Vollkaufmann: Begriff, Einordnung und Bedeutung
Der Begriff „Vollkaufmann“ beschreibt eine Person oder Gesellschaft, auf die die Regeln des Handelsrechts in vollem Umfang Anwendung finden. Er ist kein eigener gesetzlicher Titel, sondern eine geläufige Bezeichnung für die volle Kaufmannseigenschaft mit sämtlichen Rechten und Pflichten im Handelsverkehr. Abzugrenzen ist der Vollkaufmann von Kleingewerbetreibenden, für die wesentliche Teile des Handelsrechts nicht zwingend gelten, sowie von Personen oder Tätigkeiten, die nicht auf den Betrieb eines Handelsgewerbes gerichtet sind.
Wege zur Kaufmannseigenschaft
Kaufmann aufgrund Gewerbebetriebs (Istkaufmann)
Wer ein Gewerbe betreibt, dessen Art und Umfang eine kaufmännische Organisation erfordern, ist kraft Betätigung Kaufmann. Die Kaufmannseigenschaft entsteht hier durch den tatsächlichen Geschäftsbetrieb und nicht erst durch Eintragung. Typisch sind ein planmäßiger, auf Dauer angelegter Geschäftsbetrieb mit strukturierten Abläufen, die kaufmännische Buchführung nahelegen.
Kaufmann kraft Rechtsform (Formkaufmann)
Bestimmte Rechtsformen gelten unabhängig vom Umfang ihrer Tätigkeit als Kaufleute. Dazu zählen insbesondere Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften. Die Kaufmannseigenschaft ist hier an die Rechtsform gebunden und besteht regelmäßig ab Entstehung beziehungsweise Eintragung der Gesellschaft.
Kaufmann durch Eintragung (Kannkaufmann)
Kleingewerbetreibende sowie Betriebe der Land- und Forstwirtschaft können sich freiwillig in das Handelsregister eintragen lassen. Mit der Eintragung werden sie wie Kaufleute behandelt. Die Wirkung entsteht mit der Eintragung und umfasst insbesondere die Anwendung der handelsrechtlichen Vorschriften.
Fiktivkaufmann und Scheinkaufmann
Die Eintragung im Handelsregister entfaltet Vertrauensschutz für Dritte. Wer als Kaufmann eingetragen ist, gilt gegenüber gutgläubigen Dritten als solcher (Fiktivkaufmann). Umgekehrt kann sich, wer den Anschein erweckt, Kaufmann zu sein (Scheinkaufmann), an diesem äußeren Erscheinungsbild festhalten lassen, wenn Dritte darauf vertraut haben. Beides dient der Sicherheit des Geschäftsverkehrs.
Handelsregister und Firma
Eintragung und öffentliche Funktion
Das Handelsregister ist ein öffentliches Verzeichnis, das rechtlich bedeutsame Tatsachen über Kaufleute und Gesellschaften bekannt macht. Es ist in Abteilungen gegliedert: Einzelkaufleute und Personengesellschaften in einer, Kapitalgesellschaften in einer anderen. Eintragungen sind für den Rechtsverkehr einsehbar und dienen der Transparenz sowie dem Vertrauensschutz.
Firmenname und Rechtsformzusatz
Die Firma ist der Name, unter dem ein Kaufmann seine Geschäfte betreibt und Unterschriften leistet. Sie muss unterscheidungskräftig und wahr sein und darf nicht irreführen. Ein Rechtsformzusatz ist erforderlich, damit Dritte die Haftungsverhältnisse erkennen können (zum Beispiel e.K. für den eingetragenen Einzelkaufmann, entsprechende Zusätze bei Gesellschaften). Die Firma wird im Handelsregister geführt.
Firmenfortführung und Inhaberwechsel
Die Firma kann bei Inhaberwechsel grundsätzlich fortgeführt werden. Dabei sind Regeln zur Klarheit im Rechtsverkehr und zur Haftung zu beachten. Die Fortführung kann Haftungsfolgen auslösen, insbesondere im Hinblick auf bestehende Verbindlichkeiten und deren Zuordnung. Bekanntmachungen im Register schaffen Rechtssicherheit.
Pflichten des Vollkaufmanns
Buchführung, Inventur und Jahresabschluss
Vollkaufleute sind zur ordnungsmäßigen Buchführung verpflichtet. Dazu gehört das Führen von Handelsbüchern, die Erfassung aller Geschäftsvorfälle, regelmäßige Inventuren sowie die Erstellung eines Jahresabschlusses mit Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung. Unterlagen sind über mehrere Jahre aufzubewahren; für Abschlüsse und Buchungsbelege gilt eine längere, für Geschäftsbriefe eine kürzere Frist.
Offenlegung und Unternehmenspublizität
Die Pflicht zur Offenlegung von Jahresabschlüssen richtet sich nach Rechtsform und Unternehmensgröße. Kapitalgesellschaften und ihnen gleichgestellte Gesellschaften müssen Jahresabschlüsse beim Unternehmensregister einreichen. Einzelkaufleute können je nach Größenklasse Erleichterungen in Anspruch nehmen oder sind von der Veröffentlichungspflicht nicht erfasst.
Geschäftsbriefe und Pflichtangaben
Auf Geschäftsbriefen sind je nach Rechtsform bestimmte Angaben zu führen, damit der Rechtsverkehr den Handelnden, die Firma und wesentliche Registerdaten erkennen kann. Dazu zählen insbesondere der Firmenname, der Sitz, die Registereintragung und weitere identifizierende Angaben, abhängig von der Organisationsform.
Rechte und Besonderheiten im Handelsverkehr
Prokura und Handlungsvollmacht
Vollkaufleute können weitreichende Vertretungsmacht erteilen. Die Prokura ist die umfassendste handelsrechtliche Vollmacht und ermächtigt zu allen Arten von gewöhnlichen Handelsgeschäften. Ihre Erteilung wird in das Handelsregister eingetragen. Daneben besteht die Handlungsvollmacht, die inhaltlich enger sein kann und keiner Registereintragung bedarf.
Kaufmännisches Bestätigungsschreiben
Unter Kaufleuten hat das kaufmännische Bestätigungsschreiben besondere Bedeutung. Bestätigt eine Partei nach Verhandlungen schriftlich den Inhalt des Geschäfts, kann Schweigen der anderen Partei als Zustimmung gewertet werden, wenn eine laufende Geschäftsbeziehung besteht und keine unverzügliche Beanstandung erfolgt. Dies dient der Beschleunigung und Rechtssicherheit.
Untersuchungs- und Rügepflicht beim Handelskauf
Beim beiderseitigen Handelskauf besteht die Pflicht, gelieferte Ware zeitnah zu untersuchen und erkennbare Mängel unverzüglich zu rügen. Unterbleibt die rechtzeitige Anzeige, können Gewährleistungsrechte eingeschränkt sein. Für verborgene Mängel beginnt die Obliegenheit mit deren Entdeckung.
Formerleichterungen und Verzugsfolgen
Im Handelsverkehr gelten bei bestimmten Geschäften erleichterte Formvorschriften. Zudem sind Verzugsfolgen zwischen Unternehmen strenger ausgestaltet als im Verbraucherverkehr; insbesondere können höhere Verzugszinsen geschuldet sein.
Handelsbräuche und Usancen
Handelsbräuche ergänzen die vertraglichen Abreden. Sie sind Ausdruck eingespielter Gepflogenheiten einer Branche oder Region und werden im Zweifel zur Auslegung von Verträgen herangezogen, sofern beide Parteien Kaufleute sind und keine abweichende Vereinbarung besteht.
Organisation und Haftung
Einzelkaufmann (e.K.)
Der eingetragene Einzelkaufmann ist eine natürliche Person, die ein Handelsgewerbe betreibt und im Handelsregister eingetragen ist. Er handelt unter eigener Firma, ist allein vertretungsberechtigt und haftet grundsätzlich unbeschränkt mit seinem gesamten Vermögen.
Personenhandelsgesellschaften
Offene Handelsgesellschaft und Kommanditgesellschaft sind Personengesellschaften des Handelsrechts. Sie handeln unter eigener Firma. Bei der offenen Handelsgesellschaft haften die Gesellschafter grundsätzlich unbeschränkt und gesamtschuldnerisch; bei der Kommanditgesellschaft haftet mindestens ein Gesellschafter unbeschränkt, weitere können mit einer Einlagebeschränkung beteiligt sein.
Kapitalgesellschaften als Kaufleute
Kapitalgesellschaften sind stets Kaufleute. Sie handeln durch ihre Organe, die Haftung ist auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt. Dem stehen erweiterte Publizitäts- und Rechnungslegungspflichten gegenüber, die der Information des Marktes und dem Gläubigerschutz dienen.
Beginn und Ende der Kaufmannsstellung
Entstehung
Die Kaufmannseigenschaft entsteht entweder mit Aufnahme eines entsprechend organisierten Gewerbebetriebs, mit der Wahl einer kaufmännischen Rechtsform oder mit der konstitutiven Eintragung eines freiwillig eintragungsfähigen Betriebes. Ab diesem Zeitpunkt gelten die handelsrechtlichen Vorschriften.
Beendigung
Die Kaufmannsstellung endet mit Aufgabe oder Übertragung des Handelsgewerbes sowie mit der Löschung der Firma im Handelsregister, soweit die Kaufmannseigenschaft von Eintragung oder Rechtsform abhing. Für bereits begründete Verbindlichkeiten bestehen teilweise Nachhaftungsregeln, die einen geordneten Übergang sichern.
Abgrenzungen
Kaufmann, Unternehmer, Gewerbetreibender
„Kaufmann“ beschreibt die Zugehörigkeit zum Handelsrecht. „Unternehmer“ ist ein weiter gefasster Begriff aus dem allgemeinen Zivilrecht und umfasst jede auf Dauer angelegte, selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit. „Gewerbetreibender“ ist ein verwaltungsrechtlicher Begriff mit Bezug auf die Gewerbeordnung. Jeder Vollkaufmann ist Unternehmer, nicht jeder Unternehmer ist Vollkaufmann.
Freie Berufe sowie Land- und Forstwirtschaft
Tätigkeiten der freien Berufe werden in der Regel nicht als Gewerbe eingeordnet und führen daher nicht automatisch zur Kaufmannseigenschaft. Betriebe der Land- und Forstwirtschaft sind ebenfalls kein Handelsgewerbe, können sich aber freiwillig in das Handelsregister eintragen lassen und dadurch die Kaufmannseigenschaft erwerben.
Kleingewerbetreibende
Kleingewerbetreibende unterliegen nicht zwingend dem Handelsrecht. Sie sind nicht Vollkaufleute, solange sie sich nicht freiwillig in das Handelsregister eintragen lassen. Für sie gelten vereinfachte Buchführungsregeln und keine Pflicht zur Führung einer Firma.
Häufig gestellte Fragen
Ist jeder Gewerbetreibende Vollkaufmann?
Nein. Vollkaufmann ist, wer ein Handelsgewerbe betreibt oder aufgrund Rechtsform beziehungsweise freiwilliger Eintragung als Kaufmann gilt. Kleingewerbetreibende ohne Eintragung sind keine Vollkaufleute.
Ab wann wird man zum Vollkaufmann?
Die Stellung entsteht mit Beginn eines kaufmännisch organisierten Gewerbebetriebs, durch Wahl einer kaufmännischen Rechtsform oder mit der konstitutiven Eintragung eines eintragungsfähigen Betriebes in das Handelsregister.
Welche Pflichten treffen einen Vollkaufmann bei der Buchführung?
Vollkaufleute müssen ordnungsgemäß Buch führen, Inventuren vornehmen und einen Jahresabschluss mit Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung erstellen. Handelsbücher, Buchungsbelege und Geschäftsbriefe sind über mehrere Jahre aufzubewahren.
Gilt die Untersuchungs- und Rügepflicht nur für Vollkaufleute?
Die Untersuchungs- und Rügepflicht gilt bei beiderseitigen Handelskaufverhältnissen. Sie setzt voraus, dass beide Parteien dem Handelsrecht unterfallen. Dann sind gelieferte Waren zeitnah zu prüfen und Mängel unverzüglich anzuzeigen.
Welche Rolle spielt das Handelsregister für den Vollkaufmann?
Das Handelsregister macht rechtlich bedeutsame Tatsachen wie Firma, Sitz, Vertretungsbefugnisse und Prokura öffentlich. Eintragungen schaffen Transparenz und Vertrauensschutz im Geschäftsverkehr.
Dürfen Vollkaufleute Prokura erteilen und was bedeutet das?
Ja. Prokura ist eine umfassende handelsrechtliche Vollmacht, die zu allen gewöhnlichen Geschäften eines Handelsgewerbes berechtigt. Ihre Erteilung wird in das Handelsregister eingetragen und dort bekannt gemacht.
Unterscheidet sich die Haftung eines Vollkaufmanns von der eines Kleingewerbetreibenden?
Bei Einzelkaufleuten erfolgt die Haftung grundsätzlich unbeschränkt mit dem gesamten Vermögen. Kleingewerbetreibende haften ebenso persönlich, unterliegen jedoch nicht den weitergehenden handelsrechtlichen Regeln. Gesellschaftsrechtliche Strukturen können die Haftung modifizieren.