Begriff und Grundprinzip des Zugewinns
Der Zugewinn ist die Vermögensmehrung, die eine verheiratete Person während des gesetzlichen Güterstands der Zugewinngemeinschaft erzielt. Er beschreibt die Differenz zwischen dem Vermögen zu Beginn der Ehe und dem Vermögen am Ende des Güterstands. Der Ausgleich des Zugewinns soll sicherstellen, dass die während der Ehe gemeinsam erwirtschafteten Vermögenszuwächse hälftig zwischen den Ehegatten verteilt werden, ohne dabei das Eigentum an konkreten Gegenständen zu verschieben. Der Ausgleich erfolgt typischerweise durch einen Geldanspruch.
Rechtliche Einordnung der Zugewinngemeinschaft
Abgrenzung zu anderen Güterständen
Die Zugewinngemeinschaft ist der in der Regel geltende Güterstand, sofern nichts anderes vereinbart wurde. Sie bedeutet nicht, dass das Vermögen gemeinschaftlich gehört. Jede Person bleibt Eigentümerin ihres Vermögens. Nur im Fall der Beendigung des Güterstands findet ein finanzieller Ausgleich der während der Ehe erzielten Zugewinne statt.
Alternativen sind unter anderem:
- Gütertrennung: Es erfolgt kein Zugewinnausgleich; Vermögen bleibt vollständig getrennt.
- Gütergemeinschaft: Bestimmte Vermögensmassen werden gemeinschaftlich.
Welche Regel gilt, hängt von Vereinbarungen und den gesetzlichen Vorgaben ab.
Beginn und Beendigung des Güterstands
Der Güterstand beginnt mit der Eheschließung und endet durch Wechsel des Güterstands, Scheidung oder Tod eines Ehegatten. Für die Berechnung des Zugewinns sind Stichtage entscheidend:
- Anfangsvermögen: Vermögensstand bei Eheschließung
- Endvermögen: Vermögensstand zum Zeitpunkt der Beendigung des Güterstands
Das Endvermögen wird nach dem Stichtag ermittelt, an dem der Güterstand endet. Bei einer Scheidung ist hierfür grundsätzlich ein gerichtlich relevanter Zeitpunkt maßgeblich.
Berechnung des Zugewinns
Anfangsvermögen und Endvermögen
Der Zugewinn ist die Differenz zwischen Endvermögen und Anfangsvermögen. Maßgeblich sind die Verkehrswerte der Vermögensgegenstände am jeweiligen Stichtag. Berücksichtigt werden insbesondere:
- Geld, Bankguthaben, Wertpapiere
- Immobilien und Grundstücksrechte
- Unternehmensbeteiligungen und Betriebe
- Forderungen und sonstige Rechte mit Vermögenswert
- Kapitalbildende Versicherungen mit Rückkaufswert
Schulden werden abgezogen. Ein negatives Anfangsvermögen ist möglich; Verbindlichkeiten, die bereits bei Eheschließung bestanden, mindern das Anfangsvermögen entsprechend.
Ansprüche auf Alterssicherung, die während der Ehe erworben wurden und nicht kapitalisiert sind, werden in der Regel gesondert ausgeglichen und fallen nicht in den Zugewinn. Kapitalisierte Altersvorsorgewerte können hingegen zu berücksichtigen sein.
Privilegierte Erwerbe und Zuwendungen
Erbschaften und Schenkungen, die während der Ehe zugeflossen sind, zählen nicht als Zugewinn. Sie werden rechnerisch dem Anfangsvermögen zugerechnet. Wertsteigerungen dieser Zuwendungen während der Ehe gehören hingegen zum Zugewinn.
Zuwendungen zwischen Ehegatten können bei der Berechnung des Zugewinns besondere Wirkungen entfalten, indem sie den Zugewinn eines Ehegatten erhöhen oder mindern. Vermögensminderungen, die ohne angemessenen Grund und in der Absicht vorgenommen wurden, den Ausgleich zu beeinträchtigen, können bei der Berechnung korrigiert werden.
Ermittlung des Ausgleichsanspruchs
Der Ehegatte mit dem höheren Zugewinn schuldet dem anderen die Hälfte der Differenz. Ein negativer Zugewinn wird für den Ausgleich nicht in Abzug gebracht, sondern mit Null angesetzt. Der Anspruch ist ein Geldanspruch. Er entsteht mit der Beendigung des Güterstands und unterliegt der Verjährung.
Besonderheiten und typische Konstellationen
Unternehmen und berufliche Praxis
Bei Unternehmen, Praxen und Beteiligungen wird der Wertzuwachs während der Ehe einbezogen. Die Bewertung erfolgt nach wirtschaftlichen Grundsätzen (z. B. anhand von Ertragskraft und Substanzwerten) zum Stichtag. Der Ausgleich erfolgt regelmäßig in Geld. Es bestehen Möglichkeiten, den Fortbestand des Unternehmens bei der Bemessung des Ausgleichs zu berücksichtigen.
Immobilien und Familienheim
Wertsteigerungen von Immobilien während der Ehe erhöhen den Zugewinn. Maßgeblich sind die Marktwerte am Stichtag. Der tatsächliche Verbleib in der Immobilie oder deren Nutzung ist für die Zugewinnberechnung zweitrangig; entscheidend ist der Vermögenswert. Ungeachtet dessen gelten für die Nutzung der Ehewohnung eigene Regeln, die von der Zugewinnberechnung zu trennen sind.
Schulden und negatives Anfangsvermögen
Schulden mindern Anfangs- und Endvermögen. Ein negatives Anfangsvermögen führt dazu, dass spätere Vermögensbildung in größerem Umfang als Zugewinn erfasst werden kann. Ein negativer Zugewinn im Endergebnis wird nicht ausgeglichen; er bleibt ohne Ausgleichspflicht.
Informations- und Auskunftsrechte
Zur Ermittlung des Zugewinns bestehen wechselseitige Auskunfts- und Belegansprüche über das Vermögen zu den maßgeblichen Stichtagen. Die Auskunft umfasst in der Regel eine vollständige Aufstellung der Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten sowie Nachweise. Bei unklaren oder fehlenden Angaben können Schätzungen und Beweiserleichterungen eine Rolle spielen.
Steuer- und vollstreckungsrechtliche Aspekte
Zugewinnausgleichszahlungen gelten im Grundsatz nicht als unentgeltliche Vermögensverschiebung. Die Übertragung einzelner Vermögensgegenstände zur Erfüllung des Ausgleichsanspruchs kann jedoch andere steuerliche Folgen haben. Ob und in welchem Umfang Steuern anfallen, hängt von der Art des Vermögens und den Umständen des Einzelfalls ab.
Der Ausgleichsanspruch ist ein Geldanspruch. Er kann tituliert und im Falle der Nichtzahlung vollstreckt werden. Zur Sicherung des Anspruchs kommen unter bestimmten Voraussetzungen Sicherungsmaßnahmen in Betracht.
Zugewinnausgleich bei Trennung, Scheidung und Tod
Bei Trennung und Scheidung
Der Zugewinn läuft bis zum rechtlich maßgeblichen Beendigungsstichtag weiter. Vermögensveränderungen bis zu diesem Zeitpunkt fließen in die Berechnung ein. Der Ausgleich kann einvernehmlich geregelt oder gerichtlich festgestellt werden.
Im Todesfall
Mit dem Tod eines Ehegatten endet die Zugewinngemeinschaft. Es bestehen zwei Wege: Entweder wird der Zugewinnausgleich pauschal im erbrechtlichen Rahmen berücksichtigt, was den gesetzlichen Erbteil des überlebenden Ehegatten erhöht, oder es erfolgt ein konkreter güterrechtlicher Zugewinnausgleich mit anschließender erbrechtlicher Beteiligung ohne pauschale Erhöhung. Welche Lösung einschlägig ist, richtet sich nach den gesetzlichen Wahlmöglichkeiten und den Umständen des Einzelfalls.
Internationale Bezüge
Bei Ehegatten mit Auslandsbezug kann sich das anwendbare Güterrecht aus dem gewöhnlichen Aufenthalt, der Staatsangehörigkeit oder einer wirksamen Rechtswahl ergeben. Seit einigen Jahren gelten hierzu innerhalb der Europäischen Union einheitliche Zuständigkeits- und Kollisionsregeln. Maßgeblich ist, welches Recht den Güterstand bestimmt; hiervon hängt die Berechnung und der Ausgleich des Zugewinns ab.
Ehevertragliche Gestaltung
Durch vertragliche Regelungen kann der Zugewinnausgleich modifiziert, beschränkt oder ausgeschlossen werden. Grenzen bestehen insbesondere dort, wo die Vereinbarung den Kernbereich der Ehe unzulässig beeinträchtigt oder eine einseitige Übervorteilung darstellt. Solche Vereinbarungen bedürfen einer strengen Form und werden auf ihre Wirksamkeit geprüft.
Häufig gestellte Fragen
Was bedeutet Zugewinn und wofür ist er gedacht?
Zugewinn ist die Vermögensmehrung während der Ehe. Er dient der fairen Verteilung der während der Ehe erzielten Vermögenszuwächse zwischen den Ehegatten durch einen Geldausgleich beim Ende des Güterstands.
Welche Vermögenswerte zählen zum Anfangs- und Endvermögen?
Berücksichtigt werden alle Vermögenswerte mit Verkehrswert, etwa Geld, Wertpapiere, Immobilien, Unternehmensanteile, Forderungen und kapitalbildende Versicherungen. Schulden werden jeweils abgezogen. Maßgeblich sind die Werte am Stichtag der Eheschließung und der Beendigung des Güterstands.
Wie werden Erbschaften und Schenkungen im Zugewinn behandelt?
Erbschaften und Schenkungen während der Ehe werden rechnerisch dem Anfangsvermögen zugerechnet und zählen daher nicht als Zugewinn. Wertsteigerungen dieser Zuwendungen während der Ehe fließen allerdings in den Zugewinn ein.
Wann entsteht der Anspruch auf Zugewinnausgleich und wie wird er erfüllt?
Der Anspruch entsteht mit der Beendigung des Güterstands, etwa durch Scheidung oder Tod. Er richtet sich auf Zahlung eines Geldbetrags in Höhe der Hälfte der Differenz der Zugewinne beider Ehegatten. Die Erfüllung erfolgt regelmäßig durch Geldzahlung.
Welche Rolle spielen Schulden bei der Berechnung?
Schulden mindern Anfangs- und Endvermögen. Ein negatives Anfangsvermögen ist möglich und erhöht rechnerisch den späteren Zugewinn. Ein negativer Zugewinn wird nicht ausgeglichen, sondern mit Null angesetzt.
Was gilt für Unternehmen und selbständige Tätigkeiten?
Der Wertzuwachs eines Unternehmens oder einer selbständigen Tätigkeit während der Ehe gehört zum Zugewinn. Die Bewertung erfolgt nach wirtschaftlichen Kriterien zum Stichtag. Der Ausgleich erfolgt grundsätzlich durch Geldzahlung, ohne die Eigentumsverhältnisse am Unternehmen zu verändern.
Wie wirkt sich der Tod eines Ehegatten auf den Zugewinn aus?
Mit dem Tod endet der Güterstand. Der Ausgleich kann pauschal im Erbrecht berücksichtigt werden oder konkret güterrechtlich erfolgen, mit Auswirkungen auf die Höhe des Erbteils. Welche Lösung maßgeblich ist, richtet sich nach den gesetzlichen Möglichkeiten und der gewählten Vorgehensweise.