Begriff und Grundlagen der Valuation
Die Valuation (englisch für „Bewertung“ oder „Wertermittlung“) bezeichnet im rechtlichen Kontext die sach- und methodengerechte Bestimmung des wirtschaftlichen Werts von Vermögensgegenständen, Unternehmen, Rechten oder Verbindlichkeiten. Sie ist insbesondere in den Bereichen Wirtschaftsrecht, Gesellschaftsrecht, Steuerrecht, Insolvenzrecht sowie im Rahmen von Transaktionen von zentraler Bedeutung. Die Valuation bildet die Grundlage für zahlreiche rechtliche Entscheidungen sowie steuerliche oder bilanzielle Vorgaben.
Definition der Valuation
Im rechtlichen Sinne versteht sich die Valuation als strukturierter Prozess, in dessen Verlauf unter Anwendung wirtschaftswissenschaftlich und rechtlich anerkannter Methoden der Wert eines Vermögensgegenstands oder eines Unternehmens zu einem bestimmten Stichtag ermittelt wird. Die konkrete Methodik der Valuation variiert nach Bewertungszweck und anwendbarem Recht, wobei stets Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Objektivität anzustreben sind.
Anwendung der Valuation im Recht
Gesellschaftsrecht
Im Gesellschaftsrecht spielt die Wertermittlung eine zentrale Rolle – etwa bei Unternehmensgründungen, Kapitalmaßnahmen, Verschmelzungen sowie bei Ein- und Austritt von Gesellschaftern. Für die korrekte Valuation finden insbesondere die nachfolgenden Methoden Anwendung:
- Ertragswertverfahren: Maßgeblich bei der Bewertung von Unternehmen im Rahmen des Umwandlungsgesetzes (UmwG) und Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG).
- Substanzwertverfahren: Anwendung bei der Wertermittlung von Unternehmen oder Vermögensmassen, etwa zur Ermittlung der Abfindung von Gesellschaftern im HGB oder GmbHG.
- Discounted Cash Flow-Verfahren (DCF): Nach internationalen und deutschen Bewertungsstandards häufig verwendet.
Abfindung und Bewertung im Gesellschaftsrecht
Das Aktiengesetz (AktG) und das Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) schreiben insbesondere im Rahmen des Ausschlusses von Minderheitsgesellschaftern (Squeeze-out § 327a AktG) oder beim Ausscheiden von Gesellschaftern Regelungen zur Valuation und der zu zahlenden Abfindung vor. Die Höhe des Abfindungsbetrags wird auf Basis anerkannten Bewertungsmethoden festgelegt und unterliegt der gerichtlichen Überprüfbarkeit.
Steuerrecht
Die Wertermittlung für steuerliche Zwecke weist besondere Anforderungen auf. Die Bewertungsvorschriften ergeben sich insbesondere aus dem Bewertungsgesetz (BewG) sowie den dazugehörigen Anwendungserlassen. Die Valuation bildet die Bemessungsgrundlage für Erbschaftsteuer, Schenkungsteuer oder Grundsteuer.
- Bewertung von Immobilien: Nach dem Bewertungsgesetz – insbesondere §§ 182 ff. BewG.
- Unternehmensbewertung: Gemäß §§ 203 ff. BewG für steuerliche Zwecke.
- Bewertung von sonstigen Vermögenswerten: Etwa Beteiligungen, Aktien, Rechte oder Forderungen.
Das Bewertungsgesetz stellt hierfür detaillierte Bewertungsmaßstäbe hinsichtlich gemeinem Wert, Teilwert oder Buchwert bereit.
Insolvenzrecht
Im Insolvenzrecht ist die korrekte Valuation für die Gläubigerbefriedigung essenziell. Der Wert des Vermögens eines Schuldners ist für die Berechnung der Insolvenzmasse (§ 35 InsO) und für die Feststellung der Insolvenzquote maßgeblich. Zu bewerten sind unter anderem Sicherungsrechte, Unternehmensanteile oder immaterielle Vermögenswerte (z.B. Markenrechte). Das Insolvenzgericht kann Sachverständige zur Ermittlung des Wertes bestellen.
Im Rahmen des Eigenverwaltungsverfahrens und des Insolvenzplans (§ 217 ff. InsO) ist die Valuation zum Zwecke der Vergleichsrechnung (Vergleichsrechnung zwischen Regel- und Planinsolvenz) zwingend erforderlich.
Bewertungsanlässe und Bewertungsobjekte im Recht
M&A-Transaktionen
Bei Unternehmenskäufen und -verkäufen bietet die Valuation eine objektive Grundlage für die Preisfindung, Due Diligence und Vertragsgestaltung. Im Kaufvertrag dienen Bewertungsverfahren der Konkretisierung von Kaufpreisformeln und Garantien.
Bewertung immaterieller Vermögenswerte
Rechte wie Patente, Marken und Lizenzen unterliegen eigenständigen Bewertungsmaßstäben, insbesondere nach dem Urheberrechtsgesetz (UrhG) oder Markenrecht. Hier werden Methoden wie das Lizenzpreisanalogie-Verfahren oder die Discounted-Cash-Flow-Analyse eingesetzt.
Bewertung im Familien- und Erbrecht
Im Zuge von Zugewinnausgleichsverfahren (BGB), Erbauseinandersetzungen und Pflichtteilsansprüchen sind die Vermögensbestandteile mit ihrem Verkehrswert zu bemessen. Relevante Vorschriften finden sich im Bürgerlichen Gesetzbuch, insbesondere zu Bewertungsmaßstäben bei Unternehmensbeteiligungen oder Immobilien.
Methodik und Standards der Valuation
Bewertungsgrundsätze
Die rechtliche Bewertung beruht auf den Grundsätzen der Nachvollziehbarkeit, Willkürfreiheit und Transparenz. Bewertungsstandards wie der IDW Standard S1 (Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland) tragen zur Harmonisierung und Nachprüfbarkeit der Valuation bei. Für die steuerliche Bewertung gilt das Bewertungsgesetz als maßgeblich.
Auswahl der Bewertungsmethode
Die Auswahl der geeigneten Bewertungsmethode richtet sich nach dem Bewertungsanlass, der Art des Bewertungsobjekts sowie den rechtlichen Vorgaben. Klassische Methoden sind:
- Ertragswertverfahren
- Discounted-Cash-Flow-Verfahren
- Substanzwertverfahren
- Multiplikatorenverfahren (bei Unternehmensverkäufen)
- Verkehrswertverfahren (bei Immobilien)
Dokumentation und Nachweis der Valuation
Jede Valuation sollte in einem nachvollziehbaren Gutachten dokumentiert werden. Dieses muss Methodik, Berechnungsgrundlagen, Bewertungsstichtag sowie eine ausführliche Begründung enthalten. Insbesondere bei gerichtlicher Überprüfung oder steuerlicher Prüfung ist eine lückenlose Dokumentation unerlässlich.
Gerichtliche Überprüfung und Anfechtung der Valuation
Valuations sind regelmäßig Gegenstand von gerichtlichen Überprüfungen, insbesondere im Zusammenhang mit Abfindungen, Unternehmensumwandlungen oder streitigen Auseinandersetzungen. Das Gericht prüft die Methodik, Angemessenheit und die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben. In vielen Fällen kann ein unabhängiger Sachverständiger mit der Erstellung einer eigenen Bewertung beauftragt werden.
Rechtsmittel und Rechtsfolgen
Fehlerhafte Bewertungen können gerichtlich angefochten werden. Mögliche Rechtsfolgen sind Anpassung von Abfindungen, Herabsetzung oder Erhöhung von Steuerbescheiden oder die Anpassung von Insolvenzplänen. Oftmals ist die Einleitung eines Spruchverfahrens (etwa nach dem Spruchverfahrensgesetz – SpruchG) erforderlich.
Bedeutung der Valuation im internationalen Kontext
Mit der zunehmenden internationalen Verflechtung wirtschaftlicher Transaktionen gewinnen internationale Bewertungsstandards (z.B. International Valuation Standards – IVS, International Financial Reporting Standards – IFRS) an Bedeutung. Bei grenzüberschreitenden Transaktionen ist regelmäßig eine Koordinierung der verschiedenen nationalen Bewertungsstandards erforderlich, insbesondere um Doppelbesteuerung und Bewertungsdivergenzen zu vermeiden.
Literatur und weiterführende Rechtsquellen
- Bewertungsgesetz (BewG)
- Aktiengesetz (AktG)
- Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG)
- Umwandlungsgesetz (UmwG)
- Insolvenzordnung (InsO)
- Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland: IDW Standards
- Spruchverfahrensgesetz (SpruchG)
- International Valuation Standards (IVS)
Dieser umfangreiche Überblick zeigt, dass die Valuation ein vielschichtiger Rechtsbegriff ist, der unterschiedliche Bereiche des Wirtschafts- und Privatrechts sowie internationale Regelungsstrukturen umfasst. Die Anwendung und Durchführung einer ordnungsgemäßen Valuation ist maßgeblich für die rechtssichere Behandlung zahlreicher Sachverhalte.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Grundlagen sind bei der Unternehmensbewertung in Deutschland zu beachten?
Die Unternehmensbewertung in Deutschland ist durch verschiedene rechtliche Rahmenbedingungen geprägt. Zentral ist dabei das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), insbesondere bei der Bewertung von Gesellschaftsanteilen im Rahmen von Auseinandersetzungen zwischen Gesellschaftern oder bei Erbfällen (§§ 738, 752 BGB). Eine zentrale Rolle spielen außerdem das Umwandlungsgesetz (UmwG) und das Aktiengesetz (AktG) bei Bewertungen im Rahmen von Verschmelzungen, Spaltungen und Squeeze-Out-Verfahren. Das Bewertungsgesetz (BewG) legt besondere Vorschriften für steuerliche Bewertungen fest, vor allem bei Erbschaft- und Schenkungsteuer. Daneben greifen handelsrechtliche Vorschriften (z.B. § 253 HGB für die Bewertung von Beteiligungen in der Bilanz) sowie spezifische Verordnungen und Standards, wie der IDW S 1 des Instituts der Wirtschaftsprüfer, welcher anerkannte Grundsätze für die Durchführung von Unternehmensbewertungen zusammenfasst und häufig auch im gerichtlichen Kontext herangezogen wird.
In welchen gerichtlichen Verfahren spielt eine Unternehmensbewertung eine Rolle?
Unternehmensbewertungen sind in zahlreichen gerichtlichen Verfahren relevant. Besonders häufig finden sie Anwendung im Rahmen von Spruchverfahren nach dem AktG, wenn z.B. außenstehende Aktionäre nach einem Squeeze Out oder im Fall von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen die Angemessenheit der angebotenen Abfindung überprüfen lassen. Ebenso sind Bewertungen bei der Auseinandersetzung zwischen Gesellschaftern in Personen- oder Kapitalgesellschaften (z.B. im Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters oder der Auflösung der Gesellschaft) von zentraler Bedeutung. Bei Erbauseinandersetzungen wird der Unternehmenswert zur Bestimmung des Erbteils herangezogen. Darüber hinaus sind Unternehmensbewertungen regelmäßig auch im Zuge von familienrechtlichen Auseinandersetzungen (insbesondere beim Zugewinnausgleich) oder im Insolvenzverfahren (z.B. zur Ermittlung der Insolvenzmasse und im Rahmen der übertragenden Sanierung) erforderlich.
Welche rechtlichen Anforderungen bestehen an Gutachter bei der Unternehmensbewertung?
Gutachter im Rahmen einer Unternehmensbewertung unterliegen sowohl allgemeinen zivilrechtlichen als auch spezifischen berufsrechtlichen Vorgaben. Sie müssen unabhängig und unparteiisch arbeiten, was insbesondere bei gerichtlichen Sachverständigen durch § 407 ZPO (Zivilprozessordnung) geregelt ist. Die Auswahl erfolgt etwa durch die Gerichte, wobei bevorzugt öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige herangezogen werden. Die Qualifikationsanforderungen ergeben sich aus berufsrechtlichen Regeln (z.B. der Wirtschaftsprüferordnung), aber auch aus berufsständischen Standards wie dem IDW S 1 oder den Grundsätzen des Instituts der vereidigten Sachverständigen für Bewertung (IfB). Verstößt ein Gutachter gegen Mindestanforderungen an Objektivität oder Sachkunde, kann dies zur Ablehnung seines Gutachtens oder zur Bestellung eines neuen Sachverständigen führen. Bei groben Pflichtverletzungen kann zudem Schadenersatzpflicht entstehen.
Welche Bedeutung haben Bewertungsstandards und wie sind sie rechtlich einzuordnen?
Bewertungsstandards wie der IDW Standard S 1 haben in Deutschland keine Gesetzeskraft, werden aber als „anerkannte Grundsätze der Unternehmensbewertung“ von der Rechtsprechung regelmäßig als Maßstab herangezogen. Sie stellen somit allgemein akzeptierte Regeln der Bewertungspraxis dar und sind insbesondere für Wirtschaftsprüfer und Sachverständige verbindlich. Gerichte orientieren sich an diesen Standards, um die Nachvollziehbarkeit, Angemessenheit und Qualität eines Gutachtens zu überprüfen. In Rechtsstreitigkeiten, z.B. im Spruchverfahren, werden Bewertungsverfahren, die dem IDW S 1 entsprechen, als sachgerecht anerkannt. Allerdings können Parteien im Einzelfall abweichende Bewertungsmethoden vereinbaren, sofern diese nicht gegen zwingende gesetzliche Vorschriften verstoßen und sachgerecht begründet werden.
Wie wird der Informationsanspruch bei der Unternehmensbewertung gesetzlich geregelt?
Für die Unternehmensbewertung ist der Zugang zu vollständigen und korrekten Informationen von zentraler Bedeutung. Im gesetzlichen Kontext bestehen insbesondere im Spruchverfahren (§§ 327b ff. AktG) und bei der Bewertung im Rahmen von Abfindungsregelungen umfassende Auskunfts- und Vorlagepflichten der Unternehmensleitung gegenüber dem Gutachter und gegebenenfalls auch gegenüber betroffenen Minderheitsgesellschaftern. Die Geschäftsführung ist verpflichtet, sämtliche für die Bewertung relevanten Unterlagen, wie Jahresabschlüsse, Geschäftsberichte oder Verträge, herauszugeben. Kommen sie dieser Pflicht nicht nach, kann das Gericht Zwangsmaßnahmen verhängen oder die Bewertung auf Basis der zur Verfügung stehenden Informationen vornehmen, was regelmäßig zu Lasten der auskunftsverweigernden Partei geht. Auch der Datenschutz spielt bei der Weitergabe und Speicherung sensibler Unternehmensdaten im Bewertungskontext eine wichtige Rolle und ist mit den Regelungen der DSGVO in Einklang zu bringen.
Welche Haftungsrisiken ergeben sich im Zusammenhang mit Unternehmensbewertungen?
Gutachter, Wirtschaftsprüfer und andere mit der Unternehmensbewertung betraute Personen unterliegen bestimmten Haftungsrisiken. Erstellen sie ein fehlerhaftes Gutachten, das auf mangelhaften Daten, methodischen Fehlern oder mangelnder Sorgfalt basiert, können sie sowohl nach vertraglichen als auch nach gesetzlichen Vorschriften (z.B. § 280 BGB) haftbar gemacht werden. Bei gerichtlichen Sachverständigen besteht eine Haftung gegenüber den Parteien des Verfahrens. Es kann zu Schadenersatzansprüchen kommen, wenn nachweislich ein Vermögensschaden aufgrund eines fehlerhaften Gutachtens entstanden ist. Daneben können auch Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, die im Rahmen von Bewertungen tätig sind, nach berufsrechtlichen Vorschriften (z.B. § 323 HGB, § 64 StBerG) für Pflichtverletzungen belangt werden. Eine Berufshaftpflichtversicherung ist daher für diese Berufsgruppen essentiell.
Gibt es besondere Vorschriften für die Unternehmensbewertung bei steuerlichen Bewertungen?
Für steuerliche Zwecke kommt dem Bewertungsgesetz (BewG) eine zentrale Bedeutung zu. Es regelt die Bewertungsmethoden, insbesondere für die Ermittlung des gemeinen Werts bei der Besteuerung von Unternehmensübertragungen, Erbschaften und Schenkungen. Die steuerliche Bewertung ist grundsätzlich formalisiert und kann von der zivil- oder handelsrechtlichen Bewertung abweichen. Im Rahmen des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) werden verschiedene Methoden – wie das vereinfachte Ertragswertverfahren (§§ 199, 203 BewG) – zwingend vorgeschrieben. Die Finanzverwaltung ist an diese Vorgaben gebunden, auch wenn die tatsächlichen Marktwerte abweichen. Betroffene haben jedoch unter bestimmten Voraussetzungen das Recht, einen niedrigeren gemeinen Wert durch ein qualifiziertes Bewertungsgutachten nachzuweisen. Auch für Betriebsaufspaltungen oder Umstrukturierungen gibt es spezielle steuerliche Regelungen, die bei der Bewertung zu beachten sind.