Unternehmensübernahme: Rechtlicher Rahmen und Definition
Eine Unternehmensübernahme bezeichnet im Rechtssinn den Vorgang, bei dem ein Unternehmen ganz oder teilweise auf einen anderen Rechtsträger übertragen wird und die wirtschaftliche Kontrolle wechselt. Unternehmensübernahmen spielen im Wirtschaftsleben eine zentrale Rolle, indem sie Marktstrukturen beeinflussen und vielfach mit gesellschaftsrechtlichen, arbeitsrechtlichen sowie steuerrechtlichen Fragen verbunden sind. Im Folgenden wird die Unternehmensübernahme mit Schwerpunkt auf die rechtlichen Aspekte umfassend beleuchtet.
1. Begriff und rechtliche Grundlagen der Unternehmensübernahme
1.1 Grundlagen und Abgrenzung
Unternehmensübernahmen sind Vorgänge, bei denen die Kontrolle über eine Kapital- oder Personengesellschaft durch Erwerb von Anteilen oder Vermögenswerten auf eine andere natürliche oder juristische Person übergeht. Abzugrenzen sind sie insbesondere von Unternehmenszusammenschlüssen (Fusionen/Merger), bei denen mehrere Unternehmen zu einem neuen Unternehmen verschmelzen.
1.2 Formen der Unternehmensübernahme im Rechtssinn
- Asset Deal: Erwerb einzelner Vermögensgegenstände und Rechte (z.B. Maschinen, Forderungen, Verträge) eines Unternehmens. Käufer und Verkäufer bleiben getrennte Rechtsträger.
- Share Deal: Erwerb von Geschäftsanteilen oder Aktien einer Gesellschaft. Ziel ist meist die Erlangung der Mehrheit der Stimmrechte, um die unternehmerische Kontrolle zu erlangen.
2. Gesellschaftsrechtliche Aspekte der Unternehmensübernahme
2.1 Share Deal und Übertragungsmechanismus
Im Rahmen des Share Deals wird die Mehrheit oder alle Anteile an einer Gesellschaft übertragen. Die Übertragung erfolgt bei GmbHs durch Abtretungsvertrag gemäß § 15 GmbHG, bei Aktiengesellschaften im Regelfall durch Übertragung der Aktien nach § 68 AktG.
2.2 Asset Deal und Einzelübertragung
Beim Asset Deal werden einzelne Vermögensgegenstände gemäß den jeweiligen gesetzlichen Vorschriften (z.B. § 929 BGB für die beweglichen Sachen, §§ 873 ff. BGB für Grundstücke) übertragen. Eine Gesamtrechtsnachfolge ist – im Unterschied zur Verschmelzung – gesetzlich ausgeschlossen.
2.3 Unternehmensübernahme und Umwandlungsrecht
Unternehmensübernahmen können durch Umwandlungen im Sinne des Umwandlungsrechts (insbesondere Verschmelzung, Spaltung, Ausgliederung nach UmwG) erfolgen. Hierbei sind zwingende rechtliche Vorgaben wie Gläubigerschutz, Bilanzierung und Eintragung ins Handelsregister relevant.
3. Arbeitsrechtliche Implikationen der Unternehmensübernahme
3.1 Übergang von Arbeitsverhältnissen (§ 613a BGB)
Besonders bedeutend ist § 613a BGB: Beim Übergang eines Betriebs oder Betriebsteils gehen die Arbeitsverhältnisse mit allen Rechten und Pflichten auf den Erwerber über. Arbeitnehmern steht ein Widerspruchsrecht gegen den Übergang ihres Arbeitsverhältnisses zu.
3.2 Informations- und Unterrichtungsrechte
Nach dem Betriebsverfassungsgesetz und dem Gesetz über die Drittbeteiligung der Arbeitnehmer sind Unterrichtung und Beteiligung des Betriebsrats zwingend, soweit dieser im Unternehmen existiert.
3.3 Kollektive Rechte und Tarifbindung
Die Unternehmensübernahme kann Auswirkungen auf Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen haben, die grundsätzlich zunächst fortgelten. Eine spätere Änderung ist möglich, bedarf aber gesonderter Beachtung arbeitsrechtlicher Regelungen.
4. Wettbewerbs- und kartellrechtliche Rahmenbedingungen
4.1 Fusionskontrolle durch Kartellbehörden
Unternehmensübernahmen unterliegen ab einer gewissen wirtschaftlichen Relevanz der Fusionskontrolle durch Bundeskartellamt (Deutschland) oder das Europäische Kartellrecht (Zusammenschlusskontrolle gemäß EU-Fusionskontrollverordnung). Die Kontrolle zielt auf die Verhinderung einer marktbeherrschenden Stellung.
4.2 Anmeldung und Prüfungsverfahren
Die Anmeldung ist verpflichtend, sofern Umsatzschwellen überschritten werden. Das Prüfungsverfahren kann zur Untersagung oder zu Auflagen führen, etwa wenn Wettbewerbsbeschränkungen drohen.
5. Aktien- und Kapitalmarktrechtliche Regeln
5.1 Übernahmeangebote und WpÜG
Bei börsennotierten Gesellschaften greift das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG), das das Verfahren öffentlicher Übernahmeangebote, Pflichten zur Veröffentlichung und Gleichbehandlung der Aktionäre regelt.
5.2 Abwehrmaßnahmen und Verteidigungsstrategien
Das Recht gibt dem Vorstand und dem Aufsichtsrat der Zielgesellschaft Handlungsspielräume und Pflichten, etwa zur Ergreifung von Abwehrmaßnahmen gegen unerwünschte Übernahmen (sog. „feindliche Übernahme“), etwa durch „Weißer Ritter“-Strategien oder Stimmrechtsbeschränkungen gemäß dem Aktiengesetz.
6. Steuerliche Aspekte der Unternehmensübernahme
6.1 Einkommen- und Körperschaftsteuer
Unternehmensübernahmen haben Buchwert- und Steuerfolgen bei den beteiligten Rechtsträgern. Zu beachten sind stille Reserven, Abschreibungen und etwaige Verlustvorträge, deren Übergang gesetzlichen Beschränkungen unterliegt (§§ 8c, 8d KStG).
6.2 Umsatzsteuer und Grunderwerbsteuer
Asset Deals können der Umsatzsteuer oder Grunderwerbsteuer unterliegen, sofern Grundstücke oder immobilienhaltige Unternehmen übertragen werden. Bei Share Deals ist insbesondere die Anteilshöhe für die Steuerpflicht maßgeblich.
7. Haftung und Gewährleistung bei Unternehmensübernahmen
7.1 Veräußerer- und Erwerberhaftung
Die Haftung des Veräußerers richtet sich unter anderem nach den vertraglich vereinbarten Garantien und Freistellungen, etwa für bestehende Verpflichtungen, Steuerschulden oder Umwelthaftung. Die Erwerberhaftung kann gesetzlich begrenzt oder erweitert sein, insbesondere bei Betriebsübergängen.
7.2 Due-Diligence-Prüfung
Zielgerichtete rechtliche, steuerliche und wirtschaftliche Überprüfungen (Due Diligence) dienen der Identifizierung und Bewertung von Risiken und etwaigen Haftungsfallen.
8. Fazit
Die Unternehmensübernahme ist ein vielschichtiger Vorgang mit weitreichenden rechtlichen Implikationen. Das Zusammenspiel von Gesellschafts-, Arbeits-, Kartell-, Kapitalmarkt- und Steuerrecht bedingt eine umfassende Prüfung und sorgfältige Vertragsgestaltung, um Haftungs- und Folgerisiken zu minimieren und eine rechtssichere Übertragung der wirtschaftlichen Kontrolle zu gewährleisten.
Literatur und weiterführende Quellen
- Aktiengesetz (AktG)
- GmbH-Gesetz (GmbHG)
- Gesetz über den Übergang von Arbeitsverhältnissen (§ 613a BGB)
- Umwandlungsgesetz (UmwG)
- Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)
- Handelsgesetzbuch (HGB)
- Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)
- Körperschaftsteuergesetz (KStG)
Die hier enthaltenen Informationen dienen der umfassenden rechtlichen Einordnung und Beleuchtung des Begriffs Unternehmensübernahme und spiegeln die zum Zeitpunkt der letzten Aktualisierung bekannten Rechtsgrundlagen wider.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Prüfungen sind vor einer Unternehmensübernahme erforderlich?
Vor einer Unternehmensübernahme ist eine umfassende rechtliche Due Diligence unumgänglich. Dabei wird das Zielunternehmen auf Risiken und rechtliche Besonderheiten geprüft. Zentrale Aspekte sind die Überprüfung bestehender Verträge (z.B. mit Kunden, Lieferanten, Miet- und Leasingverträge sowie Arbeitsverträge), Rechte an geistigem Eigentum, anhängige oder drohende Rechtsstreitigkeiten sowie die Einhaltung öffentlich-rechtlicher Vorschriften, beispielsweise im Arbeits-, Datenschutz-, Umwelt- und Kartellrecht. In vielen Fällen müssen auch Lizenzen und Genehmigungen evaluiert werden, da deren Übertragbarkeit auf den Erwerber nicht immer gegeben ist. Die Ergebnisse der rechtlichen Prüfung beeinflussen maßgeblich den weiteren Verlauf und die Strukturierung des Übernahmeprozesses, da sie sowohl auf den Kaufpreis als auch auf etwaige Garantien und Freistellungen im Kaufvertrag einwirken können.
Welche gesetzlichen Vorschriften sind bei einer Unternehmensübernahme zu beachten?
Eine Unternehmensübernahme unterliegt zahlreichen gesetzlichen Vorgaben, die je nach Übernahmeform – Asset Deal oder Share Deal – variieren können. Kernbereich bildet das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) im Bereich des Vertragsrechts, das Handelsgesetzbuch (HGB), aber auch Spezialgesetze, wie das Umwandlungsgesetz (UmwG), sind relevant, insbesondere bei Verschmelzungen oder Spaltungen. Ebenfalls zu beachten sind das Kartellrecht (GWB – Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen) bezüglich etwaiger Anmeldepflichten bei größeren Transaktionen und das Außenwirtschaftsrecht, das bei grenzüberschreitenden Übernahmen greifen kann. Beim Erwerb von börsennotierten Gesellschaften sind zudem aktien- und kapitalmarktrechtliche Vorschriften zu berücksichtigen, beispielsweise im Zusammenhang mit öffentlichen Übernahmeangeboten nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG).
Welche arbeitsrechtlichen Aspekte müssen berücksichtigt werden?
Im Rahmen einer Unternehmensübernahme greifen umfangreiche arbeitsrechtliche Regelungen, insbesondere bei einem Betriebsübergang nach § 613a BGB. Danach gehen die Arbeitsverhältnisse grundsätzlich automatisch mit allen Rechten und Pflichten auf den Erwerber über. Arbeitnehmer müssen in diesem Zusammenhang über den Übergang informiert werden und haben ggf. ein Widerspruchsrecht. Darüber hinaus sind Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats und Informationspflichten gegenüber der Belegschaft zu berücksichtigen. Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen können ebenfalls fortgelten und müssen in die Planung einbezogen werden. Für den Käufer ist zudem relevant, ob anhängige oder drohende arbeitsrechtliche Streitigkeiten existieren, da diese erhebliche wirtschaftliche Risiken bergen können.
Welche Rolle spielt das Kartellrecht bei einer Unternehmensübernahme?
Das Kartellrecht kann bei einer Unternehmensübernahme eine zentrale Rolle spielen, wenn durch die Transaktion marktbeherrschende Stellungen geschaffen oder verstärkt werden könnten. Insbesondere bei größeren Transaktionen ist zu prüfen, ob eine Fusionskontrollanmeldung beim Bundeskartellamt oder der Europäischen Kommission erforderlich ist. Die entsprechenden Umsatzschwellen müssen analysiert und beachtet werden. Bis zur Freigabe darf die Übernahme nicht vollzogen werden (Vollzugsverbot). Verstöße gegen das Kartellrecht können zu erheblichen Bußgeldern und zur Nichtigkeit des Erwerbsvorgangs führen. Auch auf internationaler Ebene sind gegebenenfalls transaktionsbezogene Anmeldungen und Freigaben einzuholen.
Welche Bedeutung haben Haftungsfragen bei einer Unternehmensübernahme?
Haftungsfragen spielen eine herausragende Rolle, da der Käufer entweder direkt (Share Deal) oder indirekt (Asset Deal) für bestehende und künftige Verbindlichkeiten des übernommenen Unternehmens haftbar gemacht werden kann. Im Rahmen der Vertragsverhandlungen werden daher regelmäßig umfassende Garantien, Gewährleistungen und Freistellungsklauseln verhandelt, um Haftungsrisiken zu minimieren. Beim Betriebsübergang nach § 613a BGB haftet der Erwerber zum Beispiel auch für rückständige Lohnforderungen. Besonderes Augenmerk ist auf steuerliche Altlasten, mögliche Rechtsstreitigkeiten oder versteckte Verpflichtungen zu legen. Die sorgfältige vertragliche Regelung dieser Aspekte im Unternehmenskaufvertrag ist daher essenziell.
Was ist bei der Vertragsgestaltung eines Unternehmenskaufvertrags rechtlich zu beachten?
Die Vertragsgestaltung eines Unternehmenskaufvertrags ist hochkomplex und erfordert die Berücksichtigung zahlreicher rechtlicher Aspekte. Neben der präzisen Beschreibung des Kaufgegenstands (Aktien, Geschäftsanteile, Vermögensgegenstände) sind Regelungen zu Kaufpreis, Zahlungsmodalitäten und Kaufpreisanpassungen zu treffen. Ebenso sind Garantien, Freistellungen, Haftungsbegrenzungen und Regelungen zur Risikoaufteilung, etwa bei Sachmängeln oder Altverpflichtungen, ausführlich zu regeln. Zudem müssen etwaige Bedingungen und aufschiebende/aufschiebende Bedingungen wie etwa kartellrechtliche Freigaben oder Zustimmungen berücksichtigt werden. Auch die Modalitäten des Übergangs (Closing), Geheimhaltungsvereinbarungen und Wettbewerbsverbote sind rechtlich verbindlich zu gestalten.
Welche Melde- und Genehmigungspflichten bestehen im Zusammenhang mit einer Unternehmensübernahme?
Im Zusammenhang mit der Übernahme eines Unternehmens können verschiedene Melde- und Genehmigungspflichten notwendig werden. So verlangt beispielsweise das Außenwirtschaftsrecht eine Meldung oder auch eine ausdrückliche Genehmigung der Übernahme, wenn ausländische Investoren Unternehmen in strategisch sensiblen Sektoren erwerben (Außenwirtschaftsverordnung – AWV). Im Falle einer kartellrechtlich relevanten Transaktion ist eine Anmeldung bei der zuständigen Kartellbehörde erforderlich. Je nach Rechtsform und Branche können zudem spezifische Anzeige- und Zustimmungspflichten, etwa gegenüber Aufsichtsbehörden oder Kammern, bestehen. Bei Übernahmen, die gesellschaftsrechtliche Umwandlungen oder Eintragungen ins Handelsregister zur Folge haben, sind die entsprechenden gesetzlichen Meldewege einzuhalten.