Buchersitzung – Begriff und rechtliche Bedeutung
Die Buchersitzung ist ein Begriff aus dem deutschen Zivilprozessrecht und bezeichnet die Hauptverhandlung, in der ausschließlich aufgrund des Akteninhalts und der schriftlichen Ausführungen der Parteien entschieden wird. Die Buchersitzung stellt eine Form der Verhandlung ohne mündliche Anhörung der Parteien oder Zeugen dar und kommt insbesondere in Zivilverfahren zur Anwendung, in denen eine persönliche Anhörung nicht gesetzlich vorgeschrieben ist oder beide Parteien ihr Einverständnis geben. Ziel der Buchersitzung ist es, auf der Grundlage des schriftlichen Vorbringens der Parteien und des Aktenbestandes eine gerichtliche Entscheidung zu treffen.
Rechtsgrundlagen der Buchersitzung
Zivilprozessordnung (ZPO)
Die Durchführung einer Buchersitzung ist in der deutschen Zivilprozessordnung geregelt. Maßgebliche Vorschriften finden sich hierzu insbesondere in den §§ 128, 331, 495a und 348 ZPO. Sie betreffen sowohl das ordentliche Klageverfahren als auch bestimmte besondere Verfahrensarten.
§ 128 ZPO – Mündlichkeit des Verfahrens
Grundsätzlich ist das Zivilverfahren durch den Grundsatz der Mündlichkeit geprägt (§ 128 Abs. 1 ZPO). Allerdings besteht nach § 128 Abs. 2 ZPO die Möglichkeit, mit Zustimmung der Parteien eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren zu erlassen. In solchen Fällen findet eine Buchersitzung statt.
§ 331 ZPO – Versäumnisurteil ohne mündliche Verhandlung
Nach § 331 ZPO kann das Gericht im Versäumnisfalle ohne mündliche Verhandlung ein Versäumnisurteil erlassen, wenn der Kläger dies beantragt und der Beklagte nicht zur mündlichen Verhandlung erscheint, aber auch, wenn beide Parteien schriftlich verhandeln.
§ 495a ZPO – Verfahren nach billigem Ermessen
Für Verfahren mit geringem Streitwert kann das Gericht nach § 495a ZPO das Verfahren nach eigenem Ermessen schriftlich durchführen.
§ 348 ZPO – Einzelrichterliche Verfahren
Auch im vereinfachten Verfahren vor dem Einzelrichter kann eine Beweisaufnahme oder eine Entscheidung im Wege der Buchersitzung getroffen werden.
Ablauf und Durchführung der Buchersitzung
Voraussetzungen
Eine Buchersitzung setzt in der Regel voraus, dass die Parteien entweder ausdrücklich auf eine mündliche Verhandlung verzichten oder das Gesetz eine solche Vorgehensweise zulässt. Insbesondere im schriftlichen Vorverfahren (§ 128 Abs. 2 ZPO) wird das Verfahren typischerweise als Buchersitzung geführt.
Verfahrens- und Entscheidungsablauf
Im Rahmen einer Buchersitzung prüft das Gericht ausschließlich die Aktenlage. Es werden die Schriftsätze der Parteien, etwaige Urkundenbeweise und der gesamte Aktenbestand berücksichtigt. Auf Basis dieser Unterlagen ergeht dann eine Entscheidung:
- Im Regelfall wird das Urteil schriftlich an die Parteien zugestellt.
- Eine Beweisaufnahme durch Vernehmung von Zeugen oder Parteien findet nicht statt.
- Nach Ablauf der ihrem schriftlichen Verfahren, setzt das Gericht eine Frist für die Abgabe weiterer Schriftsätze und trifft anschließend die Entscheidung.
Beteiligungsrechte der Parteien
Obwohl keine mündliche Verhandlung stattfindet, bleibt den Parteien das Recht erhalten, ihre Standpunkte schriftlich vorzubringen. Sie können auf Anforderung des Gerichts oder innerhalb gesetzter Fristen Stellungnahmen, Erklärungen oder ergänzende Ausführungen einreichen.
Anwendungsbereiche der Buchersitzung
Zivilprozessverfahren
Im Zivilprozess ist die Buchersitzung insbesondere dann bedeutsam, wenn:
- Die Parteien ausdrücklich eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren beantragen;
- Das Gesetz eine Entscheidung nach Aktenlage zulässt (z. B. bei Zahlungs- oder Mahnverfahren);
- Der Rechtsstreit keinen komplexen tatsächlichen Sachverhalt aufweist, der eine mündliche Verhandlung oder Beweisaufnahme erfordert.
Weitere gerichtliche Verfahren
Buchersitzungen finden auch in anderen Verfahrensarten Anwendung, beispielsweise:
- Im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren;
- In bestimmten Verwaltungsverfahren, wenn ausschließlich schriftlich zu entscheiden ist;
- Im Mahnverfahren, wenn kein Widerspruch eingelegt wird und die Anspruchsgrundlage eindeutig ist.
Vorteile und Nachteile der Buchersitzung
Vorteile
- Verfahrensbeschleunigung: Entscheidungen können zügig getroffen werden, da auf die Durchführung von Terminen verzichtet wird.
- Kosteneffizienz: Reduzierter Aufwand für das Gericht und die Parteien, da keine mündliche Verhandlung durchgeführt wird.
- Effektivität bei klarer Sachlage: Geeignet bei unstreitigem oder einfach gelagertem Sachverhalt.
Nachteile
- Begrenzte Sachverhaltsaufklärung: Komplexe oder streitige Sachverhalte lassen sich vereinzelt nicht abschließend klären, da auf die unmittelbare Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen verzichtet wird.
- Geringere Dynamik im Verfahren: Da die Parteien nicht unmittelbar miteinander kommunizieren, erkennbare Missverständnisse oder Unklarheiten können nicht so rasch ausgeräumt werden wie bei einer mündlichen Verhandlung.
Rechtsschutzmöglichkeiten und Rechtsmittel
Die Entscheidung des Gerichts in einer Buchersitzung unterliegt grundsätzlich denselben Rechtsmitteln wie eine Entscheidung nach mündlicher Verhandlung. Gegen ein im schriftlichen Verfahren ergangenes Urteil kann demnach Berufung oder – im Instanzenzug – Revision eingelegt werden, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür erfüllt sind. Ebenso gelten die Vorschriften über die Rechtsmittelbelehrung und die prozessualen Fristen uneingeschränkt.
Abgrenzung zur mündlichen Verhandlung
Wesentliches Unterscheidungskriterium zur mündlichen Verhandlung bildet die fehlende unmittelbare Anhörung der Parteien und Zeugen durch das Gericht. Während im Rahmen der mündlichen Verhandlung insbesondere auch die Möglichkeit der Beweisaufnahme besteht, konzentriert sich die Buchersitzung auf die Auswertung vorgelegter Schriftsätze, Urkunden und Akten.
Bedeutung in der Praxis
Die Buchersitzung ist insbesondere in rein schriftlich oder bei Bagatellstreitigkeiten geführten Verfahren von erheblicher praktischer Relevanz. Sie ermöglicht eine effiziente, zeitsparende und kostenschonende Rechtsfindung, insbesondere in Verfahren ohne entscheidungserhebliche Streitigkeiten über Tatsachen. Mit zunehmender Digitalisierung des gerichtlichen Verfahrens und dem Ausbau elektronischer Kommunikation gewinnt die Buchersitzung außerdem weiter an Bedeutung.
Literatur und weiterführende Hinweise
- Zivilprozessordnung (ZPO)
- Musielak/Voit, ZPO, Kommentar
- Thomas/Putzo, Zivilprozessordnung
- Zöller, Zivilprozessordnung
Buchersitzungen sind somit ein flexibles Instrument im deutschen Verfahrensrecht, das unter Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben eine sachgerechte und effiziente Erledigung geeigneter Rechtsstreitigkeiten ermöglicht.
Häufig gestellte Fragen
Wer ist aus rechtlicher Sicht zur Führung einer Buchführung verpflichtet?
In Deutschland regelt das Handelsgesetzbuch (HGB), wer zur Buchführung verpflichtet ist. Grundsätzlich müssen Kaufleute im Sinne der §§ 238 ff. HGB Bücher führen und in diesen ihre Handelsgeschäfte sowie die Lage ihres Vermögens nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) ersichtlich machen. Einzelkaufleute, die an den Abschlussstichtagen von zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren nicht mehr als 600.000 Euro Umsatzerlöse und nicht mehr als 60.000 Euro Jahresüberschuss aufweisen, sind gemäß § 241a HGB von der Pflicht befreit. Kapitalgesellschaften wie GmbHs und Aktiengesellschaften unterliegen stets der Buchführungspflicht. Zusätzlich schreibt das Steuerrecht gemäß §§ 140, 141 Abgabenordnung (AO) eine steuerrechtliche Buchführungspflicht für Gewerbetreibende vor, wenn bestimmte Umsatz- oder Gewinngrenzen überschritten werden. Freiberufler wie Ärzte, Rechtsanwälte oder Architekten sind hingegen grundsätzlich von der Pflicht zur kaufmännischen Buchführung befreit, müssen jedoch meist eine Einnahmen-Überschuss-Rechnung anfertigen.
Welche gesetzlichen Vorgaben bestehen für die Aufbewahrung von Buchungsunterlagen?
Gemäß § 257 HGB und § 147 AO müssen Handelsbücher, Inventare, Bilanzen, Buchungsbelege und weitere steuerlich relevante Unterlagen mindestens zehn Jahre aufbewahrt werden. Für empfangene Handelsbriefe, Kopien abgesandter Handelsbriefe sowie sonstige Unterlagen mit kaufmännischer Relevanz besteht eine Aufbewahrungsfrist von sechs Jahren. Start der Frist ist regelmäßig das Ende des Kalenderjahres, in dem die Unterlagen entstanden sind. Eine Nichtbeachtung der Aufbewahrungspflichten kann sowohl zivilrechtliche als auch steuerliche Nachteile, wie Schätzungen oder Bußgelder, nach sich ziehen.
In welcher Form dürfen Buchungen rechtlich dokumentiert werden?
Die Buchführung kann gemäß § 239 Abs. 4 HGB sowohl schriftlich als auch elektronisch erfolgen. Bei elektronischer Buchführung sind zusätzlich die Vorschriften gemäß der GoBD (Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff) zu beachten, die das Bundesministerium der Finanzen (BMF) herausgegeben hat. Es ist wichtig, dass die Buchungen nachvollziehbar, vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet erfasst sowie jederzeit lesbar gemacht werden können. Die nachträgliche Änderung von Daten ist nur zulässig, wenn die ursprünglichen Informationen weiterhin ersichtlich bleiben (Dokumentationspflicht und Unveränderbarkeit).
Welche rechtlichen Konsequenzen drohen bei fehlerhafter oder unterlassener Buchersitzung?
Eine fehlerhafte oder unterlassene Buchführung kann erhebliche rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Nach steuerrechtlichen Vorschriften kann das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen schätzen (§ 162 AO), sobald die Buchführung nicht ordnungsgemäß ist. Zudem drohen strafrechtliche Folgen wegen Steuerhinterziehung (§ 370 AO), Insolvenzverschleppung (§ 15a InsO) oder Bilanzfälschung (§ 331 HGB, § 283 StGB). Zivilrechtlich können Gläubiger Ansprüche gegen die Geschäftsführung geltend machen, insbesondere bei nachweislicher Schädigung aufgrund fehlerhafter Buchführung. Auch Bußgelder nach § 379 AO sind möglich.
Welche Minderanforderungen gelten für Kleinunternehmer bei der Buchersitzung?
Kleinunternehmer und Nichtkaufleute, die weder handels- noch steuerrechtlich zur doppelten Buchführung verpflichtet sind, genügt in der Regel eine einfache Einnahmen-Überschuss-Rechnung (EÜR) gemäß § 4 Abs. 3 EStG. Dabei sind nur die tatsächlich zugeflossenen Betriebseinnahmen und -ausgaben nachzuweisen. Dennoch müssen auch befreite Unternehmer bestimmte Aufbewahrungsfristen, die Pflicht zu vollständigen Aufzeichnungen und die Grundsätze der Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit beachten.
Wie wird die Unveränderbarkeit von Buchungen sichergestellt und was verlangt das Gesetz?
Das Gesetz verlangt nach § 239 Abs. 3 HGB sowie nach GoBD, dass sämtliche Buchungen nachträglich nicht unbemerkt geändert werden dürfen. Dies gilt sowohl für manuelle als auch für elektronische Buchführungssysteme. Praktisch bedeutet dies, dass jede Änderung dokumentiert werden muss (Änderungs- bzw. Protokollierungspflicht) und die ursprünglichen Buchungen weiter lesbar vorliegen müssen. Elektronische Systeme greifen hierfür meist auf sogenannte Journale oder Audit-Trails zurück, die jede Veränderung mit Zeitstempel, Benutzerangabe und Änderungsgrund festhalten. Auch muss sichergestellt sein, dass keine Löschungen im eigentlichen Sinne erfolgen, sondern vielmehr Stornobuchungen oder Korrekturbuchungen vorgenommen werden.
Welche staatlichen Zugriffsrechte auf Buchführungsdaten bestehen?
Nach § 147 Abs. 6 AO sind Unternehmen bei steuerlichen Außenprüfungen verpflichtet, der Finanzverwaltung einen unmittelbaren Zugriff auf die digitalen Buchführungsdaten zu gewähren. Alternativ kann die Behörde verlangen, dass diese Daten auf einem maschinell auswertbaren Datenträger zur Verfügung gestellt werden. Wird diese Mitwirkungspflicht verletzt, drohen Zwangsgelder, Verzögerungsgelder oder eine schätzweise Festsetzung der Besteuerungsgrundlagen. Auch Sozialversicherungsträger und andere Aufsichtsinstitutionen haben unter bestimmten Voraussetzungen ein Prüfungs- und Zugriffsrecht auf betriebliche Buchführungsunterlagen.