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Wärmepreisbremse


Begriff und rechtlicher Hintergrund der Wärmepreisbremse

Die Wärmepreisbremse ist ein Begriff aus dem deutschen Energierecht, der im Kontext der Energiepreiskrise infolge des Ukraine-Krieges und des starken Preisanstiegs für fossile Brennstoffe und Fernwärme ab Ende 2021 besondere Bedeutung gewann. Sie stellt ein wirtschafts- und sozialpolitisches Instrument zur Begrenzung von Energiekosten für Verbraucher und Einrichtungen dar. Ziel ist es, durch staatliche Intervention den Anstieg der Aufwendungen für Wärmeenergie abzumildern. Die Wärmepreisbremse ist eng mit der Strompreisbremse verwandt und wurde als Teil umfassender Energiepreisbremsen im Energiepreisbremsengesetz (EPBG) rechtlich geregelt.

Rechtliche Grundlagen der Wärmepreisbremse

Energiepreisbremsengesetz (EPBG)

Die zentrale rechtliche Grundlage für die Wärmepreisbremse bildet das Gesetz zur Einführung von Preisbremsen für leitungsgebundene Energie und zur Änderung weiterer energierechtlicher Bestimmungen, kurz Energiepreisbremsengesetz (EPBG), das am 24. Dezember 2022 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurde. Das Gesetz trat größtenteils zum 1. Januar 2023 in Kraft. Es enthält Regelungen zur Preisgestaltung, Finanzierung sowie zu den Rechten und Pflichten der beteiligten Marktteilnehmer.

Geltungsbereich und Begünstigte

Die Wärmepreisbremse gilt bundesweit und adressiert verschiedene Gruppen:

  • Private Haushalte
  • Kleine und mittlere Unternehmen
  • Vereine und gemeinnützige Einrichtungen
  • Großverbraucher und Industrie (mit gesonderten Regelungen)

Mechanismus und Funktionsweise

Preisdeckelung und Referenzverbrauch

Der zentrale Mechanismus besteht in einer Funktion der Preisdeckelung. Für einen definierten Referenzverbrauch an Wärme, typischerweise 80 Prozent des im Vorjahr verbrauchten Wärmebezugs, wird ein gesetzlich festgelegter Maximalpreis garantiert. Für den darüberhinausgehenden Verbrauch gilt der individuelle Vertragspreis des Versorgers. Die Differenz zwischen Vertragspreis und maximal zulässigem Preis übernimmt der Staat anteilig über die Wärmenetzbetreiber bzw. Wärmeversorgungsunternehmen.

Preisgrenzen

  • Für Haushaltskunden und kleinere Unternehmen beträgt der Staatspreisdeckel 9 Cent/kWh brutto für 80 Prozent des historischen Verbrauchs.
  • Für größere Verbraucher (ab 1,5 Millionen kWh Jahresverbrauch) gelten abweichende Regelungen.

Verfahren der Entlastung

Die Entlastung erfolgt durch den Energieversorger, der die Differenz auf der Rechnung entsprechend ausweist und direkt an den Kunden weitergibt. Die Entlastungsbeträge erhalten die Versorger auf Antrag vom Staat zurückerstattet, wobei umfangreiche Melde-, Nachweis- und Prüfpflichten zu beachten sind.

Voraussetzungen und Umfang der Entlastung

Anspruchsvoraussetzungen

Anspruch auf die Leistungen der Wärmepreisbremse haben im Grundsatz alle Kunden, die leitungsgebundene Wärme (inkl. Fernwärme) nutzen und die entsprechenden Verbrauchsgrenzen nicht überschreiten. Für Sonderformen wie Sub-Metering in Mehrparteienhäusern existieren spezielle Regelungen.

Zeitraum und Befristung

Die Regelungen zur Wärmepreisbremse sind befristet. Ursprünglich galt sie für den Zeitraum 1. Januar 2023 bis 31. Dezember 2023, mit Verlängerungsoption durch Rechtsverordnung. Bei weiter anhaltender Energiepreiskrise können die Regelungen verlängert oder modifiziert werden.

Melde-, Mitteilungs- und Nachweispflichten

Die Inanspruchnahme der Wärmepreisbremse ist mit einer Reihe von Pflichten für Verbraucher und Versorger verbunden:

  • Selbstauskunftspflichten: Ab bestimmten Entlastungshöhen müssen Kunden den Leistungsbezug angeben und Auskünfte über etwaige weitere beanspruchte Entlastungen machen (u.a. mehrere Abnahmestellen oder Standorte).
  • Mitteilungspflichten der Versorger: Die Versorgungsunternehmen sind verpflichtet, ihre Kunden über den Umfang und die Funktionsweise der Entlastung transparent zu informieren.
  • Prüfungsrechte der Behörden: Die Bundesnetzagentur und andere befasste Behörden haben umfassende Prüfungs- und Einsichtsrechte hinsichtlich der korrekten Umsetzung und Abrechnung der Preisbremsen.

Begrenzung, Ausschlüsse und Rückforderungen

Begrenzung der Entlastung (Höchstgrenzen)

Mit der Wärmepreisbremse geht eine Kappung der maximal zulässigen Entlastung für Unternehmen und große Verbraucher einher, um Wettbewerbsverzerrungen und Mitnahmeeffekte zu vermeiden. Außerdem sind Kumulationen mit anderen staatlichen Hilfen beschränkt.

Missbrauchs- und Rückforderungsklauseln

Wer eine unberechtigte Entlastung erhält, muss diese zurückerstatten. Die entsprechenden Sanktionen und Rückforderungsmechanismen regelt das Energiesicherungsrecht unter Bezugnahme auf das EPBG.

Finanzierung der Wärmepreisbremse

Die Kompensation der Versorgungsunternehmen für die gewährte Preisdifferenz erfolgt vollständig aus Mitteln des Bundes. Die Finanzierungsmittel werden im Wesentlichen aus dem sogenannten Wirtschaftsstabilisierungsfonds bereitgestellt, der speziell zur Abmilderung von Krisenfolgen eingerichtet wurde.

Auswirkungen im Energie- und Zivilrecht

Einfluss auf zivilrechtliche Vertragsbeziehungen

Die Wärmepreisbremse greift unmittelbar in bestehende und neu abzuschließende Verträge zur Wärmeversorgung ein. Anpassungen der Rechnungslegung, Abrechnungsmodalitäten und Mitteilungspflichten werden übergangsweise gesetzlich angeordnet und modifizieren die zivilrechtlichen Hauptleistungspflichten zwischen Kunde und Versorger.

Wettbewerbsrechtliche Rahmenbedingungen

Die Regelungen stehen im Einklang mit europäischen Vorgaben zur Energiebinnenmarktregulierung und werden seitens der Europäischen Kommission im Rahmen der Temporären Krisenbeihilferegelung beobachtet und überprüft.

Datenerhebung und Datenschutz

Bei der Umsetzung der Wärmepreisbremse sind personenbezogene Daten zu erfassen und zu verarbeiten (z.B. Verbrauchshistorie, Kontaktdaten, Entlastungsbeträge). Die Erhebung und Weitergabe dieser Daten ist im EPBG explizit geregelt und muss unter Beachtung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) erfolgen.

Gesetzliche Entwicklung und Ausblick

Die gesetzliche Ausgestaltung der Wärmepreisbremse steht unter dem Vorbehalt fortlaufender Nachsteuerung. Anpassungen betreffen etwa die Definition der Verbrauchergruppen, die Höhe der Preisdeckelung oder die Dauer der Geltung. Der Gesetzgeber hat sich umfassende Evaluierungs- und Anpassungsrechte vorbehalten, um flexibel auf weitere Marktveränderungen reagieren zu können.


Literatur und weiterführende Quellen:

Siehe auch:

  • Strompreisbremse
  • Energiesicherungsgesetz
  • Wirtschaftsstabilisierungsfonds
  • Preisregulierung im Energierecht

Häufig gestellte Fragen

Welcher Personenkreis ist nach den rechtlichen Vorgaben berechtigt, von der Wärmepreisbremse zu profitieren?

Nach § 1 Abs. 2 der Preisbremsengesetze (insbesondere dem „Gesetz zur Einführung einer Preisbremse für leitungsgebundene Energieträger“ sowie ergänzender Landesverordnungen) umfasst der berechtigte Personenkreis sämtliche Letztverbraucher, die leitungsgebundene Wärme beziehen und durch einen entsprechenden Liefervertrag direkt oder mittelbar mit einem Wärmelieferanten verbunden sind. Dazu zählen insbesondere private Haushalte (Wohnraumnutzer), kleine und mittlere Unternehmen (KMU) mit einem Verbrauch unterhalb der gesetzlich definierten Schwelle, sowie Vermieter und Wohnungseigentümergemeinschaften, sofern diese die Wärme zentral beziehen und an die Letztverbraucher (Mieter, Wohnungseigentümer) weiterverteilen. Auch Einrichtungen des Gemeinwohls (z.B. Krankenhäuser, Kitas, Schulen) sind rechtlich ausdrücklich erfasst. Großverbraucher und Industriebetriebe unterliegen eigenen Begrenzungsregelungen und müssen u.U. separate Anträge stellen, um förderfähig zu sein. Die Berechtigung ist nicht an die jeweilige Eigentumsform der Immobilie gebunden, sondern ausschließlich an den Status als Letztverbraucher gem. Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) sowie Einzelbestimmungen der Preisbremse.

Besteht ein Rechtsanspruch auf Berücksichtigung der Wärmepreisbremse in der Heizkostenabrechnung?

Ein rechtlicher Anspruch auf Berücksichtigung der Preisbremse in der Heizkostenabrechnung ergibt sich unmittelbar aus den einschlägigen Gesetzesvorschriften (insb. § 6 Preisbremsengesetz Wärme). Der jeweilige Wärmelieferant ist gesetzlich verpflichtet, die Entlastungsbeträge korrekt zu berechnen und an den Letztverbraucher weiterzugeben. Für Mieter gilt: Der Vermieter ist als Vertragspartner des Wärmelieferanten verpflichtet, die Entlastung vollständig und transparent im Rahmen der jährlichen Heizkostenabrechnung an den Mieter weiterzuleiten. Ein unterlassenes oder fehlerhaftes Weiterreichen kann zu Schadensersatzansprüchen und, im Falle eines systematischen Verstoßes, zu Bußgeldern führen. Im Streitfall besteht nach Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB) ein Klagerecht vor den Zivilgerichten.

Gibt es rechtliche Vorgaben zur Information der Letztverbraucher durch Wärmelieferanten und Vermieter?

Laut § 9 Preisbremsengesetz Wärme müssen sowohl Wärmelieferanten als auch Vermieter (sofern Zwischeninstanz) die Letztverbraucher schriftlich und unaufgefordert über Umfang, Zeitraum und rechtliche Grundlagen der angewandten Preisbremse informieren. Die Information hat spätestens mit der nächsten Abrechnung oder dem nächsten Abschlagsbescheid zu erfolgen und muss die Entlastungsberechnung nachvollziehbar darlegen. Es besteht eine ausdrückliche Hinweispflicht auf eventuelle Nachberechnungen und auf bestehende Rechtsmittel. Nichtbeachtung dieser Informationspflicht wird als Ordnungswidrigkeit geahndet.

Wie ist der begünstigte Referenzverbrauch (Kontingentregelung) rechtlich festgelegt?

Gemäß § 3 und § 11 des Preisbremsengesetzes erfolgt die Deckelung des Wärmepreises nur für einen bestimmten Anteil des Vorjahresverbrauchs („Kontingent“). Üblicherweise beträgt dieses Kontingent 80 % des im relevanten Basisjahr festgestellten Verbrauchs. Die Feststellung erfolgt entweder auf Basis erhobener Verbrauchsdaten des Liefervorjahres, der letzten Jahresabrechnung vor dem Stichtag oder, wenn diese nicht vorliegt, auf Grundlage plausibel geschätzter Verbrauchswerte durch den Wärmelieferanten. Der gesetzliche Vorrang liegt bei jahresbezogenen Abrechnungsperioden; nachträgliche Korrekturen sind nur in den ausdrücklich genannten Fällen (z.B. Nutzerwechsel, erstmalige Nutzung) möglich.

Welche Melde- und Nachweispflichten bestehen bei unberechtigtem Bezug oder Überschreitung von Höchstgrenzen?

Nach § 10 Preisbremsengesetz sind Verbraucher, die den Entlastungsbetrag unberechtigt erhalten oder deren Verbrauch spezifische Höchstgrenzen überschreitet (z.B. aufgrund Umnutzung oder Gewerbeanteil), verpflichtet, dies dem Lieferanten unverzüglich schriftlich mitzuteilen. Ein Verstoß gegen diese Anzeigepflicht kann eine Rückforderung der unrechtmäßigen Entlastungsbeträge sowie die Erhebung von Verzugszinsen und Bußgelder nach sich ziehen. Bei vorsätzlicher Täuschung drohen zudem strafrechtliche Konsequenzen, insbesondere nach dem Wirtschaftsstrafgesetz.

Greift die Wärmepreisbremse auch bei indexierten bzw. dynamischen Wärmepreisverträgen?

Die gesetzliche Regelung analysiert ausdrücklich auch dynamische bzw. indexierte Wärmelieferverträge. Gemäß § 8 Preisbremsengesetz ist jeder Wärmeversorger verpflichtet, den Preisbestandteil, der oberhalb der Preisgrenze liegt, unabhängig von der Preisbildungsform zu subventionieren, sofern der Vertrag nicht eindeutig Preisanpassungsklauseln ausschließt, die von der gesetzlichen Preisgrenze abweichen. Indexierungen, etwa an Gas- oder Ölpreise gekoppelte Verträge, können somit nicht „umgangen“ werden; entscheidend ist ausschließlich der tatsächlich zu zahlende Betrag gemäß Abrechnungszeitraum.

Welche rechtlichen Folgen hat ein Verstoß gegen die Weitergabe der Entlastung an die Endkunden?

Die Nichtweitergabe oder unvollständige Weitergabe der Entlastungsbeträge stellt eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 13 Preisbremsengesetz dar. Die Bundesnetzagentur sowie Landesbehörden sind befugt, Bußgelder zu verhängen, deren Höhe je nach Schwere des Verstoßes bis zu mehreren Zehntausend Euro betragen kann. Darüber hinaus bleiben zivilrechtliche Ansprüche der Letztverbraucher (u.a. Rückforderung, Schadensersatz) nach dem BGB unberührt. Bei vorsätzlicher, systematischer Verstöße drohen auch gewerberechtliche Konsequenzen, etwa der Entzug der Versorgerlizenz.