Definition und rechtliche Einordnung der Wandelschuldverschreibung
Die Wandelschuldverschreibung ist ein komplexes Finanzinstrument, das die Merkmale einer klassischen Schuldverschreibung (Anleihe) mit einem Umtauschrecht in Aktien des Emittenten kombiniert. Rechtlich handelt es sich bei der Wandelschuldverschreibung um ein Wertpapier, das dem Gläubiger (Inhaber der Schuldverschreibung) das Recht einräumt, innerhalb eines bestimmten Zeitraums und zu vorab festgelegten Bedingungen die Rückzahlung des Darlehensbetrags in Aktien des emittierenden Unternehmens umzuwandeln (Wandlungsrecht). Auf diese Weise stellt die Wandelschuldverschreibung eine Mischform aus Fremd- und potenziellem Eigenkapital dar.
Die Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen ist insbesondere in Deutschland in den §§ 221, 192 ff. AktG (Aktiengesetz) geregelt. Auch das Schuldverschreibungsgesetz (SchVG) kann im Einzelfall einschlägig sein.
Struktur und Bestandteile der Wandelschuldverschreibung
Rechtliche Grundlagen
Die rechtliche Ausgestaltung der Wandelschuldverschreibung basiert maßgeblich auf dem Aktiengesetz (§§ 221, 192 ff. AktG), welches die Voraussetzungen für die Ausgabe solcher Wertpapiere durch Aktiengesellschaften normiert. Ergänzend können Vorschriften aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), insbesondere zum Schuldrecht, sowie kapitalmarktrechtliche Regelungen einschlägig sein.
Emissionsermächtigung und Hauptversammlung
Eine Aktiengesellschaft darf Wandelschuldverschreibungen nur auf Grundlage eines Ermächtigungsbeschlusses der Hauptversammlung ausgeben. Dieser Beschluss erfordert gemäß § 221 Abs. 1 AktG eine qualifizierte Mehrheit von mindestens drei Vierteln des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals.
Der Ermächtigungsbeschluss enthält insbesondere folgende wesentliche Bedingungen:
- Gesamtnennbetrag der Schuldverschreibungen,
- Anzahl der ausgegebenen Aktien bei vollständiger Wandlung,
- Ausgabebedingungen und Wandlungsverhältnis,
- Wandlungsfrist und ggf. Anpassungsmechanismen (z. B. bei Kapitalmaßnahmen).
Bezugsrecht der Aktionäre
Nach § 221 Abs. 4 i. V. m. § 186 AktG steht den Aktionären grundsätzlich ein Bezugsrecht auf die zu emittierenden Wandelschuldverschreibungen zu. Das Bezugsrecht kann unter bestimmten Voraussetzungen durch die Hauptversammlung ausgeschlossen werden.
Vertragsgestaltung und typische Regelungsgegenstände
Wandlungsrecht und Wandlungsverhältnis
Herzstück der Wandelschuldverschreibung ist das Wandlungsrecht. Es gestattet dem Inhaber, die Schuldverschreibung innerhalb einer bestimmten Frist (Wandlungsfrist) in Aktien umzutauschen. Das Wandlungsverhältnis legt dabei fest, wie viele Aktien pro Schuldverschreibung gewährt werden.
Wichtige Regelungspunkte:
- Ausübungsvoraussetzungen und -modalitäten des Wandlungsrechts,
- Festlegung oder Berechnung des Umtauschpreises (Wandlungspreis),
- Zeitraum der Wandlungsmöglichkeit (Wandlungsfrist),
- Mechanismen zur Anpassung des Wandlungsverhältnisses (z. B. bei Aktiensplits oder Kapitalerhöhungen).
Verzinsung und Rückzahlung
Wandelschuldverschreibungen sind in der Regel verzinslich ausgestaltet. Es finden die allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften über verzinsliche Darlehen Anwendung. Endet die Wandlungsfrist, ohne dass das Wandlungsrecht ausgeübt wird, besteht gegenüber dem Emittenten ein Rückzahlungsanspruch auf den Nennwert zuzüglich etwaiger bis dahin aufgelaufener Zinsen.
Weitere Vertragsklauseln
Häufig enthalten die Anleihebedingungen zusätzliche Regelungen zu:
- Nachrangigkeit oder Gleichrangigkeit im Insolvenzfall,
- Kündigungsrechte zugunsten von Emittent oder Gläubiger (z. B. bei Kontrollwechsel),
- Covenants und sonstige Restriktionen zum Schutz der Gläubigerinteressen,
- Zulassung und Handelbarkeit an Börsen.
Gesellschaftsrechtliche Implikationen
Bedingtes Kapital
Die Umwandlung der Schuldverschreibung in Aktien erfordert die Schaffung sogenannten bedingten Kapitals (§ 192 AktG). Das bedeutet, dass die neuen Aktien erst bei Ausübung des Wandlungsrechts entstehen und hierfür eine entsprechende Kapitalerhöhung vorbehalten wird. Die Reichweite des bedingten Kapitals muss sich dabei nach der Anzahl der für die Wandelschuldverschreibungen auszugebenden Aktien bestimmen.
Auswirkungen auf die Aktionärsstruktur
Durch die Wandlung der Schuldverschreibungen in Aktien kommt es zu einer Verwässerung der Beteiligungsquoten der Altaktionäre, sofern diese ihr Bezugsrecht nicht ausgeübt haben oder ein Bezugsrechtsausschluss vorlag.
Kapitalmarktrechtliche Vorschriften
Prospektpflicht
Die öffentliche Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen unterliegt in der Regel der Prospektpflicht nach der Verordnung (EU) 2017/1129 (Prospektverordnung) sowie dem Wertpapierprospektgesetz (WpPG). Emittenten müssen ein Wertpapierprospekt veröffentlichen, der umfangreiche Angaben zu den Bedingungen der Schuldverschreibung, dem Wandlungsrecht und zum Emittenten enthält.
Transparenz- und Mitteilungspflichten
Emission und Wandlung der Schuldverschreibungen ziehen Meldetatbestände nach dem Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) sowie dem Aktiengesetz nach sich. Insbesondere Stimmrechtsmitteilungen können erforderlich werden, sobald mit der Wandlung neue Aktien entstehen und Stimmen übertragen werden.
Steuerliche Behandlung
Wandelschuldverschreibungen sind aus steuerlicher Sicht regelmäßig als verzinsliche Wertpapiere einzuordnen. Die Zinszahlungen unterliegen der Besteuerung als Kapitaleinkünfte. Bei der Ausübung des Wandlungsrechts gilt die Differenz zwischen Ausgabepreis der Schuldverschreibung und tatsächlichem Wert der erhaltenen Aktien als steuerpflichtiger Kapitalertrag. Steuerliche Besonderheiten bestehen insbesondere für Unternehmen, institutionelle Investoren und im grenzüberschreitenden Fall.
Wandelschuldverschreibung im Insolvenzrecht
Sofern der Emittent insolvent wird, sind die Gläubiger der Wandelschuldverschreibung in der Regel normale Insolvenzgläubiger, es sei denn, die Schuldverschreibungsbedingungen beinhalten eine Nachrangklausel. Im eröffneten Insolvenzverfahren werden etwaige offene Zinsforderungen und der Rückzahlungsbetrag zur Tabelle angemeldet. Das Wandlungsrecht als solches erlischt grundsätzlich mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
Wandelschuldverschreibung im internationalen Vergleich
Auch international existieren vergleichbare Instrumente, oft als „Convertible Bonds“ bezeichnet. Die rechtlichen Rahmenbedingungen unterscheiden sich dabei nach Rechtsordnung. In vielen Ländern ist ebenfalls ein Hauptversammlungsbeschluss mit qualifizierter Mehrheit gesetzlich vorgesehen, und es gelten spezielle kapitalmarktrechtliche und gesellschaftsrechtliche Vorgaben bezüglich Bezugsrechtsausschluss, Prospektpflicht und Berichterstattung.
Zusammenfassung
Die Wandelschuldverschreibung ist ein variabel ausgestaltbares Finanzierungsinstrument, das Fremd- und potenzielles Eigenkapital verbindet. Sie ist rechtlich anspruchsvoll ausgestaltet und unterliegt umfassenden gesellschaftsrechtlichen, kapitalmarktrechtlichen und steuerlichen Regelungen. Ihre Ausgestaltung bietet Unternehmen flexible Finanzierungsmöglichkeiten sowie Investoren attraktive Renditechancen bei gleichzeitigem Risikoausgleich durch das Wandlungsrecht.
Durch die Vielzahl regulatorischer Anforderungen und die Komplexität ihrer vertraglichen Ausgestaltung nehmen Wandelschuldverschreibungen eine bedeutende Rolle im Rahmen der Unternehmensfinanzierung und im Wertpapierhandel ein.
Häufig gestellte Fragen
Welche gesetzlichen Regelungen gelten für die Emission von Wandelschuldverschreibungen in Deutschland?
Die Emission von Wandelschuldverschreibungen in Deutschland ist durch eine Vielzahl von gesetzlichen Vorschriften geregelt. Maßgeblich sind insbesondere das Aktiengesetz (AktG), das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) sowie gegebenenfalls das Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) und steuerrechtliche Bestimmungen. Nach § 221 AktG bedarf die Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen eines Beschlusses der Hauptversammlung mit einer qualifizierten Mehrheit, sofern das Umtauschrecht in Aktien der Gesellschaft gewährt werden soll. Im Regelfall muss auch das Bezugsrecht der Altaktionäre gemäß § 221 Abs. 4 AktG berücksichtigt werden, außer es wird ausdrücklich durch Hauptversammlungsbeschluss ausgeschlossen. Weiterhin sind die aufsichtsrechtlichen Anforderungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und die EU-Prospektverordnung zu beachten, sofern die Schuldverschreibungen öffentlich angeboten werden. Die Emission muss außerdem hinsichtlich der Informationspflichten, insbesondere der Veröffentlichung eines Wertpapierprospekts, die einschlägigen Bestimmungen erfüllen.
Welche Anforderungen müssen die Bedingungen einer Wandelschuldverschreibung rechtlich erfüllen?
Die Bedingungen der Wandelschuldverschreibung – auch Anleihebedingungen genannt – sind detailliert im sogenannten Anleihevertrag zu regeln. Aus rechtlicher Sicht müssen insbesondere das Umtauschverhältnis, der Wandlungszeitraum, der Wandlungspreis sowie etwaige Verwässerungsschutzklauseln klar und eindeutig bestimmt werden. Die Bedingungen sollten Rechtsklarheit schaffen und den Schutz der Gläubiger sowie der Aktionäre angemessen berücksichtigen. Gemäß § 221 AktG muss die Hauptversammlung die wesentlichen Umtausch- bzw. Optionsbedingungen bei börsennotierten Unternehmen bereits im Emissionsbeschluss festlegen oder zumindest Grundzüge bestimmen. Bei Publikumsemissionen ist die Veröffentlichung und Zugänglichmachung der Bedingungen zwingend vorgeschrieben.
Welche Besonderheiten bestehen bei der Aussetzung oder Veränderung des Wandlungsrechts?
Eine Änderung der Wandlungsrechte kann nur unter engen gesetzlichen Bedingungen vorgenommen werden. Gemäß § 225 AktG sind Änderungen zum Nachteil der Gläubiger grundsätzlich nur mit deren Zustimmung möglich; dies erfolgt in der Regel durch die Versammlung der Anleihegläubiger, die mit einer qualifizierten Mehrheit entscheidet. Jede einseitige Aussetzung oder Verschlechterung der Wandlungsrechte durch den Emittenten ohne Gläubigerzustimmung ist rechtlich unzulässig. Gesetzlich vorgeschriebene Verwässerungsschutzklauseln greifen zusätzlich automatisch, etwa bei Kapitalerhöhungen oder Aktiensplits.
Inwieweit ist ein Prospekt verpflichtend und welche Haftungsregelungen bestehen hierbei?
Die öffentliche Emission von Wandelschuldverschreibungen ist in der Regel prospektpflichtig nach der EU-Prospektverordnung, sofern keine Ausnahme gemäß der Verordnung vorliegt (z.B. bei Platzierung ausschließlich bei qualifizierten Anlegern oder geringem Emissionsvolumen). Der Prospekt muss sämtliche erforderlichen Informationen über den Emittenten, die angebotenen Wertpapiere und die Risiken enthalten. Bei fehlerhaftem oder unvollständigem Prospekt haften sowohl die Gesellschaft als auch die Geschäftsleiter und ggfs. weitere Beteiligte (z.B. Konsortialbanken) gegenüber Anlegern für einen daraus resultierenden Schaden. Die Haftungsfristen richten sich neben der Prospektverordnung auch nach § 43 WpHG.
Welche Rolle spielt das Bezugsrecht der Aktionäre im rechtlichen Zusammenhang?
Das Bezugsrecht der Altaktionäre ist ein zentrales Element beim Rechtsschutz im Zusammenhang mit der Emission von Wandelschuldverschreibungen gemäß § 221 Abs. 4 AktG. Dieses Recht dient dem Schutz gegen Verwässerung des Stimmrechts und der Beteiligung an der Gesellschaft. Das Bezugsrecht kann durch die Hauptversammlung mit einer qualifizierten Mehrheit (mindestens drei Viertel des vertretenen Grundkapitals) ausgeschlossen werden, sofern ein wichtiger sachlicher Grund vorliegt; dabei müssen die Grundsätze zur Gleichbehandlung der Aktionäre sowie die Angemessenheit des Ausgabepreises gewahrt sein. Der Bezugsrechtsausschluss unterliegt im Zweifel der gerichtlichen Überprüfung auf Angemessenheit.
Wie werden Wandelschuldverschreibungen gesellschaftsrechtlich und bilanziell behandelt?
Im Gesellschaftsrecht werden Wandelschuldverschreibungen als eigenständige Wertpapiere behandelt, die ein zukünftiges Recht auf Bezug neu auszugebender Aktien begründen. Bilanzrechtlich werden sie nach den einschlägigen Rechnungslegungsvorschriften (z. B. HGB, IFRS) sowohl als Fremd- als auch – abhängig von den vertraglichen Ausgestaltungen – gegebenenfalls als Eigenkapitalbestandteil behandelt. Entscheidend ist hierbei, ob ein tatsächliches Wandlungsrecht besteht und unter welchen Bedingungen dieses ausgeübt werden kann. Der sog. „Equity Split“ kommt dann zum Tragen, wenn die Wandelschuldverschreibung als finanzierungsähnliches Instrument eingeordnet wird.
Welche Mitwirkungs- und Kontrollrechte haben Wandelschuldverschreibungsgläubiger?
Die Gläubiger von Wandelschuldverschreibungen erhalten bestimmte Mitwirkungs- und Kontrollrechte, die insbesondere im Schuldverschreibungsgesetz (SchVG) geregelt sind. Sie können Versammlungen einberufen, in denen über Änderungen der Anleihebedingungen, gemeinsame Maßnahmen oder die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters entschieden werden kann. Bei drohenden Nachteilen oder Insolvenz des Emittenten können die Gläubiger Rechte geltend machen, z.B. vorzeitige Kündigung, Teilnahme an Restrukturierungsplänen und ggf. Stimmrechte in Gläubigerversammlungen. Der Umfang dieser Rechte ist in den Anleihebedingungen geregelt und darf nicht unbillig eingeschränkt werden.