Rechtliche Rahmenbedingungen von Windenergieanlagen auf See
Windenergieanlagen auf See, auch Offshore-Windenergieanlagen genannt, sind technische Einrichtungen zur Umwandlung von Windenergie in elektrische Energie, die in Meeresgebieten innerhalb oder außerhalb der Küstengewässer errichtet und betrieben werden. Aufgrund ihrer Lage im maritimen Bereich sind Planung, Errichtung, Betrieb und Rückbau solchen Anlagen in Deutschland sowie auf europäischer Ebene komplexen und umfangreichen rechtlichen Vorgaben unterworfen.
Begriffsbestimmung und Abgrenzung
Windenergieanlagen auf See sind durch ihre seewärtige Lage von an Land befindlichen Windenergieanlagen zu unterscheiden. Sie werden in der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) oder im Küstenmeer, meist abseits der Küstenlinie, installiert. Diese Lage erfordert die Beachtung besonderer rechtlicher Regelungen im nationalen und internationalen Kontext.
Seerechtliche Grundlagen
Die Standorte der Anlagen liegen häufig in Gebieten, die durch das Seevölkerrecht, insbesondere das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (SRÜ/UNCLOS), geregelt werden. Nach dem SRÜ hat ein Küstenstaat in seiner AWZ besondere Rechte und Pflichten hinsichtlich der Errichtung und Nutzung von Windenergieanlagen, erreicht jedoch keine vollständige Souveränität wie im Küstenmeer.
Genehmigung und Planungsrecht
Planungsrechtliche Grundlagen
Die Errichtung und der Betrieb von Windenergieanlagen auf See in Deutschland richten sich primär nach dem Windenergie-auf-See-Gesetz (WindSeeG). Zentrale Ziele des Gesetzes sind die nachhaltige Nutzung der Offshore-Windenergie und die Koordinierung der Flächenentwicklung. Die Bundesnetzagentur ist als zentrale Vergabestelle für Flächen und Ausschreibungen verantwortlich.
Der Flächenentwicklungsplan nach § 5 WindSeeG legt fest, welche Gebiete und in welchem zeitlichen Rahmen für Windenergieprojekte zur Verfügung stehen. Die Planerstellung erfolgt unter Berücksichtigung raumordnerischer, naturschutzfachlicher, verkehrlicher und militärischer Interessen.
Genehmigungserfordernis
Für die Errichtung, den Betrieb und den Rückbau einer Windenergieanlage auf See in der AWZ ist eine Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG), konkretisiert durch das WindSeeG, erforderlich. Ergänzend gilt das Seeanlagenverordnung (SeeAnlV), die detaillierte Anforderungen an Bau und Betrieb enthält.
Im Küstenmeer unterliegt das Genehmigungsverfahren dem jeweiligen Landesrecht sowie dem BImSchG. Die Zuständigkeit wechselt in diesen Fällen von der Bundesebene auf die landesrechtlich zuständigen Behörden.
Umwelt- und Naturschutzrecht
Strategische Umweltprüfung und Umweltverträglichkeitsprüfung
Für die Zulassung von Windenergieanlagen auf See ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) durchzuführen. Diese erfasst alle möglichen Auswirkungen des Projektes auf die Meeresumwelt, den Fischfang, die Schifffahrt und marine Ökosysteme sowie auf das Landschaftsbild.
Darüber hinaus ist nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) eine strategische Umweltprüfung (SUP) für Flächenentwicklungspläne und Raumordnungspläne vorgeschrieben. Dies sichert die frühzeitige Einbeziehung von Umweltauswirkungen in Planungs- und Entscheidungsprozesse.
Anforderungen aus Natura 2000 und FFH-Recht
Die Einhaltung der Vorgaben aus der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) und der Vogelschutzrichtlinie ist verpflichtend. Vorhaben dürfen keine erheblichen Beeinträchtigungen von Schutzgebieten verursachen. Im Genehmigungsverfahren muss geprüft werden, ob ein Windpark in einem europäischen Schutzgebiet liegt oder Auswirkungen auf ein solches Gebiet zu erwarten sind.
Sicherheits- und Verkehrsvorschriften
Schiffahrtsrechtliche Belange
Das Seeanlagenrecht berücksichtigt die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs auf See. Windenergieanlagen dürfen keine Gefährdung für die Schifffahrt oder sonstige Nutzungen darstellen. Die Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) prüft bei Anträgen auf Errichtung, ob die Anforderungen an Navigation und Sicherheit eingehalten werden.
Bauliche Sicherheit
Die Seeanlagenverordnung regelt verbindliche Standards zur baulichen Ausführung, zum Betrieb und zur Instandhaltung von Offshore-Anlagen. Es existieren zusätzliche Anforderungen an das Krisenmanagement und die Rettungseinrichtungen, um Risiken für Mensch und Umwelt zu minimieren.
Anlagenbetrieb und Netzanbindung
Netzanschlussregime
Gemäß WindSeeG besteht ein gesetzlicher Anspruch auf Netzanbindung für errichtete Offshore-Windenergieanlagen. Der Übertragungsnetzbetreiber ist verpflichtet, die benötigten Netzanschlusspunkte mit einer bestimmten Kapazität rechtzeitig bereitzustellen. Unvermeidbare Verzögerungen bei Anschluss oder Netzausbaumaßnahmen führen zu Entschädigungsregelungen zugunsten der Anlagenbetreiber, geregelt im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) und WindSeeG.
Betriebspflichten
Die kontinuerliche Einhaltung von Umweltauflagen, Überwachungspflichten und Sicherheitsmaßnahmen während des Betriebs wird durch die zuständigen Behörden regelmäßig kontrolliert. Für Störungen, Unfälle oder Umweltschäden existieren umfassende Melde- und Sofortmaßnahmenpflichten.
Rückbau und Nachsorge
Nach Ablauf der Projektlaufzeit oder bei vorzeitiger Stilllegung sind die Betreiber verpflichtet, die Windenergieanlagen fachgerecht zurückzubauen, den Ursprungszustand der Meeresfläche wiederherzustellen und alle Rückstände zu entsorgen. Der WindSeeG enthält detaillierte Vorgaben zum Rückbauverfahren und zur Nachsorgepflicht. Betreiber müssen hierzu bereits im Vorfeld finanzielle Sicherheiten stellen.
Europäische und internationale Koordination
Berührungspunkte mit verschiedenen internationalen Abkommen und Vorgaben der Europäischen Union prägen die rechtliche Stellung der Offshore-Windenergie. Die Richtlinie (EU) 2018/2001 über die Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen („RED II“) gibt einen Rahmen für Ausbauziele, Umweltverträglichkeit und grenzüberschreitende Zusammenarbeit vor. Internationale Abkommen regeln insbesondere Kollisionsschutz, Umweltschutz und gemeinsame Standards.
Fazit
Windenergieanlagen auf See sind von einem vielschichtigen, nationalen und internationalen Rechtsrahmen geprägt. Planung, Errichtung, Betrieb und Rückbau unterliegen umfangreichen Genehmigungs- und Prüfprozessen, wobei dem Umwelt- und Meeresnaturschutz sowie der Sicherheit auf See besondere Bedeutung zukommt. Die rechtlichen Anforderungen werden kontinuierlich an technologische Entwicklungen, Umweltstandards und europäische Energieziele angepasst. Als energiewirtschaftlich bedeutsamer Sektor stehen Windenergieanlagen auf See im Fokus zukünftiger rechtlicher Fortentwicklungen.
Häufig gestellte Fragen
Wer ist für die Zulassung und Genehmigung von Windenergieanlagen auf See zuständig?
Für die Zulassung und Genehmigung von Windenergieanlagen auf See (auch Offshore-Windparks genannt) ist in Deutschland in erster Linie das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) zuständig. Das BSH prüft und genehmigt gemäß § 45 ff. Windenergie-auf-See-Gesetz (WindSeeG) die Anträge auf Errichtung und Betrieb sowie auf wesentliche Änderungen von Offshore-Windenergieanlagen in der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ). Für die Errichtung in den Küstengewässern (Binnenhoheitsgewässer der Länder) ist das jeweilige Landesministerium oder die entsprechende Landesbehörde zuständig. Im Zulassungsverfahren fließen zahlreiche Rechtsbereiche ein, insbesondere das Umweltrecht (u.a. Umweltverträglichkeitsprüfung nach UVPG), das Seerecht, das Planungsrecht und das Naturschutzrecht. Das Verfahren schließt eine umfassende Beteiligung der Öffentlichkeit und betroffener Fachbehörden ein und mündet in einen förmlichen Genehmigungsbescheid, der unter bestimmten Voraussetzungen mit Nebenbestimmungen versehen werden kann. Die erteilte Genehmigung begründet ein öffentlich-rechtliches Nutzungsrecht an der jeweiligen Fläche in der AWZ. Bei Ablehnung sind die Rechtswege zu den Verwaltungsgerichten eröffnet.
Welche umweltrechtlichen Anforderungen müssen Offshore-Windenergieanlagen erfüllen?
Offshore-Windenergieanlagen unterliegen strengen umweltrechtlichen Anforderungen. Eine zentrale Voraussetzung ist die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) gem. dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG). Im Rahmen dieser UVP werden die Auswirkungen des Vorhabens auf Menschen, Tiere, Pflanzen, den Boden, das Wasser, Luft, Klima, Landschaft sowie auf Kultur- und sonstige Sachgüter systematisch geprüft. Betrachtet werden insbesondere Beeinträchtigungen geschützter Meereslebewesen, Vogelzugrouten sowie potenzielle Unterwasserlärmimmissionen während des Baus und Betriebs. Zusätzlich finden das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG), das Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG), die FFH-Richtlinie und die Vogelschutzrichtlinie Anwendung. Die Genehmigungsbehörde kann Auflagen über Bauzeiten, Schallschutzmaßnahmen und Ausgleichs- sowie Kompensationsmaßnahmen anordnen, um negative Auswirkungen zu minimieren. Bei Feststellung erheblicher Beeinträchtigungen besonders schützenswerter Gebiete oder Arten kann ein Vorhaben untersagt oder die Planung modifiziert werden.
Welche Rolle spielen Flächennutzungs- und Raumordnungspläne bei Offshore-Windenergie?
Im rechtlichen Kontext spielen der Flächenentwicklungsplan des BSH gemäß WindSeeG sowie die maritime Raumordnung der Bundesregierung eine zentrale Rolle. Im Flächenentwicklungsplan werden für die ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) Vorrangflächen für die Windenergienutzung ausgewiesen; ebenso werden Transport- und Netzanschlusstrassen festgelegt. Die maritime Raumordnung dient der Koordinierung unterschiedlicher Nutzungsinteressen wie Schifffahrt, Fischerei, Rohstoffgewinnung und Naturschutz. Gemäß § 17 Abs. 2 WindSeeG sind Windenergieanlagen grundsätzlich nur auf den planerisch ausgewiesenen Flächen zulässig. Abweichungen oder sogenannte Standortalternativen sind rechtlich nur in eng begrenzten Ausnahmefällen möglich. Der Flächenentwicklungsplan ist für alle nachfolgenden Zulassungsentscheidungen verbindlich und gibt Planungssicherheit für Vorhabenträger und Investoren.
Welche Haftungs- und Versicherungspflichten bestehen für Betreiber von Offshore-Windparks?
Betreiber von Offshore-Windenergieanlagen unterliegen weitreichenden Haftungspflichten auf mehreren Ebenen. Zum einen ergeben sich Verkehrssicherungspflichten in Bezug auf die Sicherheit des Betriebs und die Vermeidung von Gefahren für Schifffahrt, Umwelt und Dritte. Schäden, die durch Bau, Betrieb oder Rückbau verursacht werden, etwa durch Verschmutzungen oder Unfälle, lösen zivilrechtliche Schadensersatzansprüche nach dem BGB oder Umweltschadensgesetz aus. Darüber hinaus gilt § 7 WindSeeG, nach dem Betreiber eine ausreichende Haftpflichtversicherung oder andere finanzielle Sicherheiten zum Schutz vor Haftungsrisiken nachweisen müssen. Die Mindestversicherungssummen richten sich nach dem potenziellen Schadensausmaß und können von der Behörde im Einzelfall festgelegt werden. Kommt der Betreiber diesen Pflichten nicht nach, droht der Entzug der Betriebsgenehmigung.
Wie sind Rückbauverpflichtungen und Sicherheiten bei Offshore-Windenergieanlagen geregelt?
Für Offshore-Windenergieanlagen besteht eine umfassende rechtliche Rückbauverpflichtung. Nach § 45 Abs. 5 WindSeeG sind Anlagen nach Ablauf der genehmigten Nutzungsdauer, spätestens jedoch nach 25 Jahren Betriebszeit oder bei Entzug der Genehmigung, vollständig und umweltgerecht zurückzubauen. Hierzu zählt auch die Entfernung der Fundamente bis zu einer bestimmten Tiefe sowie die fachgerechte Entsorgung aller Betriebsmittel. Zudem ist der ursprüngliche Zustand des Meeresbodens soweit wie möglich wiederherzustellen. Zur Absicherung dieser Verpflichtung hat der Betreiber bereits vor Baubeginn Sicherheiten in angemessener Höhe zu leisten (z. B. Bankbürgschaften), deren Ablauf und Freigabe ebenfalls durch den Genehmigungsbescheid detailliert geregelt wird. Kommt der Betreiber dem Rückbau nicht nach, kann die Genehmigungsbehörde den Rückbau auf dessen Kosten durchführen lassen.
Welche Regelungen gelten für den Netzzugang und Netzanschluss von Offshore-Windparks?
Gemäß WindSeeG besteht ein gesetzlicher Anspruch auf Netzanschluss für Offshore-Windparks auf den ausgewiesenen Flächen. Der Übertragungsnetzbetreiber ist verpflichtet, rechtzeitig einen geeigneten Netzanschluss bereitzustellen und die hierfür erforderlichen Offshore-Netzanbindungen zu errichten, zu betreiben und instand zu halten. Die technische Ausgestaltung (wie die Kapazität und spezifische Anbindungspunkte) und der Zeitplan werden zwischen Betreiber und Übertragungsnetzbetreiber abgestimmt und im Flächenentwicklungsplan festgelegt (§ 17 WindSeeG). Im Falle von Verzögerungen oder Nichterfüllung bestehen Entschädigungsregelungen zugunsten des Anlagenbetreibers. Der Netzzugang und dessen Nutzung unterliegen regulatorischen Vorgaben, insbesondere nach dem Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) und der Anreizregulierungsverordnung (ARegV).
Wie wird die Beteiligung und Anhörung betroffener Akteure im Genehmigungsverfahren gewährleistet?
Das Genehmigungsverfahren für Offshore-Windenergieanlagen sieht eine umfassende Öffentlichkeitsbeteiligung sowie die Anhörung anderer betroffener Behörden, Träger öffentlicher Belange und Interessengruppen vor. Diese Beteiligung ist im Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG), im Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz und im WindSeeG geregelt. Die betroffenen Akteure, dazu zählen u. a. Umweltverbände, Fischereiorganisationen, Schifffahrtsunternehmen und Kommunen, werden frühzeitig informiert und können während der Auslegungsfrist Stellungnahmen einreichen, Einwendungen vorbringen und an Erörterungsterminen teilnehmen. Die Ergebnisse der Beteiligung werden bei der abschließenden Entscheidung umfassend berücksichtigt. Eine unzureichende Beteiligung kann zur Anfechtbarkeit der Genehmigung führen.