deckungskauf „irgendwie“ erfolgt; die Wirtschaftlichkeit und Angemessenheit des Ersatzkaufs spielen eine entscheidende Rolle für die Höhe des erstattungsfähigen Schadens.

Wie verhält es sich mit der Verjährung des Schadensersatzanspruchs beim Deckungskauf?

Bei Schadensersatzansprüchen aus einem Deckungskauf gelten grundsätzlich die regelmäßigen Verjährungsfristen für Leistungsstörungen im Kaufrecht. Bei beweglichen Sachen beträgt die Verjährungsfrist nach § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB drei Jahre, beginnend mit dem Schluss des Jahres, in dem der Schaden und der Schädiger (Verkäufer) bekannt werden oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätten bekannt werden müssen (§ 199 BGB). Bei mangelhaften Sachen kann die Verjährung teilweise auf zwei Jahre verkürzt sein (§ 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB), es sei denn, es handelt sich um einen Bauwerkskauf etc. Für die Frage der Verjährung ist entscheidend, wann der Anspruch entstanden ist – dies ist regelmäßig mit Ablauf der Nachfrist oder endgültiger Leistungsverweigerung der Fall. Käufer sind gehalten, etwaige Ansprüche zeitnah und unter Fristwahrung geltend zu machen, um ihre Rechte nicht durch Zeitablauf zu verlieren.

Besteht ein Anspruch auf Vorschusszahlung für den Deckungskauf?

Das Gesetz sieht im Rahmen eines Deckungskaufs grundsätzlich keinen Anspruch auf Vorschusszahlung für die Durchführung des Ersatzkaufs vor. Der Schadensersatzanspruch entsteht regelmäßig erst nach durchgeführtem, tatsächlich erfolgt und nachweisbarem Deckungskauf. Allerdings kann im Rahmen spezifischer Vertragsgestaltungen oder bei entsprechender Vereinbarung eine Vorschusszahlung vorgesehen werden. In Einzelfällen könnte bei drohendem, erheblichem Schaden und erwiesener Liquiditätsnot ein Vorschuss im Wege der einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden; in der Praxis ist dies jedoch selten. Im Regelfall bleibt der Käufer verpflichtet, den Ersatzkauf zunächst selbst vorzufinanzieren und den sich daraus ergebenden Schaden nachträglich geltend zu machen.