Legal Lexikon

Zugewinn


Begriff und Bedeutung des Zugewinns

Definition

Der Begriff Zugewinn bezeichnet im deutschen Familienrecht eine zentrale Größe im Rahmen des ehelichen Güterrechts, insbesondere des gesetzlichen Güterstandes der Zugewinngemeinschaft (§§ 1363 ff. BGB – Bürgerliches Gesetzbuch). Der Zugewinn ist die Differenz zwischen dem Endvermögen und dem Anfangsvermögen eines Ehegatten während der Ehezeit. Bei Beendigung des Güterstandes, etwa durch Scheidung oder Tod eines Ehegatten, findet regelmäßig ein Zugewinnausgleich statt, um den während der Ehe erworbenen Vermögenszuwachs gerecht zwischen den Ehepartnern zu verteilen.


Rechtliche Grundlagen und Systematik

Gesetzliche Regelung

Der Zugewinn ist im Dritten Buch des Bürgerlichen Gesetzbuches geregelt (§§ 1363 bis 1390 BGB). Das System des Zugewinnausgleichs beruht auf der Grundannahme, dass die während der Ehe erworbenen Vermögenszuwächse grundsätzlich beiden Ehegatten gleichermaßen zustehen sollen, unabhängig von individuellen Beiträgen zur Vermögensbildung.

Güterstand der Zugewinngemeinschaft

Die Zugewinngemeinschaft ist der in Deutschland gesetzlich vorgesehene Güterstand, der automatisch eintritt, sofern die Ehegatten nichts anderes (z. B. Gütertrennung oder Gütergemeinschaft) durch notariellen Ehevertrag vereinbaren. Während der Ehe bleiben die Vermögensmassen der Eheleute grundsätzlich getrennt. Erst im Fall der Beendigung des Güterstandes wird ein Ausgleich durchgeführt.


Ermittlung des Zugewinns

Anfangsvermögen

Das Anfangsvermögen besteht aus dem Vermögen, das jedem Ehegatten bei Eheschließung gehört (§ 1374 BGB). Dazu zählen sämtliche Aktiva abzüglich der Passiva; zu berücksichtigen ist allerdings, dass bestimmte Schenkungen oder Erbschaften, die einem Ehegatten während der Ehe zukommen, zum Anfangsvermögen hinzugerechnet werden, auch wenn sie tatsächlich erst später zufließen (§ 1374 Abs. 2 BGB), um sie dem Ausgleich zu entziehen.

Endvermögen

Das Endvermögen ist das Vermögen eines Ehegatten am Tag der Beendigung des Güterstandes (§ 1375 BGB). Hier werden wiederum sämtliche Vermögenswerte abzüglich der bestehenden Verbindlichkeiten berücksichtigt. Es gilt der Wert zum Stichtag der Zustellung des Scheidungsantrags oder im Todesfall zum Zeitpunkt des Todes (§ 1375 BGB).

Berechnung des Zugewinns

Der Zugewinn eines Ehegatten ergibt sich aus der Differenz zwischen seinem End- und Anfangsvermögen. Für den Zugewinnausgleich werden die jeweiligen Zugewinne der Ehegatten verglichen. Der Ehegatte mit dem geringeren Zugewinn hat einen Anspruch auf Ausgleich in Höhe der Hälfte des Überschusses (§ 1378 BGB).

Beispiel:

  • Ehegatte A: Anfangsvermögen 20.000 €, Endvermögen 80.000 € → Zugewinn: 60.000 €
  • Ehegatte B: Anfangsvermögen 10.000 €, Endvermögen 30.000 € → Zugewinn: 20.000 €
  • Differenz: 40.000 € → Ausgleichsanspruch: 20.000 €

Besonderheiten beim Anfangs- und Endvermögen

  • Negatives Anfangsvermögen: Ist das Anfangsvermögen negativ (Verschuldung), wird der Wert bei der Berechnung berücksichtigt und kann zu einem erhöhten Zugewinn führen.
  • Schenkungen und Erbschaften: Vermögenszuwächse aus Erbschaften und Schenkungen bleiben grundsätzlich außen vor, um einen Ausgleich nur des gemeinsam während der Ehe Erworbenen zu ermöglichen.

Durchführung des Zugewinnausgleichs

Anspruch auf Zugewinnausgleich

Mit der Beendigung des Güterstandes, insbesondere durch Scheidung (§ 1378 BGB), entsteht ein gegenseitiger Ausgleichsanspruch. Der Ausgleich ist eine reine Geldforderung, die grundsätzlich nicht durch Übertragung von Gegenständen zu erfüllen ist, sondern durch Zahlung des ermittelten Betrags.

Ablauf und Verfahren

Der Zugewinnausgleich erfolgt in folgenden Schritten:

  1. Offenlegung der Vermögenswerte zum entsprechenden Stichtag durch beide Ehegatten.
  2. Ermittlung und Bewertung aller Vermögensbestandteile unter Einbeziehung etwaiger Passiva.
  3. Berechnung des jeweiligen Zugewinns.
  4. Feststellung des Ausgleichsanspruchs und gegebenenfalls gerichtliche oder außergerichtliche Durchsetzung.

Modifikationen und vertragliche Regelungen

Die Ehegatten können durch notariellen Vertrag abweichende Vereinbarungen über den Zugewinn treffen (§ 1408 BGB), etwa einen modifizierten Zugewinnausgleich oder die vollständige Ausschließung (Gütertrennung). Auch eine nachträgliche Umwandlung des Güterstandes ist möglich.


Besonderheiten und Probleme im Zusammenhang mit dem Zugewinn

Schutz vor Vermögensverschiebungen

Das Gesetz sieht zum Schutz vor missbräuchlichen Vermögensverschiebungen vor, dass unentgeltliche Verfügungen und verschleierte Vermögensminderungen innerhalb bestimmter Fristen beim Endvermögen wieder hinzugerechnet werden können (§ 1375 Abs. 2 BGB).

Unternehmensbeteiligungen und Betriebsvermögen

Bei der Bewertung von Unternehmensbeteiligungen und Betriebsvermögen kann der Zugewinnausgleich zu komplexen Bewertungsfragen führen. Der Unternehmenswert ist nach wirtschaftlichen und steuerlichen Kriterien zu bestimmen, wobei auf den wirklichen Wert am Bewertungsstichtag abzustellen ist.

Auslandssachverhalte

Sind Vermögenswerte im Ausland belegen oder Ehegatten unterschiedlicher Staatsangehörigkeit, können internationalprivatrechtliche Fragen zu klären sein, etwa nach dem anwendbaren Güterrecht (Europäische Güterrechtsverordnung).


Zugewinn und Steuerrecht

Der Zugewinnausgleich selbst ist einkommensteuerlich neutral; er stellt keine Schenkung und keine steuerpflichtige Einnahme dar. Allerdings können sich im Zusammenhang mit der Realisierung von Vermögenswerten steuerliche Folgewirkungen ergeben, beispielsweise bei Veräußerung von Immobilien zur Leistung des Ausgleichsbetrages.


Literaturhinweise und weiterführende Quellen

  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), §§ 1363 ff.
  • Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar
  • Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts

Zusammenfassung

Der Zugewinn ist ein zentrales Element bei der Auseinandersetzung des ehelichen Vermögens im Rahmen des gesetzlichen Güterstandes der Zugewinngemeinschaft. Die Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs sorgen für einen gerechten Ausgleich des in der Ehe gemeinsam erworbenen Vermögens, während privatrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten und die Komplexität von Einzelfällen maßgeschneiderte Lösungen erforderlich machen können. Die rechtssichere und korrekte Berechnung des Zugewinns ist für die Vermögensauseinandersetzung von großer Bedeutung und umfasst vielfältige Aspekte, angefangen bei der Vermögensermittlung über den Schutz gegen Umgehungstatbestände bis hin zu internationalen Bezügen.

Häufig gestellte Fragen

Wie wird der Anfangs- und Endvermögen im Zugewinnausgleich ermittelt?

Für die Berechnung des Zugewinns im Rahmen des Zugewinnausgleichs ist die exakte Ermittlung von Anfangs- und Endvermögen beider Ehegatten zentral. Das Anfangsvermögen ist das Vermögen, das einem Ehegatten am Tag der Eheschließung nach Abzug aller Verbindlichkeiten gehört hat. Hierbei muss jeder Ehegatte die Beweislast für sein Anfangsvermögen tragen, sofern es sich um einen positiven Wert handelt. Ist das Anfangsvermögen negativ, kann auch eine Insolvenz zu Beginn der Ehe berücksichtigt werden. Schenkungen und Erbschaften während der Ehe werden dem Anfangsvermögen fiktiv zugeschlagen, um sogenannte privilegierte Erwerbe aus dem Zugewinn auszunehmen. Das Endvermögen bestimmt sich nach dem rechtlichen Zustand am Tag der Zustellung des Scheidungsantrags. Vermögensverschiebungen in unmittelbarer Scheidungsabsicht zugunsten Dritter oder zum Nachteil des Ex-Partners (illoyale Vermögensminderung) werden in der Regel korrigiert: Das Vermögen wird so behandelt, als seien solche Handlungen nicht erfolgt (§ 1375 Abs. 2 BGB). Für eine vollständige Berechnung benötigen die Parteien umfassende Aufstellungen aller Aktiva und Passiva, Nachweise wie Kontoauszüge, Grundbuchauszüge sowie Nachweise zu Schenkungen oder Erbschaften.

Sind auch Schulden beim Zugewinnausgleich zu berücksichtigen?

Ja, im Zugewinnrecht werden nicht nur Vermögenswerte, sondern auch Verbindlichkeiten berücksichtigt. Für die Ermittlung des jeweiligen Anfangs- und Endvermögens eines Ehegatten werden daher Schulden grundsätzlich vom Vermögen abgezogen, so dass unter Umständen ein negatives Anfangs- oder Endvermögen entstehen kann. Wichtig ist, dass nur tatsächlich bestehende, nachweisbare Schulden einbezogen werden. Werthaltige Schulden aus der Zeit vor der Ehe sind dem Anfangsvermögen zuzurechnen, solche, die während der Ehe aufgenommen werden, erscheinen – falls noch vorhanden – im Endvermögen. Auch sind spätere Tilgungen von Anfangsschulden vorteilhaft für den Zugewinn; umgekehrt mindern in der Ehe aufgenommene Schulden am Stichtag das Endvermögen. Allerdings finden fiktive oder zum Zwecke der Vermögensverschiebung eingegangene Schulden im Zugewinn keine Anerkennung. Stichtage für die Berechnung bleiben auch hier Tag der Eheschließung beziehungsweise Tag der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags.

Was passiert mit Vermögen, das während der Ehe geschenkt oder geerbt wurde?

Vermögenswerte, die ein Ehegatte während der Ehezeit durch Schenkung oder Erbschaft erwirbt, gelten nach deutschem Recht als sogenannter „privilegierter Erwerb“. Sie werden nicht wie sonstiges in der Ehezeit erworbenes Vermögen behandelt. Nach § 1374 Abs. 2 BGB werden Schenkungen und Erbschaften dem Anfangsvermögen fiktiv zugeschlagen, auch wenn sie tatsächlich erst später in die Ehe geflossen sind. Dadurch werden sie aus dem Zugewinn ausgeschlossen, ihr Wert und auch sämtliche Wertsteigerungen bis zum Scheidungstag zählen nicht zum ausgleichspflichtigen Zugewinn. Eine Ausnahme stellen nur die Erträge aus der Anlage von Schenkungen oder Erbschaften dar, sofern sie zur Mehrung des Ehevermögens beigetragen haben. Ziel dieser Regelung ist es, familiäres (Vor-)Vermögen, das außerhalb der Ehe erworben wurde, speziellen Schutz zu gewähren.

Wie wird der Zugewinnausgleich berechnet und ausgezahlt?

Im Zugewinnverfahren steht jedem Ehegatten ein Geldanspruch gegen den anderen zu, sofern dessen Zugewinn größer ist. Dazu wird zunächst für beide Ehegatten der jeweilige Zugewinn ermittelt (Endvermögen abzüglich Anfangsvermögen). Wer in der Ehezeit einen höheren Zugewinn erzielt hat, muss die Hälfte des Überschusses an den anderen Ehegatten als Ausgleichszahlung leisten. Beispiel: Hat Ehegatte A einen Zugewinn von 100.000 Euro und Ehegatte B einen Zugewinn von 40.000 Euro, ergibt sich eine Differenz von 60.000 Euro. Die Hälfte dieser Differenz (30.000 Euro) steht dem weniger begünstigten Ehegatten zu. Der Ausgleich erfolgt als Geldzahlung; eine Übertragung von Immobilien oder Unternehmensanteilen ist nur möglich, wenn sich die Parteien darauf einigen oder die konkrete Situation dies rechtlich erlaubt. Im Falle wechselseitiger Zugewinne kann auch eine Aufrechnung erfolgen.

Welche Rolle spielen illoyale Vermögensminderungen vor der Scheidung?

Der Gesetzgeber hat mit § 1375 Abs. 2 BGB festgelegt, dass Vermögensverschiebungen, die ein Ehegatte in der Absicht vornimmt, den anderen zu benachteiligen, nicht anerkannt werden. Dies betrifft etwa Schenkungen an Dritte, gezielte Vermögensverschwendungen oder das plötzliche Eingehen nicht notwendiger Verbindlichkeiten kurz vor dem Stichtag. Solche Handlungen werden dem Endvermögen fiktiv hinzugerechnet, als ob sie nicht erfolgt wären. Ziel dieser Vorschrift ist es, den anderen Ehegatten davor zu schützen, dass während einer sich anbahnenden Trennung oder in Kenntnis einer bevorstehenden Scheidung Vermögenswerte ohne legitimen Grund dem gemeinsamen Ausgleich entzogen werden.

Können Ehegatten den Zugewinnausgleich vertraglich ausschließen oder abändern?

Ehegatten haben die Möglichkeit, durch notariellen Ehevertrag den gesetzlichen Güterstand und damit auch den Zugewinnausgleich auszuschließen oder inhaltlich abzuändern. Ein vollständiger Ausschluss oder eine Modifikation der Zugewinngemeinschaft ist gemäß § 1408 BGB zulässig, sofern beide Ehepartner einverstanden sind und der Vertrag notariell beurkundet wird. Einschränkungen ergeben sich allerdings aus § 138 BGB („Sittenwidrigkeit“); der Vertrag darf keinen Ehegatten sittenwidrig benachteiligen oder das Mindestmaß an sozialer Sicherheit unterlaufen. Eine Anpassung des Vertrages ist jederzeit einvernehmlich möglich, zum Beispiel Anpassung der Regelungen an veränderte Lebenssituationen. Bei einseitiger Benachteiligung kann ein Ehevertrag durch Gerichtsurteil für unwirksam erklärt werden.

Welche Fristen und Verjährungen sind beim Zugewinnausgleich zu beachten?

Der Anspruch auf Zugewinnausgleich entsteht grundsätzlich mit Rechtskraft der Scheidung. Nach § 1378 Abs. 4 BGB unterliegt dieser Anspruch der regelmäßigen zivilrechtlichen Verjährungsfrist von drei Jahren nach § 195 BGB, beginnend mit dem Schluss des Jahres, in dem die Scheidung rechtskräftig geworden ist und der Ausgleichsberechtigte von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Im Klartext heißt das: Nach Ablauf von drei Jahren ist die gerichtliche Durchsetzung des Zugewinnausgleichsanspruchs grundsätzlich ausgeschlossen. Ausnahmsweise kann eine längere Verjährungsfrist in Betracht kommen, etwa bei arglistigem Verschweigen von Vermögenswerten oder illoyalen Vermögensminderungen.

Wie wirkt sich eine Insolvenz eines Ehegatten auf den Zugewinn aus?

Sollte während oder vor dem Zugewinnausgleichsverfahren das Vermögen eines Ehegatten wesentlichen, etwa durch Insolvenz, verringert werden, ist der Insolvenzverwalter zugleich berechtigt und verpflichtet, den Zugewinnausgleichsanspruch für die Gläubiger geltend zu machen beziehungsweise abzuwehren. Für das Anfangsvermögen kann auch ein negativer, durch Schulden belasteter Wert berücksichtigt werden. Maßgeblich sind die Stichtage: das jeweilige Vermögen zu Beginn der Ehe und zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags. Der Zugewinnausgleich selbst ist eine Forderung, die – nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Anmeldung zur Insolvenztabelle – wie jede andere Insolvenzforderung behandelt wird. Gläubiger erhalten etwaige Zugewinnausgleichssummen entsprechend der allgemeinen Rangfolge im Insolvenzverfahren. Für den nicht insolventen Ehegatten besteht daher das Risiko, dass er im Falle einer Insolvenz seines Partners seinen Anspruch nicht oder nur zu einem Bruchteil durchsetzen kann.