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Verdeckte Sacheinlage


Verdeckte Sacheinlage

Die „verdeckte Sacheinlage“ ist ein zentraler Begriff im Gesellschaftsrecht, insbesondere im Kapitalgesellschaftsrecht der Bundesrepublik Deutschland. Sie bezeichnet eine gesellschaftsrechtliche Transaktion, bei der eine als Bareinlage deklarierte Einlage in Wirklichkeit durch die Einbringung eines Sachwertes erfüllt wird, ohne dass dies gegenüber der Gesellschaft oder dem Registergericht offenbart wird. Die verdeckte Sacheinlage kann weitreichende rechtliche Folgen nach sich ziehen und ist für die Gründung und Kapitalerhaltung bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) und Aktiengesellschaften (AG) von erheblicher Bedeutung.


Rechtliche Grundlagen

Definition und Abgrenzung

Als verdeckte Sacheinlage wird eine Einlageleistung eines Gesellschafters verstanden, die formal als Bareinlage deklariert wird, tatsächlich aber durch die Übertragung eines Vermögensgegenstandes (z. B. Grundstück, Geschäftsanteil, Maschine) erfolgt. Entscheidend ist, dass die Einbringung des Sachwertes nicht als solche offengelegt oder als sogenannte Sacheinlage behandelt wird.

Die verdeckte Sacheinlage grenzt sich von der offenen Sacheinlage ab, bei der im Gesellschaftsvertrag und im Rahmen der Anmeldung zum Handelsregister explizit eine Sacheinlage vereinbart und angegeben wird. Sie unterscheidet sich ferner von der verdeckten Bareinlage, bei der es zwar zu einem Zahlungsvorgang kommt, dieser aber nicht mit einer gleichzeitigen oder späteren Übertragung eines Sachwertes verknüpft ist.

Gesetzliche Regelungen

Relevante Vorschriften finden sich in:

  • § 19 Abs. 4 GmbHG für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung
  • §§ 27, 36a AktG für die Aktiengesellschaft

Diese regeln insbesondere die Zulässigkeit und die Folgen von Sacheinlagen sowie Sanktionen im Fall der Umgehung.


Entstehung und typische Erscheinungsformen

Gründungssituationen

Verdeckte Sacheinlagen treten typischerweise im Zusammenhang mit der Gründung oder Kapitalerhöhung bei Kapitalgesellschaften auf. Häufig wird aus Vereinfachungsgründen im Gesellschaftsvertrag nur die Bargründung bestimmt. Tatsächlich will der Gesellschafter aber einen Gegenstand an die Gesellschaft übertragen und erwartet zugleich die Anrechnung auf seine Bareinlagepflicht.

Typische Konstellationen

Ein klassisches Beispiel einer verdeckten Sacheinlage ist, wenn ein Gesellschafter eine Bareinlage auf das geplante Geschäftskonto einzahlt und dieses Geld unmittelbar nach der Einzahlung an den Gesellschafter zurückgezahlt oder für den Erwerb eines ihm gehörenden Gegenstandes verwendet wird. Der so eingebrachte Vermögenswert (Sacheinlage) „versteckt“ sich hinter der Fassade der Bareinlage.


Rechtliche Folgen und Sanktionen

Unwirksamkeit der Erfüllung

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sowie des Europäischen Gerichtshofs wird die Bareinlagepflicht durch eine verdeckte Sacheinlage grundsätzlich nicht erfüllt. Die Gesellschaft ist so zu stellen, als hätte sie die Bareinlage nicht erhalten, es sei denn, der übertragene Sachwert besitzt mindestens den Wert der geschuldeten Bareinlage. In diesem Fall kann es unter engen Voraussetzungen zu einer Anrechnung des eingebrachten Sachwertes kommen, wobei in der Regel eine Wertermittlung zum Zeitpunkt der Einbringung entscheidend ist.

Nachschusspflicht und Haftung

Wird eine verdeckte Sacheinlage geleistet und der Sachwert reicht nicht zur vollständigen Deckung der Bareinlageschuld aus, bleibt die Einlageverpflichtung in Höhe des Differenzbetrags bestehen. Die Gesellschaft und potenziell auch die Gläubiger können daher weiterhin Erfüllung der Bareinlage verlangen (§ 19 Abs. 4 GmbHG analog), sofern keine vollständige Wertdeckung vorliegt.

Ansprüche der Gesellschaft und Gläubigerinteresse

Das Ziel der gesetzlichen Vorschriften ist der Kapitalschutz und die Sicherung der Gläubigeransprüche. Die formgerechte Offenlegung und Bewertung von Sacheinlagen sichert die Transparenz gegenüber Gesellschaft und Gläubigern. Wird dies durch das Vorgehen einer verdeckten Sacheinlage unterlaufen, können die Gesellschafter haftungsrechtlich in Anspruch genommen werden.


Behandlung im deutschen Recht und internationale Einordnung

Deutsche Rechtsprechung

Die deutsche Rechtsprechung differenziert streng zwischen echten Bareinlagen und Sacheinlagen. Bei Zweifeln hinsichtlich der Natur einer Einlageprüfung erfolgt eine Nachprüfung, ob es sich tatsächlich um eine Bareinlage oder eine jedenfalls in Wahrheit als Sacheinlage zu behandelnde Leistung handelt. Maßgeblich sind insbesondere die BGH-Entscheidungen zur Anrechnung und zur sogenannten „werthaltigen verdeckten Sacheinlage“.

Europäische Vorgaben

Das deutsche Recht steht im Einklang mit europäischen Vorgaben, insbesondere der „Zweiten Gesellschaftsrechts-Richtlinie“ (Kapitalrichtlinie). Ziel ist die Verhinderung von Missbrauchstatbeständen sowie der Schutz der Einlageverpflichtungen zugunsten von Gläubigern und involvierten Gesellschaften.


Präventionsmaßnahmen und typische Streitigkeiten

Kontrollmechanismen in der Praxis

Zur Vermeidung einer verdeckten Sacheinlage sollte insbesondere bei Gründung und Kapitalerhöhung auf die transparente Durchführung und Angabe der Einlagemodalitäten geachtet werden. Geschäftsführungen sind gehalten, Einlagenleistungen sorgfältig zu dokumentieren und die gesetzlichen und satzungsmäßigen Vorgaben einzuhalten.

Streitpotenzial

Typische Streitigkeiten resultieren aus der Frage, ob tatsächlich eine verdeckte Sacheinlage vorliegt und wie der Sachwert zu bewerten ist. Weiterer Streitpunkt ist häufig, ob auf die Bareinlagepflicht angerechnet werden kann oder nicht.


Steuerliche Behandlung

Die verdeckte Sacheinlage kann auch steuerlich relevant sein. Im Steuerrecht wird, unabhängig von der zivilrechtlichen Einordnung, eine verdeckte Sacheinlage regelmäßig als Einbringung eines Sachwertes behandelt. Daraus können steuerliche Vorteile oder Pflichten (z. B. hinsichtlich der Umsatzsteuer oder Grunderwerbsteuer) sowie Aufzeichnungspflichten resultieren.


Literaturhinweise und weiterführende Informationen

  • Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, § 19 Rn. 95 ff.
  • Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, § 19 Rn. 48 ff.
  • Habersack, Münchener Kommentar zum GmbHG, § 19
  • Bundesgerichtshof, Urteil vom 27. Februar 2006 – II ZR 147/04
  • Europäische Richtlinie 2017/1132/EU (Kapitalrichtlinie)

Zusammenfassung

Die verdeckte Sacheinlage stellt einen erheblichen Eingriff in den Regelungsbereich des Kapitalschutzes von Kapitalgesellschaften dar. Durch die Nichtoffenlegung und fehlende korrekte Bewertung des eingebrachten Sachwerts können Einlagenpflichten unzureichend erfüllt sein, wodurch Gläubigerinteressen beeinträchtigt werden. Gesellschaften sind gehalten, Einlagenleistungen transparent zu gestalten und auf die Einhaltung der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften zu achten, um eine ordnungsgemäße Kapitalaufbringung sicherzustellen.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Konsequenzen drohen bei einer verdeckten Sacheinlage?

Wird bei einer Kapitalgesellschaft, insbesondere der GmbH oder AG, eine verdeckte Sacheinlage geleistet, drohen schwerwiegende rechtliche Konsequenzen für die beteiligten Gesellschafter und Geschäftsführer. Zunächst liegt ein Verstoß gegen das Verbot der verdeckten Sacheinlage (§ 19 Abs. 4 GmbHG, § 27 Abs. 3 AktG) vor. Das bedeutet, dass die als Bareinlage bezeichnete Zahlung tatsächlich im Zusammenhang mit einer Sachleistung erfolgt ist, ohne dass dies im Gesellschaftsvertrag oder in den Gründungsunterlagen offen gelegt wurde. Hierdurch wird die Transparenz des Gründungs- bzw. Einlageverfahrens verletzt und die Kapitalaufbringungsvorschriften werden umgangen. Die Folge besteht darin, dass die Bareinlagepflicht rechtlich nicht als erfüllt angesehen wird; stattdessen muss der Einlagebetrag erneut in bar geleistet werden. Ferner besteht die Möglichkeit, dass sowohl zivilrechtliche Schadensersatzansprüche – etwa durch andere Gesellschafter, Gläubiger der Gesellschaft oder die Gesellschaft selbst – als auch strafrechtliche Konsequenzen (wie zum Beispiel bei Betrug oder Untreue) gegen die Verantwortlichen geltend gemacht werden. Darüber hinaus kann die verdeckte Sacheinlage im Rahmen einer Insolvenz zu einer Haftung der handelnden Personen führen, da das Stammkapital der Gesellschaft als nicht ordnungsgemäß eingezahlt gilt.

Wer haftet im Falle einer verdeckten Sacheinlage?

Im Falle einer verdeckten Sacheinlage stehen in erster Linie die Gesellschafter, die die Einlage geleistet haben, in der Haftung. Sie müssen den nominellen Bareinlagebetrag unabhängig von der bereits erfolgten Sachleistung nochmals voll in bar leisten, sofern sie die verdeckte Sacheinlage vorgenommen haben. Falls die Gesellschaft, insbesondere bei Gründung oder Kapitalerhöhung, Geschäftsführer hat, können auch diese im Innenverhältnis gegenüber der Gesellschaft auf Schadensersatz haften, wenn sie die Umgehung der gesetzlichen Kapitalaufbringungsvorschriften durch eine verdeckte Sacheinlage ermöglicht oder zumindest nicht verhindert haben (§ 43 GmbHG). Eine Haftung kommt außerdem bei Beihilfe in Betracht, so etwa bei eingeschalteten Notaren, Rechtsanwälten oder Beratern, die Kenntnis von der verdeckten Sacheinlage hatten. Schließlich kann eine persönliche Haftung der Beteiligten gegenüber Gläubigern wegen unzureichender Kapitalausstattung in Frage kommen, insbesondere dann, wenn die Insolvenz der Gesellschaft auf einer mangelhaften Kapitalaufbringung beruht.

Wie unterscheidet sich eine verdeckte Sacheinlage von einer zulässigen Sachgründung?

Die verdeckte Sacheinlage unterscheidet sich rechtlich fundamental von einer ordnungsgemäßen Sachgründung (offene Sacheinlage). Bei einer zulässigen Sachgründung wird die zu leistende Sacheinlage (z.B. ein Grundstück, ein Patent, Maschinen) ausdrücklich im Gesellschaftsvertrag ausgewiesen und der Wert dieser Sache durch einen unabhängigen Sachverständigen geprüft. Die Gesellschafter, der Vorstand bzw. die Geschäftsführung und das Handelsregister werden über Art und Wert der Sacheinlage transparent informiert. Im Gegensatz dazu wird bei einer verdeckten Sacheinlage der eigentliche Sachwert der vermögensmäßig eingebrachten Leistung verschleiert, indem diese formell als Bareinlage deklariert wird, während in Wahrheit eine Sachleistung in einem verdeckt ablaufenden Gegengeschäft erfolgt. Die gesetzlichen Vorgaben zur Werthaltigkeit und Werthaltigkeitsprüfung werden hierbei vollständig umgangen, was zu erheblichen Risiken für Gläubiger und Gesellschaft führt.

Wie kann eine verdeckte Sacheinlage im Rahmen einer Kapitalerhöhung entstehen?

Im Rahmen einer Kapitalerhöhung kann eine verdeckte Sacheinlage entstehen, wenn ein Gesellschafter seine Einlagepflicht formal als Bareinlage erfüllt, tatsächlich aber eine Gegenleistung in Form einer Sachleistung, etwa die Übertragung eines Vermögensgegenstands oder Forderung, mit der Gesellschaft vereinbart wird. Typischerweise geschieht dies, indem der Gesellschafter zunächst den Einlagebetrag auf das Gesellschaftskonto einzahlt. Nachfolgend zahlt die Gesellschaft denselben Betrag aufgrund einer separaten, aber in Wirklichkeit im Zusammenhang stehenden Vereinbarung an den Gesellschafter zurück (z.B. durch Kauf eines Vermögenswertes, Übernahme einer Forderung oder einer sonstigen Leistung). Das Bundesgerichtshof hat wiederholt klargestellt, dass es für die Qualifikation als verdeckte Sacheinlage ausreicht, wenn zwischen Bareinzahlung und Rückzahlung an den Gesellschafter ein enger wirtschaftlicher Zusammenhang besteht und das Ziel der Umgehung der Sachgründungsvorschriften damit erreicht wird.

Welche Pflichten treffen Notare und Registergerichte im Zusammenhang mit verdeckten Sacheinlagen?

Notare und Registergerichte haben eine wichtige Prüfungs- und Aufklärungspflicht hinsichtlich der Einlagenleistung bei der Gründung oder Kapitalerhöhung von Kapitalgesellschaften. Sie müssen insbesondere darauf achten, ob die Vorgaben zu Sach- oder Bareinlage ordnungsgemäß beachtet werden. Bei Verdacht auf eine verdeckte Sacheinlage obliegt ihnen die Obliegenheit, Vertiefende Nachfragen zu stellen und die Erklärungen der Beteiligten zu dokumentieren. Das Registergericht prüft im Rahmen der Anmeldung der Gesellschaft bzw. der Kapitalmaßnahme u.a., ob die in § 8 Abs. 2 GmbHG bzw. § 37 Abs. 1 AktG geforderten Nachweise ordnungsgemäß erbracht wurden. Werden Hinweise auf eine verdeckte Sacheinlage gefunden, kann das Registergericht die Eintragung verweigern. Bei grober Fahrlässigkeit oder Mitwirkung an einer Umgehung der Vorschriften drohen den Notaren und Justizangehörigen ebenfalls haftungsrechtliche und gegebenenfalls strafrechtliche Konsequenzen.

Können verdeckte Sacheinlagen nachträglich legalisiert werden?

Eine nachträgliche „Legalisierung“ einer bereits erfolgten verdeckten Sacheinlage ist nach der herrschenden Meinung im deutschen Gesellschaftsrecht grundsätzlich ausgeschlossen. Die Vorschriften zur Sacheinlage dienen dem Gläubigerschutz und der Sicherstellung des tatsächlich verfügbaren Stamm- bzw. Grundkapitals. Wird eine verdeckte Sacheinlage aufgedeckt, bleibt der Gesellschafter verpflichtet, den vollständigen Betrag der Bareinlage nachzuzahlen. Die bereits geleistete Sachleistung kann im Ergebnis als „unentgeltliche Zuwendung“ für die Gesellschaft angesehen werden; sie wird auf die Einlageschuld nicht angerechnet. Ein nachträglich formalisiertes Anerkenntnis der Sacheinlage entbindet den Gesellschafter also nicht von der Pflicht zur Bareinzahlung. Lediglich im Wege einer förmlichen Kapitalherabsetzung und anschließenden Sachkapitalerhöhung könnten Gesellschaft und Gesellschafter den Vermögensgegenstand erneut einbringen.

Wie erkennt man eine verdeckte Sacheinlage im Einzelfall?

Eine verdeckte Sacheinlage ist im Einzelfall oft anhand einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise zu erkennen. Typische Anzeichen sind, dass zeitnah nach Einzahlung der angeblichen Barleistung eine Zahlung „rückabgewickelt“ wird – etwa durch Kauf, Übernahme einer Forderung oder einen anderen Austauschvertrag – und der wirtschaftliche Wert, der in die Gesellschaft eingebracht wird, nicht tatsächlich in liquider Form als gesellschaftliches Kapital zur Verfügung steht. Ein weiteres Indiz ist, dass zwischen dem Gesellschafter und der Gesellschaft parallel oder kurz nach der Einzahlung Verträge abgeschlossen werden, die wirtschaftlich mit der Einlage zusammenhängen und den Barwert wieder tilgen. Die Gerichte verlangen einen engen wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen der Leistung und der Gegenleistung und bewerten diesen nach den Gesamtumständen des Einzelfalls, wobei die Absicht, die Kapitalaufbringungsvorschriften zu umgehen, entscheidend ist. Ein Risiko besteht ebenfalls bei atypischen Vertragskonstellationen, bei denen z.B. der tatsächliche Sachwert regelmäßig überprüft oder bewertet werden muss.