Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Rechtsbegriffe (allgemein)»Ursache, ursächlicher Zusammenhang

Ursache, ursächlicher Zusammenhang


Ursache, ursächlicher Zusammenhang im Recht

Der Begriff „Ursache“ und der daraus abgeleitete „ursächliche Zusammenhang“ spielen im Recht eine zentrale Rolle, insbesondere im Bereich der Haftung, des Schadensersatzes und der Zurechnung von Handlungen oder Unterlassungen zu bestimmten Rechtsfolgen. Die Begriffe sind wesentlich für die Feststellung von Verantwortlichkeit und die Bestimmung des rechtlich relevanten Kausalverlaufs. Im Folgenden wird die Ursache einschließlich des ursächlichen Zusammenhangs umfassend beschrieben und in seinen rechtlichen Dimensionen detailliert erläutert.


Begriffserläuterung und Bedeutung im Recht

Definition der Ursache

Im rechtlichen Sinne bezeichnet die Ursache ein Ereignis, eine Handlung oder Unterlassung, das bzw. die eine bestimmte rechtliche Folge, insbesondere einen Schaden oder eine Rechtsverletzung, herbeiführt. Von einer Ursache im Recht wird immer dann gesprochen, wenn ein Geschehensablauf durch ein Verhalten beeinflusst und auf ein Ergebnis kausal eingewirkt wurde.

Ursächlicher Zusammenhang (Kausalität)

Der ursächliche Zusammenhang beschreibt die Beziehung zwischen einer Ursache und ihrer Folge. Im rechtlichen Kontext ist Kausalität die entscheidende Voraussetzung dafür, dass eine Handlung oder Unterlassung als auslösend für einen Schaden oder eine Rechtsgutsverletzung angesehen werden kann. Erst wenn ein entsprechender ursächlicher Zusammenhang besteht, kommt eine Haftung oder Zurechnung in Betracht.


Kausalitätstheorien im Recht

Äquivalenztheorie (conditio-sine-qua-non-Formel)

Die Äquivalenztheorie, auch Bedingungstheorie oder conditio-sine-qua-non-Formel genannt, bestimmt eine Ursache als wesentlich, wenn die Handlung nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele. Diese Theorie findet insbesondere im Zivilrecht und Strafrecht Anwendung.

Adäquanztheorie

Die Adäquanztheorie verlangt, dass eine Ursache geeignet ist, nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung den eingetretenen Erfolg herbeizuführen. Hierdurch wird eine objektive Einschränkung vorgenommen, um eine uferlose Zurechnung auszuschließen.

Lehre vom Schutzzweck der Norm

Diese Theorie stellt darauf ab, ob der eingetretene Schaden vom Schutzzweck der verletzten Norm umfasst wird. Liegt zum Beispiel ein Verstoß gegen eine Verkehrssicherungspflicht vor, wird geprüft, ob der eingetretene Schaden gerade durch die verletzte Pflicht verhindert werden sollte.


Arten der Kausalität im Recht

Natürliche Kausalität

Die natürliche Kausalität basiert auf tatsächlichen, kausalen Zusammenhängen im Sinn der Naturwissenschaften. Hierbei wird rein faktisch geprüft, ob das Verhalten für den Schaden ursächlich war.

Rechtliche Kausalität

Die rechtliche Kausalität ergänzt und beschränkt die natürliche Kausalität durch normativer Vorgaben. Hier entscheidet das Recht, inwieweit eine Ursache rechtlich als relevant anerkannt wird.


Unterbrechung des Kausalzusammenhangs

Mehrere aufeinanderfolgende Ursachen können den Kausalzusammenhang beeinflussen oder sogar unterbrechen. Insbesondere das Eingreifen selbstständiger Dritter, höhere Gewalt oder das Verhalten des Geschädigten können haftungsrechtlich den Zurechnungszusammenhang lösen.

Höhere Gewalt

Eintritt eines unvorhersehbaren und unabwendbaren Ereignisses kann den Kausalzusammenhang zwischen Handlung und Schaden unterbrechen, sodass für den Eintritt des Schadens nicht mehr gehaftet wird.

Selbstverschulden / Mitverursachung

Gibt es eine Mitwirkung des Geschädigten oder Dritten, ist zu prüfen, ob diese Mitursächlichkeit haftungsmindernd oder ausschließend wirkt. Nach § 254 BGB ist eine Anspruchsminderung im Rahmen der Schadensersatzansprüche möglich.


Anwendung des Kausalitätsprinzips in den Rechtsgebieten

Deliktsrecht

Im Deliktsrecht ist für die Haftung der ursächliche Zusammenhang zwischen rechtswidrigem Verhalten und dem verursachten Schaden unabdingbar. Ohne eine festgestellte Kausalität zwischen Handlung und Verletzung entfällt die Anspruchsgrundlage.

Vertragsrecht

Auch im Vertragsrecht ist die Kausalität von Bedeutung: Sie ist Voraussetzung für Schadensersatzansprüche wegen Pflichtverletzungen nach § 280 Abs. 1 BGB.

Strafrecht

Im Strafrecht ist der ursächliche Zusammenhang zwischen der Handlung des Täters und dem tatbestandsmäßigen Erfolg ein konstitutives Element für die Strafbarkeit. Hierzu werden die oben beschriebenen Kausalitätstheorien herangezogen.

Verwaltungsrecht

Im Verwaltungsrecht ist Kausalität für Ersatzansprüche beispielsweise bei Amtshaftung relevant; auch hier muss die Handlung des Amtsträgers in ursächlichem Zusammenhang mit dem Schaden stehen.


Sonderprobleme und Grenzfälle

Hypothetische Kausalität

Probleme entstehen, wenn mehrere Ursachen für den Erfolg in Frage kommen oder eine Ursache nicht mit völliger Sicherheit nachweisbar ist. Das Recht hat für solche Konstellationen spezifische Regelungen, um die Zurechnung zu steuern, etwa Regelungen zur Beweislastverteilung oder sogenannte alternative Kausalität.

Überholende Kausalität

Überholende Kausalität liegt vor, wenn eine weitere spätere Ursache den Erfolg selbständig herbeigeführt hätte, bevor die erste Ursache zum Erfolg geführt hätte. Diese Konstellationen führen häufig zum Ausschluss der Verantwortlichkeit für die frühere Handlung.

Kumulative Kausalität

Von kumulativer Kausalität spricht man, wenn erst das Zusammenwirken mehrerer Ursachen den Erfolg bewirkt. Im Recht werden dann alle Ursachen der Zurechnung unterworfen.


Beweismaß und Beweisanforderungen

Für den Nachweis des ursächlichen Zusammenhangs gelten unterschiedliche Beweismaßstäbe, abhängig vom jeweiligen Rechtsgebiet und der Konstellation, etwa „Vollbeweis“ im Zivilrecht oder „hinreichender Tatverdacht“ im Ermittlungsverfahren.


Bedeutung in der Praxis

Ursache und ursächlicher Zusammenhang sind im Tagesgeschäft vieler Rechtsgebiete von essentieller Bedeutung, insbesondere bei Haftungsfragen, Schadensregulierung und der Prüfung von Verantwortlichkeit, sei es bei Verkehrsunfällen, Produkthaftung, Arzthaftung oder Straftaten.


Zusammenfassung

Der Begriff der Ursache und des ursächlichen Zusammenhangs ist ein zentrales Element für die Zurechnung von Handlungen oder Unterlassungen zu rechtlichen Folgen. Die Abgrenzung und Feststellung des Kausalitätszusammenhangs erfolgt auf Basis unterschiedlicher Theorien und wird je nach Rechtsgebiet und Konstellation nach spezifischen Maßstäben beurteilt. Die genaue Prüfung von Ursache und Kausalität ist elementar für die rechtsstaatliche Durchsetzung und Begrenzung von Haftung und Sanktionen.


Schlagwörter: Ursache, Ursächlicher Zusammenhang, Kausalität, Haftung, Zurechnung, Schadensersatz, Adäquanz, Äquivalenz, Recht, Deliktsrecht, Vertragsrecht, Strafrecht, Verwaltungsrecht, Beweismaß


Hinweis: Dieser Artikel ist für Lexika und Informationsseiten konzipiert und behandelt umfassend die vielfältigen rechtlichen Aspekte der Begriffe Ursache und ursächlicher Zusammenhang.

Häufig gestellte Fragen

Wie wird der ursächliche Zusammenhang im Zivilrecht konkret geprüft?

Im Zivilrecht ist die Prüfung des ursächlichen Zusammenhangs (Kausalität) essentiell, um festzustellen, ob ein bestimmtes Verhalten tatsächlich zum eingetretenen Schaden geführt hat. Die rechtliche Prüfung erfolgt regelmäßig in zwei Schritten: der sogenannten Äquivalenztheorie und der Adäquanztheorie. Zunächst wird die conditio-sine-qua-non-Formel (Äquivalenztheorie) herangezogen: Hier fragt man, ob der Schaden auch ohne das fragliche Verhalten eingetreten wäre. Ist dies nicht der Fall, wird eine Ursächlichkeit bejaht. Danach wird mit der Adäquanztheorie geprüft, ob das Verhalten im Allgemeinen und nicht nur unter besonders ungewöhnlichen Umständen typischerweise zu einem derartigen Schaden führen kann. Diese beiden Prüfungsschritte sind zwingend, da nicht jede rein tatsächliche Kausalität auch rechtlich relevant ist. Darüber hinaus sind im Zivilrecht auch Sonderfälle wie alternative oder kumulative Kausalität sowie Reserveursachen zu beachten. In Bezug auf Fehlerketten oder mehrere mögliche Ursachen gilt: Jeder Umstand, der nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Schaden entfiele, ist prinzipiell als kausal anzusehen, es sei denn, ein atypischer Kausalverlauf macht die Zurechnung unbillig.

Welche Besonderheiten gelten bei der Ursachenzurechnung im Strafrecht?

Im Strafrecht kommt der Ursachenzusammenhang (Kausalität) eine zentrale Bedeutung bei der Zurechnung des Erfolges zur Handlung des Täters zu. Auch hier findet die conditio-sine-qua-non-Formel Anwendung; allerdings wird vielfach zusätzlich ein objektiver Zurechnungszusammenhang verlangt. Dieser besteht nur, wenn der Täter mit seiner Handlung ein rechtlich missbilligtes Risiko geschaffen und sich dieses Risiko im konkreten Erfolg realisiert hat. Liegt ein atypischer Kausalverlauf vor – etwa bei einer höchst unwahrscheinlichen Verkettung unglücklicher Ereignisse – kann der Zurechnungszusammenhang entfallen. Auch das Vorliegen von Dritteinwirkungen (z.B. Eingreifen Dritter, Eigenverantwortlichkeit des Opfers oder höhere Gewalt) kann die Ursachenzurechnung unterbrechen. Der Strafrichter muss daher stets prüfen, ob nicht nur eine naturwissenschaftliche, sondern auch eine normative Kausalität gegeben ist.

Welche Rolle spielt der ursächliche Zusammenhang in der Gefährdungshaftung?

Im Bereich der Gefährdungshaftung – etwa bei der Haftung des Kfz-Halters oder nach dem Produkthaftungsgesetz – ist ebenfalls ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem schadensverursachenden Ereignis und dem eingetretenen Schaden erforderlich. Hier genügt für die Haftung bereits die Verwirklichung eines typischen Gefahrenzusammenhangs. Die Rechtsprechung verlangt dabei nicht, dass die Ursache vom Schädiger verschuldet wurde, wohl aber muss ein adäquater Ursachenzusammenhang vorliegen. Insbesondere bei mehreren möglichen Ursachen hat der Geschädigte nachzuweisen, dass ein Zusammenhang zwischen der typischen Betriebsgefahr und dem Schaden besteht. Ebenso sind Eigenverantwortung und Mitverursachung des Geschädigten zu berücksichtigen, wobei bei Mitursache eine Quotelung der Ansprüche erfolgen kann.

Wie wird der ursächliche Zusammenhang bei Beweisschwierigkeiten bewertet?

Vor allem in Fällen, in denen der genaue Ablauf des Schadenseintritts unklar ist und konkrete Einzelheiten nicht mehr feststellbar sind, kommen Beweiserleichterungen zum Tragen. Beispielsweise kann bei typischen Geschehensabläufen auf einen Anscheinsbeweis zurückgegriffen werden, der bei Indizien für einen typischen Kausalverlauf greift und dem Anspruchsteller die Kausalität so lange zubilligt, bis der Schädiger einen atypischen Verlauf beweist. In manchen Fällen erkennt die Rechtsprechung auch eine Beweislastumkehr zugunsten des Geschädigten an, etwa im ärztlichen Haftungsrecht bei groben Behandlungsfehlern. Die Anforderungen an den Nachweis des ursächlichen Zusammenhangs können daher abhängig von der beweisrechtlichen Situation erheblich variieren.

Welche Bedeutung hat der ursächliche Zusammenhang bei mehreren möglichen Ursachen?

Liegen verschiedene Ursachen für einen Schaden vor, ist die Prüfung des ursächlichen Zusammenhangs besonders komplex. Im Falle der kumulativen Kausalität (mehrere Ursachen wirken gemeinsam) genügt es, wenn jede Ursache für sich genommen zu dem Schaden beigetragen haben könnte. Bei alternativer Kausalität (mehrere Ursachen, aber unklar welche konkret wirksam wurde) kann unter Umständen eine Haftung jedes potenziellen Verursachers in Betracht kommen. Insoweit gilt im deutschen Recht, dass jeder ursächliche Beitrag, der nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Schaden entfiele, als ausreichend angesehen wird. Allerdings können bei völlig gleichwertigen, sich gegenseitig ausschließenden Ursachen Sonderregelungen greifen, wie etwa eine Haftungsteilung oder Schadensaufteilung je nach Grad der Mitverursachung.

Unter welchen Umständen entfällt die rechtliche Zurechnung trotz bestehender Ursächlichkeit?

Selbst wenn ein tatsächlicher Ursachenzusammenhang zwischen einer Handlung und dem Schaden besteht, kann die rechtliche Zurechnung ausnahmsweise ausgeschlossen werden. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Kausalverlauf so außergewöhnlich und fernliegend ist, dass mit einem solchen Schaden nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge nicht gerechnet werden musste (fehlende Adäquanz). Auch das Eingreifen eines Dritten, das den Schaden herbeiführt (Unterbrechung der Kausalitätskette), höhere Gewalt, Eigenverantwortung des Geschädigten oder eine besonders atypische Schadensverursachung können die rechtliche Zurechnung ausschließen. Die Grenze zwischen noch zurechenbarem und bereits ausgeschlossenem Kausalverlauf ist nicht immer eindeutig und erfordert stets eine sorgfältige Abwägung aller Umstände des Einzelfalls.

Inwiefern beeinflusst Mitverschulden den ursächlichen Zusammenhang aus rechtlicher Sicht?

Mitverschulden des Geschädigten spielt eine bedeutende Rolle bei der haftungsrechtlichen Bewertung des ursächlichen Zusammenhangs. Zwar wird das Mitverschulden nicht bei der eigentlichen Kausalitätsprüfung, sondern bei der Anspruchsdurchsetzung berücksichtigt, jedoch können sich daraus Rückwirkungen auf die Zurechnung des Schadens ergeben. Der ursächliche Beitrag des Geschädigten wird bei der Schadensbemessung nach § 254 BGB wertend mitberücksichtigt, so dass eine Anspruchskürzung im Verhältnis des jeweiligen Beitrags erfolgen kann. Bei einer überwiegenden oder alleinigen Schadensverursachung durch den Geschädigten kann sogar ein vollständiger Ausschluss des Ersatzanspruchs erfolgen. Das Bestehen eines Mitverschuldens kann also die rechtliche Bedeutung des ursächlichen Zusammenhangs erheblich relativieren.