Observation durch Versicherer – Grenzen des Datenschutzes im Zivilprozess
Das Oberlandesgericht Oldenburg hatte sich in dem Verfahren mit der bereichsspezifischen datenschutzrechtlichen Zulässigkeit privater Observationen durch Versicherungsgesellschaften auseinanderzusetzen. Hintergrund war ein Verkehrsunfall, in dessen Folge die Geschädigte Schmerzensgeldansprüche gegen den gegnerischen Haftpflichtversicherer geltend machte (OLG Oldenburg, Urteil vom 23.07.2024, Az. 13 U 48/23).
Sachverhalt: Private Observation nach Verkehrsunfall
Im Anschluss an ein Unfallereignis und die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen beauftragte der Versicherer eine Privatdetektei mit der Überwachung der Klägerin. Durch diese Observationen, die über mehrere Tage erfolgten, wollte der Versicherer den Verdacht des Leistungsmissbrauchs klären lassen. Es wurden unter anderem Bewegungsprofile sowie Foto- und Videomaterial angefertigt. Die Ergebnisse der Überwachung wandte der Versicherer im gerichtlichen Verfahren ein.
Datenschutzrechtliche Bewertung
Wesentliche Streitfrage war die Vereinbarkeit der durchgeführten Überwachung mit datenschutzrechtlichen Vorgaben. Das Gericht stellte fest, die eingesetzten Maßnahmen genügten nicht den Anforderungen, wie sie sich insbesondere aus der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) ergeben.
Voraussetzungen gezielter Observation
Das Gericht prüfte, ob eine gravierende Grundlage für die Annahme eines unlauteren Anspruchsverhaltens bestanden hatte. Eine bloße Vermutung bezüglich der Höhe des geltend gemachten Schmerzensgeldes oder allgemeine Zweifel an der Schlüssigkeit der Angaben des Unfallopfers ließen nach Auffassung des Senats eine solche Datenverarbeitung – namentlich die verdeckte Überwachung im privaten Lebensumfeld – nicht zu. Entscheidend sei das Vorliegen konkreter Anhaltspunkte, die eine solche Maßnahme objektiv rechtfertigen könnten. Im konkreten Fall fehlten nach Ansicht des OLG Oldenburg derartige hinreichende Tatsachen.
Folgen der Datenschutzverletzung
Die datenschutzwidrig erhobenen Informationen wurden vom Gericht als unverwertbar eingestuft. Dies betraf sämtliche im Rahmen der Überwachung gewonnenen Erkenntnisse einschließlich der angefertigten Bild- und Videoaufnahmen. Eine Berücksichtigung im Rahmen der Beweiswürdigung erfolgte nicht.
Bedeutung für die Praxis im Versicherungs- und Datenschutzrecht
Das Urteil des OLG Oldenburg verdeutlicht die rechtlichen Grenzen für privatwirtschaftliche Überwachungsmaßnahmen im Kontext zivilrechtlicher Streitigkeiten. Besonders hervorzuheben ist, dass eine präventive Observation durch Versicherungen ohne das Vorliegen belastbarer Verdachtsmomente unzulässig sein kann und damit nicht nur datenschutzrechtliche, sondern auch zivilprozessuale Konsequenzen nach sich zieht. Die Entscheidung unterstreicht zugleich die hohe Bedeutung des Schutzes der Persönlichkeitsrechte betroffener Parteien im Kontext versicherungsrechtlicher Auseinandersetzungen.
Für Unternehmen, Investoren und vermögende Privatpersonen ergeben sich daraus zentrale Fragestellungen im Hinblick auf das Spannungsfeld zwischen effizienten Ermittlungsinteressen und der Einhaltung datenschutzrechtlicher Verpflichtungen. Das Urteil gibt einen Anlass, bestehende Prozesse und Maßnahmen im Hinblick auf Rechtskonformität und Risikoabwägungen kritisch zu überprüfen.
Das vollständige Urteil sowie weiterführende Informationen sind auf urteile.news abrufbar. Hinweis: Soweit noch Rechtsmittel gegen diese Entscheidung möglich sind oder das Verfahren nicht rechtskräftig abgeschlossen ist, gilt die Unschuldsvermutung.
Wer konkrete Fragen zur datenschutzrechtlichen Bewertung vergleichbarer Maßnahmen hat oder eine Risikoanalyse im Umgang mit personenbezogenen Daten wünscht, findet unter Rechtsberatung im Datenschutz bei MTR Legal die Möglichkeit zu einer individuellen und diskreten Abstimmung.