Begriff und Bedeutung der Abschiebung
Abschiebung bezeichnet die zwangsweise Durchsetzung der Ausreise einer Person, die sich ohne gesichertes Aufenthaltsrecht im Land aufhält und deren Ausreisepflicht vollziehbar ist. Sie ist ein staatlicher Vollzugsakt, der an das Ende eines Verwaltungs- oder Asylverfahrens anknüpft, wenn eine freiwillige Ausreise nicht erfolgt. Abschiebung ist nicht Strafe, sondern eine Maßnahme zur Beendigung eines unerlaubten Aufenthalts.
Abgrenzungen zu verwandten Maßnahmen
Ausweisung und Abschiebung
Ausweisung ist eine behördliche Entscheidung, mit der der weitere Aufenthalt untersagt wird. Sie begründet regelmäßig ein Einreise- und Aufenthaltsverbot. Abschiebung ist demgegenüber die tatsächliche Durchsetzung der Ausreise. Eine Ausweisung kann der Abschiebung vorausgehen, muss es aber nicht.
Zurückweisung und Zurückschiebung
Zurückweisung erfolgt an der Grenze, wenn die Einreisevoraussetzungen nicht erfüllt sind. Zurückschiebung betrifft Personen, die unerlaubt eingereist sind und zeitnah an der Grenze aufgegriffen werden. Abschiebung betrifft Personen, die sich bereits im Inland aufhalten und ausreisepflichtig sind.
Überstellung im Dublin-Verfahren
Bei Asylsuchenden kann anstelle einer Abschiebung eine Überstellung in den für das Asylverfahren zuständigen Staat erfolgen. Diese Maßnahme folgt eigenen Regeln, unterscheidet sich aber in der Durchführung von der Abschiebung nur im Zielstaat und der rechtlichen Grundlage.
Voraussetzungen der Abschiebung
Ausreisepflicht und Vollziehbarkeit
Voraussetzung ist eine bestehende Ausreisepflicht, etwa nach Ablehnung eines Aufenthaltstitels oder nach Beendigung eines Aufenthalts. Vollziehbarkeit bedeutet, dass gegen die zugrunde liegende Entscheidung kein aufschiebender Rechtsbehelf besteht oder die Frist dafür abgelaufen ist.
Persönliche Gründe, die einer Abschiebung entgegenstehen
Abschiebung setzt voraus, dass keine rechtlich anerkannten Hindernisse entgegenstehen. Dazu zählen zielstaatsbezogene Verbote (etwa konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit), individuelle Reiseunfähigkeit, familiäre Schutzgründe oder vorübergehende Vollstreckungshindernisse. Solche Gründe können eine Aussetzung der Abschiebung oder eine Duldung begründen.
Mitwirkungspflichten und Identitätsklärung
Betroffene sind verpflichtet, an der Klärung von Identität und Staatsangehörigkeit mitzuwirken und Reisepapiere zu beschaffen. Erfolgt dies nicht, können behördliche Maßnahmen ergriffen werden, um die Durchführung sicherzustellen, einschließlich der Einholung von Ersatzpapieren über Konsulate.
Ablauf und zuständige Stellen
Androhung und Frist zur freiwilligen Ausreise
Vor der Abschiebung wird diese in der Regel schriftlich angedroht. Zugleich wird eine Frist zur freiwilligen Ausreise gesetzt. Die Frist kann entfallen, wenn besondere Gründe vorliegen, etwa bei Fluchtgefahr oder Gefährdung der öffentlichen Sicherheit.
Organisation und Durchführung
Zuständig für die Anordnung ist regelmäßig die Ausländerbehörde. Die Durchführung erfolgt in Zusammenarbeit mit Sicherheitsbehörden und, je nach Transportweg, mit Fluggesellschaften oder Nachbarstaaten. Erforderlich sind gültige Reisedokumente oder Ersatzpapiere sowie die Organisation einer geeigneten Reiseverbindung.
Abschiebungshaft und Sicherung der Maßnahme
Zur Sicherung der Abschiebung kann Freiheitsentziehung angeordnet werden, wenn mildere Mittel nicht ausreichen und konkrete Umstände die Annahme rechtfertigen, dass sich die Person der Maßnahme entziehen könnte. Die Anordnung bedarf einer richterlichen Entscheidung und ist zeitlich begrenzt. Während der Haft sind Unterbringung, Betreuung und Kontakte nach den gesetzlichen Vorgaben auszugestalten.
Dokumentation und Bekanntgabe
Die Behörden dokumentieren Planung, Durchführung und Übergabe an den Zielstaat. Die betroffene Person erhält Bescheide und Mitteilungen über Androhung, Fristen, etwaige Haftanordnungen und die Vollziehung. Nach der Durchführung werden die relevanten Daten in den vorgesehenen Registern fortgeschrieben.
Rechtsschutz und Verfahren vor den Gerichten
Anfechtung der Abschiebungsandrohung
Die Androhung kann rechtlich überprüft werden. Zuständig sind die Verwaltungsgerichte. In einzelnen Bereichen ist ein vorgelagertes Widerspruchsverfahren ausgeschlossen; dann ist die Klage der unmittelbare Rechtsbehelf. Maßgeblich ist, ob die Klage aufschiebende Wirkung hat oder nicht.
Eilrechtsschutz und aufschiebende Wirkung
Wenn ein Rechtsbehelf keine automatische aufschiebende Wirkung entfaltet, kann gerichtlicher Eilrechtsschutz beantragt werden. Wird dieser gewährt, darf die Abschiebung bis zur gerichtlichen Entscheidung über die Hauptsache nicht vollzogen werden. Gerichte prüfen insbesondere Erfolgsaussichten, Schutzinteressen und Verhältnismäßigkeit.
Besonderheiten im Asylkontext
Nach negativen Asylentscheidungen gelten spezielle Fristen und Wirkungen für Rechtsbehelfe. In bestimmten Fallgruppen sind Fristen verkürzt und die aufschiebende Wirkung ausgeschlossen, sodass der Eilrechtsschutz besondere Bedeutung erhält. Daneben existieren Regeln für Überstellungen in andere Staaten.
Besondere Personengruppen und Schutzmechanismen
Minderjährige und Familien
Bei Minderjährigen und Familien steht das Kindeswohl im Vordergrund. Die Behörden berücksichtigen familiäre Bindungen, Schulbesuch, Betreuungsbedarfe sowie die Einheit der Familie. Eine Trennung wird nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht gezogen.
Erkrankungen und Reisefähigkeit
Schwere Erkrankungen können einer Abschiebung entgegenstehen, solange die Durchführung unzumutbar oder medizinisch nicht vertretbar ist. Reisefähigkeit wird bei Bedarf fachlich beurteilt. Auch notwendige Behandlungen im Zielstaat werden einbezogen.
Schwangerschaft und Geburt
Bei Schwangerschaften werden gesundheitliche Risiken und die Versorgung im Zielstaat geprüft. Unmittelbar vor und nach der Geburt findet in der Regel keine Durchführung statt, solange die Reisefähigkeit nicht gegeben ist.
Staatenlose und ungeklärte Staatsangehörigkeit
Fehlende Staatsangehörigkeit oder unklare Identität erschweren die Beschaffung von Reisedokumenten. Bis zur Klärung kommt die Aussetzung der Abschiebung in Betracht, während die Mitwirkungspflichten fortbestehen.
Folgen einer Abschiebung
Einreise- und Aufenthaltsverbote
Abschiebungen sind regelmäßig mit Einreise- und Aufenthaltsverboten verbunden. Deren Dauer richtet sich nach den Umständen, etwa Gründen der Beendigung des Aufenthalts oder der Kooperationsbereitschaft. Eine spätere Verkürzung oder Aufhebung ist unter rechtlich geregelten Voraussetzungen möglich.
Kosten der Abschiebung
Für Transport, Bewachung, Unterbringung und Verwaltungsaufwand können Kosten erhoben werden. Diese können auf die betroffene Person oder Dritte übertragen werden, wenn gesetzliche Voraussetzungen vorliegen. Offene Forderungen können sich auf künftige Einreiseentscheidungen auswirken.
Speicherung und Datenübermittlung
Daten zur Abschiebung werden in nationalen und europäischen Informationssystemen verarbeitet, soweit rechtlich vorgesehen. Sie können Grenzkontrollen und Visumverfahren beeinflussen und werden nach festgelegten Fristen überprüft.
Praktische Ausprägungen
Sammelcharter und Einzelrückführungen
Abschiebungen erfolgen einzeln oder im Rahmen von Sammelchartern. Die Auswahl hängt von Verfügbarkeit, Wirtschaftlichkeit und Kooperation der Zielstaaten ab. Sicherheits- und Gesundheitsvorgaben sind einzuhalten.
Flughafenverfahren und Transit
Bei Einreisen aus sicheren Staaten oder ohne Papiere können spezielle Verfahren am Flughafen zur Anwendung kommen. Dort wird über Einreise, Zurückweisung oder Aufnahme in ein reguläres Verfahren entschieden. Abschiebungen über Transitbereiche folgen gesonderten Abstimmungen mit den dort zuständigen Behörden.
Kirchenasyl und Verwaltungspraxis
Kirchenasyl ist kein eigener Aufenthaltsstatus. Es kann dazu führen, dass Behörden Einzelfälle erneut prüfen, berührt aber nicht die rechtliche Ausreisepflicht. Maßgeblich bleiben behördliche Entscheidungen und gerichtliche Anordnungen.
Abschiebestopp und Ermessensausübung
Vorübergehende Abschiebestopps können durch übergeordnete Stellen für bestimmte Herkunftsstaaten oder Personengruppen angeordnet werden, etwa aus humanitären oder sicherheitsrelevanten Gründen. Zudem verfügen Behörden über Ermessensspielräume bei Planung, Priorisierung und Auswahl geeigneter Mittel.
Europäischer und internationaler Rahmen
EU-Rückführungsrichtlinie und Schengen-Raum
Der unionsrechtliche Rahmen harmonisiert Mindeststandards für Rückkehrentscheidungen, Fristen, Haftvoraussetzungen und Einreiseverbote. Im Schengen-Raum wirken Eintragungen in Informationssysteme grenzüberschreitend und beeinflussen Kontrollen und Visaerteilung.
Internationale Zusammenarbeit und Reisedokumente
Abschiebungen setzen die Kooperation mit Zielstaaten voraus, insbesondere bei der Ausstellung von Reisedokumenten. Abkommen über Rückübernahme und konsularische Verfahren regeln Abläufe, Identitätsklärung und Transportmodalitäten.
Häufig gestellte Fragen
Was ist der Unterschied zwischen Ausweisung und Abschiebung?
Ausweisung ist die behördliche Entscheidung, mit der der weitere Aufenthalt untersagt wird und häufig ein Einreiseverbot verbunden ist. Abschiebung ist die tatsächliche Vollstreckung der Ausreise, wenn die betroffene Person das Land nicht freiwillig verlässt.
Wann ist eine Abschiebung unzulässig?
Unzulässig ist eine Abschiebung, wenn rechtlich anerkannte Schutzgründe entgegenstehen, etwa eine konkrete Gefahr im Zielstaat, fehlende Reisefähigkeit oder überwiegende familiäre Schutzinteressen. Solche Gründe können die Durchführung vorübergehend oder dauerhaft ausschließen.
Wer ist für die Durchführung zuständig?
Die Anordnung trifft in der Regel die Ausländerbehörde. Die Durchführung erfolgt gemeinsam mit Sicherheitsbehörden und, je nach Transport, mit Fluggesellschaften oder Nachbarstaaten. Gerichte kontrollieren die Rechtmäßigkeit im Rahmen des Rechtsschutzes.
Welche Fristen gelten vor einer Abschiebung?
In der Regel wird eine Frist zur freiwilligen Ausreise gesetzt. Je nach Situation kann diese variieren oder entfallen, insbesondere bei besonderen Gefahrenlagen oder Fluchtgefahr. Im Asylbereich gelten teils verkürzte Fristen.
Was ist Abschiebungshaft?
Abschiebungshaft ist eine gerichtlich angeordnete Freiheitsentziehung zur Sicherung der Maßnahme, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür sprechen, dass sich eine Person der Abschiebung entziehen könnte und mildere Mittel nicht ausreichen. Sie ist zeitlich begrenzt und unterliegt strengen Voraussetzungen.
Welche Folgen hat eine Abschiebung für zukünftige Einreisen?
Regelmäßig wird ein Einreise- und Aufenthaltsverbot verfügt. Dessen Dauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Eintragungen in Informationssysteme können Visumverfahren und Grenzkontrollen beeinflussen.
Wer trägt die Kosten einer Abschiebung?
Es können Kosten für Transport, Bewachung, Unterbringung und Verwaltung erhoben werden. Diese können der betroffenen Person oder Dritten auferlegt werden, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind.
Welche Rechte haben Minderjährige und Familien?
Bei Minderjährigen und Familien steht das Kindeswohl im Vordergrund. Familiäre Bindungen, Betreuung und Schulbesuch werden besonders berücksichtigt. Eine Trennung von Familienangehörigen wird nur ausnahmsweise in Betracht gezogen.