Legal Lexikon

Anzahlung


Begriff und Definition der Anzahlung

Die Anzahlung ist ein im Zivilrecht gebräuchlicher Begriff für eine geleistete Zahlung, die vor der vollständigen Vertragserfüllung erbracht wird. Sie stellt eine Teilleistung auf eine spätere, regelmäßig noch ausstehende Gesamtforderung dar. Im rechtlichen Kontext dient die Anzahlung insbesondere dazu, die Ernsthaftigkeit eines Geschäftsabschlusses zu dokumentieren und das gegenseitige Vertrauen zwischen den Vertragsparteien zu bestärken. Sie findet sich insbesondere in Kauf-, Werk- und Dienstleistungsverträgen.

Rechtliche Grundlagen der Anzahlung

Gesetzliche Regelungen

Im deutschen Recht ist die Anzahlung kein speziell geregelter Vertragstyp, sondern ergibt sich aus den allgemeinen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), insbesondere aus den §§ 320 ff. BGB (Leistung Zug um Zug), im Kontext der Vertragsfreiheit und der Vereinbarungen zwischen den Parteien. Rechtlich handelt es sich bei der Anzahlung um eine Vorauszahlung auf die vertraglich geschuldete Gegenleistung.

Vertragsrechtlicher Charakter

Durch Zahlung einer Anzahlung wird ein bestehendes Schuldverhältnis teilweise erfüllt (sog. Teilerfüllung oder Abschlagszahlung). Die Anzahlung kann, muss aber nicht, durch eine entsprechende Klausel im Vertrag ausdrücklich vereinbart sein. Das Fehlen einer ausdrücklichen Anzahlungsklausel lässt den Grundsatz der vollständigen Zahlung erst bei Leistungserfüllung gelten.

Im Unterschied zur Anzahlung steht die Aufwandsentschädigung oder der Angeld/Handgeld (§ 336 BGB), welche rechtlich eigenständige Funktionen erfüllen und besondere Rechtsfolgen bei Vertragsrücktritt nach sich ziehen.

Funktionen der Anzahlung

Eine Anzahlung erfüllt mehrere rechtliche und wirtschaftliche Funktionen:

Beweis- und Sicherungsfunktion

Die geleistete Anzahlung belegt in der Regel das Zustandekommen des Vertrages und dient als Nachweis über die getätigte Vereinbarung. Sie sichert dem Gläubiger einen Teil der Forderung gegen den Schuldner und kann bei Leistungsstörungen nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen (z.B. Rücktritt, Schadensersatz) einbehalten oder zurückgefordert werden.

Risikoverteilung und Vertrauensschutz

Durch die Anzahlung wird ein Teil des Erfüllungsrisikos vom Gläubiger auf den Schuldner übertragen. Der Schuldner dokumentiert mit der Vorleistung seine Erfüllungsbereitschaft, während der Gläubiger frühzeitig Liquidität zur teilweisen Abdeckung eigener Aufwendungen erhält.

Rechtsfolgen und Auswirkungen der Anzahlung

Rückabwicklung im Falle der Vertragsaufhebung

Kommt es zur Vertragsaufhebung, zum Rücktritt oder zur Anfechtung, greifen die gesetzlichen Vorschriften über die Rückabwicklung empfangener Leistungen, insbesondere §§ 346 ff. BGB (Rücktritt und Rückgewähr). Danach sind Anzahlungen regelmäßig zurückzuerstatten, sofern keine anderslautende Vereinbarung getroffen wurde, z. B. im Falle eines vereinbarten Nichtzurückerstattens bei Rücktritt.

Auswirkungen bei Nichterfüllung der Vertragspflichten

Erfüllt eine Partei ihre Pflichten aus dem Vertrag nicht, kann die geleistete Anzahlung je nach den konkreten Umständen zurückgefordert oder als Schadensersatz verrechnet werden. Hierbei kommt es darauf an, ob dem Empfänger der Anzahlung ein Anspruch auf die Leistung verblieben ist, etwa aufgrund einer wirksam vereinbarten Stornierungs- oder Rücktrittsklausel.

Abgrenzung zur Abschlagszahlung, Vorauszahlung und Kaution

Abschlagszahlung

Die Abschlagszahlung ist eine im Leistungsfortschritt erfolgende Teilzahlung, meist bei Werkverträgen (§ 632a BGB). Sie unterscheidet sich zur Anzahlung vor allem darin, dass sich der Zahlungsanspruch des Unternehmers am Wert der jeweils erbrachten Teilleistung orientiert und nicht pauschal im Voraus geleistet wird.

Vorauszahlung

Als Vorauszahlung wird eine Zahlung auf die Gesamtforderung vor der geschuldeten Hauptleistung bezeichnet. Die Anzahlung stellt eine Sonderform einer Vorauszahlung dar, die auf einen prozentualen oder absoluten Teil des Preises begrenzt ist.

Kaution

Die Kaution dient im Regelfall der Sicherung möglicher Schadens- oder Ausfallrisiken und wird nicht auf eine konkrete Gegenleistung angerechnet. Im Gegensatz zur Anzahlung ist die Kaution eine Sicherheit, nicht aber eine Vorausleistung auf die Hauptleistung.

Verbraucherschutzrechtliche Aspekte der Anzahlung

Regelungen im Verbrauchsgüterkauf

Im Verbraucherschutzrecht sind Anzahlungen insbesondere durch die Vorschriften über Fernabsatzverträge und Haustürgeschäfte reglementiert. So kann bei bestimmten Geschäften ein Widerrufsrecht bestehen, infolgedessen die Anzahlung im Fall des Widerrufs unverzüglich zu erstatten ist (§ 355 BGB).

Insolvenzsicherung

Bei Anzahlungen im Zusammenhang mit Reiseverträgen oder Bauverträgen schreibt das Gesetz teilweise die zwingende Absicherung dieser Gelder vor (z. B. Absicherung von Anzahlungen durch einen Sicherungsschein gemäß § 651r BGB bei Pauschalreisen). Hier wird verhindert, dass der Kunde im Insolvenzfall des Vertragspartners seine geleistete Anzahlung verliert.

Steuerrechtliche Behandlung der Anzahlung

Umsatzsteuer

Im Umsatzsteuerrecht ist die Anzahlung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1a UStG steuerpflichtig, sobald sie vereinnahmt wird. Die Umsatzsteuer wird also bereits zum Zeitpunkt des Zahlungsempfangs fällig, auch wenn die Leistung noch nicht vollständig erbracht wurde. Der leistende Unternehmer hat der anzahlenden Partei eine ordnungsgemäße Anzahlungsrechnung auszustellen.

Einkommensteuer

Für die Einkommensteuer kann die erhaltene Anzahlung eine Betriebseinnahme darstellen und ist im Zeitpunkt des Zuflusses zu berücksichtigen. Für Einnahmen-Überschuss-Rechner gilt das Zufluss-Abfluss-Prinzip (§ 11 EStG). Im Falle der Rückabwicklung sind entsprechende Korrekturbuchungen vorzunehmen.

Internationale Aspekte der Anzahlung

Auch im internationalen Privatrecht und im grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr finden Anzahlungen breite Anwendung. Die rechtlichen Rahmenbedingungen unterliegen dabei dem jeweils anzuwendenden nationalen Recht oder den vertraglichen Vereinbarungen, beispielsweise unter Berücksichtigung der UN-Kaufrechtskonvention (CISG).

Zusammenfassung

Die Anzahlung ist ein bedeutsamer Begriff der Vertragsabwicklung und wird im deutschen Recht als Teil- oder Vorauszahlung auf eine geschuldete Gesamtleistung verstanden. Ihre rechtlichen Wirkungen und Voraussetzungen ergeben sich aus allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen sowie spezialgesetzlichen Regelungen im Verbraucherschutz, Steuerrecht und Insolvenzrecht. Die Unterscheidung bzw. Abgrenzung zu anderen Zahlungsformen sowie die Absicherung der Interessen beider Vertragsparteien sind im Rechtsalltag von großer Bedeutung. Die Kenntnis der rechtlichen Besonderheiten der Anzahlung trägt wesentlich zur Reduzierung von Rechtsrisiken und zur Vermeidung von Streitigkeiten bei Vertragsrückabwicklung bei.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Regelungen gelten für die Vereinbarung einer Anzahlung in Verträgen?

Im deutschen Recht existieren keine speziellen gesetzlichen Vorschriften, die die Vereinbarung einer Anzahlung generell regeln. Es handelt sich vielmehr um eine vertragliche Nebenabrede, die im Rahmen der Vertragsfreiheit zwischen den Parteien individuell gestaltet werden kann (§ 305 ff. BGB für AGB, ansonsten allgemeine Vertragsfreiheit nach § 311 BGB). Wichtig ist, dass die Verpflichtung zur Anzahlung ausdrücklich, eindeutig und rechtlich wirksam im Vertrag vereinbart wird. In Verbraucherverträgen, insbesondere im Fernabsatz, gelten dabei weitere Schutzvorschriften, zum Beispiel das Widerrufsrecht und spezielle Informationspflichten (§§ 312 ff. BGB). Zudem ist bei Anzahlungen zu beachten, dass diese nach § 320 BGB vom Sicherungszweck erfasst sein können, also als Vorschuss auf die Hauptleistung dienen und unter bestimmten Umständen zurückgezahlt werden müssen.

Welche Risiken bestehen bei der Vereinbarung einer Anzahlung für die Vertragsparteien?

Für den Zahlenden entsteht das Risiko, dass der Vertragspartner nach Erhalt der Anzahlung die vertraglich geschuldete Leistung nicht oder nicht ordnungsgemäß erbringt. In einem solchen Fall kann der Rückzahlungsanspruch auf die Anzahlung etwa durch Insolvenzgefährdung oder schwierige Rechtsdurchsetzung beeinträchtigt werden. Der Empfänger der Anzahlung wiederum trägt das Risiko, dass der andere Vertragspartner vom Vertrag zurücktritt, wodurch eine etwaige vereinbarte Nicht-Rückzahlungsklausel einer gerichtlichen Kontrolle (insbesondere im AGB-Recht) standhalten muss. Zu hohe oder unangemessen ausgestaltete Anzahlungsvereinbarungen können nach § 307 BGB unwirksam sein.

Ist eine Anzahlung im Falle des Rücktritts oder der Kündigung des Vertrags zurückzuzahlen?

Ob eine Anzahlung im Fall des Rücktritts oder der Kündigung zurückzuzahlen ist, hängt maßgeblich von den vertraglichen Vereinbarungen und den gesetzlichen Rücktritts- beziehungsweise Kündigungsregelungen ab. Grundsätzlich entsteht mit Rücktritt oder einer berechtigten Kündigung ein Rückabwicklungsverhältnis nach §§ 346 ff. BGB, wonach empfangene Leistungen – also in der Regel auch Anzahlungen – zurückzugewähren sind. Hiervon kann durch individuelle oder wirksame formularmäßige Vereinbarungen abgewichen werden, beispielsweise durch eine pauschale Entschädigung, eine Stornierungsgebühr oder als Vertragsstrafe. Solche Klauseln unterliegen jedoch regelmäßig der sogenannten Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB, dürfen den Vertragspartner nicht unangemessen benachteiligen und müssen transparent sein.

Darf die Höhe der Anzahlung beliebig festgelegt werden?

Die Parteien sind grundsätzlich frei in der Vereinbarung der Höhe einer Anzahlung. Im kaufmännischen Geschäftsverkehr ist jede Höhe zulässig, solange keine Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) oder Unbilligkeit im Sinne einer überraschenden Benachteiligung (insbesondere in AGB, § 307 BGB) vorliegt. Im Verbraucherschutzrechtliche Kontext kann eine zu hohe Anzahlung als unangemessen eingestuft und damit unwirksam sein, insbesondere wenn sie den Vertragspartner unangemessen benachteiligt. Pauschal gilt, dass Anzahlungen von mehr als 30% des Gesamtpreises in vielen Gerichtsentscheidungen kritisch gesehen wurden und zumindest einer besonderen Begründung bedürfen.

Welche formalen Anforderungen muss eine Vereinbarung über eine Anzahlung erfüllen?

Die Vereinbarung über eine Anzahlung unterliegt grundsätzlich keinen besonderen Formvorschriften, außer das Grundgeschäft selbst ist formpflichtig (z.B. bei Grundstückskaufverträgen nach § 311b BGB). In allen anderen Fällen empfiehlt sich jedoch aus Beweisgründen eine ausdrückliche schriftliche Regelung. In speziellen Fällen, wie etwa bei Bauträgerverträgen, bestehen zusätzliche Anforderungen nach der Makler- und Bauträgerverordnung (MaBV), sodass Anzahlungen nur gegen geeignete Sicherheiten angenommen werden dürfen. Bei Fernabsatzverträgen ist dem Verbraucher gemäß den gesetzlichen Informationspflichten klar und verständlich über die Anzahlung zu informieren.

Welche speziellen gesetzlichen Vorschriften gelten bei Anzahlungen im Bau- oder Immobilienbereich?

Im Bau- und Immobilienrecht gelten hinsichtlich Anzahlungen insbesondere Schutzregelungen für Verbraucher. Nach § 3 Abs. 2 MaBV darf ein Bauträger vor Eigentumsumschreibung nur dann Anzahlungen entgegennehmen, wenn eine sogenannte Absicherung durch eine Fertigstellungs- und eine Gewährleistungsbürgschaft oder eine vergleichbare Sicherheit erfolgt. Im Wohnungsvertragsrecht ist weiterhin das BGB-Muster gemäß § 632a BGB zu beachten: Im Werkvertragsrecht wurden Abschlagszahlungen explizit geregelt, sodass ein Unternehmer bei entsprechender Vertragsgestaltung berechtigt ist, für erbrachte vertragsgemäße Leistungen angemessene Abschlagszahlungen/Stufenanzahlungen zu fordern.

Wie ist die Anzahlung steuerlich zu behandeln?

Aus steuerrechtlicher Sicht stellt die Anzahlung bereits einen umsatzsteuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG dar, sofern die Leistung nicht von der Umsatzsteuer befreit ist. Der leistungserbringende Unternehmer muss zum Zeitpunkt des Empfangs der Anzahlung über diesen Betrag eine Anzahlungsrechnung mit gesondertem Ausweis der Umsatzsteuer erstellen. Im Falle der Rückabwicklung ist eine sogenannte Stornorechnung auszustellen und das Finanzamt über die geänderten Umsätze zu informieren. Für den Anzahlungsempfänger ist die Zahlung einkommen- bzw. gewerbesteuerlich erst bei Realisierung der Hauptleistung zu berücksichtigen. Der Zahlende kann gezahlte Vorsteuer aus der Anzahlungsrechnung geltend machen, sofern er zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.