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Unterhaltspflichtverletzung


Unterhaltspflichtverletzung – Definition und rechtliche Grundlagen

Die Unterhaltspflichtverletzung beschreibt die Nichterfüllung der gesetzlich normierten Verpflichtung zur Zahlung von Unterhalt an unterhaltsberechtigte Personen, wie etwa Kinder, Ehegatten oder Eltern. In Deutschland stellt die Missachtung dieser Pflicht unter bestimmten Voraussetzungen sowohl eine zivilrechtliche als auch eine strafrechtliche Rechtsverletzung dar. Dieser Artikel beleuchtet systematisch die rechtlichen Aspekte der Unterhaltspflichtverletzung im deutschen Recht.


Begriff und Abgrenzung

Die Unterhaltspflicht entsteht durch familienrechtliche Beziehungen, wie sie im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt sind. Eine Unterhaltspflichtverletzung liegt vor, wenn der zur Zahlung verpflichtete Angehörige (Verpflichtete:r) seiner Zahlungsverpflichtung nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig nachkommt. Als Verletzung gilt sowohl das bewusste Ausbleiben von Zahlungen als auch das fahrlässige Unterlassen trotz bestehender Leistungsfähigkeit.

Unterschied zu Zahlungsverzug

Abzugrenzen ist die Unterhaltspflichtverletzung vom bloßen Zahlungsverzug: Während Zahlungsverzug bereits beim verspäteten Begleichen einer fälligen Unterhaltsleistung eintritt, bezeichnet die Unterhaltspflichtverletzung das dauerhaft unbegründete Nichtleisten und kann über den zivilrechtlichen Rahmen hinaus strafrechtlich relevant werden.


Zivilrechtliche Aspekte der Unterhaltspflichtverletzung

Anspruch auf Unterhalt

Die Verpflichtung zur Zahlung von Unterhalt ergibt sich im Wesentlichen aus den §§ 1601 ff. BGB (Verwandtenunterhalt) und §§ 1360 ff. BGB (Ehegattenunterhalt). Voraussetzung ist stets die Bedürftigkeit der berechtigten Person und die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten. Die konkrete Höhe bemisst sich nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen.

Rechtsfolgen der Verletzung

Kommt der zur Unterhaltszahlung verpflichtete Angehörige seiner Zahlungspflicht nicht nach, kann der Berechtigte seinen Anspruch durchsetzen. Mögliche Maßnahmen sind:

  • Zahlungsklage auf rückständigen und laufenden Unterhalt
  • Erwirkung eines Unterhaltstitels beim Familiengericht
  • Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Verpflichteten (z. B. Lohnpfändung)
  • Vorschuss- oder Ersatzleistungen durch staatliche Stellen bei ausbleibendem Kindesunterhalt (§ 7 UVG – Unterhaltsvorschussgesetz).

Auch Schadensersatzansprüche des Berechtigten sind möglich, wenn durch die Nichtzahlung zusätzliche Schäden entstehen.


Strafrechtliche Aspekte der Unterhaltspflichtverletzung

Straftatbestand nach § 170 StGB

Die Unterhaltspflichtverletzung ist in Deutschland in § 170 Strafgesetzbuch (StGB) tatbestandlich geregelt. Hiernach macht sich strafbar, wer sich einer ihm obliegenden Unterhaltspflicht entzieht, so dass der Lebensbedarf der unterhaltsberechtigten Person gefährdet ist. Geschützt wird vornehmlich das Existenzminimum der Berechtigten.

Tatbestandsvoraussetzungen

  1. Bestehen einer gesetzlichen Unterhaltspflicht
  2. Leistungsfähigkeit des Verpflichteten (zumindest teilweise)
  3. Vorsätzliche Unterlassung der Zahlung oder Verschaffung von Vollstreckungsvereitelungen
  4. Gefährdung des Lebensbedarfs des Berechtigten

Ein bloßes „Nichtkönnen“ aufgrund fehlender finanzieller Mittel ist insoweit nicht strafbar. Allerdings ist der Verpflichtete zur Selbsthilfe und etwaigen Einkommensgenerierung verpflichtet.

Strafmaß und Rechtsfolgen

Die Verletzung der Unterhaltspflicht kann mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe geahndet werden. Bei Geringfügigkeit kann das Verfahren nach § 153 StPO eingestellt werden. Neben der strafrechtlichen Ahndung können Nebenfolgen, etwa die Eintragung in das Bundeszentralregister, entstehen.


Praktische Bedeutung und Verfahren

Durchsetzung des Unterhalts

Unterhaltsberechtigte Personen können nach erfolgloser außergerichtlicher Aufforderung ein gerichtliches Verfahren auf Feststellung und Vollstreckung ihrer Ansprüche einleiten. Ein vollstreckbarer Unterhaltstitel bildet die Grundlage für weitere Maßnahmen bis hin zur Zwangsvollstreckung.

Unterhaltsvorschuss und staatliche Hilfe

Insbesondere beim Kindesunterhalt übernimmt der Staat über das Unterhaltsvorschussgesetz die Zahlung, sofern der eigentlich Verpflichtete nicht leistet. Die gezahlten Beträge werden anschließend von diesem zurückgefordert.


Verteidigungsmöglichkeiten des Verpflichteten

Einwendungen gegen den Anspruch

Der Verpflichtete kann sich entlasten, wenn er nachweisen kann, dass er nicht leistungsfähig ist und alle zumutbaren Anstrengungen unternommen hat, seine Leistungsfähigkeit zu steigern. Relevant ist dabei auch die unverschuldete Arbeitslosigkeit oder Krankheit, die die Zahlungsfähigkeit beeinflusst.

Anpassungen und Abänderungsverfahren

Bei veränderten Lebensverhältnissen kann eine Anpassung des Unterhaltstitels über ein Abänderungsverfahren beim Familiengericht beantragt werden.


Verjährung und Rückwirkende Geltendmachung

Verjährungsfristen

Unterhaltsansprüche verjähren, wie alle zivilrechtlichen Geldforderungen, in der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB). Rückständiger Unterhalt kann grundsätzlich für drei Jahre zurückgefordert werden, laufender Unterhalt wird jedoch grundsätzlich mit jedem Monat erneut fällig.

Rückwirkende Durchsetzung

Unterhaltsansprüche können unter bestimmten Umständen auch rückwirkend geltend gemacht werden, insbesondere, wenn der Verpflichtete sich arglistig der Zahlung entzogen hat oder bereits in Verzug gesetzt wurde.


Internationale Unterhaltspflichtverletzung

Durch die Globalisierung kommt es immer häufiger zu grenzüberschreitenden Unterhaltsstreitigkeiten. Die internationale Durchsetzung erfolgt auf Grundlage des Haager Übereinkommens über die internationale Geltendmachung der Unterhaltsansprüche (HUÜ) und der europäischen Unterhaltsverordnung.


Relevanz im Sozialrecht und Steuerrecht

Eine Unterhaltspflichtverletzung kann Auswirkungen auf sozialrechtliche Ansprüche und steuerliche Absetzbarkeit von Unterhaltsleistungen haben. Bei Leistungsbezug wird das Nichtleisten des Unterhalts behördlich geprüft und kann zu weiteren Rückforderungen und Sanktionen führen.


Literatur und Weblinks

  • §§ 1601 ff., 1360 ff. BGB (Bürgerliches Gesetzbuch)
  • § 170 StGB (Strafgesetzbuch)
  • Unterhaltsvorschussgesetz (UVG)
  • Haager Übereinkommen über Unterhaltspflichten

Mit diesem umfangreichen Überblick liefert der Artikel einen tiefgehenden Einblick in den Begriff der Unterhaltspflichtverletzung, dessen rechtliche Dimensionen und die praktischen Folgen im deutschen Recht.

Häufig gestellte Fragen

Was sind die rechtlichen Konsequenzen bei einer Verletzung der Unterhaltspflicht?

Die Verletzung der Unterhaltspflicht kann sowohl zivilrechtliche als auch strafrechtliche Konsequenzen zur Folge haben. Zivilrechtlich kann der unterhaltsberechtigte Anspruch auf Zahlung des ausstehenden Unterhalts rückwirkend einklagen. Die Durchsetzung erfolgt gegebenenfalls durch die Einleitung eines gerichtlichen Mahnverfahrens oder einer Vollstreckung, beispielsweise durch Lohn- oder Kontopfändung. Strafrechtlich ist eine Unterhaltspflichtverletzung gemäß § 170 StGB (Strafgesetzbuch) strafbar, wenn der Unterhaltspflichtige sich seiner Leistung nachhaltig entzieht und dadurch den Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten gefährdet. Im Falle einer Strafverfolgung drohen Geldstrafen oder sogar Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren. Zudem können die Behörden das Einkommen und Vermögen des Pflichtigen offenlegen lassen und über Auskunftsverpflichtungen den Aufenthaltsort sowie kontoführende Banken ermitteln. Zu beachten ist darüber hinaus, dass strafrechtliche Verfahren unabhängig davon geführt werden können, ob zivilrechtlich bereits Unterhalt eingeklagt wurde.

Welche Voraussetzungen müssen für eine strafrechtliche Verfolgung nach § 170 StGB vorliegen?

Damit eine strafrechtliche Verfolgung wegen Unterhaltspflichtverletzung nach § 170 StGB eingeleitet werden kann, müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt sein: Zunächst muss eine gesetzliche Unterhaltspflicht bestehen, beispielsweise gegenüber Kindern, Eltern oder Ehegatten. Der Verpflichtete muss zur Leistung imstande sein, also über entsprechende finanzielle Mittel verfügen. Weiterhin muss die Unterhaltszahlung vorsätzlich unterlassen werden, das heißt, der Verpflichtete handelt absichtlich oder wissentlich. Schließlich ist erforderlich, dass durch das Unterlassen die Lebensbedürfnisse des Berechtigten gefährdet werden. Ist der Verpflichtete nachweislich nicht leistungsfähig, greift der Tatbestand des § 170 StGB in der Regel nicht. Die Anzeige kann von betroffenen Personen oder Ämtern gestellt werden, häufig nach wiederholtem Zahlungsverzug.

Inwieweit ist eine rückwirkende Geltendmachung von Unterhalt möglich?

Grundsätzlich kann Unterhalt in Deutschland gemäß § 1613 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) nur für die Zeit ab dem Zeitpunkt verlangt werden, in dem der Unterhaltsschuldner zur Auskunft über sein Einkommen oder zur Zahlung aufgefordert wurde. Eine rückwirkende Geltendmachung für davor liegende Zeiträume ist grundsätzlich ausgeschlossen, es sei denn, der Schuldner befand sich bereits in Verzug oder hat die Unterhaltsleistungen vorsätzlich nicht erbracht. In Ausnahmefällen, etwa wenn der Pflichtige seine Einkommensverhältnisse arglistig verschleiert hat, kann eine längere Rückwirkung gewährt werden. Es empfiehlt sich daher, Unterhaltsansprüche möglichst frühzeitig schriftlich geltend zu machen, um Rechte für die Vergangenheit zu sichern.

Wie kann der Unterhaltspflichtige gegen einen Unterhaltsanspruch vorgehen?

Der Unterhaltspflichtige hat verschiedene rechtliche Möglichkeiten, sich gegen einen geltend gemachten Unterhaltsanspruch zur Wehr zu setzen. Er kann Einwände gegen die Anspruchsberechtigung geltend machen, etwa wenn der Berechtigte bereits hinreichend eigenes Einkommen erzielt oder der Bedarf nicht belegt ist. Zudem ist es möglich, im Rahmen des sogenannten Mangelfalls eine Reduzierung des Unterhalts zu beantragen, wenn mehrere Unterhaltspflichten bestehen und die eigene wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht ausreicht. Überdies kann der Pflichtige auf die Herabsetzung des Unterhalts oder die sogenannte Stufenklage (Einrede mangelnder Leistungsfähigkeit) klagen. Jede Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse sollte zeitnah angezeigt werden, um eine Anpassung der Unterhaltsverpflichtung zu ermöglichen.

Welche Rolle spielen Jugendamt und Beistandschaft bei Unterhaltspflichtverletzungen?

Das Jugendamt nimmt bei Unterhaltspflichtverletzungen eine beratende und unterstützende Funktion für unterhaltsberechtigte Minderjährige beziehungsweise deren betreuenden Elternteil ein. Mit der Beantragung einer Beistandschaft kann das Jugendamt für das Kind tätig werden und den Unterhaltsanspruch sowohl außergerichtlich als auch gerichtlich geltend machen. Zudem besteht die Möglichkeit, einen Unterhaltsvorschuss gemäß Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) zu erhalten, der von der zuständigen Behörde gezahlt und im Anschluss beim Pflichtigen zurückgefordert wird. Das Jugendamt oder die Unterhaltsvorschusskasse können auch Ermittlungen hinsichtlich des Aufenthaltsortes und der wirtschaftlichen Lage des Schuldners einleiten und als Mittler im Kontakt mit Gerichten und Vollstreckungsbehörden fungieren.

Unter welchen Umständen verjährt der Anspruch auf Unterhalt?

Der zivilrechtliche Anspruch auf Unterhalt unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist gemäß § 197 BGB, die grundsätzlich drei Jahre beträgt. Die Frist beginnt mit dem Schluss desjenigen Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Für bereits titulierte Unterhaltsansprüche, also solche, die durch Urteil, Vergleich oder Jugendamtsurkunde festgestellt wurden, gilt nach § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB eine längere Verjährungsfrist von 30 Jahren. Es empfiehlt sich dringend, Unterhaltsansprüche frühzeitig geltend zu machen oder titulieren zu lassen, um den Verlust der Zahlungsansprüche durch Verjährung zu vermeiden.

Welche Möglichkeiten der Vollstreckung bestehen bei Unterhaltspflichtverletzung?

Kommt der Unterhaltspflichtige seiner Zahlungsverpflichtung nicht nach, stehen dem Unterhaltsberechtigten verschiedene Zwangsvollstreckungsmaßnahmen offen. Dazu zählen insbesondere die Lohnpfändung (§ 850 ZPO), die Kontopfändung sowie die Vermögensauskunft (früher eidesstattliche Versicherung). Bei fortgesetzter Pflichtverletzung kann gegebenenfalls auch die Verhängung von Ordnungsgeld oder Ordnungshaft durch das Vollstreckungsgericht erfolgen. Daneben besteht die Möglichkeit, Antrag auf Erzwingungshaft zu stellen, um den Pflichtigen zur Auskunft über seine Einkünfte und Vermögensverhältnisse zu zwingen. Sind alle Maßnahmen erfolglos, können Sozialbehörden einspringen und ihrerseits Rückgriff auf den Pflichtigen nehmen.