Begriff und rechtliche Einordnung der Zielgesellschaft
Die Zielgesellschaft ist ein zentraler Terminus im deutschen und europäischen Gesellschafts- sowie Kapitalmarktrecht. Sie bezeichnet jene Gesellschaft, die im Fokus bestimmter gesellschaftsrechtlicher Transaktionen steht, etwa bei öffentlichen Übernahmeangeboten, Verschmelzungen, Spaltungen, Unternehmenskäufen oder Bieterverfahren. In zahlreichen Rechtsvorschriften, insbesondere im Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG), finden sich detaillierte Regelungen zum Schutz und zur Behandlung der Zielgesellschaft.
Begriffsbestimmung
Definition
Als Zielgesellschaft wird in der Regel eine Aktiengesellschaft (AG) oder eine andere börsennotierte Gesellschaft bezeichnet, auf deren Anteile oder Stimmrechte ein potenzieller Erwerber in einem bestimmten Umfang zugreifen möchte. Der Begriff findet insbesondere Anwendung in Übernahmeverfahren, kann jedoch auch in anderen gesellschaftsrechtlichen Kontexten relevant sein.
Beispielhafte Kontexte:
- Öffentliche Übernahmeangebote (§§ 2 ff. WpÜG)
- Verschmelzungen (Umwandlungsgesetz, UmwG)
- Kontrollwechsel (Konzernrecht, §§ 291 ff. AktG)
- Squeeze-out-Verfahren (§§ 327a ff. AktG)
- Bieterverfahren bei Unternehmenskäufen
Rechtliche Grundlagen
Zielgesellschaft im WpÜG
Das deutsche Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) regelt ausführlich die Rechte und Pflichten der Zielgesellschaft im Zusammenhang mit öffentlichen Übernahmeangeboten. Zielgesellschaft im Sinne des WpÜG ist jede Aktiengesellschaft mit Sitz in Deutschland, deren Aktien zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind (§ 2 Abs. 3 Satz 1 WpÜG).
Anzeige- und Reaktionspflichten
Beim Bekanntwerden eines öffentlichen Übernahmeangebots bestehen für die Leitungsgremien der Zielgesellschaft umfangreiche Informations- und Verhaltenspflichten:
- Veröffentlichung der Stellungnahme des Vorstands zur Angemessenheit des Angebots (§ 27 WpÜG)
- Offenlegung aller für die Entscheidung der Aktionäre maßgeblichen Tatsachen
- Neutralitätsgebot während des Übernahmeverfahrens (§ 33 WpÜG)
Beteiligungstransparenz und Meldepflichten
Im Rahmen des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) treffen die Zielgesellschaft und Angebotsempfänger umfangreiche Transparenzpflichten:
- Die Zielgesellschaft muss bei Überschreitung bestimmter Beteiligungsschwellen (insbesondere ab 3%, § 33 WpHG) unverzüglich von Aktionären informiert werden und diese Information selbst veröffentlichen.
- Die Veröffentlichung dient dem Schutz aller Anteilseigner und gewährleistet Markttransparenz.
Schutz der Zielgesellschaft und ihrer Aktionäre
Neutralitätsgebot
Während eines Übernahmeangebots ist der Vorstand der Zielgesellschaft grundsätzlich verpflichtet, keine unternehmenspolitischen Maßnahmen durchzuführen, die geeignet sind, den Erfolg des Angebots zu verhindern oder erheblich zu erschweren. Ausnahmen sind zulässig, wenn sie zur Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht geboten sind (§ 33 WpÜG).
Gleichbehandlungsgrundsatz
Aktionäre der Zielgesellschaft sind nach § 31 WpÜG im Rahmen eines öffentlichen Angebots grundsätzlich gleich zu behandeln. Dies sichert die Schutzinteressen der Minderheitsaktionäre und unterbindet die bevorzugte Behandlung einzelner Gruppen.
Übernahmesicherung und Abwehrmaßnahmen
Gesellschaftsrechtliche und satzungsmäßige Regelungen können Mechanismen enthalten, welche Übernahmen erschweren oder verhindern sollen (sogenannte „Abwehrmaßnahmen“, siehe auch „poison pills“ oder Vinkulierung). Die Zulässigkeit solcher Maßnahmen ist rechtlich durch das Neutralitätsgebot und die Satzungshoheit begrenzt.
Zielgesellschaft im Umwandlungsrecht
Verschmelzungen und Spaltungen
Im Kontext einer Verschmelzung nach dem Umwandlungsgesetz (UmwG) kann das übernehmende oder das übertragende Unternehmen als Zielgesellschaft fungieren. Dies hat weitreichende Folgen für die Gesellschaftsstruktur, Arbeitnehmerrechte und Gläubigerschutzbestimmungen.
- Die Zielgesellschaft ist verpflichtet, ihre Aktionäre und Gläubiger transparent über die geplanten Strukturmaßnahmen zu informieren (§§ 62 ff. UmwG).
- Schutzmechanismen zugunsten von Minderheitsaktionären, z.B. durch Barabfindungsangebote, müssen beachtet werden.
Sonderformen und internationale Aspekte
Zielgesellschaft bei Squeeze-out und Delisting
Im Rahmen eines sogenannten Squeeze-out-Verfahrens dient die Zielgesellschaft als Objekt der Ausschließung aller Minderheitsaktionäre gegen Barabfindung (§§ 327a ff. AktG). Beim Delisting stellen sich weitere Besonderheiten hinsichtlich des Anlegerschutzes und der Abfindungsmodalitäten nach dem Wertpapierhandelsgesetz.
Internationaler Bezug
Sofern die Zielgesellschaft ihren Sitz im Ausland hat, finden das deutsche Übernahmerecht und die entsprechenden Schutzmechanismen nur in spezifischen Fällen Anwendung, wobei stets auch unionsrechtliche Vorgaben (EU-Übernahmerichtlinie) zu berücksichtigen sind.
Zusammenfassung: Bedeutung der Zielgesellschaft im Gesellschaftsrecht
Die Zielgesellschaft ist Schlüsselsubjekt in strukturverändernden Maßnahmen und kapitalmarktrechtlichen Vorgängen. Ihre rechtliche Behandlung ist umfassend durch nationale und europäische Bestimmungen geprägt. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Wahrung der Interessen ihrer Anteilseigner, der Transparenz kapitalmarktrelevanter Vorgänge und der Sicherung ordnungsgemäßer Abläufe bei Strukturmaßnahmen und Übernahmetransaktionen. Eine genaue Analyse der anzuwendenden Rechtsvorschriften ist – abhängig von der Art des Vorhabens – stets erforderlich.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Anforderungen muss eine Zielgesellschaft im Rahmen eines Unternehmenskaufs erfüllen?
Im Rahmen eines Unternehmenskaufs (M&A-Transaktion) muss die Zielgesellschaft eine Vielzahl rechtlicher Anforderungen erfüllen, damit der Erwerb wirksam und rechtssicher vollzogen werden kann. Dazu gehört zunächst die Offenlegung sämtlicher gesellschaftsrechtlicher Strukturen: Die Rechtsform (z.B. GmbH, AG), das Stamm- bzw. Grundkapital, Gesellschafterlisten, Satzungen, Beteiligungsverhältnisse sowie bereits getroffene Beschlüsse müssen transparent dokumentiert und geprüft werden. Oftmals ist auch die Prüfung auf etwaig bestehende Vorkaufs- oder Mitverkaufsrechte (Tag Along/Drag Along) erforderlich. Darüber hinaus müssen bestehende Verträge, insbesondere mit wesentlichen Geschäftspartnern, Kunden und Lieferanten, auf sog. Change-of-Control-Klauseln hin untersucht werden, da diese bei einem Gesellschafterwechsel zum Tragen kommen können. Von großer Bedeutung ist außerdem die Einhaltung des Datenschutzrechts (ggf. DSGVO), da beim Unternehmenskauf personenbezogene Daten übertragen werden. Schließlich sind nach dem Abschluss des Kaufvertrags (Signing) und der Kaufpreiszahlung (Closing) oft verschiedene Registeranmeldungen und steuerliche Meldepflichten zu beachten. Bei Zielgesellschaften bestimmter Branchen sind zusätzlich aufsichtsrechtliche Genehmigungen wie etwa nach dem Außenwirtschaftsgesetz oder dem Kartellrecht erforderlich. Die Pflicht zur Führung ordnungsgemäßer Bücher, Bilanzen und relevanter Aufzeichnungen bildet die Grundlage für die Due Diligence und ist aus rechtlicher Sicht zwingend einzuhalten.
Welche Bedeutung hat die Due Diligence im Zusammenhang mit der Zielgesellschaft?
Die sogenannte Legal Due Diligence ist ein zentrales Element im M&A-Prozess und befasst sich mit der umfassenden rechtlichen Prüfung der Zielgesellschaft durch den potentiellen Käufer oder dessen Berater. Ziel ist es, alle rechtlichen Risiken, bestehende und potenzielle Rechtsstreitigkeiten, Compliance-Verstöße, schwebende Verfahren, vertragliche Verpflichtungen und bestehende Genehmigungen sowie die Struktur des geistigen Eigentums (z.B. Marken, Patente, Lizenzen) zu ermitteln. Die Legal Due Diligence prüft auch, ob die Zielgesellschaft in ein mögliches Ermittlungsverfahren oder behördliche Prüfungen involviert ist. Der Umfang der Prüfung erstreckt sich gewöhnlich auf Gesellschaftsverträge, Anstellungsverträge von Geschäftsführern und leitenden Angestellten, Arbeitsrechtsfragen, Miet- und Leasingverhältnisse, Finanzierungsstrukturen (z. B. Konsortialkredite, Bürgschaften) sowie Haftungsverhältnisse. Das Ergebnis der Due Diligence ist für die Strukturierung der Transaktion, die Ausgestaltung der Kaufverträge (insb. zu Gewährleistungen und Freistellungen) und die Bewertung der Zielgesellschaft essentiell.
Welche Rolle spielen Gewährleistungs- und Freistellungsklauseln bei der rechtlichen Gestaltung des Erwerbs einer Zielgesellschaft?
Gewährleistungs- und Freistellungsklauseln sind zentrale Elemente im Unternehmenskaufvertrag (Share- oder Asset-Deal) und dienen der rechtlichen Absicherung des Käufers gegenüber Risiken, die sich aus dem Zustand der Zielgesellschaft ergeben. Verkäufer sichern dem Käufer im Vertrag bestimmte Eigenschaften und Zustände der Zielgesellschaft zu, beispielsweise bezüglich der Eigentumsverhältnisse an Gesellschaftsanteilen, des Nichtvorliegens von Verbindlichkeiten außerhalb des ordentlichen Geschäftsbetriebs oder der Einhaltung sämtlicher Gesetze und Genehmigungen. Werden diese Zusicherungen verletzt, stehen dem Käufer Gewährleistungsansprüche zu, oft in Form von Schadensersatz. Darüber hinaus werden regelmäßig spezielle Freistellungsklauseln vereinbart, durch die der Verkäufer verpflichtet wird, den Käufer unmittelbar von bestimmten, bekannten Risiken oder Altlasten wie etwa anhängigen Gerichtsverfahren, steuerlichen Rückstellungen oder Umweltverbindlichkeiten freizuhalten. Die konkrete Ausgestaltung dieser Klauseln ist ein wesentliches Ergebnis der vorangegangenen Due Diligence und für die Risikoverteilung zwischen den Parteien entscheidend.
Unterliegt der Erwerb einer Zielgesellschaft einer kartellrechtlichen Kontrolle?
Der Erwerb einer Zielgesellschaft kann in den Anwendungsbereich nationaler und internationaler Fusionskontrollvorschriften fallen. In Deutschland ist das Bundeskartellamt gemäß dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) zuständig. Überschreiten die beteiligten Unternehmen bestimmte Umsatzschwellen, ist der geplante Erwerb anmelde- und ggf. genehmigungspflichtig. Auch auf europäischer Ebene kann die Transaktion unter die EU-Fusionskontrollverordnung fallen, wenn die Voraussetzungen der Verordnung erfüllt sind. Bis zur Freigabe durch die zuständigen Kartellbehörden darf die Transaktion nicht vollzogen werden (sog. Vollzugsverbot). Verstöße sind mit empfindlichen Bußgeldern belegt und können zur Nichtigkeit des Erwerbs führen. Neben dem klassischen Kartellrecht sind ggf. weitere regulatorische Prüfungen relevant, etwa im Bereich Außenwirtschaftsrecht (AWG, AWV) bei Beteiligung ausländischer Investoren.
Welche arbeitsrechtlichen Besonderheiten müssen beim Erwerb einer Zielgesellschaft beachtet werden?
Beim Erwerb einer Zielgesellschaft sind vielfältige arbeitsrechtliche Vorschriften zu beachten. Im Falle eines Asset-Deals, bei dem einzelne Wirtschaftsgüter oder Betriebsteile übertragen werden, findet grundsätzlich § 613a BGB Anwendung, wonach die Arbeitsverhältnisse aller betroffenen Arbeitnehmer automatisch auf den Erwerber übergehen. Die Belegschaft ist rechtzeitig und umfassend über den geplanten Übergang zu informieren. Widerspricht ein Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses, bleibt dieses beim Veräußerer bestehen. Bei Share-Deals ändern sich die Vertragsparteien formal nicht, dennoch müssen etwaige Mitbestimmungsrechte beachtet werden, ggf. ist der Betriebsrat zu beteiligen und in bestimmten Branchen greifen weitere kollektivrechtliche Bestimmungen. Auch bestehende Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen sind zu prüfen und deren Fortgeltung bzw. Anpassbarkeit zu analysieren. Des Weiteren sind mögliche Pensionsverpflichtungen, Betriebsrenten und sonstige betriebliche Sozialleistungen im Rahmen der Legal Due Diligence auf ihre rechtliche Übertragbarkeit und Werthaltigkeit hin zu untersuchen.
Kann die Übertragung der Zielgesellschaft steuerschädlich sein oder besondere steuerliche Pflichten auslösen?
Die Übertragung einer Zielgesellschaft oder ihrer Anteile kann zu vielfältigen steuerlichen Auswirkungen führen. Im Falle eines Anteilserwerbs (Share Deal) können insbesondere Grunderwerbsteuer (bei gehaltenen Immobilien), Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer sowie Kapitalertragsteuer anfallen, abhängig von Erwerbsstruktur und Beteiligungshöhe. Bei Asset Deals kommen Umsatzsteuerfragen sowie Bewertungs- und Entstrickungsproblematiken hinzu. Besonders zu beachten sind auch steuerliche Rückstellungen und Altlasten der Zielgesellschaft, die auf den Erwerber übergehen können. In bestimmten Fällen besteht eine Anzeigepflicht gegenüber den Finanzbehörden. Liegt ein grenzüberschreitender Erwerb vor, können zudem internationale Steuerregelungen, Quellensteuerabzugsverpflichtungen und Verrechnungspreisvorgaben relevant werden. Im Rahmen des Unternehmenskaufs ist daher regelmäßig eine detaillierte steuerliche Due Diligence vorzunehmen, um die steuerlichen Auswirkungen zu bewerten und steuerliche Risiken zu identifizieren. Verkäufer und Käufer vereinbaren regelmäßig steuerliche Garantien und Freistellungen im Kaufvertrag, um diese Risiken abzusichern.
Welche Rolle spielt das Registerwesen bei der Übernahme einer Zielgesellschaft?
Eine ordnungsgemäße Eintragung im Handelsregister ist für die Wirksamkeit vieler Rechtshandlungen bei der Übernahme einer Zielgesellschaft unerlässlich. Bei der Übertragung von Geschäftsanteilen an einer GmbH muss der Erwerb durch notarielle Beurkundung nachgewiesen und anschließend im Handelsregister eingetragen werden. Änderungen in der Geschäftsführung, im Unternehmensgegenstand, in der Gesellschaftsstruktur oder der Betriebsstätte verlangen ebenfalls formelles Registerverfahren. Bei Aktiengesellschaften sind bestimmte Beschlüsse und Änderungen im Aktionärsverzeichnis zu registrieren. Die Einhaltung dieser registerrechtlichen Vorgaben bildet eine Grundlage für die Rechtssicherheit des Erwerbs – Versäumnisse können zur Unwirksamkeit der Transaktion oder zu weitreichenden Haftungsrisiken führen. Begleitend sind auch das Transparenzregister (zur Erfassung wirtschaftlich Berechtigter) sowie, je nach Wirtschaftsbereich, branchenspezifische Register zu berücksichtigen.