Definition und Begriff des Familiennachzugs
Der Begriff Familiennachzug bezeichnet das rechtlich geregelte Verfahren, durch welches Familienangehörige eines in einem Staat aufenthaltsberechtigten oder ansässigen Ausländers das Recht erhalten, diesem nachzuziehen und auf dieser Grundlage eine Aufenthaltserlaubnis zu erlangen. Ziel des Familiennachzugs ist die Wahrung der Familieneinheit vor dem Hintergrund des grundrechtlich geschützten Familienlebens, wobei internationale und nationale Regelungen zu beachten sind.
Rechtsgrundlagen des Familiennachzugs
Nationale Rechtsquellen
In Deutschland sind die zentralen Rechtsgrundlagen für den Familiennachzug insbesondere im Aufenthaltsgesetz (AufenthG) geregelt. Wesentliche Normen finden sich in den §§ 27 bis 36 AufenthG. Daneben sind auch Regelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) und im Aufenthaltsrecht der Europäischen Union von Bedeutung.
Internationale Rechtsquellen
Internationale Verträge, wie die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) und das Übereinkommen über die Rechte des Kindes (UN-KRK), verpflichten die Vertragsstaaten, das Recht auf Familienleben zu achten und die Zusammenführung von Familien zu ermöglichen. Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie die EU-Richtlinie 2003/86/EG über das Recht auf Familienzusammenführung sind auf EU-Ebene einschlägig.
Anspruchsberechtigte und begünstigte Personen
Nachziehende Familienangehörige
Im deutschen Recht unterscheidet das AufenthG zwischen Kernfamilie (Ehegatten, eingetragene Lebenspartner, minderjährige ledige Kinder) und weiteren, unter besonderen Voraussetzungen nachzugsberechtigten Familienmitgliedern (z. B. Eltern minderjähriger Flüchtlinge, erwachsene Kinder, sonstige Verwandte).
Ehegatten- und Lebenspartnermnachzug
Der Ehegattennachzug ist gemäß § 30 AufenthG möglich, wenn die Ehe rechtswirksam ist und keine Scheinehe vorliegt. Gleiches gilt für eingetragene Lebenspartnerschaften.
Nachzug von minderjährigen Kindern
Der Nachzug minderjähriger, lediger Kinder regelt § 32 AufenthG. Volljährige Kinder können nur in atypischen Härtefällen und unter speziellen Bedingungen nachziehen.
Eltern- und sonstiger Familiennachzug
Eltern minderjähriger unbegleiteter Flüchtlinge (§ 36 Abs. 1 AufenthG) haben ein eigenes Nachzugsrecht zum Schutz des Kindeswohls. Sonstige Angehörige können nur im Rahmen von Härtefällen nachziehen (§ 36 Abs. 2 AufenthG).
Familiennachzug bei besonderen Statusgruppen
Schutzberechtigte und Flüchtlinge
Anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte genießen nach §§ 29, 36a AufenthG privilegierte Zugangsrechte hinsichtlich des Familiennachzugs, insbesondere bei minderjährigen Kindern. Teilweise gelten erleichterte Anforderungen, beispielsweise bei der Sicherung des Lebensunterhalts.
EU-Bürger und Drittstaatsangehörige
Aufenthaltsberechtigte EU-Bürger und ihre Familienangehörigen unterfallen grundsätzlich dem Freizügigkeitsgesetz/EU und können unter erleichterten Bedingungen von ihrem Recht auf Familiennachzug Gebrauch machen. Drittstaatsangehörige müssen grundsätzlich höhere Anforderungen erfüllen.
Voraussetzungen für den Familiennachzug
Allgemeine Voraussetzungen
Zu den maßgeblichen allgemeinen Voraussetzungen zählen:
- Erteilung eines Aufenthaltstitels für den bereits im Staatsgebiet lebenden Ausländer (z. B. Aufenthaltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis)
- Sicherung des Lebensunterhalts (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG)
- Ausreichender Wohnraum (§ 29 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG)
- Nachweis einfacher Deutschkenntnisse für nachziehende Ehegatten (§ 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG)
- Kein Ausweisungsinteresse (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG)
- Personenstands- und Identitätsnachweis
Ausnahmen und Erleichterungen
Für bestimmte Personen(gruppen) gelten Ausnahmen von einzelnen Voraussetzungen. Beispielsweise müssen Flüchtlinge unter bestimmten Voraussetzungen keinen Nachweis der Sicherung des Lebensunterhalts oder ausreichender Deutschkenntnisse erbringen. Dies gilt insbesondere, wenn das Zusammenleben aus völkerrechtlichen, humanitären oder familiären Gründen geboten ist.
Ablauf des Familiennachzugsverfahrens
Antragstellung und Visumverfahren
Der Familiennachzug bedarf grundsätzlich einer Beantragung bei der zuständigen Auslandsvertretung des Aufenthaltsstaats. Nach positiver Prüfung der Unterlagen und Erfüllung der Voraussetzungen wird ein Visum zum Zwecke des Familiennachzugs ausgestellt.
Nachzug zu inländisch aufenthaltsberechtigten Personen
Nach Einreise erfolgt die Anmeldung beim zuständigen Ausländeramt, das die Aufenthaltserlaubnis ausstellt und in regelmäßigen Abständen prüft, ob die Voraussetzungen weiterhin bestehen.
Ablehnung und Rechtschutzmöglichkeiten
Eine Ablehnung des Familiennachzugs ist möglich, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt werden oder das öffentliche Interesse am Schutz der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit überwiegt. Gegen ablehnende Verwaltungsentscheidungen können Rechtsmittel wie Widerspruch und Klage zum Verwaltungsgericht eingelegt werden.
Besondere Konstellationen und aktuelle Entwicklungen im Familiennachzug
Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten
Mit der Neuregelung durch das Familiennachzugsneuregelungsgesetz (gültig seit August 2018) ist der Nachzug zu subsidiär Schutzberechtigten grundsätzlich möglich, jedoch auf 1.000 Personen pro Monat begrenzt und unterliegt einer Härtefallprüfung.
Härtefallregelungen
In besonderen Ausnahmefällen kann der Familiennachzug im Rahmen von Härtefallregelungen auch dann genehmigt werden, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen im Einzelfall nicht oder nur teilweise erfüllt werden (§ 36 Abs. 2 AufenthG).
Zusammenfassung und Bedeutung des Familiennachzugs
Der Familiennachzug stellt einen bedeutenden Bestandteil im Aufenthaltsrecht dar und sichert das durch nationale sowie überstaatliche Regelungen geschützte Recht auf Familienleben. Die genaue Ausgestaltung und Durchsetzbarkeit der Rechte sind von den jeweiligen gesetzlichen Voraussetzungen und politischen Rahmenbedingungen abhängig. Die ständige Fortentwicklung der Rechtslage macht eine sorgfältige Berücksichtigung aktueller Entwicklungen unabdingbar.
Weiterführende Informationen:
- Aufenthaltsgesetz (AufenthG) – aktuelle Fassung
- BMI – Informationen zum Familiennachzug
- Auswärtiges Amt – Visum zum Familiennachzug
Häufig gestellte Fragen
Wer ist im rechtlichen Sinne zum Familiennachzug berechtigt?
Zum Familiennachzug nach Deutschland sind grundsätzlich enge Familienangehörige von Drittstaatsangehörigen (Staatsangehörige außerhalb der EU/EWR/Schweiz) berechtigt. Hierzu zählen in erster Linie der Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner, minderjährige ledige Kinder sowie in Ausnahmefällen auch sorgeberechtigte Eltern minderjähriger Kinder, die sich bereits rechtmäßig in Deutschland aufhalten. Die Rechtsgrundlage bildet insbesondere das Aufenthaltsgesetz (AufenthG), §§ 27 ff. Dabei unterscheidet das Gesetz zwischen dem Nachzug zu Deutschen und dem Nachzug zu Ausländern, wobei für den Nachzug zu subsidiär Schutzberechtigten (z. B. Flüchtlingen) ab August 2018 spezielle Regelungen gelten (Kapazitätsbegrenzung und besondere Voraussetzungen). Darüber hinaus können je nach Status der in Deutschland lebenden Person (z. B. anerkannter Flüchtling, subsidiär Schutzberechtigte, Inhaber einer Niederlassungserlaubnis) unterschiedliche Nachzugsregelungen und spezifische Voraussetzungen Anwendung finden.
Welche allgemeinen Voraussetzungen müssen für den Familiennachzug erfüllt sein?
Zu den wichtigsten rechtlichen Voraussetzungen für den Familiennachzug zählen der gesicherte Lebensunterhalt, ausreichender Wohnraum für die Familie, der Nachweis von Krankenversicherungsschutz und, im Regelfall, grundlegende Deutschkenntnisse des nachziehenden Familienangehörigen (Sprachniveau A1 gemäß GER). Von diesen Erfordernissen kann in bestimmten Fällen, beispielsweise beim Nachzug zu anerkannten Flüchtlingen (innerhalb der ersten drei Monate nach Anerkennung), abgesehen werden. Im Einzelfall können abweichende Bestimmungen gelten, insbesondere für Schutzberechtigte nach der Genfer Flüchtlingskonvention oder wenn das Kindeswohl betroffen ist. Weiterhin ist ein wirksames und registriertes Ehe- oder Abstammungsverhältnis nachzuweisen.
Welche Dokumente und Nachweise sind für den Antrag notwendig?
Für den Antrag auf Familiennachzug sind unterschiedliche Unterlagen vorzulegen. Dazu gehören in der Regel: gültiger Pass oder Passersatzdokument, Heirats- oder Geburtsurkunde (legalisiert oder mit Apostille versehen, inklusive amtlich beglaubigter Übersetzung), Nachweis über den Aufenthaltstitel des Stammberechtigten in Deutschland, Nachweise zum Wohnraum (Mietvertrag, Wohnflächenberechnung), Einkommensnachweise des/der Unterhaltsverpflichteten, Bestätigung über ausreichenden Krankenversicherungsschutz sowie ggf. Sprachzertifikate. Weitere Dokumente können von der zuständigen Auslandsvertretung gefordert werden, abhängig vom Herkunftsland und individuellen Fallkonstellationen. Die Unterlagen sind regelmäßig vollständig vor Antragstellung einzureichen, unvollständige Anträge führen häufig zu Verzögerungen oder Ablehnungen.
Welche Rolle spielen Sprachkenntnisse beim Familiennachzug?
Deutschkenntnisse sind ein zentrales Kriterium im Verfahren zum Familiennachzug, insbesondere beim Ehegattennachzug. Der nachziehende Ehepartner muss in der Regel einfache Deutschkenntnisse auf dem Niveau A1 (GER) nachweisen, was durch ein anerkanntes Sprachzertifikat zu erfolgen hat. Ausnahmen hiervon bestehen u. a., wenn der Stammberechtigte eine Blaue Karte EU, eine ICT-Karte, eine Niederlassungserlaubnis als Hochqualifizierter besitzt oder bei Vorliegen bestimmter persönlicher Gründe (z. B. Behinderung, Krankheit). Auch beim Nachzug minderjähriger Kinder werden Sprachkenntnisse nicht gefordert. Die genauen Anforderungen und Ausnahmefälle sind in § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AufenthG geregelt.
Gibt es Fristen für die Beantragung des Familiennachzugs?
Ja, es gibt wichtige Fristen zu beachten. Für den privilegierten Familiennachzug zu anerkannten Flüchtlingen gilt eine Frist von drei Monaten nach Anerkennung des Schutzstatus (§ 29 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG); innerhalb dieses Zeitraums entfällt die Verpflichtung, den Lebensunterhalt zu sichern oder ausreichenden Wohnraum nachzuweisen. Wird der Antrag zu einem späteren Zeitpunkt gestellt, gelten die allgemeinen Voraussetzungen wieder. Zudem ist in jedem Fall zu berücksichtigen, dass der Familiennachzug genehmigungspflichtig ist und sich durch lange Bearbeitungszeiten bei den Auslandsvertretungen sowie Nachforderung von Unterlagen weitere zeitliche Verzögerungen ergeben können. Rechtliches Gehör und fristgerechte Antragstellung sind daher von zentraler Bedeutung.
Welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen bei einer Ablehnung des Antrags auf Familiennachzug?
Im Falle einer ablehnenden Entscheidung kann der Antragsteller binnen eines Monats nach Zustellung der Ablehnung Widerspruch einlegen bzw. Klage erheben, je nach Zuständigkeit und Konstellation bei der jeweiligen Auslandsvertretung oder dem Verwaltungsgericht. Die gerichtliche Überprüfung der Entscheidung erfolgt nach den Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) und der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Es empfiehlt sich, die Ablehnungsbegründung sorgfältig zu prüfen und ggf. unter Hinzuziehung einer fachkundigen Rechtsvertretung zu bewerten, ob die gesetzlichen Voraussetzungen tatsächlich nicht vorliegen oder ob Verfahrensfehler gemacht wurden. Die Beschwerdeverfahren können je nach Einzelfall mehrere Monate in Anspruch nehmen. In besonders dringenden Fällen kann auch im Eilverfahren vorgegangen werden.
Welche Besonderheiten gelten beim Familiennachzug zu anerkannten Flüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigten?
Beim Familiennachzug zu anerkannten Flüchtlingen (Subsidiärer Schutz gemäß Genfer Flüchtlingskonvention) gewährt das Aufenthaltsgesetz unter erleichterten Bedingungen den Nachzug von Ehegatten und minderjährigen ledigen Kindern. Unter bestimmten Umständen dürfen auch Eltern minderjähriger anerkannter Flüchtlinge nachziehen. Bis August 2018 war der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten ausgesetzt, seither ist er durch eine jährliche Kontingentregelung (max. 1.000 Visa pro Monat) eingeschränkt. Für diesen Personenkreis gelten Sonderregelungen, insbesondere bei den Nachweisen zum Lebensunterhalt und zu Sprachkenntnissen. Die besonderen Anforderungen und die Priorisierung orientieren sich dabei an den gesetzlichen Vorgaben und werden jeweils vom BAMF und den Auslandsvertretungen geprüft.
Welche Verfahren und Instanzen sind an einem Familiennachzugsprozess beteiligt?
Beim Verfahren zum Familiennachzug sind regelmäßig mehrere Behörden und Instanzen beteiligt: Die deutsche Auslandsvertretung im Herkunftsland des nachziehenden Angehörigen nimmt in der Regel den Visumantrag entgegen und führt das Visumverfahren durch. In Deutschland ist die für den Wohnsitz des Stammberechtigten zuständige Ausländerbehörde maßgeblich, die über die Zustimmung entscheidet. Zudem wirken das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), ggf. das Standesamt (bei Prüfung von Urkunden und Personenstandsfeststellung) und weitere Behörden mit. In Streitfällen werden die Verwaltungsgerichte als Rechtsmittelinstanz tätig. Das Zusammenwirken dieser Behörden und die Einhaltung der formalen Verfahren sind für den erfolgreichen Abschluss des Familiennachzugsverfahrens entscheidend.