Art(handlungs)vollmacht – Rechtslage, Bedeutung und Umfang
Die Artvollmacht, auch Handlungsvollmacht oder genauer Arthandlungsvollmacht, ist eine gezielt auf bestimmte Arten von Geschäften oder Handlungen beschränkte Vollmacht im Rahmen des deutschen Handelsrechts. Sie ist neben der Einzelvollmacht, Gesamtvollmacht und Prokura eine der wichtigsten Unterformen der rechtlichen Vertretungsmacht. Die Art(handlungs)vollmacht spielt insbesondere im Handelsverkehr eine herausragende Rolle und unterliegt spezifischen gesetzlichen Regelungen.
Begriff und Abgrenzung
Die Art(handlungs)vollmacht ist ein Begriff aus dem Handelsrecht, der sich grundlegend von der Prokura (§ 48 ff. HGB) und der allgemeinen Handlungsvollmacht (§ 54 HGB) unterscheidet. Während Prokura und Handlungsvollmacht weitreichende Vertretungsbefugnisse vermitteln, ist die Art(handlungs)vollmacht auf ganz bestimmte Arten von Geschäften oder einzelnen Tätigkeiten begrenzt.
Definition und Konzept
Die Art(handlungs)vollmacht ist eine rechtsgeschäftlich erteilte Vollmacht, durch die der Bevollmächtigte zur Vornahme einer bestimmten, im Gesetz oder durch das Geschäft festgelegten Art von Rechtsgeschäften oder Rechtshandlungen innerhalb eines Unternehmens ermächtigt wird. Die Vollmacht erstreckt sich dabei nicht auf Einzelhandlungen, sondern auf eine fest umrissene Kategorie gleichartiger Geschäfte.
Abgrenzung zur Handlungsvollmacht und Prokura
Handlungsvollmacht: Die einfache Handlungsvollmacht (allgemeine Handlungsvollmacht) nach § 54 HGB erfasst sämtliche Geschäfte, die der Betrieb eines Handelsgewerbes gewöhnlich mit sich bringt, soweit sie nicht ausdrücklich der Prokura vorbehalten oder vom Geschäftsherrn ausgeschlossen sind.
Prokura: Hierbei handelt es sich um die umfassendste geschäftliche Vertretungsvollmacht gemäß §§ 48-53 HGB, die alle Arten von gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäften umfasst, die ein Handelsgewerbe nach sich zieht.
Art(handlungs)vollmacht: Diese ist enger zugeschnitten als die Handlungsvollmacht, indem sie nur für genau abgegrenzte Vorgänge oder Typen von Geschäften innerhalb des Unternehmens erteilt wird (z. B. Buchhaltungsbefugnisse, bestimmte Wareneinkäufe).
Gesetzliche Grundlagen
§ 54 Handelsgesetzbuch (HGB)
Die Art(handlungs)vollmacht ist dem Wortlaut nach im Handelsgesetzbuch (HGB) nicht ausdrücklich geregelt, sondern stellt eine nach praktischem Bedürfnis entwickelte, besonders häufige Ausprägung der Handlungsvollmacht gemäß § 54 Abs. 1 HGB dar:
„(1) Eine von dem Inhaber eines Handelsgewerbes einem Angestellten erteilte Vollmacht für gewisse, zum Betrieb des Handelsgewerbes gehörige Geschäfte oder eine bestimmte Art von Geschäften hat die Wirkung einer Handlungsvollmacht.“
Die Art(handlungs)vollmacht muss sich auf eine bestimmte Art von Geschäften oder Rechtshandlungen beziehen, die üblicherweise zum laufenden Betrieb gehören, jedoch ohne die umfassende Vertretungsbreite einer Prokura.
Form und Inhalt
Für die Erteilung einer Art(handlungs)vollmacht besteht – anders als bei der Prokura – keine besondere Formvorschrift. Sie kann mündlich, schriftlich oder durch schlüssiges Verhalten erfolgen. Lediglich für bestimmte Rechtsgeschäfte (z. B. Grundstücksverkäufe) kann sich eine besondere Form aus dem jeweiligen Materiagesetz ergeben (§ 311b BGB).
Umfang und Grenzen
Reichweite der Vollmacht
Die Art(handlungs)vollmacht ermächtigt den Bevollmächtigten ausschließlich zur Vornahme derjenigen Geschäfte, die die betreffende Art ausdrücklich umfasst. Unmittelbar damit verbundene typische Nebenhandlungen gehören zum zulässigen Rahmen. Eine Überschreitung des Umfangs führt dazu, dass die Vertretungswirkung nach außen grundsätzlich ausgeschlossen ist.
Beispiel:
Wird eine Angestellte für den Einkauf von Büromaterial bevollmächtigt, darf sie keine Verträge für den Erwerb von Betriebsfahrzeugen abschließen.
Beschränkung im Außenverhältnis
Gegenüber Dritten wirken Einschränkungen nur dann, wenn sie positiv zur Kenntnis gebracht wurden (§ 54 Abs. 3 HGB). Andernfalls kann sich der Geschäftsgegner auf den erkennbaren Umfang der Vollmacht verlassen, sofern kein Fall von offensichtlichem Missbrauch vorliegt.
Arten der Art(handlungs)vollmacht
Die Art(handlungs)vollmacht kann sich sehr unterschiedlich ausgestalten. Typische Ausprägungen sind:
Kassenvollmacht: Berechtigung zur Abwicklung von Kassengeschäften.
Buchhaltungsvollmacht: Erlaubnis zur Bearbeitung von Buchhaltungsaufgaben.
Wareneinkaufsvollmacht: Befugnis zum Abschluss von Geschäften über den Erwerb von Waren einer bestimmten Kategorie.
Versandvollmacht: Vollmacht für die Abwicklung von Versand- und Transportgeschäften.
Personalvollmacht: Einschließlich der Befugnis zu Einstellungen, Abmahnungen oder Kündigungen, sofern dies die geschuldete Tätigkeit verlangt.
Verhältnis zu sonstigen Vollmachtsarten
Gesellschaftsrecht und Arbeitsrecht
Art(handlungs)vollmachten werden nicht nur im Handelsrecht, sondern auch in Gesellschaften und Vereinen praktiziert, wenn bestimmte Aufgabenfelder delegiert werden. Im Arbeitsrecht wird oft mit arbeitsvertraglichen Regelungen gemeinsam die Vollmacht umrissen.
Besonderheiten im Zivilrecht
Die allgemeinen Regeln der Stellvertretung (§§ 164 ff. BGB) sind auf die Art(handlungs)vollmacht anwendbar, soweit keine handelsrechtlichen Besonderheiten bestehen. Maßgeblich ist dabei das Rechtsverhältnis zwischen Vollmachtgeber und Bevollmächtigtem.
Widerruf und Erlöschen
Die Art(handlungs)vollmacht kann jederzeit durch den Vollmachtgeber widerrufen werden, es sei denn, es wurde eine andere Vereinbarung getroffen. Das Erlöschen tritt insbesondere bei Kündigung des zugrunde liegenden Dienst- oder Arbeitsverhältnisses oder bei Eintritt einer auflösenden Bedingung ein.
Haftungsfragen
Sofern der Bevollmächtigte bei wahrgenommener Art(handlungs)vollmacht im Rahmen der Befugnis handelt, haftet grundsätzlich der Vertretene, d. h. das Unternehmen oder der Unternehmer. Überschreitungen führen zu einer Haftung des Vertreters, sofern der Geschäftsgegner keine Kenntnis von den Grenzen der Vollmacht hatte.
Zusammenfassung und Bedeutung in der Praxis
Die Art(handlungs)vollmacht ermöglicht eine differenzierte arbeitsteilige Organisation von Unternehmen und stellt ein flexibles Instrument der Geschäftsverteilung dar. Sie erleichtert die Delegation von Verantwortungsbereichen ohne das Risiko, umfassende Vertretungsrechte wie bei der Prokura zu vergeben. Im Geschäftsverkehr ist die Art(handlungs)vollmacht eine praxisorientierte, variabel gestaltbare Form der Machtübertragung mit klar definierten Grenzen, die Rechtssicherheit sowohl für das Unternehmen als auch für seine Vertragspartner gewährleistet.
Siehe auch
Handlungsvollmacht
Prokura
* Stellvertretung (Deutschland))
Rechtliche Hinweise:
Die obigen Ausführungen geben einen umfassenden Überblick über die Art(handlungs)vollmacht; im Einzelfall können sich durch abweichende vertragliche Konstellationen oder branchenspezifische Besonderheiten weitere rechtliche Fragen ergeben.
Häufig gestellte Fragen
Wer kann eine Arthandlungsvollmacht erteilen?
Eine Arthandlungsvollmacht kann grundsätzlich von jedem Vollmachtgeber erteilt werden, der im Rechtsverkehr geschäftsfähig ist. Meist handelt es sich dabei um Kaufleute, Geschäftsführer, Vorstände oder andere vertretungsberechtigte Organe eines Unternehmens, die für bestimmte wiederkehrende Geschäfte im Rahmen eines Handelsgewerbes eine Person – zum Beispiel einen Angestellten – mit einer Arthandlungsvollmacht ausstatten. Die Erteilung erfolgt meist formlos, sofern keine besondere Form im Gesetz oder Gesellschaftsvertrag vorgeschrieben ist; zu Beweiszwecken wird jedoch häufig die Schriftform gewählt. Wichtig ist, dass der Umfang der Vollmacht klar definiert und auf eine bestimmte Art von Geschäften (z.B. den Warenverkauf oder -einkauf, das Inkasso) beschränkt ist.
Wie grenzt sich die Arthandlungsvollmacht von der Prokura ab?
Die Arthandlungsvollmacht unterscheidet sich grundlegend von der Prokura. Während die Prokura nach § 48 HGB eine umfassende Vollmacht für nahezu alle Geschäfte und Rechtshandlungen des Handelsgewerbes gewährt, ist die Arthandlungsvollmacht nach § 54 HGB auf eine bestimmte Art von Geschäften beschränkt und schließt insbesondere sogenannte Grundlagengeschäfte wie den Verkauf des Unternehmens, die Aufnahme von Gesellschaftern und die Erteilung von Prokura selbst aus. Zudem ist die Arthandlungsvollmacht im Handelsregister nicht eintragungspflichtig und kann jederzeit widerrufen werden, während die Prokura sowohl erteilt als auch widerrufen und im Handelsregister eingetragen werden muss.
Welche Rechte und Pflichten hat der Arthandlungsbevollmächtigte?
Der Inhaber einer Arthandlungsvollmacht darf ausschließlich die Geschäfte und Rechtshandlungen ausführen, die dem jeweiligen Vollmachtumfang entsprechen. Diese können typischerweise den Einkauf bestimmter Waren, das Führen eines Kassengeschäfts oder das Unterzeichnen von bestimmten Verträgen umfassen. Über diese Geschäfte hinausgehende Handlungen sind durch die Vollmacht nicht gedeckt. Überschreitet der Bevollmächtigte den Rahmen seiner Arthandlungsvollmacht, haftet der Vollmachtgeber in der Regel nicht für das dadurch verursachte Geschäft, es sei denn, der Dritte konnte die Beschränkung der Vollmacht nicht erkennen (Schutz des guten Glaubens nur eingeschränkt).
Muss die Arthandlungsvollmacht öffentlich bekanntgemacht oder eingetragen werden?
Im Gegensatz zur Prokura besteht für die Arthandlungsvollmacht keine Pflicht zur Eintragung ins Handelsregister oder öffentliche Bekanntmachung. Die Arthandlungsvollmacht ist ein rein internes Rechtsverhältnis zwischen Vollmachtgeber und dem Bevollmächtigten. Dennoch empfiehlt sich eine schriftliche Fixierung der Vollmacht, um Klarheit gegenüber Vertragspartnern zu schaffen und Beweisschwierigkeiten zu vermeiden. Nach außen muss sich der Vertragspartner jedoch stets über den Umfang der Vertretungsmacht des Bevollmächtigten informieren.
Welche Haftungsrisiken bestehen beim Missbrauch der Arthandlungsvollmacht?
Für Schäden, die aus einer Überschreitung des Vollmachtsumfangs entstehen, haftet grundsätzlich der Bevollmächtigte selbst – etwa im Wege der sogenannten Vertreterhaftung (vgl. §§ 177, 179 BGB), sofern der Vertragspartner die Überschreitung der Vollmacht nicht erkennen konnte oder nicht erkennen musste. Der Vollmachtgeber haftet nur in dem Rahmen, den er dem Bevollmächtigten wirksam übertragen hat. Entsteht dem Vertragspartner ein Schaden, weil er gutgläubig auf eine umfassendere Vertretungsmacht vertraute, als tatsächlich bestand, bestehen regelmäßig keine Ansprüche gegen den Vollmachtgeber.
Kann die Arthandlungsvollmacht jederzeit widerrufen werden?
Ja, die Arthandlungsvollmacht kann grundsätzlich jederzeit vom Vollmachtgeber widerrufen werden. Das Widerrufsrecht ist nicht an bestimmte Fristen oder Formerfordernisse gebunden, soweit keine abweichenden Regelungen (z.B. im Arbeitsvertrag oder Gesellschaftsvertrag) bestehen. Mit dem Widerruf erlischt die Vertretungsbefugnis des Bevollmächtigten sofort. Allerdings sollte der Widerruf gegenüber dem Bevollmächtigten eindeutig und möglichst schriftlich erfolgen, um Rechtsklarheit und Beweissicherheit zu gewährleisten. Sinnvoll ist oft auch eine Benachrichtigung etwaiger Geschäftspartner über den Wegfall der Vollmacht.