Legal Lexikon

Brille


Begriff und Einordnung der Brille

Die Brille ist eine Vorrichtung zur Korrektur von Sehfehlern sowie zum Schutz der Augen. Sie besteht typischerweise aus zwei in einem Gestell gehaltenen Gläsern, die vor den Augen getragen werden. Im rechtlichen Kontext ist die Brille nicht nur ein medizinisches Hilfsmittel, sondern auch ein Objekt vielfältiger gesetzlicher Bestimmungen, die von Medizinprodukterecht über Sozialrecht bis hin zu arbeitsrechtlichen, versicherungsrechtlichen und verkehrsrechtlichen Aspekten reichen.


Brille im Medizinprodukterecht

Definition als Medizinprodukt

Nach § 3 Nr. 1 Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz (MPDG) wird die Brille als „Medizinprodukt“ gewertet, da sie dazu bestimmt ist, Krankheiten zu erkennen, zu verhüten, zu überwachen, zu behandeln oder zu lindern. Damit unterliegt sie den Regelungen des Medizinproduktegesetzes (MPG), das europaweit durch die Verordnung (EU) 2017/745 (Medical Device Regulation, MDR) ergänzt und teilweise abgelöst wurde.

Inverkehrbringen und Konformität

Hersteller von Brillen müssen umfangreiche Anforderungen an Qualität und Sicherheit erfüllen. Das Inverkehrbringen ist an eine sogenannte Konformitätsbewertung gekoppelt. Brillen unterliegen der CE-Kennzeichnungspflicht nach MDR. Für individuell angepasste Sehhilfen, wie Brillen mit geschliffenen Gläsern nach ärztlicher Verordnung, gelten zusätzliche Dokumentations- und Informationspflichten.

Aufbewahrungspflichten und Rückverfolgbarkeit

Gemäß MDR sind Aufbewahrungsfristen für Hersteller- und Anpassdaten vorgesehen, um im Schadens- oder Haftungsfall eine Rückverfolgbarkeit sicherzustellen. Optiker als „Vertreiber“ im Sinne der MDR sind verpflichtet, relevante Nachweise aufzubewahren.


Sozial- und Versicherungsrechtliche Aspekte

Leistungsanspruch in der gesetzlichen Krankenversicherung

Brillen werden im deutschen Recht als Hilfsmittel im Sinne des § 33 SGB V angesehen. Ein Anspruch auf Versorgung besteht, wenn die Brille notwendig ist, um den Erfolg einer ärztlichen Behandlung zu sichern oder um eine Behinderung auszugleichen.

Anspruch und Voraussetzungen

Ein Kostenübernahmeanspruch besteht in der Regel nur für Kinder und Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr oder für Erwachsene mit starker Sehbeeinträchtigung. Voraussetzung ist eine ärztliche Verordnung. Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) übernimmt die Kosten für Standardgläser in einfacher Ausführung, aber keine Kosten für modische Fassungen oder Sonderausstattungen.

Zuzahlung und Eigenbeteiligung

Gemäß § 61 SGB V sind Versicherte verpflichtet, für Brillen eine Zuzahlung zu leisten, maximal jedoch die Kosten des Hilfsmittels, während Kinder und Jugendliche von der Zuzahlung ausgenommen sind.

Privatversicherungsrecht

In der privaten Krankenversicherung (PKV) richtet sich die Übernahme nach dem individuellen Versicherungsvertrag. Häufig gelten feste Höchstbeträge oder prozentuale Erstattungen für Hilfsmittel wie Brillen.


Arbeitsrechtliche Vorschriften

Bildschirmarbeitsverordnung

Arbeitnehmer, die beruflich regelmäßig an Bildschirmarbeitsplätzen arbeiten, haben nach § 3 Abs. 3 Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) und der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) Anspruch auf eine angemessene Augenuntersuchung. Falls spezielle Sehhilfen (z.B. Bildschirmarbeitsplatzbrille) erforderlich sind, muss der Arbeitgeber hierfür aufkommen.

Gefährdungsbeurteilung und Kostenerstattung

Die Notwendigkeit einer speziellen Bildschirmarbeitsplatzbrille ist durch eine Gefährdungsbeurteilung zu prüfen. Liegt eine ärztliche Bescheinigung vor, besteht ein Anspruch auf Kostenübernahme für die arbeitsplatzspezifische Sehhilfe.


Verkehrsrechtliche Bedeutung

Pflicht zum Tragen einer Brille beim Fahrzeugführen

Im Rahmen der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) wird im Rahmen der medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) oder der Führerschein-Prüfung kontrolliert, ob ein Kraftfahrzeugführer auf eine Brille angewiesen ist. Ist dies der Fall, wird in der Fahrerlaubnis das Merkmal „Sehhilfe erforderlich“ (ehemals Schlüsselzahl 01) eingetragen.

Sanktionen bei Verstößen

Das Nichttragen einer vorgeschriebenen Brille beim Führen eines Fahrzeugs gilt als Ordnungswidrigkeit und kann mit einem Bußgeld sowie Punkten in Flensburg geahndet werden. Im Schadensfall kann Mitverschulden oder sogar grobe Fahrlässigkeit vorliegen, was zu Regressforderungen der Versicherung führen kann.


Produkthaftung und Mängelgewährleistung

Haftung nach Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG)

Brillen unterliegen als Medizinprodukte auch dem Produkthaftungsgesetz. Hersteller haften für Schäden, die durch fehlerhafte Brillen entstehen. Voraussetzung ist, dass ein Produktfehler (Konstruktions-, Fabrikations- oder Instruktionsfehler) vorliegt.

Gewährleistungsrechtliche Ansprüche

Der Käuferschutz nach §§ 434 ff. BGB regelt, dass bei Mängeln an Brillen (z.B. fehlerhafte Schleifung, Spannungsrisse, Falschanpassung) der Käufer Nachbesserung, Ersatz oder Rücktritt verlangen kann.

Beweislastumkehr

Innerhalb der gesetzlichen Gewährleistungsfrist von zwei Jahren ab Übergabe der Brille trifft den Unternehmer bei Auftreten eines Mangels innerhalb der ersten zwölf Monate die Beweislast, dass kein bereits bei Lieferung vorliegender Mangel bestand.


Datenschutzrechtliche Implikationen bei Sehhilfen

Schutz besonders sensibler Daten

Die Anpassung von Brillen erfordert die Verarbeitung besonders sensibler Gesundheitsdaten nach Art. 9 DSGVO. Optiker unterliegen daher gesteigerten Anforderungen an die Datensicherheit und die Einwilligung der betroffenen Person.


Besonderheiten bei Schutz- und Sportbrillen

Arbeits- und Unfallschutz

Schutzbrillen unterliegen den Regelungen des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung (u. a. DGUV Vorschrift 1). Der Arbeitgeber ist in vielen Tätigkeitsbereichen verpflichtet, geeignete Schutzbrillen zur Verfügung zu stellen.

Normenkonforme Ausführung

Es besteht die Pflicht, nur geprüfte und normgerechte Schutzbrillen (z. B. gemäß DIN EN 166) einzusetzen, deren Eignung und Schutzwirkung nachweisbar ist.


Sonstige rechtliche Aspekte

Steuerliche Absetzbarkeit

Im Steuerrecht gelten Brillen in der Regel als Kosten der privaten Lebensführung und sind daher nicht als Werbungskosten abziehbar. Eine Ausnahme besteht bei Bildschirmarbeitsplatzbrillen, für die der Arbeitgeber aufkommt.

Vertragsrechtliche Besonderheiten

Der Kauf einer Brille stellt regelmäßig einen Werkvertrag dar, insbesondere wenn eine individuelle Anpassung erfolgt (§§ 631 ff. BGB). Hieraus leiten sich besondere Schutz- und Aufklärungs- sowie Beratungspflichten für den Optiker ab.


Zusammenfassung

Die Brille ist nicht nur ein Alltagsgegenstand, sondern im Recht umfassend geregelt. Ihre rechtliche Behandlung reicht vom Medizinprodukterecht über den Sozial- und Arbeitsschutz bis hin zur Produkthaftung und Datenschutz. Insbesondere bei der Versorgung mit Brillen muss eine Vielzahl spezieller Vorschriften beachtet werden, um den Ansprüchen von Versorgungsberechtigten, Patienten und Verbrauchern Rechnung zu tragen.

Häufig gestellte Fragen

Wer trägt die Kosten für eine Brille im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung?

Die Kostenübernahme für eine Brille richtet sich nach den Bestimmungen des Sozialgesetzbuches (SGB V) und den maßgeblichen Heil- und Hilfsmittelrichtlinien. Grundsätzlich zahlen die gesetzlichen Krankenkassen nur unter bestimmten Voraussetzungen Zuschüsse für Brillengläser, nicht jedoch für das Brillengestell. Anspruchsberechtigt sind in der Regel Kinder und Jugendliche bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres sowie Erwachsene mit einer schweren Sehbeeinträchtigung, die durch ärztliche Verordnung bestätigt werden muss. Die Höhe der Kostenerstattung orientiert sich an den sogenannten Festbeträgen, die für unterschiedliche Glastypen und Dioptrienstärken festgelegt sind. Darüber hinaus muss die Brille von einem zugelassenen Leistungserbringer (beispielsweise Optiker mit Kassenzulassung) bezogen werden. Privat getragene Zusatzkosten, etwa für besonders dünne oder spezielle Gläser, Brillenversicherungen oder Designerfassungen, werden in der Regel nicht erstattet. Die gesetzlichen Vorgaben verlangen zudem, dass vor dem Brillenkauf eine augenärztliche Verordnung eingeholt wird, um die medizinische Notwendigkeit zu belegen.

Gibt es arbeitsrechtliche Vorgaben des Arbeitgebers zur Bereitstellung von Bildschirmarbeitsplatzbrillen?

Gemäß § 3 Abs. 3 der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) sowie der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) hat der Arbeitgeber nach § 3 ArbSchG eine Fürsorgepflicht gegenüber seinen Arbeitnehmern. Demnach ist er verpflichtet, im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung festzustellen, ob und in welchem Umfang Arbeitnehmer für die Ausübung ihrer Tätigkeit eine spezielle Bildschirmarbeitsplatzbrille benötigen. Sofern der Betriebsarzt nach einer Schutzuntersuchung feststellt, dass eine Standardbrille für die Tätigkeit am Bildschirmarbeitsplatz nicht ausreicht und deshalb eine spezielle Sehhilfe erforderlich ist, sind die Kosten für diese spezielle Brille – im erforderlichen Umfang – vom Arbeitgeber zu übernehmen. Nicht übernommen werden allerdings Kosten für „normale“ Korrekturbrillen oder zusätzliche Komfortleistungen.

Unter welchen Voraussetzungen dürfen Brillengestelle als Werbungskosten steuerlich abgesetzt werden?

Die steuerliche Anerkennung von Aufwendungen für Brillen als Werbungskosten ist grundsätzlich ausgeschlossen, da es sich aus Sicht der Finanzverwaltung um typischen privaten Lebensbedarf handelt (§ 12 Nr. 1 EStG). Ausnahmsweise kann eine Brille jedoch als Betriebsausgabe oder Werbungskosten abgesetzt werden, wenn sie ausschließlich für berufliche Zwecke benötigt wird, etwa bei speziellen Schutz- oder Arbeitsbrillen (zum Beispiel bei Schweißerbrillen oder Bildschirmarbeitsplatzbrillen, sofern diese beruflich veranlasst sind und nicht privat genutzt werden können). Hierfür muss die ausschließliche berufliche Nutzung vom Steuerpflichtigen nachgewiesen werden, beispielsweise durch eine Bescheinigung des Arbeitgebers oder des Betriebsarztes. Eine Kostenerstattung im Rahmen der außergewöhnlichen Belastungen nach § 33 EStG ist ebenfalls nur in Ausnahmefällen denkbar, etwa bei medizinischer Notwendigkeit und nachweislicher Ablehnung der Kostenübernahme durch die Krankenkasse.

Welche rechtlichen Anforderungen bestehen an die Kennzeichnung und Qualität von Brillen?

Brillen gelten als Medizinprodukte gemäß Medizinproduktegesetz (MPG) beziehungsweise Medizinprodukte-Durchführungsgesetz (MPDG) in Verbindung mit der europäischen Medizinprodukteverordnung (MDR). Hersteller und Vertreiber sind verpflichtet, Brillengläser und -gestelle mit dem CE-Kennzeichen zu versehen, das die Einhaltung der grundlegenden Anforderungen an Sicherheit und Leistungsfähigkeit bestätigt. Darüber hinaus unterliegen Brillen besonderen Anforderungen an Materialverträglichkeit, optische Qualität, Genauigkeit der Korrektionswerte sowie Produktsicherheit. Fachbetriebe wie Optiker sind verpflichtet, vor Abgabe einer Brille eine augenoptische Beratung und eine Endkontrolle der Sehhilfe durchzuführen. Rechtsverstöße wie das Fehlen des CE-Kennzeichens, das Verwenden unsicherer Materialien oder die fehlerhafte Herstellung können zivilrechtliche und strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, etwa Gewährleistungsansprüche oder Bußgelder.

Was sind die rechtlichen Rahmenbedingungen für Online-Bestellungen und Rückgabe von Brillen?

Beim Online-Kauf von Brillen gilt für Verbraucher grundsätzlich das Widerrufsrecht nach § 355 BGB beziehungsweise die Regelungen des Fernabsatzgesetzes (§§ 312g, 355 BGB). Allerdings ist zu beachten, dass individuell angefertigte Brillen (Korrektionsbrillen mit individuellen Werten) in der Regel vom Widerrufsrecht ausgenommen sind (§ 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB), da sie nach Kundenspezifikation angefertigt werden und nicht für eine Rückgabe geeignet sind. Fertigbrillen („Lesebrillen von der Stange“) können hingegen binnen 14 Tagen ohne Angabe von Gründen zurückgegeben werden. Im Streitfall muss der Händler transparent informieren, welche Produkte individualisiert sind und somit vom Rückgaberecht ausgeschlossen werden können. Zusätzlich haftet der Anbieter für Mängel im Rahmen der gesetzlichen Gewährleistung.

Welche besonderen Schutzrechte bestehen bei minderjährigen Brillenträgern?

Minderjährige genießen im Zusammenhang mit der Brillenversorgung besonderen Schutz nach dem Kinder- und Jugendhilferecht sowie dem Sozialgesetzbuch. Die gesetzliche Krankenversicherung übernimmt – anders als bei Erwachsenen – die Kosten für Brillengläser grundsätzlich bei medizinischer Indikation vollständig beziehungsweise im Rahmen der vorgeschriebenen Festbeträge. Da Kinder und Jugendliche laufend im Wachstum sind und häufige Brillenanpassungen notwendig sein können, kann der Anspruch auf Kostenübernahme häufiger geltend gemacht werden. Zudem gelten im Handel besondere Vorschriften zur Produktsicherheit und Werbebeschränkungen, insbesondere bezüglich der Bewerbung von Kontaktlinsen und ähnlichen Produkten für Minderjährige.

Wie ist die Haftung geregelt, wenn eine falsch gefertigte Brille zu gesundheitlichen Schäden führt?

Im Falle mangelhafter Anfertigung einer Brille, etwa bei falsch eingeschliffenen Gläsern oder fehlerhaften Sehstärken, greifen die zivilrechtlichen Gewährleistungsansprüche des Käufers aus § 437 BGB (Nacherfüllung, Rücktritt, Minderung, Schadensersatz). Der Käufer muss dem Optiker in der Regel Gelegenheit zur Nachbesserung geben. Kommt es infolge der fehlerhaften Brille zu gesundheitlichen Schäden, bestehen zudem Ansprüche aus Deliktsrecht (§ 823 BGB) auf Ersatz des entstandenen Schadens. Sollte nachgewiesen werden, dass die fehlerhafte Fertigung auf grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz beruht, können auch Schmerzensgeldansprüche geltend gemacht werden. Anbieter von Medizinprodukten (Hersteller wie Optiker) unterliegen außerdem dem Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG), das eine verschuldensunabhängige Haftung bei fehlerhaften Produkten vorsieht. Ein Geschädigter muss lediglich nachweisen, dass das Produkt fehlerhaft war und daraus ein Schaden entstanden ist.