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Subsidiarität der Bürgschaft


Begriff und Grundprinzip der Subsidiarität der Bürgschaft

Die Subsidiarität der Bürgschaft ist ein zentrales Prinzip des Bürgschaftsrechts im deutschen Zivilrecht. Sie beschreibt das Nachrangigkeitsverhältnis zwischen dem Anspruch des Gläubigers gegen den Hauptschuldner und dem Anspruch gegen den Bürgen. Danach verpflichtet sich der Bürge gegenüber dem Gläubiger für eine fremde Verbindlichkeit (sog. Hauptschuld) einzustehen, und zwar grundsätzlich erst dann, wenn der Hauptschuldner seine Verpflichtung nicht erfüllt und der Gläubiger erfolglos versucht hat, die Hauptschuld vom Hauptschuldner einzutreiben. Die Subsidiarität findet ihren Ausdruck insbesondere in § 771 BGB (Einrede der Vorausklage).

Rechtliche Grundlagen

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

Die rechtlichen Regelungen zur Bürgschaft sind im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) in den §§ 765 ff. BGB normiert. Die Vorschriften konkretisieren Art und Umfang der Bürgschaft, die Beziehungen zwischen Gläubiger, Hauptschuldner und Bürgen sowie die Rechte und Pflichten der Beteiligten.

Einrede der Vorausklage (§ 771 BGB)

Die zentrale Manifestation der Subsidiarität findet sich in der Einrede der Vorausklage nach § 771 BGB. Demnach kann der Bürge die Befriedigung des Gläubigers verweigern, solange dieser nicht versucht hat, die Zwangsvollstreckung gegen den Hauptschuldner zu betreiben. Der Bürge ist somit grundsätzlich erst nach erfolgloser Zwangsvollstreckung gegen den Hauptschuldner zur Zahlung verpflichtet.

Einschränkungen der Subsidiarität

Im Gesetz sind für verschiedene Arten von Bürgschaften Einschränkungen oder sogar der Ausschluss der Subsidiarität vorgesehen. Besonders hervorzuheben sind folgende Fälle:

  • Selbstschuldnerische Bürgschaft (§ 773 Abs. 1 Nr. 1 BGB): Bei der Vereinbarung einer selbstschuldnerischen Bürgschaft verzichtet der Bürge gegenüber dem Gläubiger ausdrücklich auf die Einrede der Vorausklage. Der Gläubiger kann daher unmittelbar, noch vor einer Zwangsvollstreckung gegen den Hauptschuldner, den Bürgen in Anspruch nehmen.
  • Spezielle gesetzliche Ausnahmen: Beispielsweise bei der Handelsbürgschaft gemäß § 349 HGB oder bei bestimmten öffentlich-rechtlichen Bürgschaften kann die Einrede ebenfalls ausgeschlossen sein.

Funktionen und Zielsetzung der Subsidiarität

Die Subsidiarität dient vor allem dem Schutz des Bürgen. Sie soll verhindern, dass der Bürge vor dem Hauptschuldner unmittelbar herangezogen wird und stellt den Bürgschaftsvertrag als akzessorische (d.h. von der Hauptschuld abhängige) Sicherung dar. Ziel ist es, den Bürgen nicht stärker zu belasten als notwendig und seine subsidiäre Haftung zu betonen.

Schutzfunktion

Der Bürge wird durch die Möglichkeit, die Einrede der Vorausklage zu erheben, davor geschützt, bereits bei erster Zahlungsunfähigkeit des Hauptschuldners belangt zu werden. Der Gläubiger muss zunächst alle zumutbaren Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Hauptschuldner erfolglos ausschöpfen.

Risikoverteilung

Das Prinzip regelt zugleich eine interessengerechte Risikoverteilung im Dreiecksverhältnis zwischen Gläubiger, Hauptschuldner und Bürgen. Der Gläubiger erhält durch die Bürgschaft eine zusätzliche Sicherheit, während der Bürge nicht vorzeitig oder unangemessen belastet werden soll.

Subsidiarität in verschiedenen Bürgenkonstellationen

Einfache Bürgschaft

Die einfache Bürgschaft ist die klassische Form, bei der die Subsidiarität uneingeschränkt gilt. Der Bürge kann die Einrede der Vorausklage nach § 771 BGB geltend machen und muss erst zahlen, wenn die Vollstreckung beim Hauptschuldner erfolglos geblieben ist.

Selbstschuldnerische Bürgschaft

Diese Form der Bürgschaft weicht bewusst vom Grundsatz der Subsidiarität ab: Der Bürge verzichtet vertraglich auf die Einrede der Vorausklage und kann daher unabhängig vom Vollstreckungsstand gegen den Hauptschuldner in Anspruch genommen werden.

Mitbürgschaft und Regress

Bei Mitbürgen und gesamtschuldnerischen Haftungen können gesonderte Absprachen hinsichtlich der Einrede der Vorausklage und der Subsidiarität getroffen werden. Auch hier ist maßgeblich, inwiefern auf das Recht zur Vorausklage verzichtet wurde.

Bürgschaft in Verbraucherverträgen

Im Verbraucherschutzrecht bedarf ein Verzicht auf die Einrede der Vorausklage besonderer Transparenz und Klarheit im Vertragswerk, um dem Schutzzweck des Verbrauchers Rechnung zu tragen (§ 307 BGB).

Ausschluss und Modifikation der Subsidiarität

Gesetzlicher Ausschluss

Mit Abschluss einer selbstschuldnerischen Bürgschaft ist die Subsidiarität rechtlich ausgeschlossen. Ebenso kann sie in anderen gesetzlichen Fällen, etwa bei Wechselbürgschaft (§ 773 Abs. 1 Nr. 2 BGB) ausgeschlossen sein.

Vertraglicher Ausschluss

Im Vertragsverhältnis kann auf die Einrede der Vorausklage auch individuell verzichtet werden. Häufig wird dieser Verzicht vom Gläubiger verlangt, um einen schnelleren Zugriff auf den Bürgen zu gewährleisten.

Anfechtung und Nichtigkeit von Klauseln

Eine vertragliche Regelung, die zum Nachteil des Bürgen von der gesetzlichen Grundregel abweicht, unterliegt regelmäßig einer Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB und kann in bestimmten Konstellationen unwirksam sein, beispielsweise bei unangemessener Benachteiligung.

Bedeutung der Subsidiarität im Sicherungszweck

Die Bürgschaft dient regelmäßig der Sicherung einer Hauptschuld. Die Subsidiarität gewährleistet, dass diese Sicherung nur dann aktiviert wird, wenn tatsächlich keine anderweitigen Befriedigungsmöglichkeiten aus dem Vermögen des Hauptschuldners mehr bestehen.

Akzessorietät

Die Subsidiarität der Bürgschaft steht in engem Zusammenhang mit dem Prinzip der Akzessorietät der Bürgschaft. Dazu gehört, dass die Verpflichtung des Bürgen in Bestand und Umfang von der Hauptschuld abhängig ist.

Verfahrenstechnische Aspekte

Geltendmachung der Einrede

Die Einrede der Vorausklage ist aktiv vom Bürgen gegenüber dem Gläubiger geltend zu machen. Sie ist keine automatische Schutzvorschrift, sondern muss ausdrücklich im Prozess oder außergerichtlichen Verfahren erhoben werden.

Folgen der Erhebung der Einrede

Erfolgt die Einrede, ist der Gläubiger gehalten, den Hauptschuldner zu belangen und gegebenenfalls Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zu ergreifen. Erst nach deren Erfolgslosigkeit entsteht eine unmittelbare Haftung des Bürgen.

Nachträglicher Wegfall

Stellt sich nach Inanspruchnahme des Hauptschuldners heraus, dass die Zwangsvollstreckung endgültig oder dauerhaft erfolglos ist, entfällt die Einrede der Vorausklage und der Bürge kann zur Zahlung verpflichtet werden.

Internationaler Vergleich

In vielen anderen Rechtsordnungen besteht das Prinzip der Subsidiarität, allerdings mit unterschiedlichen Voraussetzungen und Reichweiten. Während in kontinentaleuropäischen Staaten vergleichbare Regelungen zu finden sind, lehnt etwa das angelsächsische Recht in der Regel eine generelle Subsidiarität ab und gewährt dem Gläubiger häufig direkten Zugriff auf den Bürgen.

Literaturhinweise und weiterführende Informationen

Vertiefende Informationen zur Subsidiarität der Bürgschaft finden sich insbesondere in Kommentaren zum BGB (§§ 765-777 BGB), einschlägigen Monographien zum Sicherungsrecht und bei systematischen Aufsätzen in Fachzeitschriften zum Bürgerlichen Recht.


Dieser Lexikonartikel beleuchtet die Subsidiarität der Bürgschaft als Schlüsselelement im Bürgschaftsrecht und stellt ihre Bedeutung für Rechtsanwendung, Vertragsgestaltung und Sicherungsfunktion umfassend dar.

Häufig gestellte Fragen

Wann greift die subsidiäre Haftung des Bürgen rechtlich ein?

Die subsidiäre Haftung des Bürgen greift nach deutschem Recht grundsätzlich erst dann ein, wenn der Hauptschuldner seiner Zahlungsverpflichtung nicht nachkommt. Dies bedeutet, dass der Bürge erst dann in Anspruch genommen werden darf, wenn der Gläubiger den Hauptschuldner erfolglos gemahnt hat und dessen Leistungsunfähigkeit oder -verweigerung feststeht (§ 765 BGB, sog. Einrede der Vorausklage). In bestimmten Konstellationen, etwa bei der selbstschuldnerischen Bürgschaft (§ 773 Abs. 1 Nr. 1 BGB), wird die Subsidiarität modifiziert, das heißt, der Bürge kann ohne vorherige Inanspruchnahme des Hauptschuldners belangt werden. Die konkrete Ausgestaltung der Subsidiarität richtet sich nach Art und Inhalt der Bürgschaftserklärung sowie etwaigen abweichenden vertraglichen Regelungen. Der Gläubiger muss demnach beweisen, dass sämtliche Durchsetzungsmaßnahmen gegen den Hauptschuldner erfolglos geblieben sind, sofern keine selbstschuldnerische Bürgschaft vereinbart wurde.

Welche prozessualen Anforderungen bestehen an die Subsidiarität der Bürgschaft?

Rechtlich gesehen muss ein Gläubiger bei Inanspruchnahme eines Bürgen im Prozess darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass die Voraussetzungen der subsidiären Haftung vorliegen. Dazu gehört insbesondere, dass der Gläubiger erfolglos versucht hat, die Hauptschuld beim Hauptschuldner beizutreiben, beispielsweise durch Mahnung oder Klage. Erst wenn feststeht, dass der Hauptschuldner nicht leistet, kann der Bürge auf Zahlung in Anspruch genommen werden. Zudem kann der Bürge die sogenannte Einrede der Vorausklage erheben, um seine subsidiäre Haftung durchzusetzen. Bei einer einfachen Bürgschaft (§ 771 BGB) muss der Bürge ausdrücklich diese Einrede geltend machen, anderenfalls könnte er bereits vorher in Anspruch genommen werden. Das Gericht prüft sodann, ob die gesetzlich oder vertraglich vereinbarten Voraussetzungen der Subsidiarität erfüllt sind. Bei fehlender Einrede wird die Bürgschaft wie eine selbstschuldnerische Bürgschaft behandelt.

In welchen Fällen ist die Subsidiarität der Bürgschaft ausgeschlossen?

Die rechtliche Subsidiarität der Bürgschaft kann durch vertragliche Gestaltung ausgeschlossen werden, insbesondere durch die Vereinbarung einer selbstschuldnerischen Bürgschaft. Bei dieser Bürgschaftsform (§ 773 Abs. 1 BGB) verpflichtet sich der Bürge, wie ein Hauptschuldner ohne Rückgriff auf den Hauptschuldner für die Erfüllung der Verbindlichkeit einzustehen. Hier ist der Bürge unmittelbar und nicht subsidiär haftbar. Ebenso ist die Subsidiarität ausgeschlossen, wenn in der Bürgschaftsurkunde auf die Einreden der Bürgschaft, insbesondere die Einrede der Vorausklage, verzichtet wird (Verzicht auf § 771 BGB). Auch durch gesetzliche Vorschriften, etwa bei Bürgschaften zugunsten der öffentlichen Hand, kann die Subsidiarität entfallen. Überdies entfällt die Subsidiarität bei Insolvenz des Hauptschuldners, wenn die Zwangsvollstreckung daher nicht mehr erfolgversprechend wäre.

Welche Rechte und Einreden stehen dem Bürgen im Rahmen der subsidiären Bürgschaft zu?

Dem Bürgen stehen im Rahmen der subsidiären Bürgschaft insbesondere die Einrede der Vorausklage (§ 771 BGB) sowie sämtliche Einreden aus dem Hauptschuldverhältnis zu (§ 768 BGB). Mit der Einrede der Vorausklage kann der Bürge verlangen, dass der Gläubiger zunächst Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Hauptschuldner durchführt, bevor der Bürge in Anspruch genommen wird. Weiterhin kann der Bürge alle Einreden geltend machen, die auch dem Hauptschuldner gegen den Gläubiger zustehen würden, beispielsweise die Einrede der Verjährung, Aufrechnung oder Erfüllung. Bei subsidiärer Haftung tritt der Bürge rechtlich erst nachrangig ein, solange keine besonderen Modifikationen der Bürgschaft vereinbart wurden. Der Bürge sollte diese Einreden im Prozess oder außergerichtlich ausdrücklich erklären, da sie ansonsten als nicht erhoben gelten.

Wie lange dauert die subsidiäre Haftung des Bürgen?

Die Dauer der subsidiären Haftung des Bürgen richtet sich maßgeblich nach dem Bestand der Hauptverbindlichkeit und den getroffenen Vereinbarungen im Bürgschaftsvertrag. Die Haftung besteht so lange, wie die Forderung des Gläubigers aus dem Hauptschuldverhältnis besteht und der Hauptschuldner nicht leistet. Mit vollständiger Erfüllung oder Erlöschen der Hauptschuld endet zugleich die Bürgschaft und somit auch die subsidiäre Haftung (§ 767 BGB). Auch kann die Bürgschaft zeitlich befristet oder auf einen bestimmten Höchstbetrag beschränkt sein. Rechtskräftige Feststellung oder Anerkennung der Forderung, Eintritt der Verjährung oder die Befriedigung des Gläubigers durch Dritte können die Haftungsdauer ebenfalls beeinflussen. Im Falle einer Insolvenz des Hauptschuldners kann die Haftung des Bürgen entsprechend der gesetzlichen Bestimmungen erweitert werden, da die Zwangsvollstreckung gegen den Hauptschuldner dann unzulässig wird.

Was geschieht bei Insolvenz des Hauptschuldners mit der subsidiären Bürgschaft?

Tritt Insolvenz beim Hauptschuldner ein, hat dies erhebliche Auswirkungen auf die subsidiäre Bürgschaft. Die Insolvenz führt dazu, dass die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner grundsätzlich nicht mehr möglich ist (§ 89 InsO), sodass der Gläubiger unmittelbar den Bürgen in Anspruch nehmen kann, ohne den Umweg einer Vorausklage. Die subsidiäre Begrenzung der Haftung wird somit aufgehoben, und der Bürge haftet wie ein Hauptschuldner. Der Bürge kann in diesem Fall Rückgriff im Insolvenzverfahren nehmen, sofern er die Forderung des Gläubigers beglichen hat (§ 774 BGB). Bei Insolvenzmassenforderungen bestehen gesonderte Regelungen zur Anmeldung und Befriedigung der Forderungen, sodass der Bürge sorgfältig prüfen sollte, wie er seine Rechte im Insolvenzverfahren wahrt.

Welche Besonderheiten gelten für die Subsidiarität der Bürgschaft bei Verbraucherbürgschaften?

Bei Verbraucherbürgschaften, das heißt Bürgschaften, die von einer Privatperson zur Sicherung einer fremden Schuld abgegeben werden, unterliegt die subsidiäre Haftung besonderen gesetzlichen Schutzvorschriften (§§ 305 ff. BGB und § 766 BGB). Insbesondere darf die Subsidiarität durch Formularverträge nicht zu Lasten des Bürgen ohne individuelle Vereinbarung ausgeschlossen werden. Im Zweifel ist im Rahmen der Vertragsauslegung zugunsten des verbrauchenden Bürgen die Anwendung der subsidiären Haftung (einschließlich der Einrede der Vorausklage) anzunehmen. Verbraucher werden durch Informations- und Formerfordernisse sowie ein grundsätzliches Übermaßverbot vor einer übermäßigen Inanspruchnahme aus der Bürgschaft geschützt. Dies beinhaltet regelmäßig auch eine strenge Auslegung bei Verzichtserklärungen zugunsten des Gläubigers.