Legal Lexikon

Wärmenetze


Definition und rechtliche Grundlagen von Wärmenetzen

Ein Wärmenetz ist eine leitungsgebundene Infrastruktur zur Versorgung mehrerer Gebäude oder Liegenschaften mit thermischer Energie (Wärme) zum Zweck der Raumheizung, Warmwasserbereitung sowie gegebenenfalls Prozesswärme für gewerbliche Nutzung. Rechtlich handelt es sich bei Wärmenetzen um Versorgungsnetze, deren Betrieb und Ausbau in Deutschland sowie der Europäischen Union zahlreichen gesetzlichen Regelungen und Vorgaben unterliegt. Wärmenetze können in Form von Nahwärmenetzen (kleinräumig, z. B. Quartiere) oder Fernwärmenetzen (stadtweite oder regionale Versorgung) ausgestaltet sein.


Gesetzliche Einordnung von Wärmenetzen

Energiewirtschaftsrecht (EnWG)

Das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) bildet die zentrale Rechtsgrundlage für leitungsgebundene Energieversorgung in Deutschland. Wärmenetze sind nach § 3 Nr. 16a EnWG als Energieversorgungsnetze für Wärme definiert, wodurch verschiedene Vorschriften des EnWG zur Anwendung kommen. Das EnWG regelt unter anderem Zugang zu Netzen, Netzausbau sowie Anforderungen an einen diskriminierungsfreien Betrieb. Für Wärmenetze gelten jedoch im Vergleich zu Strom- und Gasnetzen teilweise abweichende Regelungen, zum Beispiel in Bezug auf Regulierung und Zugang.

Fernwärmerecht

Fernwärmeversorgungsgesetz (AVBFernwärmeV)

Für die rechtlichen Beziehungen zwischen Anbietern und Abnehmern von Fernwärme ist insbesondere die Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme (AVBFernwärmeV) maßgeblich. Sie regelt wesentliche Vertragsinhalte, wie Lieferbedingungen, Preisgestaltung (Preisänderungsklauseln), Anschlussbedingungen, Versorgungspflichten und Kündigungsrechte im Fernwärmevertrag. Die AVBFernwärmeV enthält zwingende Verbraucherschutzvorschriften, die insbesondere für private Haushalte relevante Bedeutung haben.

Preisregulierung und Kohärenz mit anderen Regelwerken

Anders als bei Strom- und Gasnetzen unterliegt die Preisbildung bei Fernwärmenetzen nicht der direkten Regulierung durch die Bundesnetzagentur, sondern erfolgt unter Berücksichtigung der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht (§ 31 GWB). Dies bedeutet, dass Preisanpassungen, insbesondere durch Verwendung von Preisgleitklauseln, wettbewerbs- und kartellrechtlichen Vorgaben genügen müssen, dabei aber flexible Gestaltungsspielräume bestehen.


Verhältnis zu öffentlichem Recht und Baurecht

Genehmigung und Planungsrecht

Der Bau und Betrieb von Wärmenetzen ist genehmigungspflichtig. Je nach Größe und Ausgestaltung ist nach dem jeweiligen Landesrecht eine Baugenehmigung nach den Vorschriften der jeweiligen Landesbauordnung erforderlich. Im Falle größerer Fernwärmeprojekte kann zudem eine Planfeststellung beziehungsweise ein Raumordnungsverfahren gemäß Baugesetzbuch (BauGB) und Raumordnungsgesetz (ROG) notwendig werden.

Umweltrecht und Immissionsschutz

Wärmenetze stehen im engen Zusammenhang mit Umweltschutzvorgaben. Anlagen zur Wärmeerzeugung, die in Wärmenetze einspeisen, beispielsweise Blockheizkraftwerke oder Heizwerke, sind häufig genehmigungsbedürftig gemäß Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG). Insbesondere bei der Emission von Schadstoffen, der Nutzung von erneuerbaren Energien sowie dem Schutz angrenzender Flächen finden verschiedene umweltrechtliche Standards Anwendung.


Förderung und Anreizsysteme im Wärmenetzbereich

Förderprogramme und rechtliche Grundlagen

Der Ausbau und die Dekarbonisierung von Wärmenetzen werden auf nationaler und europäischer Ebene durch umfassende Förderprogramme flankiert. In Deutschland sind insbesondere die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) sowie Förderregelungen nach dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) maßgeblich. Rechtsgrundlagen stellen das KWKG, das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und das Gebäudeenergiegesetz (GEG) dar.

Beihilferecht und Vergaberecht

Die Inanspruchnahme öffentlicher Fördermittel für den Ausbau von Wärmenetzen unterliegt den Vorgaben des europäischen Beihilferechts (insbesondere Art. 107 ff. AEUV) und kann eine beihilferechtliche Anmeldung bei der Europäischen Kommission nach sich ziehen. Ebenso relevant sind die Regelungen des Vergaberechts, insbesondere für kommunale oder staatliche Projekte (GWB, VgV, SektVO).


Eigentums- und Betreibermodelle

Private und öffentliche Betreibermodelle

Wärmenetze können von privaten Unternehmen, öffentlichen Einrichtungen (wie Stadtwerken) oder in Form öffentlich-privater Partnerschaften betrieben werden. Das Eigentum und die Betriebsführung unterliegen unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen, die sich unter anderem nach zivilrechtlichen, kommunalrechtlichen und handelsrechtlichen Vorgaben richten.

Anschluss- und Benutzungszwang

In bestimmten Gemeinden oder Stadtteilen kann durch kommunale Satzungen ein Anschluss- und Benutzungszwang an ein Wärmenetz festgelegt werden. Die rechtlichen Grundlagen hierfür finden sich in den jeweiligen Kommunalgesetzen und Satzungen. Ziel ist es, klimapolitische Vorgaben umzusetzen und die Wirtschaftlichkeit bestehender Netze sicherzustellen.


Vertragsrechtliche Gestaltung und Verbraucherschutz

Wärmelieferungsverträge

Wärmelieferungsverträge regeln die Rechte und Pflichten zwischen Netzbetreiber und Wärmekunden. Sie unterliegen den Anforderungen des BGB, insbesondere im Rahmen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff. BGB) und der AVBFernwärmeV. Besondere Bedeutung kommt der transparenten Gestaltung von Preisgleitklauseln und Leistungsmerkmalen zu.

Rechte der Verbraucher

Verbraucher profitieren von besonderen Schutzvorschriften, etwa im Hinblick auf Transparenz von Preisanpassungen, Informationspflichten des Versorgers und das Recht auf Kündigung. Die Fernwärmeversorgungsvorschriften sehen zum Beispiel ein außerordentliches Kündigungsrecht für Endkunden im Falle wesentlicher Preissteigerungen vor.


Kartellrechtliche Aspekte und Wettbewerbsrecht

Missbrauchsaufsicht

Die Missbrauchsaufsicht über Preise und Vertragsbedingungen bei Wärmenetzen obliegt den Kartellbehörden (§ 19 GWB). Die Marktposition von Wärmenetzbetreibern, insbesondere in Monopolsituationen, wird regelmäßig überprüft, um missbräuchliche Preisforderungen auszuschließen.

Wettbewerbsförderung

Der Marktzugang für Drittanbieter, etwa durch „Third Party Access“ (TPA), ist für Wärmenetze im Gegensatz zu Strom- und Gasnetzen bislang nicht verpflichtend vorgeschrieben. Gleichwohl wird im Zuge der Novellierung des Energiewirtschaftsrechts diskutiert, ob und wie ein diskriminierungsfreier Zugang auch im Wärmesektor gestärkt werden kann.


Zusammenfassung und Ausblick

Wärmenetze nehmen eine zentrale Rolle bei der Transformation des Energiesystems ein und sind rechtlich vielschichtig reguliert. Die maßgeblichen Rechtsgebiete sind das Energiewirtschaftsrecht, Fernwärmerecht, Umweltrecht, Baurecht sowie das Kartell- und Wettbewerbsrecht. Rechtliche Besonderheiten bestehen im Bereich der Tarifgestaltung, der Förderung sowie bei der Vertragsgestaltung zwischen Betreibern und Kunden. Zukünftige gesetzgeberische Entwicklungen, insbesondere vor dem Hintergrund der Klimaziele und der Dekarbonisierung, werden weitere regulatorische Anpassungen im Bereich der Wärmenetze erforderlich machen.

Häufig gestellte Fragen

Unterliegt der Anschluss an ein Wärmenetz einer Anschluss- und Benutzungspflicht?

Der Anschluss an ein Wärmenetz kann grundsätzlich einer Anschluss- und Benutzungspflicht unterliegen, wenn dies in einer gemeindlichen Satzung festgelegt ist. Grundlage hierfür ist in der Regel die jeweilige Landesbauordnung sowie das Kommunalabgabengesetz des jeweiligen Bundeslandes. Gemeinden sind berechtigt, im Rahmen ihrer Daseinsvorsorge zur Sicherstellung einer geordneten Wärmeversorgung sowie zur Förderung des Umweltschutzes durch Reduktion klimaschädlicher Emissionen, eine Pflicht zum Anschluss an ein bestehendes Wärmenetz und zur Benutzung desselben für bestimmte Gebiete per Satzung festzulegen. Die betroffenen Grundstückseigentümer werden dadurch verpflichtet, ihre Gebäude an das Wärmenetz anschließen zu lassen und die darin verlegte Wärme auch tatsächlich zu nutzen. Ausnahmen von der Pflicht sind denkbar, etwa wenn nachweislich eine umweltschonendere oder technisch bessere Eigenversorgung vorliegt. Die Rechtmäßigkeit der jeweiligen Satzung kann vor dem Verwaltungsgericht überprüft werden; aber grundsätzlich erweist sich die Anschluss- und Benutzungspflicht als ein bewährtes Instrument kommunaler Energiepolitik.

Welche Rechte und Pflichten ergeben sich aus einem Wärmelieferungsvertrag?

Ein Wärmelieferungsvertrag (auch Fernwärmelieferungsvertrag) begründet eine schuldrechtliche Beziehung zwischen dem Wärmenetzbetreiber (Lieferant) und dem Anschlussnehmer (Kunde). Der Betreiber ist verpflichtet, den Anschluss an das Wärmenetz herzustellen und eine bestimmte Menge Wärme beziehungsweise eine bestimmte Vorlauftemperatur mit einer vereinbarten Qualität und Zuverlässigkeit zu liefern. Er muss zudem die Netzinfrastruktur instand halten und Störungen beseitigen. Der Anschlussnehmer ist verpflichtet, die gelieferte Wärme abzunehmen und das vereinbarte Entgelt fristgerecht zu zahlen. Die Vertragsinhalte – etwa Preisgestaltung, Abrechnungsmodalitäten, Leistungsumfang, Rechte bei Störungen oder bei Wartungsarbeiten – unterliegen zudem den Vorgaben des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), insbesondere zu Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff. BGB), Verbraucherschutzrecht sowie den energierechtlichen Regelungen, wie sie z. B. in der AVBFernwärmeV (Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme) niedergelegt sind.

Wie sind Preisänderungen bei der Fernwärme rechtlich geregelt?

Preisänderungen für die Lieferung von Wärme über ein Wärmenetz sind vorrangig über vertraglich vereinbarte Preisgleitklauseln (sogenannte Preisänderungsklauseln) geregelt. Diese Klauseln müssen den Anforderungen der Transparenz genügen und dürfen den Kunden nicht unangemessen benachteiligen (§ 307 BGB). Die rechtlichen Mindestanforderungen für solche Preisgleitklauseln sind in der AVBFernwärmeV (insbesondere § 24) normiert. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH) müssen sowohl die Gründe für eine Preisänderung als auch deren Reichweite und systematische Berechnungsgrundlage klar und nachvollziehbar dargelegt sein. Treten Preisänderungen ein, ist der Wärmelieferant verpflichtet, den Kunden mindestens sechs Wochen vorher schriftlich oder elektronisch zu informieren. Kunden steht zudem unter Umständen ein Sonderkündigungsrecht bei wesentlichen Preisänderungen zu.

Gibt es ein besonderes Kündigungsrecht bei Vertragsänderungen oder Preiserhöhungen?

Ja, nach den Vorgaben der AVBFernwärmeV steht dem Anschlussnehmer bei Änderungen der Allgemeinen Versorgungsbedingungen – dazu zählen auch Preisänderungen – ein Sonderkündigungsrecht zu. Das bedeutet, wenn der Wärmelieferant zum Beispiel die Preise anhebt oder den Vertrag zu Ungunsten des Kunden verändert, kann der Kunde den Liefervertrag mit einer Frist von zwei Wochen zum Änderungstermin außerordentlich kündigen. Der Lieferant ist verpflichtet, den Kunden rechtzeitig über diese Möglichkeit zu informieren. Wird der Kunde darüber nicht oder nicht ordnungsgemäß in Kenntnis gesetzt, bleibt das Kündigungsrecht für eine entsprechende Übergangszeit bestehen.

Welche rechtlichen Vorgaben zum Datenschutz gelten beim Betrieb von Wärmenetzen?

Beim Betrieb von Wärmenetzen fallen regelmäßig personenbezogene Daten an, beispielsweise Name, Adresse und Verbrauchsdaten der Kunden. Die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung dieser Daten ist strikt an die Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) gebunden. Der Betreiber ist verpflichtet, die Datenerhebung auf das erforderliche Maß zu beschränken, die Zwecke klar zu definieren und die notwendigen technischen und organisatorischen Maßnahmen zum Schutz der Daten zu ergreifen. Kunden müssen über die Datenverarbeitung transparent informiert werden und können Auskunft, Berichtigung oder Löschung verlangen. Auch beim Einsatz von Smart-Metering-Technologien gelten besondere Anforderungen hinsichtlich Datensicherheit und Nutzertransparenz.

Welche Möglichkeiten bestehen, gegen einen Anschluss- oder Benutzungszwang rechtlich vorzugehen?

Die Rechtmäßigkeit eines Anschluss- oder Benutzungszwangs kann von Betroffenen im Wege des Verwaltungsrechtswegs angefochten werden, insbesondere durch Einlegung eines Widerspruchs gegen den entsprechenden Verwaltungsakt (z. B. Satzung, Anschlussbescheid) und gegebenenfalls durch Klage vor dem Verwaltungsgericht. Die Erfolgsaussichten hängen insbesondere davon ab, ob die kommunale Satzung formell und materiell rechtmäßig ist – das heißt, ob sie mit höherrangigem Recht, insbesondere dem Grundgesetz (Art. 14 GG – Eigentumsgarantie; Art. 12 GG – Berufsfreiheit) und den einschlägigen Fachgesetzen, etwa dem Baugesetzbuch und dem Kommunalabgabengesetz, in Einklang steht. Erfolg haben derartige Klagen insbesondere dann, wenn ausnahmsweise eine unzumutbare Belastung für den Anschlussnehmer oder technische Unzumutbarkeit nachgewiesen werden kann (z. B. wirtschaftliche Unverhältnismäßigkeit oder Vorliegen einer besseren Eigenversorgung).

Welche technischen und rechtlichen Anforderungen muss die Hausübergabestation erfüllen?

Die Hausübergabestation, das Bindeglied zwischen dem Wärmenetz und dem haustechnischen Heizsystem, muss sowohl technischen Normen (wie DIN EN 488, DIN 4747) als auch rechtlichen Vorgaben entsprechen. Rechtlich relevant ist insbesondere die Eigentumsgrenze, die vertraglich definiert wird (z. B. gehört die Hausstation dem Netzbetreiber oder dem Kunden). Die Hausübergabestation muss so beschaffen sein, dass die Versorgungssicherheit garantiert, der ordnungsgemäße Betrieb nicht gestört und die Verbrauchserfassung gewährleistet ist. Darüber hinaus sind Vorgaben nach dem Energieeinsparrecht (z. B. GEG – Gebäudeenergiegesetz), dem Mess- und Eichgesetz und ggf. dem Trinkwasserschutz zu beachten. Bei Wartungsarbeiten, Reparaturen oder Störungen richten sich die Pflichten zur Instandhaltung und Kostentragung je nach vertraglicher Regelung sowie nach den genannten gesetzlichen Vorgaben.