Begriff und rechtlicher Rahmen der Submissionsabsprachen
Submissionsabsprachen bezeichnen koordinierte Vereinbarungen zwischen Bietenden im Rahmen von öffentlichen Ausschreibungen (Submissionen) mit dem Ziel, den fairen und freien Wettbewerb zu beeinträchtigen oder auszuschalten. Diese auch als „Bieterkartelle“ bezeichneten Praktiken gelten im deutschen, europäischen sowie internationalen Kartell- und Vergaberecht als schwerwiegende Wettbewerbsverstöße. Submissionsabsprachen können in vielfältigen Formen auftreten und sind mit erheblichen Sanktionen belegt.
Erscheinungsformen und Ziele von Submissionsabsprachen
Formen von Submissionsabsprachen
Im Kontext von Vergabeverfahren beziehen sich Submissionsabsprachen auf verschiedene Absprachen zwischen den an der Ausschreibung Beteiligten. Hauptformen sind:
- Preisabsprachen: Vereinbarung eines gemeinsamen Angebotspreises oder des niedrigsten und höchsten Preises.
- Zuschlagsabsprachen: Absprachen, wer den Zuschlag erhält, während andere Teilnehmer „Scheinangebote“ abgeben.
- Gebietskartelle: Festlegung von Gebieten, in denen nicht gegenseitig geboten wird.
- Konsortialabsprachen: Gemeinsame Abgabe von Angeboten durch mehrere Unternehmen mit vorheriger Absprache über die Aufteilung des Auftrags.
Zielsetzung der Absprachen
Hauptziel der Submissionsabsprachen ist es, den Ausgang von Ausschreibungen in Bezug auf den Preis, die Vergabe oder die wirtschaftlichen Konditionen zum eigenen Vorteil und zum Nachteil des Ausschreibenden oder der Allgemeinheit zu beeinflussen.
Rechtliche Einordnung und Normierung
Submissionsabsprachen nach deutschem Recht
In Deutschland sind Submissionsabsprachen gemäß § 298 Strafgesetzbuch (StGB) ausdrücklich unter Strafe gestellt. Nach § 298 Abs. 1 StGB macht sich strafbar, wer bei Ausschreibungen oder anderen Verfahren zur Vergabe von Aufträgen eine Absprache trifft, die das Ziel hat, den Ausschreibenden in seinem wirtschaftlichen Entscheidungsprozess zu schädigen.
Tatbestandsmerkmale (§ 298 StGB):
- Ausschreibung: Öffentliche oder beschränkte Verfahren zur Vergabe von Liefer-, Bau- oder Dienstleistungsaufträgen.
- Absprache: Vereinbarung mehrerer Bieter vor der Angebotsabgabe.
- Zweck: Beeinflussung des Wettbewerbs, um den Ausschreibenden zu schädigen.
Kartellrechtliche Bewertung
Neben dem Strafrecht verbietet das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) nach § 1, insbesondere in Verbindung mit § 81 GWB, wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen, die den freien Wettbewerb im Vergabeverfahren beeinträchtigen. Submissionsabsprachen gelten als besonders gravierende Zuwiderhandlungen (sog. „harte Kartelle“), für die empfindliche Bußgelder festgesetzt werden können.
Europäisches und internationales Recht
Auf europäischer Ebene sind Submissionsabsprachen nach Art. 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verboten. Auch die Vergaberichtlinien der EU sehen explizite Maßnahmen zur Verhinderung und Sanktionierung von Bieterkartellen vor. International bestehen zahlreiche Abkommen und Konventionen (z. B. OECD, UNCITRAL), die vergleichbare Regelungen enthalten.
Aufdeckung, Folgen und Sanktionen
Ermittlungsmechanismen
Die Aufdeckung von Submissionsabsprachen erfolgt regelmäßig durch:
- Selbstanzeigen von Beteiligten (Kronzeugenregelung)
- Hinweise der Vergabestellen oder Wettbewerber
- Ermittlungen von Kartellbehörden und Staatsanwaltschaften
Die Ermittlungsbehörden nutzen zahlreiche Instrumente wie Durchsuchungen, Auswertung digitaler Kommunikation und Zeugenaussagen.
Strafrechtliche Folgen
Bei Verurteilung nach § 298 StGB drohen Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren oder Geldstrafen. Auch der Versuch ist strafbar.
Kartellrechtliche Sanktionen
Zusätzlich können erhebliche Bußgelder nach dem GWB verhängt werden. Die Höhe richtet sich nach dem Umsatz des beteiligten Unternehmens, dem Ausmaß des Schadens und der Verantwortung der Beteiligten.
Zivilrechtliche Konsequenzen
Submissionsabsprachen können zu Schadensersatzforderungen nach § 33a GWB führen. Öffentliche Auftraggeber oder Mitbewerber verlangen oft die Erstattung des Schadens, der durch überhöhte Angebotspreise entstanden ist.
Auswirkung auf das Vergabeverfahren
Ein Unternehmen, das an Submissionsabsprachen beteiligt war, kann gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) von öffentlichen Vergabeverfahren ausgeschlossen werden. Diese Rechtsfolge kann jahrelang Gültigkeit besitzen.
Prävention und Compliance
Maßnahmen der Vergabestellen
Vergabestellen sind verpflichtet, Anzeichen für wettbewerbswidrige Absprachen zu prüfen und Verdachtsmomente zu dokumentieren. Sensibilisierung, Schulung und elektronische Vergabeverfahren sind Instrumente zur Betrugsprävention.
Interne Compliance in Unternehmen
Unternehmen implementieren häufig interne Kontrollmechanismen zur Einhaltung der kartellrechtlichen Vorschriften. Schulungen und regelmäßige Überwachung von Vergabepraktiken sind gängige Maßnahmen.
Rechtsprechung und Praxisbeispiele
Bedeutende Entscheidungen
Die Rechtsprechung befasst sich regelmäßig mit Submissionsabsprachen. Oberste Gerichte haben mehrfach betont, dass bereits der Versuch oder die Mitwirkung an unzulässigen Absprachen straf- und bußgeldbewehrt ist. Bekannte Fälle aus den Branchen Bau, IT und Beschaffung verdeutlichen die Rigidität der Sanktionen.
Literaturverzeichnis und weiterführende Quellen
- Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)
- Strafgesetzbuch (StGB), insbesondere § 298
- Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), Artikel 101
- Praxisleitfäden des Bundeskartellamtes
Zusammenfassung
Submissionsabsprachen stellen einen schweren Verstoß gegen das Wettbewerbs- und Strafrecht dar. Sie schädigen den Wettbewerb, führen zu erhöhten Preisen und beeinträchtigen die wirtschaftliche Entscheidungsfreiheit der öffentlichen Hand. Die Vielzahl von gesetzlichen Regelungen auf deutscher, europäischer und internationaler Ebene unterstreicht die Bedeutung der effektiven Verfolgung, die Reichweite der Sanktionen sowie die Bedeutung von Compliance-Maßnahmen zur Verhinderung solcher Praktiken.
Häufig gestellte Fragen
Welche gesetzlichen Regelungen verbieten Submissionsabsprachen?
Submissionsabsprachen, also wettbewerbsbeschränkende Absprachen im Zusammenhang mit Ausschreibungen, sind in Deutschland eindeutig durch das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) verboten. Insbesondere § 1 GWB untersagt alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken. Speziell für Verfahren der öffentlichen Auftragsvergabe ist § 298 des Strafgesetzbuches (StGB) einschlägig: Er stellt Submissionsabsprachen als Straftat unter Strafe. Diese Vorschrift richtet sich primär gegen das sogenannte „Bieterabsprache-Kartell“, bei dem sich mehrere Anbieter beispielsweise über Preise oder die Abgabe von Scheinangeboten bei öffentlichen Ausschreibungen verständigen, um den Wettbewerb zu umgehen. Verstöße können neben empfindlichen Bußgeldern und Schadensersatzforderungen auch strafrechtliche Sanktionen – etwa Freiheits- oder Geldstrafen – nach sich ziehen. Zudem drohen Unternehmen kartellrechtliche Nachprüfungsverfahren durch das Bundeskartellamt, dessen Durchgriffsbefugnisse in den letzten Jahren verstärkt worden sind.
Welche Verhaltensweisen fallen konkret unter das Verbot von Submissionsabsprachen?
Das Verbot umfasst eine Vielzahl wettbewerbsbeschränkender Praktiken im Rahmen von Ausschreibungen. Dies beinhaltet unter anderem das Absprechen von Preisen („Preisabsprachen“), das gezielte Nicht-Abgeben von Angeboten („Absprachen über Angebotsverzicht“), das Festlegen, welchem Unternehmen ein bestimmter Auftrag zufallen soll, sowie das gegenseitige Einreichen von Schein- oder „Deckungsangeboten“. Ebenfalls erfasst sind Vereinbarungen über die Aufteilung von Märkten, Gebieten oder Kundengruppen im Zusammenhang mit Ausschreibungen. Auch der Austausch sensibler Informationen über zukünftiges Angebotsverhalten oder Kalkulationen gilt als submissionsabsprachenähnliche Praxis und stellt somit einen Verstoß gegen das Kartellrecht dar. Entscheidend ist stets, ob die Wettbewerbsbedingungen zum Nachteil des Ausschreibenden oder anderer Marktteilnehmer beeinflusst werden.
Welche Strafen und Sanktionen drohen bei Verstößen gegen das Verbot von Submissionsabsprachen?
Neben kartellrechtlichen Geldbußen, die das Bundeskartellamt gegen beteiligte Unternehmen verhängen kann und die sich häufig nach dem Umsatz des Unternehmens bemessen, drohen strafrechtliche Konsequenzen. Gemäß § 298 StGB kann eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe verhängt werden. In schweren Fällen, insbesondere wenn ein besonders hoher Schaden entsteht oder Bieter systematisch absprachewidrig handeln, kann die Strafe noch höher ausfallen. Auf zivilrechtlicher Ebene können geschädigte öffentliche Auftraggeber oder Mitbewerber Ansprüche auf Schadensersatz geltend machen. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit des Ausschlusses von künftigen öffentlichen Aufträgen nach § 124 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Für Geschäftsführer und Verantwortliche der beteiligten Unternehmen kann dies außerdem berufsrechtliche Folgen und eine langanhaltende Beschädigung des geschäftlichen Ansehens bedeuten.
Wie werden Submissionsabsprachen durch Behörden aufgedeckt und verfolgt?
Die Aufdeckung erfolgt meist durch Maßnahmen des Bundeskartellamts, welches sowohl eigene Ermittlungen anstellen als auch Hinweisen nachgehen kann. Typische Ermittlungsinstrumente sind Hausdurchsuchungen nach richterlicher Anordnung, die Auswertung von E-Mail-Verkehr, Angebotsschreiben und Geschäftsunterlagen sowie die Durchführung von Zeugenbefragungen. Von großer Bedeutung ist außerdem das sogenannte Kronzeugenprogramm: Unternehmen oder Einzelpersonen, die als Erste eine Submissionsabsprache offenlegen und bei der Aufklärung umfassend kooperieren, können mit Straffreiheit oder zumindest signifikanten Strafnachlässen rechnen. Im Zuge der Ermittlungen arbeitet das Bundeskartellamt oftmals mit Staatsanwaltschaften zusammen, um sowohl bußgeld- als auch strafrechtlich relevante Handlungen zu verfolgen. Die enge Kooperation mit anderen europäischen Wettbewerbsbehörden erlaubt zudem die grenzüberschreitende Verfolgung von Kartellabsprachen.
Welche Verteidigungsmöglichkeiten bestehen bei einem Verdacht auf Submissionsabsprachen?
Betroffenen Unternehmen und Einzelpersonen steht das Recht zu, gegen Vorwürfe der Submissionsabsprache Widerspruch einzulegen und sich im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens oder Strafprozesses zu verteidigen. Dazu zählt die Möglichkeit, Einsicht in die Ermittlungsakten zu nehmen, Beweisanträge zu stellen sowie Zeugen zu benennen. Die Verteidigung kann insbesondere darauf hinauslaufen, fehlende wettbewerbsbeschränkende Wirkungen nachzuweisen oder geltend zu machen, dass kein koordiniertes Verhalten vorliegt. Auch das Fehlen einer objektiven Absprache oder die alleinige Abstimmung über nicht wettbewerbsrelevante Aspekte kann, abhängig vom Einzelfall, entlastend vorgebracht werden. Im Rahmen des Kronzeugenprogramms kann eine aktive Kooperation mit den Ermittlungsbehörden im Einzelfall auch zur Einstellung des Verfahrens oder zu einer deutlichen Strafmilderung führen.
Wie kann ein Unternehmen sich wirksam vor dem Risiko von Submissionsabsprachen schützen?
Präventiv sind besonders effektive Compliance-Programme entscheidend, um die Risiken von Submissionsabsprachen zu minimieren. Unternehmen sollten insbesondere Mitarbeiterschulungen durchführen, Verhaltensregeln und Meldewege (Whistleblower-Systeme) etablieren sowie die internen Kontrollmechanismen regelmäßig überprüfen und anpassen. Zudem empfiehlt sich eine klare Dokumentation aller Ausschreibungs- und Angebotsprozesse, um im Zweifelsfall nachvollziehbar und transparent handeln zu können. Für Mitarbeiter sollten klare Handlungsanweisungen vorliegen, wie im Fall von Kontaktaufnahmen durch Wettbewerber zu verfahren ist. Externe Audits oder kartellrechtliche Prüfungen durch spezialisierte Rechtsanwaltskanzleien dienen ebenfalls dazu, das Gefährdungspotenzial frühzeitig zu erkennen und proaktiv zu steuern.
Welche Bedeutung haben Submissionsabsprachen im Zusammenhang mit Schadensersatzforderungen?
Neben Bußgeldern und strafrechtlichen Sanktionen nimmt die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen eine zunehmende Bedeutung ein. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der EU-Kartellrechtslinie (Richtlinie 2014/104/EU), die in Deutschland unter anderem durch das „Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen“ umgesetzt wurde, können Geschädigte – insbesondere öffentliche Auftraggeber und Mitbewerber – den durch Submissionsabsprachen entstandenen Schaden zivilrechtlich geltend machen. Dabei gilt eine Vermutung, dass Kartellverstöße grundsätzlich zu Schaden führen. Geschädigte haben somit verbesserte Chancen auf Kompensation, da die Beweislast für das tatsächliche Bestehen eines Schadens erleichtert wurde. Gerichte können zudem Schätzungen zum Schadensumfang heranziehen. Für Unternehmen bedeutet dies, dass ein kartellrechtswidriges Verhalten weit über Bußgelder hinaus zu langwierigen und kostenintensiven zivilrechtlichen Auseinandersetzungen führen kann.