Definition und Begriff der Absatzbehinderung
Die Absatzbehinderung bezeichnet im deutschen Wirtschafts- und Wettbewerbsrecht eine gezielte oder faktisch wirkende Beeinträchtigung des Waren- und Dienstleistungsabsatzes eines Wettbewerbers. Im Zentrum steht dabei der Umstand, dass ein Unternehmen durch bestimmte Handlungen eines anderen Unternehmens in seiner Möglichkeit eingeschränkt wird, seine Produkte oder Dienstleistungen im Markt anzubieten oder abzusetzen. Absatzbehindungen können sowohl aus vertraglichen Vereinbarungen als auch aus einseitigem Verhalten resultieren. Sie werden rechtlich vor allem im Kontext des Kartellrechts und des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) betrachtet.
Rechtliche Grundlagen der Absatzbehinderung
Absatzbehinderung im Kartellrecht
Deutsches Kartellgesetz (GWB)
Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) enthält verschiedene Vorschriften, die Absatzbehinderungen betreffen. Insbesondere § 19 GWB (Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung) und § 20 GWB (Behinderung von kleinen und mittleren Unternehmen) adressieren Verhaltensweisen, die absatzbehindernd wirken können:
- § 19 GWB verbietet es marktbeherrschenden Unternehmen, andere Unternehmen unmittelbar oder mittelbar unbillig zu behindern.
- § 20 GWB befasst sich speziell mit der Behinderung kleiner und mittelgroßer Unternehmen durch marktstarke Unternehmen. Dabei geht es unter anderem um Verdrängungspraktiken, Zugangsverweigerungen zu Absatzmärkten und Belieferungssperren.
Wichtige Fallgruppen im Kartellrecht bezogen auf Absatzbehinderung sind beispielsweise der Boykott, das Diskriminierungsverbot im Rahmen von Selektivvertriebssystemen oder exklusive Bezugsbindungen und Exklusivitätsvereinbarungen.
Europäisches Kartellrecht
Auch die Verordnung (EG) Nr. 1/2003 und die Artikel 101 und 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) enthalten Regelungen gegen wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen und den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung, die auf die Unterbindung absatzbehindernder Praktiken abzielen.
Absatzbehinderung im Lauterkeitsrecht
Im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) wird die Absatzbehinderung als eine besondere Fallgruppe des unlauteren Wettbewerbs betrachtet.
- § 4 Nr. 4 UWG beschreibt gezielte Mitbewerberbehinderung als unlautere geschäftliche Handlung. Dabei handelt es sich um Handlungen, die nicht primär auf Förderung des eigenen Wettbewerbs, sondern vorrangig auf Behinderung des Wettbewerbers abzielen. Beispiele sind die gezielte Abwerbung von Kunden mit unlauteren Mitteln oder die Blockade von Vertriebskanälen.
Rechtswidrig ist eine Absatzbehinderung insbesondere dann, wenn sie in ihrer Zielrichtung auf die Verdrängung eines Mitbewerbers vom Markt gerichtet und nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist.
Formen und Beispiele der Absatzbehinderung
Direkte und indirekte Absatzbehinderung
- Direkte Absatzbehinderung liegt vor, wenn ein Unternehmen unmittelbar verhindert, dass ein Wettbewerber seine Waren oder Dienstleistungen anbieten kann (z.B. durch Boykottaufrufe, Lieferverweigerungen, Abschottung von Vertriebskanälen).
- Indirekte Absatzbehinderung betrifft Maßnahmen, die zwar nicht direkt auf das Angebot eines Wettbewerbers abzielen, dennoch aber faktisch dessen Absatzmöglichkeiten einschränken (z.B. exklusive Lieferverträge, vertikale Preisbindungen, Vereinbarungen mit Händlern über den Ausschluss von Konkurrenzprodukten).
Typische Fallgruppen
- Kollektive Boykottmaßnahmen: Zusammenschluss mehrerer Unternehmen mit dem Ziel, einen Wettbewerber vom Markt auszuschließen.
- Mißbrauch von Exklusivitätsklauseln: Vereinbarungen, die Dritten den Zugang zu wesentlichen Absatzwegen verwehren.
- Diskriminierung bei der Belieferung: Ungleichbehandlung vergleichbarer Marktteilnehmer zum Nachteil einzelner Anbieter.
- Verdrängungswettbewerb: Strategien wie Dumpingpreise, die darauf abzielen, Mitbewerber vom Markt zu drängen.
Zulässigkeit und Grenzen der Absatzbehinderung
Zulässige Absatzbehinderungen
Nicht jede Beeinträchtigung des Absatzes eines Mitbewerbers ist unzulässig. Rechtlich zulässig ist eine Absatzbehinderung, wenn sie durch ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse gerechtfertigt ist, etwa durch die Wahrung eigener Marktchancen, technische Notwendigkeiten oder den Schutz von Unternehmensgeheimnissen.
Unzulässige Absatzbehinderungen
Unzulässig sind insbesondere solche Maßnahmen, die allein dazu dienen, den Marktzugang oder -bestand eines Wettbewerbers zu erschweren oder aus dem Markt zu drängen, ohne dass hierfür ein sachlicher Grund vorliegt. Besonders kritisch beurteilt werden Praktiken marktbeherrschender oder marktstarker Unternehmen, die ihre Marktmacht missbrauchen, um Wettbewerber zu behindern.
Rechtsfolgen bei unzulässiger Absatzbehinderung
Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch
Betroffene Unternehmen können bei Vorliegen einer unzulässigen Absatzbehinderung einen Anspruch auf Unterlassung und – in bestimmten Fällen – auf Beseitigung der Behinderung geltend machen (§§ 8 ff. UWG, §§ 33 ff. GWB).
Schadensersatzanspruch
Sofern ein Schaden nachweisbar entstanden ist, besteht die Möglichkeit, einen Schadensersatzanspruch geltend zu machen. Dieser ist im GWB und im UWG normiert (§ 33a GWB, § 9 UWG).
Klagerecht und Verfahren
Das Recht zur Klage steht einzelnen Unternehmen, aber auch Wettbewerbsverbänden oder Kammern zu. Verfahren werden in der Regel vor den zuständigen Zivilgerichten bzw. den spezialisierten Kartellsenaten geführt.
Bedeutung und praktische Relevanz
Die rechtliche Kontrolle von Absatzbehinderungen dient dem Schutz des Wettbewerbs und der Sicherstellung offener Märkte. Sie ermöglicht Anbietern aller Größenklassen den Zugang zu Märkten und fördert Innovation sowie Verbraucherwohl. Absatzbehinderung steht deshalb regelmäßig im Fokus der kartell- und wettbewerbsrechtlichen Rechtsprechung und Praxis.
Literatur und weiterführende Hinweise
- Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)
- Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)
- Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), insbesondere Art. 101, 102
- Kommentarliteratur zum Kartellrecht und Lauterkeitsrecht
- Rechtsprechung zu Boykott, Diskriminierung und Behinderung im Wettbewerbsumfeld
Hinweis: Der Begriff der Absatzbehinderung ist vielschichtig und unterliegt einer dynamischen Auslegung im Lichte der jeweils aktuellen kartell- und wettbewerbsrechtlichen Rechtsprechung. Für individuelle Gestaltungen und im Konfliktfall sollte eine umfassende rechtliche Bewertung der konkreten Umstände erfolgen.
Häufig gestellte Fragen
In welchen rechtlichen Zusammenhängen spielt die Absatzbehinderung eine maßgebliche Rolle?
Die Absatzbehinderung ist insbesondere im Bereich des Wettbewerbsrechts und Kartellrechts von erheblicher Bedeutung. Sie steht im Fokus des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) sowie des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Im Wettbewerbsrecht wird die Absatzbehinderung häufig im Zusammenhang mit unlauteren geschäftlichen Handlungen oder der gezielten Behinderung von Mitbewerbern behandelt. Im Kartellrecht wiederum kann eine missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung (§ 19 GWB) vorliegen, wenn ein Unternehmen Maßnahmen ergreift, die zur Behinderung des Absatzes von Wettbewerbern führen. Auch im europäischen Wettbewerbsrecht, speziell in Art. 102 AEUV, sind Praktiken, die eine Absatzbehinderung bewirken, erfasst. Gerichte und Kartellbehörden prüfen im Einzelfall, ob eine gezielte Behinderungsabsicht vorliegt und ob die Maßnahme geeignet ist, den Marktzugang oder die Entfaltungsmöglichkeiten anderer Marktteilnehmer zu beeinträchtigen.
Welche Verhaltensweisen können rechtlich als Absatzbehinderung eingestuft werden?
Absatzbehinderung umfasst eine Vielzahl von Verhaltensweisen, welche den Geschäftserfolg eines Mitbewerbers beeinträchtigen. Dazu gehören beispielsweise die Blockierung von Bezugsquellen, das Erzwingen von Exklusivbindungen bei Vertriebspartnern, die missbräuchliche Verknüpfung von Produkten (Kopplungsgeschäfte), die Verweigerung des Zugangs zu wesentlichen Einrichtungen oder Absatzwegen (z.B. Märkte, Plattformen), wettbewerbswidrige Boykottaufrufe, die Einschaltung von Scheinkäufern zur Blockade von Verkaufskapazitäten, gezielte Störung laufender Geschäftsbeziehungen durch Abwerbung von Kunden unter Einsatz unlauterer Mittel sowie die Preisunterbietung ausschließlich zu dem Zweck, Wettbewerber aus dem Markt zu drängen (Verdrängungswettbewerb). Jede dieser Handlungen wird im Lichte des UWG oder GWB darauf geprüft, ob eine unlautere oder kartellrechtswidrige Behindertenabsicht und deren Eignung zur Absatzbehinderung vorliegt.
Welche Ansprüche stehen einem Unternehmer bei rechtswidriger Absatzbehinderung zur Verfügung?
Wird ein Unternehmen rechtswidrig in seinem Absatz behindert, stehen ihm grundsätzlich mehrere zivilrechtliche Ansprüche offen. Nach § 8 UWG kann das betroffene Unternehmen einen Unterlassungsanspruch geltend machen, um die fortgesetzte oder zukünftige Behinderung zu verhindern. Daneben bestehen nach § 9 UWG Schadensersatzansprüche, wenn durch die unlautere Handlung ein Schaden entstanden ist. Im Kartellrecht regelt § 33 GWB ebenfalls Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche bei Verstößen gegen das Kartellverbot oder ein Missbrauchsverbot. In der Regel können Mitbewerber und Verbände zur Rechtsverfolgung befugt sein. Zusätzlich bestehen Möglichkeiten zur Klärung durch die Kartellbehörden, welche Sanktionen verhängen oder Anordnungen zur Beseitigung der Behinderung treffen können.
Wie erfolgt die Beurteilung der Absatzbehinderung durch Gerichte und Behörden?
Die Beurteilung einer Absatzbehinderung erfolgt stets anhand einer umfassenden Prüfung der Umstände des Einzelfalls. Die Gerichte und Behörden legen insbesondere Wert darauf, festzustellen, ob das Verhalten eine gezielte Behinderung eines Wettbewerbers oder eine Beschränkung des freien Wettbewerbs bezweckt oder bewirkt. Maßgeblich ist dabei nicht nur das tatsächliche Ergebnis, sondern bereits die objektive Eignung der Maßnahme zur Beeinträchtigung des Absatzes Dritter. Einzelfallbezogen werden dabei die Marktmacht des Handelnden, die Marktstruktur, die Intensität der Beeinträchtigung sowie etwaige Rechtfertigungsgründe berücksichtigt. Lassen sich legitime geschäftliche Interessen für das Verhalten anführen, wird zusätzlich eine Abwägung unter Berücksichtigung der Interessenlage vorgenommen. Im Kartellrecht wird eine Absatzbehinderung oftmals nur dann beanstandet, wenn sie von marktbeherrschenden Unternehmen ausgeht.
Wie ist das Verhältnis zwischen Absatzbehinderung und legitimer Konkurrenz zu bewerten?
Das Wettbewerbsrecht unterscheidet zwischen zulässiger (lauterer) und unzulässiger (unlauterer) Behinderung. Nicht jede Beeinträchtigung von Konkurrenten stellt eine rechtswidrige Absatzbehinderung dar, denn der Wettbewerb lebt vom Leistungswettbewerb, durch den es zu einem gewissen Grad immer zu Behinderungen kommt. Eine Absatzbehinderung ist daher nur dann rechtlich relevant, wenn sie das Maß normaler Konkurrenz überschreitet und gezielt darauf gerichtet ist, Mitbewerber auszusondern oder deren Marktchancen in unlauterer Weise zu verschlechtern. Die Grenze zur legitimen Konkurrenz ist erreicht, wenn die Maßnahmen über ein faires Wettbewerbsverhalten hinausgehen und auf die Verdrängung oder Behinderung anderer abzielen. Typische Abgrenzungskriterien sind beispielsweise der Einsatz unlauterer Mittel oder das Vorliegen einer missbräuchlichen Marktmacht.
Welche Rolle spielt die Marktstellung des Behindernden bei der rechtlichen Bewertung?
Die Marktstellung des aktiv behindernden Unternehmens ist insbesondere im Kartellrecht ein zentrales Bewertungskriterium. Grundsätzlich steht es Unternehmen frei, sich im Rahmen des Leistungswettbewerbs zu betätigen. Verfügt ein Unternehmen jedoch über eine marktbeherrschende Stellung, unterliegt es einer erhöhten Missbrauchskontrolle nach § 19 GWB beziehungsweise Art. 102 AEUV. In diesem Fall können Verhaltensweisen, die bei nicht marktbeherrschenden Unternehmen wettbewerbsrechtlich noch akzeptiert werden, bereits als Rechtsverstoß bewertet werden, wenn sie den Marktzutritt oder die Entwicklung von Wettbewerbern hemmen oder verhindern. Je stärker die Marktmacht, desto enger sind die rechtlichen Grenzen für absatzbehindernde Maßnahmen gesteckt.
Welche Rolle spielen europarechtliche Vorschriften bei der rechtlichen Einordnung der Absatzbehinderung?
Neben nationalen Vorschriften des UWG und GWB greifen bei grenzüberschreitenden Sachverhalten oder bei Verstößen durch international tätige Unternehmen häufig auch europarechtliche Normen. Art. 101 und 102 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) sind zentrale Vorschriften, die vertragswidrige Wettbewerbsbeschränkungen und den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung verbieten. Absatzbehindernde Verhaltensweisen wie Exklusivbindungen, Absprachen zur Marktabschottung oder unbillige Versagung des Zugangs zu essentiellen Märkten werden von der Europäischen Kommission streng verfolgt. Bei europaweiter Bedeutung haben europäische Gerichte und Behörden diesbezüglich eine umfassende Rechtsprechung entwickelt, die auch auf die Auslegung nationaler Vorschriften abfärbt.