Unternehmensübernahme: Begriff, Bedeutung und Abgrenzungen
Unter einer Unternehmensübernahme wird der Erwerb der Kontrolle über ein Unternehmen verstanden. Kontrolle kann durch den Kauf von Anteilen, den Erwerb einzelner Vermögenswerte oder durch gesellschaftsrechtliche Umwandlungen erlangt werden. Ziel ist regelmäßig die Bestimmungsmacht über Leitung, Strategie und Vermögenswerte des übernommenen Unternehmens. Von der Übernahme zu unterscheiden ist die Verschmelzung, bei der Gesellschaften rechtlich zusammengeführt werden und eine oder mehrere Rechtsträger untergehen.
Übernahmen finden in privat gehaltenen Unternehmen (Private M&A) und bei börsennotierten Gesellschaften (Public M&A) statt. Je nach Struktur gelten unterschiedliche Veröffentlichungspflichten, Genehmigungsvorbehalte und Verfahrensanforderungen.
Formen der Unternehmensübernahme
Share Deal (Erwerb von Anteilen)
Kernelemente
Beim Share Deal erwirbt der Käufer Anteile (z. B. Aktien oder Geschäftsanteile) an der Zielgesellschaft. Die Rechtsträgeridentität bleibt erhalten; sämtliche Vermögenswerte, Verträge und Verbindlichkeiten verbleiben im Unternehmen. Der Kontrollwechsel ergibt sich aus der Stimmenmehrheit oder speziellen Einflussrechten. In bestimmten Fällen ist eine notarielle Beurkundung und Registeranmeldung erforderlich.
Asset Deal (Erwerb von Vermögenswerten)
Beim Asset Deal werden einzelne Vermögenswerte und Rechtsverhältnisse übernommen, etwa Immobilien, Maschinen, Vorräte, Marken oder Kundenverträge. Für die Übertragung sind jeweils die rechtlichen Anforderungen der betroffenen Vermögensgegenstände zu beachten, einschließlich Zustimmungen, Eintragungen oder Übergabehandlungen. Arbeitsverhältnisse können unter bestimmten Voraussetzungen mit übergehen, wobei Informations- und Widerspruchsrechte zu beachten sind.
Übernahme durch Verschmelzung
Bei der Verschmelzung werden Gesellschaften zu einem Rechtsträger zusammengeführt. Vermögen und Verbindlichkeiten gehen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge über. Das Verfahren folgt formgebundenen Schritten, einschließlich Berichten, Prüfungen und Registereintragungen.
Öffentliche Übernahmeangebote
Bei börsennotierten Zielgesellschaften erfolgt die Übernahme regelmäßig durch ein öffentliches Angebot an die Aktionäre. Es gelten besondere Transparenz-, Gleichbehandlungs- und Verfahrensregeln, einschließlich Fristen, Angebotsunterlage und gegebenenfalls Pflichtangeboten ab bestimmten Beteiligungsschwellen.
Freundliche und „feindliche“ Übernahmen
Freundliche Übernahmen erfolgen in Abstimmung mit Organen der Zielgesellschaft. „Feindliche“ Übernahmen erfolgen ohne deren Zustimmung, sind aber nur im Rahmen der geltenden Schutz- und Transparenzregeln zulässig. Abwehrmaßnahmen der Zielgesellschaft unterliegen rechtlichen Grenzen und Entscheidungskompetenzen.
Rechtlicher Rahmen und Zuständigkeiten
Gesellschaftsrechtliche Grundlagen
Die Struktur der Übernahme richtet sich nach der Rechtsform der Zielgesellschaft. Zustimmungserfordernisse der Gesellschafterversammlung, Mitverkaufsrechte oder -pflichten (Tag-along/Drag-along) sowie Vinkulierungen können den Erwerb beeinflussen. In bestimmten Fällen sind Beurkundungen durchzuführen und Anmeldungen zum Handelsregister vorzunehmen.
Kapitalmarkt- und Börsenregeln
Bei börsennotierten Gesellschaften gelten Pflichten zur Veröffentlichung insiderrelevanter Informationen, Beschränkungen für Insiderhandel, Regeln für Stimmrechtsmitteilungen sowie Auflagen für öffentliche Angebote. Gleichbehandlung der Aktionäre, Mindestinhalte der Angebotsunterlage und Verfahrensfristen sind vorgegeben. Der Vorstand der Zielgesellschaft und das Kontrollgremium haben Informations- und Prüfpflichten gegenüber dem Markt und den Anteilseignern.
Fusionskontrolle und Wettbewerb
Größere Zusammenschlüsse müssen vor Vollzug bei Wettbewerbsbehörden angemeldet werden. Die Prüfung bewertet insbesondere Marktanteile, Marktzutrittsschranken und Auswirkungen auf den Wettbewerb. Die Freigabe kann an Auflagen geknüpft sein; ein Vollzugsverbot bis zur Freigabe ist möglich.
Sektorale Aufsichten und Genehmigungen
In regulierten Branchen (z. B. Finanzdienstleistungen, Versicherungen, Energie, Gesundheit, Verkehr, Medien) können zusätzliche Genehmigungen oder Inhaberkontrollverfahren bestehen. Der Erwerb bestimmter Beteiligungsschwellen kann anzeigepflichtig sein.
Mitbestimmung und Arbeitnehmerrechte
Vertretungsorgane der Belegschaft besitzen Informations- und Beteiligungsrechte. Bei Übergang von Betrieben oder Betriebsteilen gehen Arbeitsverhältnisse grundsätzlich auf den Erwerber über. Die Belegschaft ist über den Zeitpunkt, die Gründe und die Folgen zu informieren; Widerspruchsmöglichkeiten können bestehen. Kollektivrechtliche Regelungen, Betriebsvereinbarungen und Mitbestimmungsstrukturen sind zu beachten.
Datenschutz, geistiges Eigentum und Verträge
Die Übertragung personenbezogener Daten unterliegt strengen Vorgaben. Schutzrechte (Marken, Patente, Designs, Urheberrechte) sind zu identifizieren und falls erforderlich zu übertragen oder zu lizenzieren. Verträge können Änderungsklauseln für Kontrollwechsel enthalten; Zustimmungen von Vertragspartnern können erforderlich sein. Bei Immobilien sind formale Anforderungen und Registereintragungen zu beachten.
Notarielle Beurkundung und Registereinträge
Bestimmte Rechtsakte bedürfen der notariellen Form, etwa die Abtretung von Geschäftsanteilen einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder Umwandlungsvorgänge. Abschließende Wirksamkeit kann erst mit Eintragung in öffentliche Register eintreten.
Ablauf einer Unternehmensübernahme
Vorbereitung und Vordokumente
Häufig werden zunächst Vertraulichkeitsvereinbarungen abgeschlossen, um Informationsschutz zu gewährleisten. Absichtserklärungen und Term Sheets skizzieren Eckpunkte, etwa Kaufpreislogik, Zeitplan und Exklusivität. In regulierten Konstellationen sind frühe Abstimmungen zu Genehmigungen und Anmeldungen üblich.
Due Diligence
Die rechtliche Prüfung umfasst Gesellschaftsstruktur, Beteiligungen, Verträge, Genehmigungen, Rechte an geistigem Eigentum, Immobilien, Datenschutz, Arbeits- und Mitbestimmungsfragen, Streitigkeiten, Compliance sowie öffentlich-rechtliche Themen. Feststellungen fließen in Kaufpreis, Garantien, Freistellungen und Bedingungen ein.
Vertragsgestaltung
Der Unternehmenskaufvertrag regelt Gegenstand, Kaufpreis, Garantien, Freistellungen, Bedingungen für den Vollzug, Übergaberegeln, Wettbewerbsverbote, Vertraulichkeit, Streitbeilegung und Haftungsbegrenzungen. Bei öffentlichen Angeboten kommen Angebotsunterlage, Annahmefristen und Abwicklungsbestimmungen hinzu.
Vollzug und Integration
Der Vollzug (Closing) erfolgt nach Eintritt aller Bedingungen, etwa Freigaben von Behörden, Zustimmungen Dritter oder interner Beschlüsse. Danach schließen sich Eintragungen, Mitteilungen an Stakeholder und Integrationsmaßnahmen an, einschließlich Anpassung von Organen, Governance und Verträgen.
Öffentlichkeits- und Informationspflichten
Je nach Einzelfall bestehen Melde-, Veröffentlichungs- und Berichtspflichten gegenüber Registern, Behörden, Börsen und dem Kapitalmarkt. Fristen, Form und Inhalt sind vorgegeben und können sanktionsbewehrt sein.
Typische Vertragsklauseln und Haftungsfragen
Kaufpreis-Mechanismen
Gängig sind Festkaufpreis, Anpassung anhand Abschlussbilanz, Mechanismen auf Basis von Nettoverschuldung und Working Capital sowie Locked-Box-Modelle. Earn-out-Regelungen knüpfen Teile des Kaufpreises an künftige Entwicklungen; sie erfordern klare Definitionen und Messgrößen.
Garantien und Freistellungen
Garantien betreffen typischerweise Eigentum, Verfügungsbefugnis, Finanzinformationen, Verträge, Genehmigungen, Steuern, IP, Datenschutz, Umwelt und Rechtsstreitigkeiten. Freistellungen adressieren identifizierte Risiken. Offenlegungen in Datenräumen können den Garantieschutz beeinflussen.
Bedingungen und Risikoallokation
Bedingungen (Conditions Precedent) umfassen Fusionskontrollfreigaben, sektorale Genehmigungen, Zustimmungen Dritter und interne Beschlüsse. MAC-Klauseln (wesentliche nachteilige Änderung) und Long-Stop-Daten regeln Außer-Kraft-Treten oder Anpassungsrechte bei Verzögerungen oder gravierenden Veränderungen.
Wettbewerbsverbote und Geheimhaltung
Vertragsparteien vereinbaren häufig zeitlich, sachlich und räumlich begrenzte Wettbewerbsbeschränkungen sowie Geheimhaltungspflichten. Bei öffentlichen Transaktionen gelten zusätzlich Marktmissbrauchs- und Insiderregeln.
Haftungsbegrenzungen und Verjährung
Verträge enthalten häufig Haftungshöchstgrenzen, Bagatell- und Freigrenzen, Fristen für Mängelanzeigen sowie eigene Verjährungsregelungen. Besondere Behandlung erfahren Kernzusicherungen wie Eigentum an Anteilen.
Sicherheiten und Absicherungsinstrumente
Zur Absicherung von Zahlungs- und Garantierisiken werden Escrow-Konten, Zurückbehaltungen, Bürgschaften oder Versicherungen über vertragliche Garantien verwendet. Die Ausgestaltung richtet sich nach Risiko- und Zeitprofil des Geschäfts.
Arbeitnehmerbezogene Aspekte
Übergang von Arbeitsverhältnissen
Beim Übergang eines Betriebs oder Betriebsteils gehen Arbeitsverhältnisse grundsätzlich auf den Erwerber über. Die Belegschaft ist über den Übergang, dessen Gründe, rechtliche, wirtschaftliche und soziale Folgen sowie geplante Maßnahmen zu unterrichten. Widerspruchsrechte können bestehen.
Informations- und Beteiligungsrechte der Vertretungen
Vertretungsorgane haben je nach Unternehmensgröße und Struktur Beteiligungsrechte. Gegebenenfalls sind Verhandlungen über Interessenausgleich und Sozialplan zu führen. Mitbestimmung in Aufsichtsgremien kann durch Strukturänderungen berührt sein.
Betriebsvereinbarungen und Tarifbindung
Betriebsvereinbarungen und tarifliche Regelungen wirken nach Übernahme fort, soweit gesetzlich vorgesehen. Änderungen sind an formale und inhaltliche Voraussetzungen gebunden.
Steuerliche und finanzierungsbezogene Rechtsaspekte
Finanzierung und Sicherheiten
Übernahmen werden häufig durch Eigen- und Fremdmittel finanziert. Kreditverträge enthalten Zusicherungen, Covenants, Sicherheitenbestellungen und Ausschüttungsbeschränkungen. Bei Holdingstrukturen sind Ausschüttungs- und Rangfragen zu beachten.
Steuerliche Auswirkungen im Überblick
Share und Asset Deals führen zu unterschiedlichen steuerlichen Ergebnissen. Relevante Themen sind Übertragungsabgaben, Verlustnutzung, stille Reserven, Quellensteuern, Funktionsverlagerungen und grenzüberschreitende Fragen. Gestaltungsspielräume unterliegen gesetzlichen Rahmenbedingungen und Missbrauchsvermeidungsregeln.
Grenzüberschreitende Übernahmen
Investitionskontrolle
Der Erwerb inländischer Unternehmen durch ausländische Investoren kann einer außenwirtschaftlichen Prüfung unterliegen. Abhängig von Branche und Beteiligungshöhe sind Anmelde- oder Freigabeverfahren möglich; bis zur Freigabe kann ein Vollzugsverbot bestehen.
Kollisionsrecht und Rechtswahl
Bei grenzüberschreitenden Transaktionen stellen sich Fragen zur anwendbaren Rechtsordnung, Zuständigkeit von Gerichten oder Schiedsgerichten sowie Anerkennung und Vollstreckung. Formvorschriften und Registerpraxis können sich zwischen Rechtsordnungen unterscheiden.
Vollzug und Anerkennung
Eintragungserfordernisse, Dokumentationsstandards, Beglaubigungen sowie Übersetzungen sind regelmäßig zu beachten. Zusammenschlusskontrolle kann parallel in mehreren Jurisdiktionen anfallen.
Risiken, Streitbeilegung und Rechtsdurchsetzung
Typische Risikoquellen
Risiken entstehen aus unvollständigen Informationen, regulatorischen Freigaben, Change-of-Control-Klauseln, Kartellauflagen, Finanzierungsbedingungen, Integrationsproblemen, IP-Streitigkeiten und Compliance-Themen. Der Umgang damit erfolgt über Vertragsgestaltung, Prüfprozesse und Bedingungen.
Streitbeilegungsmechanismen
Verträge enthalten häufig Gerichtsstandsvereinbarungen oder Schiedsklauseln. Für bilanzielle Anpassungen sind Schiedsgutachtermodelle verbreitet. Eilrechtsschutz kann bei Vollzugsverboten oder Abbruch von Verhandlungen eine Rolle spielen.
Compliance und Integrationsfragen
Integrationsphasen berühren Wettbewerbsrecht (insbesondere Informationsaustausch vor Freigabe), Datenschutz sowie Regulierung in sensiblen Branchen. Organverantwortung und Überwachungspflichten bleiben auch im Übergang bestehen.
Häufig gestellte Fragen
Was bedeutet Unternehmensübernahme im rechtlichen Sinne?
Sie bezeichnet den Erwerb der Kontrolle über ein Unternehmen durch Anteils- oder Vermögensübertragung oder durch Umwandlungsmaßnahmen. Kontrolle meint die Möglichkeit, die Geschäftspolitik maßgeblich zu bestimmen, etwa über Mehrheitsstimmrechte oder besondere Einflussrechte.
Worin unterscheidet sich ein Share Deal von einem Asset Deal?
Beim Share Deal werden Anteile am Unternehmen erworben; das Unternehmen bleibt als Rechtsträger unverändert. Beim Asset Deal werden ausgewählte Vermögenswerte und Rechtsverhältnisse übertragen, wofür jeweils gesonderte Übertragungsakte und Zustimmungen erforderlich sein können.
Welche Rolle spielt die Fusionskontrolle?
Sie prüft, ob ein Zusammenschluss den Wettbewerb erheblich beeinträchtigen kann. Bei Erreichen bestimmter Größenkriterien ist eine Anmeldung erforderlich, und der Vollzug ist bis zur Freigabe untersagt. Freigaben können mit Auflagen verbunden sein.
Welche Rechte haben Arbeitnehmer bei einer Übernahme?
Bei Übergang eines Betriebs oder Betriebsteils gehen Arbeitsverhältnisse grundsätzlich auf den Erwerber über. Beschäftigte sind über Zeitpunkt, Gründe, Folgen und geplante Maßnahmen zu informieren und können unter bestimmten Voraussetzungen widersprechen. Gremien der Belegschaft haben Informations- und Beteiligungsrechte.
Was ist ein öffentliches Übernahmeangebot?
Es ist ein an alle Aktionäre einer börsennotierten Gesellschaft gerichtetes Angebot zum Erwerb ihrer Aktien zu festgelegten Bedingungen. Es unterliegt strengen Verfahrens-, Transparenz- und Gleichbehandlungsregeln, einschließlich Fristen und Veröffentlichungspflichten.
Wie werden bestehende Verträge der Zielgesellschaft behandelt?
Im Share Deal bleiben Verträge grundsätzlich bestehen; Change-of-Control-Klauseln können besondere Rechte auslösen. Im Asset Deal ist häufig die Zustimmung des jeweiligen Vertragspartners zur Übertragung notwendig. Formvorschriften und Registereintragungen können zu beachten sein.
Kann eine Übernahme ohne Zustimmung der Unternehmensleitung erfolgen?
Ja, bei börsennotierten Gesellschaften sind feindliche Übernahmen möglich, sofern die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden. Abwehrmaßnahmen der Zielgesellschaft unterliegen Grenzen und benötigen häufig Beschlüsse der zuständigen Organe.