Begriff und Bedeutung der VOL
Die Abkürzung „VOL“ steht für „Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen“ und ist ein zentrales Regelwerk im deutschen Vergaberecht. Die VOL diente bis zu ihrer weitgehenden Ablösung durch die Vergabeverordnung (VgV) und die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) als maßgebliche Vorschrift für die Vergabe öffentlicher Liefer- und Dienstleistungsaufträge durch öffentliche Auftraggeber. Ihre Vorschriften dienten der Vereinheitlichung und Systematisierung des gesamten Verfahrens bei der Beschaffung von Leistungen (ausgenommen Bauleistungen) im öffentlichen Sektor.
Rechtsgrundlagen und rechtliche Einordnung
Historische Entwicklung der VOL
Die VOL wurde erstmals 1926 eingeführt und seitdem mehrfach überarbeitet und aktualisiert. Ziel war die Schaffung einheitlicher und transparenter Regelungen für Liefer- und Dienstleistungsaufträge der öffentlichen Hand. Die VOL galt, im Gegensatz zur VOB (Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen), für alle Liefer- und Dienstleistungsaufträge, soweit diese nicht Bauleistungen umfassen.
Mit der Umsetzung europäischer Richtlinien und der Reform des deutschen Vergaberechts seit 2016/2017 wurde die VOL-A (Allgemeiner Teil für Verfahren) oberhalb der Schwellenwerte weitgehend durch die Vergabeverordnung (VgV) abgelöst. Unterhalb der Schwellenwerte wurde die VOL durch die Einführung der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) sukzessive ersetzt. Die VOL-B (Allgemeine Vertragsbedingungen) wird jedoch weiterhin angewendet, solange sie nicht durch spezielle Bedingungen abgelöst wurde.
Aufbau und Systematik der VOL
Die VOL gliederte sich traditionell in zwei Hauptteile:
- Teil A (VOL/A): Regelte das Vergabeverfahren, insbesondere den Ablauf der Ausschreibung, Angebotswertung und Zuschlagserteilung.
- Teil B (VOL/B): Enthielt die Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Leistungen, die Grundlage des Vertragsverhältnisses zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer wurden.
Beide Teile konnten durch Zusätzliche Vertragsbedingungen (ZVB) ergänzt werden, um branchenspezifische oder auftragsspezifische Besonderheiten zu berücksichtigen.
Rechtscharakter der Vorschriften
Die VOL, insbesondere Teil A, war für öffentliche Auftraggeber in Deutschland entweder kraft Gesetzes oder aufgrund haushaltsrechtlicher Vorgaben verbindlich. Sie galt als Verwaltungsvorschrift, konnte aber durch Bezugnahme im Vertrag auch unmittelbare Vertragsgrundlage zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer werden (insbesondere VOL/B).
Anwendungsbereich der VOL
Die VOL fand Anwendung bei der Vergabe öffentlicher Liefer- und Dienstleistungsaufträge durch Bund, Länder und Kommunen sowie sonstige juristische Personen des öffentlichen Rechts. Ausgenommen waren Vergaben über Bauleistungen oder sonstige, speziell geregelte Leistungen.
Die Trennung zwischen Vergabeober- und -unterschwellenbereich (Abgrenzung anhand EU-Schwellenwerte) hatte entscheidende Auswirkungen auf die anzuwendenden Regelwerke: Im Oberschwellenbereich galten die Bestimmungen des EU-Vergaberechts, ergänzt durch nationale Vorschriften. Im Unterschwellenbereich wurde die VOL eingesetzt, wurde aber inzwischen durch die UVgO abgelöst.
Verfahren und Ablauf der Vergabe nach VOL/A
Die VOL/A definierte die Stufen und Grundprinzipien eines transparenten, nichtdiskriminierenden Vergabeverfahrens. Öffentliche Auftraggeber waren verpflichtet, die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit, Gleichbehandlung und Transparenz einzuhalten.
Verfahrensarten gemäß VOL/A
Die VOL/A unterschied verschiedene Vergabearten, darunter:
- Öffentliche Ausschreibung: Weitgehende Bekanntmachung, Teilnahme jedermann möglich.
- Beschränkte Ausschreibung: Teilnahme ausgewählter Unternehmen, wenn besondere Umstände dies rechtfertigten.
- Freihändige Vergabe: Erlaubte stärkere Flexibilität, insbesondere bei Spezialfällen oder bei Aufträgen von geringem Auftragswert.
Für jede Verfahrensart waren die einzelnen Stufen – von Bekanntmachung über Eignungsprüfung bis zur Zuschlagserteilung – detailliert geregelt.
Zuschlagskriterien
Der Zuschlag mittels VOL musste auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt werden. Neben dem Preis konnten Qualität, Funktionalität und andere Wertungskriterien herangezogen werden, sofern diese im Vorfeld festgelegt wurden.
Vertragsgestaltung nach VOL/B
Der Teil VOL/B regelte die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien nach Zuschlagserteilung und insbesondere während der Leistungserbringung.
Vertragliche Hauptpflichten
- Leistungspflichten: Genaue Beschreibung und Erbringung der vereinbarten Liefer- oder Dienstleistungen.
- Abnahme und Vergütung: Regelungen zur Abnahme, Zahlungsfristen und Abrechnungsmodalitäten.
- Haftung und Mängelrechte: Umfang der Gewährleistung, Möglichkeiten zur Mängelbeseitigung und Haftungsbegrenzung.
Nebenpflichten und Ergänzungen
- Vertragsstrafen: Möglichkeiten zur Vereinbarung von Vertragsstrafen bei Verstößen.
- Kündigung: Rechte zur außerordentlichen und ordentlichen Kündigung.
Die VOL/B konnte durch Zusätzliche Vertragsbedingungen (ZVB) an die jeweiligen Erfordernisse des Auftrags angepasst werden.
Rechtsfolgen bei Verstößen gegen die VOL
Öffentliche Auftraggeber waren, wie dargestellt, an die Einhaltung der Vorgaben der VOL gebunden. Verstöße gegen Vorschriften der VOL konnten verschiedene Rechtsfolgen nach sich ziehen, zum Beispiel Vergaberechtsnachprüfungsverfahren, Schadensersatzansprüche betroffener Bieter oder, in schwerwiegenden Fällen, die Nichtigkeit des gesamten Vergabeverfahrens.
Mit der Einführung der VgV und UVgO haben sich die nachprüfbaren Anspruchsgrundlagen für Unternehmen weiterentwickelt; die Rechtsfolgen unsachgemäßer Vergabe bleiben relevant.
Aktuelle Entwicklung – Ablösung der VOL
Im Zuge der Reform des Vergaberechts seit 2016 wurde die VOL/A im Oberschwellenbereich durch die Vergabeverordnung (VgV) abgelöst. Für den Unterschwellenbereich wurde die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) geschaffen, die die Verfahren und Inhalte der bisherigen VOL/A weitgehend ersetzt. Die Anwendung der UVgO erfolgt schrittweise auf Bundes- und Länderebene und ist heute in vielen Bundesländern verbindlich.
Die VOL/B bleibt weiterhin als Regelwerk für die allgemeinen Vertragsbedingungen für öffentliche Liefer- und Dienstleistungsaufträge bestehen, sofern keine neuen speziellen vertraglichen Regelungen einschlägig sind.
Bedeutung der VOL in der Praxis
Obwohl die VOL in weiten Teilen durch andere Regelwerke abgelöst wurde, ist sie noch in verschiedenen Bereichen von praktischer und historischer Bedeutung. Insbesondere bei laufenden Vergaben, bei Verträgen mit Bezug auf die VOL/B oder in Fällen, in denen Auftraggeber und Auftragnehmer ausdrücklich auf die VOL verweisen, verbleibt ihre Relevanz. Zudem ist das Regelungsmodell der VOL prägend für die Fortentwicklung des Vergaberechts geblieben.
Zusammenfassung
Die VOL war das zentrale Regelwerk für die Vergabe öffentlicher Liefer- und Dienstleistungsaufträge in Deutschland und regelte sowohl die Verfahrensweise als auch die Vertragsinhalte. Sie wurde im Zuge der europäischen Vergaberechtsnovellierung größtenteils durch VgV und UVgO ersetzt, ihr Vertragsrecht (VOL/B) bleibt jedoch weiterhin ergänzendes Regelwerk im öffentlichen Beschaffungswesen. Die VOL steht beispielhaft für die Entwicklung vom nationalen zum europäischen Vergaberecht und behält bis zum vollständigen Übergang in das neue Rechtssystem einen wichtigen Stellenwert im deutschen Wirtschafts- und Verwaltungsrecht.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen öffentliche Auftraggeber bei der Anwendung der VOL beachten?
Öffentliche Auftraggeber sind bei der Anwendung der VOL (Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen) an zahlreiche rechtliche Vorgaben gebunden. Diese ergeben sich primär aus dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), der Vergabeverordnung (VgV) sowie aus den jeweils anzuwendenden Regelungen der VOL/A (für nationale und europaweite Vergabeverfahren von Liefer- und Dienstleistungen, ausgenommen Bauleistungen). Öffentlichkeit und Transparenz stehen im Vordergrund, weswegen Auftraggeber verpflichtet sind, den gesamten Prozess der Leistungsbeschreibung, Bekanntmachung, Angebotswertung und Zuschlagserteilung nachvollziehbar zu dokumentieren. Zudem müssen sie sicherstellen, dass alle Bewerber und Bieter gleich behandelt werden und keine Diskriminierung erfolgt. Die Einhaltung von Fristen, insbesondere der Angebots- und ggf. Rügefristen, gehört ebenfalls zu den unverzichtbaren Voraussetzungen. Liegt der geschätzte Auftragswert über den Schwellenwerten gemäß VgV, müssen öffentliche Auftraggeber die Vorschriften der VOL/A-EG für europaweite Ausschreibungen anwenden. Die Missachtung dieser rechtlichen Rahmenbedingungen kann zu erfolgreichen Nachprüfungsverfahren und entsprechenden Sanktionen führen.
Welche rechtlichen Schutzmöglichkeiten haben Bieter bei Verstößen gegen die VOL?
Bieter, die sich durch eine rechtswidrige Verfahrensgestaltung oder Entscheidung im Rahmen eines VOL-Vergabeverfahrens benachteiligt fühlen, verfügen über verschiedene Schutzmechanismen. Zunächst steht ihnen das sogenannte Nachprüfungsverfahren gemäß §§ 155 ff. GWB zu, sofern der Auftragswert die einschlägigen EU-Schwellenwerte überschreitet. Bieter können bei der zuständigen Vergabekammer einen Nachprüfungsantrag stellen. Voraussetzung ist, dass der Bieter zuvor einen Verstoß gegen Vergabevorschriften gegenüber dem Auftraggeber gerügt und der Auftraggeber auf die Rüge nicht oder nicht ordnungsgemäß reagiert hat. Innerhalb des Nachprüfungsverfahrens prüft die Kammer insbesondere, ob der öffentliche Auftraggeber die Vorschriften der VOL eingehalten hat. Auch einstweilige Rechtsschutzmöglichkeiten (z. B. Verbot einer Auftragsvergabe bis zur Entscheidung) sind vorgesehen. Bei nationalen Verfahren können Bieter sich gegebenenfalls an die Vergabestellen wenden oder zivilrechtliche Ansprüche (z. B. Schadensersatz bei evidenten Vergaberechtsverstößen) geltend machen.
Wann besteht eine Pflicht zur EU-weiten Ausschreibung unter Anwendung der VOL/A-EG?
Eine EU-weite Ausschreibungspflicht besteht nach den Regelungen der VOL/A-EG, sobald der zu vergebende Auftrag für Liefer- oder Dienstleistungen den jeweils geltenden EU-Schwellenwert gemäß § 106 GWB überschreitet. Diese Schwellenwerte werden regelmäßig angepasst und beziehen sich auf den geschätzten Gesamtauftragswert ohne Umsatzsteuer. Maßgeblich ist hierbei die korrekte Schätzung des Auftragswerts, die zu Beginn des Vergabeverfahrens nach objektiven Kriterien vorzunehmen ist. Überschreitet der geschätzte Auftragswert den Schwellenwert, muss das Vergabeverfahren in der Regel europaweit nach den Bestimmungen der VOL/A-EG ausgeschrieben werden, was u. a. umfassendere Anforderungen an die Transparenz, Nachweisführung und Bekanntmachung (insbesondere im EU-Amtsblatt) mit sich bringt.
Welche Rolle spielt der Wettbewerbsgrundsatz im rechtlichen Rahmen der VOL?
Der Wettbewerbsgrundsatz bildet das zentrale rechtliche Leitprinzip des gesamten Vergabeverfahrens nach VOL. Nach § 97 Abs. 1 GWB sind öffentliche Auftraggeber verpflichtet, den Auftrag im Wettbewerb zu vergeben, es sei denn, gesetzlich vorgesehene Ausnahmen greifen (z. B. die Vergabe im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb unter strengen Voraussetzungen). Der Wettbewerbsgrundsatz garantiert nicht nur Chancengleichheit aller Bieter, sondern sichert durch die Auswahl des wirtschaftlichsten Angebots gleichzeitig den optimalen Einsatz öffentlicher Mittel. Rechtsverstöße gegen diesen Grundsatz, wie z. B. die unzulässige Einschränkung des Teilnehmerkreises oder diskrete Informationsweitergaben an ausgewählte Bieter, sind vergaberechtswidrig und können zur Anfechtbarkeit des Vergabeverfahrens führen.
In welchen Fällen ist eine Aufhebung des Vergabeverfahrens nach VOL rechtlich zulässig?
Die Aufhebung eines Vergabeverfahrens nach VOL ist nur unter den in den Vergabevorschriften ausdrücklich vorgesehenen Voraussetzungen rechtlich zulässig. Gründe können u.a. sein: das Vorliegen von schwerwiegenden Verfahrensfehlern, das Fehlen von wirtschaftlichen Angeboten, eine wesentliche Veränderung der Vergabeunterlagen während des laufenden Verfahrens oder das nachträgliche Wegfallen des Bedarfs. Die Aufhebung darf jedoch nicht willkürlich erfolgen, insbesondere nicht zur Bevorzugung bestimmter Bieter oder aus haushaltsrechtlichen Erwägungen, die nicht im Zusammenhang mit dem ausgeschriebenen Auftrag stehen. Im Regelfall ist eine nachvollziehbare Dokumentation der Gründe für die Aufhebung rechtlich erforderlich. Missbräuchliche Aufhebungen können im Nachprüfungsverfahren überprüft und gegebenenfalls sanktioniert werden.
Welche rechtlichen Anforderungen bestehen an die Eignungsprüfung der Bewerber nach VOL?
Die rechtlichen Anforderungen an die Eignungsprüfung der Unternehmen ergeben sich aus den §§ 122 ff. GWB sowie den Vorschriften der VOL/A und VOL/A-EG. Öffentliche Auftraggeber müssen für jedes Vergabeverfahren vorab eindeutig und transparent festlegen, welche Kriterien zur Feststellung von Fachkunde, Leistungsfähigkeit sowie Zuverlässigkeit herangezogen werden. Diese Eignungskriterien dürfen nicht willkürlich gewählt werden, sondern müssen im sachlichen Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand stehen und die wettbewerbsrechtlichen Grundsätze wahren. Die Überprüfung erfolgt ausschließlich anhand der geforderten Nachweise (z. B. berufliche Referenzen, Nachweise über wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, Erklärungen zur Zuverlässigkeit). Sofern Eignungsnachweise nicht oder unvollständig erbracht werden, darf das Angebot nur ausgeschlossen werden, wenn dies in den Vergabeunterlagen angekündigt war und rechtskonform erfolgte. Eine Nachforderung von Unterlagen ist gemäß § 56 VgV in bestimmten Grenzen zulässig.
Wie sind Vergabe- und Vertragsänderungen nach Zuschlagserteilung rechtlich geregelt?
Nach der Zuschlagserteilung verbieten die Vorschriften des GWB und der VOL/A grundsätzlich wesentliche Vertragsänderungen, da diese den bisher durchgeführten Wettbewerb beeinträchtigen oder umgehen könnten. Ausnahmen sind abschließend in § 132 GWB geregelt. Danach sind bedeutende Änderungen des Auftragsinhalts, die einen neuen Auftrag im Sinne des Vergaberechts begründen würden, unzulässig und bedürfen eines neuen Vergabeverfahrens. Zulässig sind hingegen nicht wesentliche Vertragsänderungen, wie z. B. Anpassungen wegen unvorhersehbarer Ereignisse, sofern der Gesamtcharakter des Auftrags gewahrt bleibt und die Schwellenwerte sowie Höchstwerte für Nachträge beachtet werden. Sämtliche Änderungen sind umfassend zu dokumentieren, da Verstöße auch nach Zuschlagserteilung noch zu Nachprüfungsverfahren oder Schadensersatzansprüchen führen können.