Telefonische und telegrafische Übermittlung von Willenserklärungen
Die telefonische und telegrafische Übermittlung von Willenserklärungen ist ein bedeutender Teilbereich des Schuldrechts und Vertragsrechts. Sie betrifft die Frage, wie Willenserklärungen – als Grundlage vertraglicher Bindungen – wirksam und rechtsverbindlich übermittelt werden können, wenn diese nicht im unmittelbaren persönlichen Kontakt, sondern über technische Kommunikationsmittel erfolgen. Im Folgenden werden die rechtlichen Aspekte dieser Übermittlungsarten detailliert dargestellt.
Grundbegriffe: Willenserklärung und Übermittlungswege
Willenserklärung im Zivilrecht
Eine Willenserklärung ist die auf einen rechtlichen Erfolg gerichtete Äußerung eines Willens. Sie ist notwendige Voraussetzung für die Entstehung von Schuldverhältnissen, insbesondere bei Vertragsabschlüssen (§§ 104 ff. BGB). Die Wirksamkeit einer Willenserklärung hängt von ihrem Zugang, Inhalt sowie davon ab, dass sie einem Erklärungsempfänger ordnungsgemäß übermittelt wird.
Formen der Übermittlung
Willenserklärungen können auf verschiedenen Wegen übermittelt werden: persönlich (mündlich oder schriftlich), schriftlich auf dem Postweg, aber auch durch Fernkommunikationsmittel. Zu den klassischen Fernkommunikationsmitteln zählen das Telefon und – historisch – das Telegramm. Während das Telegramm heute weitgehend durch elektronische Kommunikationsmittel ersetzt ist, spielt die telefonische Übermittlung weiterhin eine erhebliche Rolle.
Telefonische Übermittlung von Willenserklärungen
Rechtsnatur der telefonischen Erklärung
Die telefonische Übermittlung einer Willenserklärung wird nach vorherrschender Auffassung im deutschen Recht als unmittelbare mündliche Erklärung gegenüber einem Anwesenden angesehen, sofern eine Zwei-Wege-Kommunikation – und damit eine unmittelbare Verständigung – möglich ist.
Die Willenserklärung gilt in dem Moment als zugegangen, in dem sie dem Empfänger zur Kenntnis gelangt bzw. so in dessen Machtbereich gelangt, dass er unter gewöhnlichen Umständen von ihr Kenntnis nehmen kann (§ 130 Abs. 1 BGB).
Zugang der Erklärung
Beim Telefongespräch geht die Willenserklärung grundsätzlich in dem Moment zu, in dem der Empfänger sie wahrnehmen kann, das heißt bei erfolgreicher Übermittlung während des Gesprächsverlaufs. Eine gesprochene Nachricht auf einem Anrufbeantworter oder einer Mailbox wird dem Empfänger dann zugehen, wenn sie in seinem Herrschaftsbereich verfügbar ist und mit einer Kenntnisnahme nach dem üblichen Verlauf des Geschäfts gerechnet werden kann.
Besonderheiten und Risiken
Telefonische Übermittlungen können mit Verständnisproblemen, Übertragungsfehlern oder Störungen einhergehen. Im Zweifel trägt der Erklärende das Risiko, dass seine Erklärung den Empfänger erreicht und verstanden wird. Missverständnisse gehen dabei zulasten des Absenders.
Telegrafische Übermittlung (Telegramm)
Historische Einordnung und Bedeutung
Das Telegramm war insbesondere im 19. und 20. Jahrhundert eine gängige Möglichkeit, Willenserklärungen über größere Entfernungen schnell und verbindlich zu übermitteln. Auch heute kann das Telegramm als Kommunikationsform rechtlich noch Bedeutung entfalten, wenngleich elektronische Mittel diese Funktion weitgehend übernommen haben.
Zugang der telegrafischen Erklärung
Eine telegrafische Willenserklärung wird als empfangsbedürftige Willenserklärung betrachtet. Der Zugang erfolgt mit dem Zugang der Mitteilung beim Empfangsort, also in der Regel mit der Aushändigung des Telegramms an den Empfänger oder seinen Empfangsboten. Maßgeblich ist, dass der Empfänger unter gewöhnlichen Umständen die Möglichkeit zur Kenntnisnahme hat.
Übermittlungsrisiko und Erklärungsirrtum
Wird die Übermittlung durch Vermittlungsdienste wie die Post oder das Telegrafenamt übernommen, gilt die Erklärung als abgegeben, wenn sie ausdrücklich dem Übermittler übergeben wurde. Das Risiko für Übermittlungsfehler trägt grundsätzlich der Erklärende (§ 120 BGB – Anfechtung wegen Übermittlungsirrtums). Wird eine Erklärung auf dem Übermittlungsweg verfälscht, kann diese daher angefochten werden.
Rechtsfragen und praktische Aspekte
Stellvertretung und Botenschaft
Telefonisch oder telegrafisch übermittelte Willenserklärungen werden häufig durch Stellvertreter oder Boten abgegeben. Der Vertreter muss dabei im gesetzlichen Rahmen handeln und sich im Rahmen seiner Vertretungsmacht bewegen (§§ 164 ff. BGB). Während der Vertreter im eigenen Namen Erklärungen abgibt, übermittelt der Bote eine fremde Willenserklärung rein mechanisch weiter.
Das rechtliche Risiko ist dabei unterschiedlich verteilt: Bei einer Botenerklärung wird die Willenserklärung des eigentlichen Absenders zum Zeitpunkt des Zugangs beim Empfänger wirksam, während bei einer Vertretung die Erklärung als eigene des Vertreters erfolgt.
Schriftformerfordernis und Formerfordernisse
Auch bei telefonischer oder telegrafischer Übermittlung ist zu beachten, ob für das jeweilige Rechtsgeschäft besondere Formvorschriften gelten (etwa Schriftform nach § 126 BGB oder notarielle Beurkundung). Ist zwingend Schriftform vorgesehen, genügt eine telefonische oder telegrafische Übermittlung in der Regel nicht.
Beweisproblematik
Die Beweisführung über Inhalt, Zugang und Zeitpunkt der Willenserklärung ist bei telefonischer oder telegrafischer Übermittlung oftmals erschwert. Im Rahmen von Streitigkeiten trägt derjenige die Beweislast, der sich auf Zugang und Inhalt beruft. Bestätigungen, Mitschriften oder Zeugen können den Nachweis erleichtern.
Zusammenfassung und rechtliche Einordnung
Die telefonische und telegrafische Übermittlung von Willenserklärungen stellt einen wichtigen Bereich des Alltags-, Wirtschafts- und Zivilrechts dar. Auch wenn elektronische Kommunikationsmittel heute weitaus häufiger anzutreffen sind, gelten für neue und klassische Fernübertragungen vergleichbare Grundsätze hinsichtlich Zugang, Erklärung und Übermittlungsrisiko. Die sorgfältige Beachtung der einschlägigen Regeln ist für die rechtliche Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit von Willenserklärungen von zentraler Bedeutung.
Häufig gestellte Fragen
Wann gilt eine telefonisch übermittelte Willenserklärung als zugegangen?
Eine telefonisch übermittelte Willenserklärung gilt grundsätzlich als zugegangen, sobald sie so in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass unter normalen Umständen mit der Kenntnisnahme gerechnet werden kann. Im Fall eines Telefonats wird der Zugang der Erklärung typischerweise in dem Moment angenommen, in dem die Mitteilung dem Gesprächspartner gegenüber geäußert wird und dieser sie akustisch vernehmen kann. Es ist nicht erforderlich, dass der Empfänger den Inhalt rechtlich oder tatsächlich versteht – ausreichend ist die objektive Möglichkeit zur Kenntnisnahme. Sollte die Verbindung unerwartet abbrechen, ohne dass der Empfänger die Erklärung vollständig hören konnte, liegt kein wirksamer Zugang vor. Besonderheiten ergeben sich, wenn Dritte, etwa Sekretäre oder Familienangehörige, das Telefonat entgegennehmen; hier kommt es darauf an, ob und inwieweit sie als Empfangsboten oder Erklärungsboten betrachtet werden.
Hat ein Übermittlungsfehler bei telefonischer Erklärung Rechtsfolgen?
Tritt bei der telefonischen Übermittlung ein Übermittlungsfehler ein, trägt grundsätzlich der Erklärende das Risiko, dass seine Erklärung richtig und vollständig übermittelt wird. Wird die Willenserklärung durch einen Boten telefonisch übermittelt, gelten für den Erklärungsboten und Empfangsboten unterschiedliche Grundsätze: Beim Erklärungsboten wird die fehlerhafte Übermittlung dem Erklärenden zugerechnet, sodass die falsch übermittelte Erklärung als abgegeben gilt, was unter Umständen zu Anfechtungsrechten führen kann. Beim Empfangsboten gilt die Erklärung jedoch nur als zugegangen, wenn sie ihm tatsächlich zugeht. Eine unvollständige oder verfälschte Übermittlung kann zur Unwirksamkeit oder Anfechtbarkeit führen.
Ist eine telefonisch abgegebene Willenserklärung formbedürftig oder formfrei?
Eine telefonisch abgegebene Willenserklärung ist im deutschen Zivilrecht grundsätzlich formfrei, es sei denn, das Gesetz schreibt eine bestimmte Form (z.B. Schriftform, notarielle Beurkundung) zwingend vor (§ 125 BGB). Für Verträge, die der Schriftform unterliegen – wie etwa bestimmte Grundstücksgeschäfte -, reicht eine mündliche (auch telefonische) Willenserklärung nicht aus. Besteht jedoch keine Formvorschrift, ist die telefonische Erklärung wirksam und rechtlich bindend.
Kann die Identität des Anrufers problematisch werden?
Die eindeutige Feststellung der Identität des Anrufers kann insbesondere bei telefonischer Übermittlung von Willenserklärungen problematisch sein. Rechtlich trägt derjenige, der sich auf die Willenserklärung beruft, das Risiko, die Identität des Gesprächspartners gegebenenfalls nachweisen zu müssen. Werden Willenserklärungen mit erheblichem rechtlichen Gewicht telefonisch abgegeben, besteht daher ein erhöhtes Risiko von Identitätsverwechslungen oder Personenverwechslungen. Dies kann insbesondere bei Betrugsfällen oder Streitigkeiten über die Abgabe einer Erklärung relevant werden. Daher empfiehlt sich in wichtigen Angelegenheiten, die Identität zusätzlich zu dokumentieren oder andere Kommunikationswege zu wählen.
Wie ist die Beweisführung bei Streitigkeiten über den Inhalt der telefonischen Erklärung geregelt?
Im Streitfall trägt derjenige, der sich auf eine bestimmte Willenserklärung beruft, die Beweislast für deren Zugang und Inhalt. Da bei einer bloßen telefonischen Übermittlung keine schriftlichen Unterlagen entstehen, ist der Nachweis oftmals erschwert. Parteien bedienen sich daher oft Zeugen (etwa anwesende Dritte während des Telefonats) oder modernen technischen Hilfsmitteln (z.B. Mitschnitt, soweit rechtlich zulässig), um Inhalt und Zugang belegen zu können. Dies ist insbesondere relevant, falls eine Partei den Inhalt der Erklärung bestreitet oder behauptet, es sei etwas anderes erklärt worden („Aussage gegen Aussage“-Situation).
Gibt es Besonderheiten bei der telegrafischen Übermittlung von Willenserklärungen?
Willenserklärungen können auch durch Fernkommunikationsmittel wie Telegramm, Telefax oder – historisch – Telegraf übermittelt werden. Maßgeblich ist, dass die Erklärung dem Empfänger oder seinem Empfangsboten tatsächlich zugeht. Das Risiko einer falschen oder verspäteten Übermittlung trägt grundsätzlich der Erklärende, es sei denn, die Übermittlungsperson ist Empfangsbotin. Bei einer Fehlübermittlung durch die Übertragungsanstalt (etwa ein Übermittlungsfehler beim Telegrafendienst) wird dem Erklärenden der übermittelte Inhalt zugerechnet, mit der Folge, dass, sofern der Erklärende nicht das tatsächlich Gewollte erklärt hat, ein Anfechtungsrecht nach § 120 BGB in Betracht kommt.
Welche Rolle spielen Empfangs- und Erklärungsboten bei der telefonischen bzw. telegrafischen Übermittlung?
Bei der Übermittlung durch Boten unterscheiden sich Empfangs- und Erklärungsboten rechtlich erheblich: Der Erklärungsbote handelt im Machtbereich des Erklärenden und überbringt dessen Willenserklärung an den Empfänger. Fehler bei der Übermittlung werden dem Erklärenden zugerechnet. Der Empfangsbote hingegen nimmt die Erklärung für den Empfänger entgegen; hier gilt die Erklärung als zugegangen, sobald sie dem Empfangsboten zugeht, wobei eine ordnungsgemäße Weiterleitung als wahrscheinlich gilt. Die Zuordnung, ob jemand Empfangs- oder Erklärungsbote ist, kann im Einzelfall maßgeblich für Fragen des Zugangs und des Inhalts der Erklärung sein.
Welche Bedeutung hat die Uhrzeit bei der telefonischen bzw. telegrafischen Übermittlung von Willenserklärungen?
Die Uhrzeit des Zugangs kann insbesondere für Fristwahrungen oder für das Wirksamwerden von Willenserklärungen entscheidend sein. Bei der telefonischen Übermittlung gilt der Zugang mit der Kenntnismöglichkeit durch den Empfänger – also wenn das Gespräch stattfindet. Bei telegrafischen oder sonstigen elektronischen Übermittlungen ist auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem die Erklärung im Machtbereich des Empfängers eingeht, also z.B. beim Einwurf im Briefkasten oder Abruf auf dem Faxgerät. Ist die Willenserklärung außerhalb der üblichen Geschäftszeiten eingegangen, beginnt der Lauf von Fristen grundsätzlich mit dem nächsten Werktag.