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Unterhaltspflichtverletzung

Unterhaltspflichtverletzung – Bedeutung und rechtlicher Rahmen

Unterhaltspflichtverletzung bezeichnet das Nicht- oder Zu-wenig-Leisten geschuldeter Unterhaltszahlungen gegenüber einer unterhaltsberechtigten Person, obwohl eine rechtliche Pflicht zur Unterhaltsgewährung besteht. Der Begriff umfasst sowohl die rein zivilrechtliche Pflichtverletzung (Verstoß gegen geschuldete Zahlungen) als auch Konstellationen, in denen das Verhalten strafbar sein kann. Unterhalt dient der Sicherung des notwendigen Lebensbedarfs und umfasst je nach Fallgruppe Geld- oder Naturalleistungen.

Begriff und Abgrenzung

Eine Unterhaltspflicht besteht, wenn eine gesetzliche oder vertragliche Grundlage den Unterhalt regelt und die berechtigte Person bedürftig sowie die verpflichtete Person leistungsfähig ist. Eine Pflichtverletzung liegt vor, wenn trotz geschuldeter Leistung nicht oder nicht vollständig gezahlt wird und keine rechtlich anerkannten Gründe für das Ausbleiben der Zahlung vorliegen. Die bloße Verzögerung kann ebenfalls als Pflichtverletzung eingestuft werden, insbesondere wenn Fälligkeitstermine überschritten werden.

Typische Konstellationen

  • Kindesunterhalt (Barunterhalt für minderjährige oder privilegierte volljährige Kinder)
  • Trennungsunterhalt und nachehelicher Unterhalt zwischen Ehegatten
  • Unterhalt zwischen nicht verheirateten Elternteilen
  • Verwandtenunterhalt (z. B. Elternunterhalt unter bestimmten Voraussetzungen)

Voraussetzungen der Unterhaltspflicht

Bedürftigkeit

Bedürftig ist, wer den eigenen notwendigen Lebensbedarf nicht selbst decken kann. Bei Kindern wird Bedürftigkeit regelmäßig vermutet. Bei Erwachsenen kommt es unter anderem auf Erwerbsobliegenheiten, vorhandene Einkünfte, Vermögen und zumutbare Eigenbemühungen an.

Leistungsfähigkeit und Eigenbedarf

Leistungsfähig ist, wer nach Abzug eines angemessenen Eigenbedarfs (Selbstbehalt) über Mittel verfügt, um Unterhalt zu leisten. Zum Einkommen zählen Löhne, Gehälter, Gewinne aus selbstständiger Tätigkeit, Kapitaleinkünfte und geldwerte Vorteile. In bestimmten Fällen können auch fiktive Einkünfte berücksichtigt werden, wenn zumutbare Erwerbsbemühungen unterlassen werden.

Rangfolge der Ansprüche

Unterhaltsansprüche stehen in einer gesetzlich vorgegebenen Rangfolge. Ansprüche minderjähriger und ihnen gleichgestellter Kinder genießen besonders hohen Schutz. Bei begrenzter Leistungsfähigkeit werden Ansprüche nach dieser Rangfolge anteilig bedient.

Wann liegt eine Pflichtverletzung vor?

Objektive Seite

Eine Pflichtverletzung ist gegeben, wenn eine bestehende Unterhaltspflicht nicht erfüllt wird, obwohl die Verpflichtung fällig ist und die leistungsfähige Person die Zahlung unterlässt. Auch das systematische Unterschreiten des geschuldeten Betrages kann eine Pflichtverletzung darstellen.

Subjektive Seite

Für die Bewertung des Verhaltens ist bedeutsam, ob bewusst und gewollt nicht gezahlt wird oder ob Umstände vorliegen, die die Zahlung vorübergehend verhindern. Vorsätzliches Vereiteln der Leistungsfähigkeit (z. B. Verschweigen von Einkünften, unangemessene Reduktion der Erwerbstätigkeit) kann rechtlich besonders gewichtet werden.

Abgrenzung zur bloßen Zahlungsunfähigkeit

Fehlt es an tatsächlicher Leistungsfähigkeit, liegt regelmäßig keine vorwerfbare Pflichtverletzung vor. Nichtleistung trotz Zahlungsfähigkeit, insbesondere bei Gefährdung des notwendigen Lebensbedarfs der berechtigten Person, wird hingegen streng bewertet und kann unter Umständen strafbar sein.

Zivilrechtliche Folgen einer Unterhaltspflichtverletzung

Rückstände und Verzinsung

Ausbleibende Zahlungen führen zu Unterhaltsrückständen. Diese sind grundsätzlich nachzahlbar und können – je nach Konstellation – verzinst werden. Eine rückwirkende Geltendmachung ist nur in einem begrenzten Rahmen möglich, etwa ab Inverzugsetzung oder ab dem Zeitpunkt, zu dem Auskunft verlangt wurde.

Durchsetzung und Vollstreckung

Unterhaltsansprüche werden häufig durch Vereinbarungen oder gerichtliche Entscheidungen gesichert. Liegt ein vollstreckbarer Titel vor, kommen Maßnahmen wie Lohn- und Kontopfändung, Pfändung beweglicher Sachen, Eintragungen in Schuldnerverzeichnisse sowie Auskunftsansprüche gegen Dritte in Betracht.

Auskunfts- und Belegpflicht

Zur Feststellung der Höhe des Unterhalts besteht eine Pflicht zur Auskunft über Einkünfte und Vermögen sowie zur Vorlage von Belegen. Die Verweigerung kann zur Schätzung der Leistungsfähigkeit und zu nachteiligen Folgen in der Anspruchsbewertung führen.

Fiktives Einkommen

Unterbleiben zumutbare Erwerbsbemühungen oder wird die eigene Leistungsfähigkeit ohne sachlichen Grund reduziert, können fiktive Einkünfte angesetzt werden. Maßstab sind dabei Qualifikation, Arbeitsmarktlage und bisherige Erwerbsbiografie.

Strafrechtliche Dimension

Voraussetzungen der Strafbarkeit

Strafbar kann die Nichtleistung sein, wenn trotz Leistungsfähigkeit der geschuldete Unterhalt nicht gezahlt wird und dadurch der notwendige Lebensbedarf des Berechtigten nicht gedeckt ist oder öffentliche Stellen eintreten müssen. Erforderlich ist in der Regel vorsätzliches Verhalten.

Rechtsfolgen

Als Sanktion kommen Geldstrafe oder Freiheitsstrafe in Betracht. Auch Nebenfolgen wie Eintragungen in Register und Kostenfolgen des Verfahrens sind möglich. Die Strafverfolgung richtet sich nach den allgemeinen Regeln, einschließlich der Verjährung.

Besonderheiten

Im Zuge eines Strafverfahrens werden häufig die wirtschaftlichen Verhältnisse, Erwerbsbemühungen und etwaige Gründe für Leistungsstörungen umfassend geprüft. Eine nachträgliche Zahlung kann sich auf die Bewertung auswirken.

Öffentlich-rechtliche Aspekte

Werden Leistungen durch öffentliche Stellen erbracht (z. B. Vorschüsse oder Sozialleistungen), kann der Staat auf den Unterhaltspflichtigen übergehen und Rückgriff nehmen. Hieraus ergeben sich Auskunfts- und Erstattungsansprüche sowie Möglichkeiten der Verwaltungsdurchsetzung.

Besondere Konstellationen

Selbstständigkeit und unregelmäßige Einkünfte

Bei schwankenden Einkünften erfolgt die Bemessung anhand repräsentativer Zeiträume. Betriebsausgaben, Abschreibungen und Entnahmen werden berücksichtigt. Unangemessene Gestaltungen zulasten der Unterhaltsberechtigten können korrigiert werden.

Arbeitslosigkeit und Ausbildungsphasen

Arbeitslosigkeit schließt Leistungsfähigkeit nicht automatisch aus. Es kommt auf verfügbare Mittel, Unterstützungsleistungen und zumutbare Bemühungen an. In Ausbildungsphasen sind Besonderheiten des Bedarfes und der Eigenverantwortung zu beachten.

Neue Partnerschaften und weitere Kinder

Neue Unterhaltspflichten können die Verteilungsmasse beeinflussen. Die Rangfolge und der Eigenbedarf sorgen für eine rechtliche Gewichtung zwischen bestehenden und neuen Verpflichtungen.

Auslandsbezug und grenzüberschreitende Vollstreckung

Unterhalt kann grenzüberschreitend geltend gemacht und vollstreckt werden. Internationale Abkommen und europäische Regelungen erleichtern Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen und Titel.

Zeitliche Aspekte

Entstehung, Fälligkeit, Rückwirkung

Unterhalt entsteht mit Vorliegen der gesetzlichen oder vertraglichen Voraussetzungen und wird regelmäßig monatlich fällig. Rückwirkende Forderungen sind nur in eingeschränktem Umfang möglich, insbesondere ab dem Zeitpunkt einer qualifizierten Geltendmachung.

Verjährung

Unterhaltsrückstände verjähren nach den gesetzlich vorgesehenen Fristen. Für laufenden Unterhalt und titulierte Ansprüche gelten unterschiedliche Fristen. Die Strafverfolgung unterliegt der Verfolgungsverjährung nach den allgemeinen Regeln.

Häufig gestellte Fragen

Was gilt als Unterhaltspflichtverletzung?

Als Unterhaltspflichtverletzung gilt das Nicht- oder Zu-wenig-Leisten geschuldeter Unterhaltszahlungen trotz bestehender Pflicht und Leistungsfähigkeit. Entscheidend ist, dass fällige Zahlungen ausbleiben und dadurch der notwendige Lebensbedarf gefährdet sein kann.

Ist fehlende Zahlungsfähigkeit ein Entschuldigungsgrund?

Fehlt es tatsächlich an Leistungsfähigkeit, liegt in der Regel keine vorwerfbare Pflichtverletzung vor. Maßgeblich ist, ob Mittel verfügbar sind oder zumutbare Erwerbsbemühungen unterlassen wurden. Vorsätzliche Verringerung der Leistungsfähigkeit kann nachteilig gewertet werden.

Wann kann eine Unterhaltspflichtverletzung strafbar sein?

Strafbarkeit kommt in Betracht, wenn trotz Leistungsfähigkeit nicht gezahlt wird und dadurch der notwendige Lebensbedarf der berechtigten Person nicht gedeckt ist oder öffentliche Stellen einspringen. In der Regel ist vorsätzliches Verhalten erforderlich.

Wie wird die Leistungsfähigkeit ermittelt?

Die Leistungsfähigkeit ergibt sich aus Einkünften, Vermögen und zumutbaren Erwerbsmöglichkeiten abzüglich eines angemessenen Eigenbedarfs. Unregelmäßige Einkünfte werden über repräsentative Zeiträume betrachtet; unterlassene zumutbare Erwerbsbemühungen können durch fiktive Einkünfte berücksichtigt werden.

Was passiert bei Unterhaltsrückständen?

Rückstände können gefordert und vollstreckt werden. Je nach Konstellation fallen Zinsen an. Liegt ein vollstreckbarer Titel vor, sind Maßnahmen wie Lohn- und Kontopfändung möglich; zudem bestehen Auskunftsrechte zur Ermittlung von Einkommens- und Vermögensverhältnissen.

Verjähren Unterhaltsansprüche und die Ahndung von Pflichtverletzungen?

Ja. Zivilrechtliche Unterhaltsrückstände verjähren nach festgelegten Fristen, die sich für laufenden und titulierten Unterhalt unterscheiden. Auch die Ahndung einer strafbaren Pflichtverletzung unterliegt der Verjährung nach den allgemeinen Regeln.

Welche Bedeutung hat ein Unterhaltstitel?

Ein Unterhaltstitel fixiert den Anspruch dem Grunde und der Höhe nach und ermöglicht die Zwangsvollstreckung ohne erneute gerichtliche Prüfung. Er kann auf Vereinbarungen oder gerichtlichen Entscheidungen beruhen und entfaltet Bindungswirkung, bis er abgeändert wird.

Welche Regeln gelten bei Wohnsitz im Ausland?

Unterhaltsansprüche können grenzüberschreitend geltend gemacht und vollstreckt werden. Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen sind über internationale und europäische Mechanismen möglich; zuständig sind hierfür vorgesehene innerstaatliche Stellen.