Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Agrarrecht»Teilnehmergemeinschaft

Teilnehmergemeinschaft


Begriff und Legaldefinition der Teilnehmergemeinschaft

Die Teilnehmergemeinschaft ist ein in Deutschland rechtlich fundiertes Organisationsmodell, das insbesondere im Zusammenhang mit dem Flurbereinigungsrecht, dem Bodenordnungsrecht und weiteren Bereichen des öffentlichen Rechts steht. Sie nimmt als Zusammenschluss bestimmter Grundstückseigentümer oder Nutzungsberechtigter an gemeinschaftlichen Verfahren im Rahmen von Maßnahmen der Bodenordnung oder gemeinschaftlichen Vorhaben eine zentrale Rolle ein. Die rechtliche Ausgestaltung, Aufgaben, Rechte und Pflichten der Teilnehmergemeinschaften sind primär im Flurbereinigungsgesetz (FlurbG) sowie ergänzend in weiteren öffentlich-rechtlichen Normen geregelt.

Rechtliche Grundlagen

Flurbereinigungsgesetz (FlurbG) als Kernregelungswerk

Die rechtliche Grundlage für Teilnehmergemeinschaften bildet das Flurbereinigungsgesetz. Gemäß § 16 FlurbG entsteht eine Teilnehmergemeinschaft kraft Gesetzes mit Bekanntgabe der Anordnung des Flurbereinigungsverfahrens. Die Mitgliedschaft in der Teilnehmergemeinschaft ist für alle Teilnehmer verpflichtend und nicht abdingbar. Teilnehmer im Sinne des § 10 FlurbG sind vor allem die Eigentümer und Erbbauberechtigten der zum Verfahrensgebiet gehörenden Grundstücke.

Weitere Rechtsquellen

Ergänzend zum Flurbereinigungsgesetz findet das Sachenrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) sowie verwaltungsverfahrensrechtliche Vorschriften Anwendung, insbesondere bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums und der Durchsetzung von Entscheidungen.

Rechtsnatur und Rechtsform

Körperschaft des öffentlichen Rechts

Die Teilnehmergemeinschaft stellt gemäß § 16 FlurbG eine Körperschaft des öffentlichen Rechts dar. Sie ist mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet, kann somit Träger von Rechten und Pflichten sein, im eigenen Namen klagen, verklagt werden und Verträge schließen. Ihr Sitz ist jeweils am Ort der Flurbereinigung oder eines sonstigen gemeinschaftlichen Unternehmens.

Aufgaben der Teilnehmergemeinschaft

Die zentrale Aufgabe der Teilnehmergemeinschaft liegt darin, gemeinschaftlich Angelegenheiten der Flurbereinigung beziehungsweise des jeweiligen Zusammenlegungs- oder Bodenordnungsverfahrens wahrzunehmen. Dazu zählen insbesondere:

  • Durchführung gemeinschaftlicher Anlagen oder Maßnahmen (z. B. Wege, Gewässer, landschaftspflegerische Maßnahmen)
  • Verwaltung und Unterhaltung gemeinsamer Einrichtungen
  • Wahrnehmung der Interessen der Teilnehmer gegenüber Behörden und Dritten
  • Verwaltung und Verwendung von Finanzmitteln, in der Regel durch Umlage auf die Mitglieder

Organisation und Willensbildung

Organe der Teilnehmergemeinschaft

Die Organe der Teilnehmergemeinschaft werden in § 21 FlurbG geregelt und sind im Wesentlichen:

  • Vorstand: Der Vorstand ist für die laufende Geschäftsführung sowie die Vertretung der Teilnehmergemeinschaft nach außen zuständig. Mitglieder werden von der Teilnehmergemeinschaft gewählt und durch die Flurbereinigungsbehörde bestätigt.
  • Teilnehmerversammlung: Höchstes Beschlussorgan der Teilnehmergemeinschaft, das alle maßgeblichen Entscheidungen, insbesondere über das Budget, Satzungen und Beiträge, trifft.

Weitere organisatorische Details, darunter die Amtsdauer des Vorstands, Verfahrensregelungen zur Einberufung und Abstimmung, werden durch die Satzung der jeweiligen Teilnehmergemeinschaft geregelt, deren Erlass und Änderung dem Gesetz entspricht und von der Aufsichtsbehörde genehmigt werden muss.

Aufgabenverteilung und Finanzierung

Die Finanzierung der Aufgaben erfolgt über Beiträge und Umlagen, die von den Mitgliedern, also den Teilnehmern, erhoben werden. Die Kostenverteilung erfolgt nach dem Maßstab der Vorteilslage, also nach dem Nutzen, den das jeweilige Mitglied aus der Maßnahme zieht. Die Teilnehmergemeinschaft kann zur Finanzierung Darlehen aufnehmen oder öffentliche Fördermittel beantragen.

Rechte und Pflichten der Teilnehmer

Mitgliedschaft und Mitwirkungsrechte

Jeder Teilnehmer ist kraft Gesetzes Mitglied und kann nicht freiwillig austreten solange das Flurbereinigungsverfahren andauert. Mit der Mitgliedschaft sind Stimmrechte in der Versammlung sowie das Recht verbunden, an der Willensbildung mitzuwirken. Das Stimmrecht kann nach Flächenanteil, Beitragshöhe oder Kopfprinzip erfolgen – dies regelt die jeweilige Satzung.

Beitragspflicht und weitere Obliegenheiten

Die Teilnehmer sind verpflichtet, Beiträge zu leisten, um die gemeinschaftlichen Maßnahmen zu finanzieren. Weiterhin besteht die Pflicht zur Duldung von Maßnahmen und zur Mitwirkung im Verfahren. Rechtsmittel gegen Beschlüsse der Teilnehmergemeinschaft wie auch der Aufsichtsbehörde sind möglich und rechtsförmlich ausgestaltet.

Beendigung und Nachhaftung

Die Teilnehmergemeinschaft besteht mindestens bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens fort. Nach Abschluss der Bodenordnungsmaßnahme erfolgt die Aufhebung durch Entscheidung der Flurbereinigungsbehörde. Im Anschluss daran haftet die Teilnehmergemeinschaft noch für nachträglich entstehende Verpflichtungen im Rahmen der sogenannten Nachhaftung.

Abgrenzung zu anderen Gemeinschaftsformen

Während die Teilnehmergemeinschaft im Rahmen von Flurbereinigungsverfahren gesetzlich vorgeschrieben ist, existieren daneben weitere Formen von Grundstücksnutzervereinigungen, etwa Realverbände, Wasser- und Bodenverbände oder Eigentümergemeinschaften nach § 18 WEG. Die Teilnehmergemeinschaft unterscheidet sich durch ihre zwangsweise Bildung, den öffentlichen Charakter und ihre spezifischen Aufgaben.

Bedeutung in der Praxis

Teilnehmergemeinschaften sind konstitutiv für die erfolgreiche Umsetzung großräumiger Bodenreformen und -ordnungen, Umstrukturierungen im ländlichen Raum sowie für den Bau und die Unterhaltung gemeinsamer Infrastrukturen. Sie tragen wesentlich zur gemeinsamen Interessenwahrnehmung, effizienten Ressourcenverwendung und nachhaltigen Entwicklung des ländlichen Raums bei.

Literatur und weiterführende Hinweise

  • Flurbereinigungsgesetz (FlurbG)
  • Landentwicklungshandbuch des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft
  • Kommentarliteratur zum FlurbG und Verwaltungsrecht

Hinweis: Dieser Artikel gibt einen strukturierten und rechtlich fundierten Überblick über den Begriff der Teilnehmergemeinschaft, einschließlich ihrer Entstehung, Rechtsform, Aufgaben, Organisation und Bedeutung im Kontext des deutschen Bodenordnungsrechts.

Häufig gestellte Fragen

Welche Aufgaben und Befugnisse hat die Teilnehmergemeinschaft im Rahmen des Flurbereinigungsverfahrens?

Die Teilnehmergemeinschaft übernimmt im Flurbereinigungsverfahren eine zentrale Rolle, da sie als Körperschaft des öffentlichen Rechts die Vertretung und Wahrnehmung der Interessen aller Beteiligten übernimmt, insbesondere der Grundeigentümer und sonstiger Nutzungsberechtigten in dem betreffenden Flurbereinigungsgebiet. Ihre gesetzliche Grundlage findet sich in den §§ 16 ff. Flurbereinigungsgesetz (FlurbG). Zu ihren Aufgaben gehört vornehmlich die Durchführung und Finanzabwicklung sämtlicher gemeinschaftlichen Maßnahmen, die für die Neuordnung und Verbesserung der agrarstrukturellen Verhältnisse erforderlich sind. Sie kann dabei Grundstücke erwerben, tauschen oder veräußern, gemeinschaftliche Anlagen errichten und unterhalten, Beiträge erheben sowie Fördermittel beantragen und verwalten. Die Teilnehmergemeinschaft ist zudem für die Herstellung, Erhaltung und Bewirtschaftung der gemeinschaftlichen und öffentlichen Anlagen (z. B. Wege, Gräben, Rückhaltebecken) zuständig und trägt dafür die Verkehrssicherungspflicht. Sie kann, um ihre Aufgaben zu erfüllen, privatrechtliche Verträge abschließen, öffentliche Ausschreibungen durchführen sowie im eigenen Namen klagen und verklagt werden. Ihr obliegen weiterhin die Verteilung der mit dem Verfahren verbundenen Kosten auf die Teilnehmer nach dem Gesetz und dem jeweiligen Flurbereinigungsplan.

Wie ist die Teilnehmergemeinschaft organisiert und wie werden Entscheidungen getroffen?

Die innere Organisation der Teilnehmergemeinschaft lässt sich mit der einer Körperschaft vergleichen. Sie besteht aus der Teilnehmergemeinschaftsversammlung, dem Vorstand und typischerweise einer Geschäftsführung. Die Teilnehmergemeinschaftsversammlung ist das höchste Organ und fasst grundlegende Beschlüsse (zum Beispiel zur Wahl des Vorstandes, zur Zustimmung zu umfangreichen Bau- oder Investitionsmaßnahmen oder zur Änderung der Satzung). Die Stimmberechtigung richtet sich nach der jeweiligen Fläche beziehungsweise dem Beteiligungswert eines jeden rechtlich Teilnehmenden. Der Vorstand wird durch die Teilnehmergemeinschaftsversammlung gewählt und ist für die laufenden Geschäfte, die Durchführung der Beschlüsse und die Vertretung der Teilnehmergemeinschaft nach außen verantwortlich. In vielen Fällen wird die Geschäftsführung dem Vorstand übertragen oder auf eine spezielle Geschäftsstelle delegiert. Entscheidungen werden durch Beschlüsse gefasst, wobei oft Mehrheitsentscheidungen vorgesehen sind; einzelne Maßnahmen, insbesondere finanzwirksame, können qualifizierte Mehrheiten erfordern. Die Aufsicht und Genehmigung wichtiger Beschlüsse erfolgen durch die zuständige Flurbereinigungsbehörde.

Besteht für die Teilnehmergemeinschaft eine Haftung und in welchem Umfang?

Rechtlich ist die Teilnehmergemeinschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts selbst haftungsfähig. Sie haftet für Schäden, die bei der Erfüllung ihrer Aufgaben verursacht werden, insbesondere im Zusammenhang mit der Errichtung oder Unterhaltung gemeinschaftlicher Anlagen (z. B. Wege) und bei Maßnahmen im Rahmen des Flurbereinigungsverfahrens. Die Haftung umfasst sowohl vertragliche als auch deliktische Ansprüche. Für schuldhaft verursachte Schäden durch Organe oder Mitglieder haftet die Teilnehmergemeinschaft unmittelbar, bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz kann auch eine persönliche Haftung der handelnden Personen greifen (z. B. des Vorstandes), diese wird jedoch meist durch entsprechende Versicherungen abgedeckt. Die Teilnehmergemeinschaft unterliegt zudem der Amtshaftung nach § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG, soweit sie hoheitlich tätig wird. Ansprüche Dritter richten sich primär gegen die Teilnehmergemeinschaft, nicht gegen einzelne Mitglieder oder Teilnehmer.

Wie erfolgt die Finanzierung der Aufgaben der Teilnehmergemeinschaft?

Die Finanzierung der vielfältigen Aufgaben der Teilnehmergemeinschaft erfolgt im Wesentlichen aus Beiträgen der Teilnehmer, Fördermitteln, öffentlichen Zuschüssen und gegebenenfalls aus Einnahmen aus der Verwertung gemeinschaftlichen Vermögens. Rechtsgrundlage hierfür ist § 19 Abs. 1 FlurbG. Die Erhebung der Beiträge richtet sich nach dem von der Flurbereinigungsbehörde genehmigten Kosten- und Finanzierungsplan. Die Beiträge können nach dem jeweiligen Vorteil oder nach der Größe/Bedeutung des bewirtschafteten Flächenanteils bemessen werden. Für bestimmte Investitionen (vor allem Infrastrukturmaßnahmen) können staatliche Förderprogramme, EU-Fördergelder oder regionale Zuschüsse aus unterschiedlichen Quellen in Anspruch genommen werden. Die Teilnehmergemeinschaft ist zur ordnungsgemäßen Buchführung und Rechnungslegung verpflichtet, ihre Jahresabschlüsse unterliegen der Prüfung und Genehmigung durch die Flurbereinigungsbehörde.

Kann sich die Teilnehmergemeinschaft auflösen und was passiert mit ihrem Vermögen?

Die Auflösung der Teilnehmergemeinschaft erfolgt grundsätzlich nach Abschluss und Rechtskraft des Flurbereinigungsplans, sobald alle Aufgaben – insbesondere die Fertigstellung und Übergabe der gemeinschaftlichen Anlagen sowie die Abwicklung aller finanziellen Verpflichtungen – erledigt sind. Die Flurbereinigungsbehörde stellt mit Bescheid die Beendigung der Teilnehmergemeinschaft fest. Das nach Erledigung aller Verpflichtungen verbleibende Vermögen wird nach den Bestimmungen des Flurbereinigungsplans verteilt; in der Regel findet eine Rückzahlung überschüssiger Beiträge an die Teilnehmer statt oder das Vermögen kann zweckgebunden für die Unterhaltung gemeinschaftlicher Anlagen verwendet werden. Eine vorzeitige (vor vollständiger Abwicklung) Auflösung ist nur ausnahmsweise möglich und bedarf einer qualifizierten Entscheidung der Teilnehmergemeinschaft sowie der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde.

Wer übt die Rechtsaufsicht über die Teilnehmergemeinschaft aus und was bedeutet das in der Praxis?

Die Rechtsaufsicht obliegt der jeweils zuständigen Flurbereinigungsbehörde des Bundeslandes (§ 21 FlurbG). Diese prüft, ob die Teilnehmergemeinschaft und deren Organe rechtmäßig und im Einklang mit dem Flurbereinigungsrecht handeln. Die Behörde kann rechtswidrige Beschlüsse oder Maßnahmen beanstanden, aufheben oder erforderlichenfalls Ersatzvornahmen anordnen. Insbesondere bedürfen wichtige Rechtsgeschäfte, wesentliche Investitionen, Darlehensaufnahmen oder Änderungen des Flurbereinigungsplans der Genehmigung der Aufsichtsbehörde. In der Praxis führt die Aufsicht regelmäßige Prüfungen und Beratungen durch, unterstützt die Selbstverwaltung der Teilnehmergemeinschaft und stellt damit sicher, dass die gesetzlichen Vorgaben eingehalten und die Interessen aller Beteiligten gewahrt werden.

Gibt es für Entscheidungen der Teilnehmergemeinschaft Rechtsbehelfe oder Klagemöglichkeiten?

Teilnehmer, die durch Beschlüsse oder Maßnahmen der Teilnehmergemeinschaft in ihren Rechten verletzt oder benachteiligt werden, haben grundsätzlich die Möglichkeit, Rechtsbehelfe einzulegen oder gegebenenfalls den Verwaltungsrechtsweg zu beschreiten. Zunächst können Einwendungen oder Beschwerden bei der Flurbereinigungsbehörde erhoben werden, die dann im Rahmen der Rechtsaufsicht prüft und entscheidet. Gegen Verwaltungsakte der Teilnehmergemeinschaft (z. B. Beitragsbescheide) steht den Betroffenen der Widerspruchs- und Klageweg vor den Verwaltungsgerichten offen. Gegen interne Maßnahmen oder Beschlüsse, die keine Verwaltungsakte darstellen, bestehen unter Umständen zivilrechtliche Klagemöglichkeiten, insbesondere wenn es um Vermögensansprüche oder die Anfechtung von Beschlüssen geht. Die rechtssichere Gestaltung und Begründung der Entscheidungen durch die Teilnehmergemeinschaft ist somit von zentraler Bedeutung, um Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.