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Retainer


Definition und rechtlicher Rahmen des Retainers

Ein Retainer ist ein Begriff aus dem Vertragsrecht, der insbesondere im Zusammenhang mit dauerhaften Dienstleistungsverhältnissen Anwendung findet. Er beschreibt eine vertragliche Vereinbarung, bei der ein Auftraggeber als Mandant ein regelmäßig wiederkehrendes Honorar an eine Berufsgruppe – häufig im beratenden Bereich wie Rechtsanwälte, Steuerberater oder Unternehmensberater – zahlt, um sicherzustellen, dass die betreffende Partei fortlaufend gegen Entgelt beratend oder unterstützend zur Verfügung steht. Ein Retainer kann als pauschales monatliches, quartalsweises oder jährliches Entgelt ausgestaltet sein, unabhängig von der tatsächlichen Inanspruchnahme der Dienstleistungen im jeweiligen Zeitraum.

Im Folgenden werden die verschiedenen rechtlichen Aspekte, Anwendungsbereiche und Vertragsgestaltungen eines Retainers detailliert beleuchtet.


Funktion und Zweck eines Retainers

Ein Retainer dient der Sicherstellung der Verfügbarkeit und kontinuierlichen Bereitschaft einer Dienstleistungspartei für einen Mandanten. Durch diese vorweggenommene Vergütung erhält der Mandant einen priorisierten Zugang zu Beratungs- oder Unterstützungsleistungen. Die Vertragsgestaltung soll sowohl Planungssicherheit für die Dienstleistungspartei als auch konstante Verfügbarkeit für den Mandanten gewährleisten.

Abgrenzung zu anderen Entgeltformen

Im Gegensatz zu erfolgsabhängigen Vergütungsmodellen oder der nach dem tatsächlichen Arbeitsaufwand abgerechneten Vergütung (z. B. Stundensatzvereinbarung) ist der Retainer in der Regel unabhängig von der tatsächlichen Nutzung des Dienstleisters durch den Mandanten während des Abrechnungszeitraums. Dies führt dazu, dass der Retainer auch dann zu zahlen ist, wenn die abgerufenen Leistungen unterhalb des vereinbarten Umfangs liegen.


Rechtliche Grundlagen und Vertragstypen

Rechtsnatur des Retainervertrags

Der Retainervertrag ist grundsätzlich als Dienstvertrag nach § 611 BGB einzuordnen, da der Gegenstand in einer fortwährenden, dienstleistungsbezogenen Verfügbarkeit besteht. In Einzelfällen können Werkvertragsrecht (§ 631 BGB) oder Elemente eines Geschäftsbesorgungsvertrags (§ 675 BGB) einschlägig sein, wenn konkrete Ergebnisse oder besondere Geschäftsführungen im Mittelpunkt stehen. Rechtlich handelt es sich beim Retainer jedoch überwiegend um einen Dienstleistungsvertrag, da keine konkreten Erfolgsergebnisse geschuldet sind, sondern lediglich die fortlaufende Bereitschaft zur Leistungserbringung.

Wesentliche Vertragsbestandteile eines Retainers

Retainerverträge regeln typischerweise:

  • Vertragsgegenstand: Beschreibung der laufenden Beratungs- oder Unterstützungsleistungen
  • Vergütungsstruktur: Höhe und Fälligkeit des Fixhonorars (z. B. monatlicher Pauschalbetrag)
  • Verfügbarkeitsgarantie: Reaktionszeiten und Verfahren zur Inanspruchnahme
  • Leistungsumfang: ggf. inkludierte Stundenkontingente, abgrenzbare Zusatzleistungen
  • Kündigungsregelungen: Vertragslaufzeit, Kündigungsfristen und Modalitäten
  • Rückzahlungs- oder Übertragungsregelungen: Umgang mit nicht ausgeschöpften Kontingenten
  • Haftung und Haftungsbegrenzung: Besonderheiten im Beratungsvertrag

Vertragsform und Formerfordernisse

Für einen Retainervertrag gilt grundsätzlich Formfreiheit. Allerdings empfiehlt sich aus Beweis- und Transparenzgründen stets eine schriftliche Fixierung, in der die Regelungen klar umrissen sind. Besondere Formalitäten bestehen lediglich bei Tätigkeiten, die gesetzlichen Formvorschriften unterliegen (beispielsweise bei bestimmten Mandaten im Rechtsberatungs- oder Steuerberatungsumfeld).


Anwendungsbereiche und Branchen

Retainer finden in der Praxis Anwendung in zahlreichen Beratungsdienstleistungsbranchen. Typischerweise kommen sie vor bei:

  • Beratung im Bereich Recht, Datenschutz oder Compliance
  • Steuerberatung und betriebswirtschaftliche Beratung
  • IT- und Softwaredienstleistungen (z. B. kontinuierliche Systembetreuung)
  • Public Relations und Marketingberatung
  • Unternehmensberatung
  • Personalberatung und Recruiting

Jede Branche kann eigene Spezifika in der Ausgestaltung der Retainervereinbarung aufweisen, etwa bezüglich Umfang und Inhalt der tatsächlich geschuldeten Leistungen.


Retainer und Honorarrecht

Vereinbarkeit mit gesetzlichen Honorarbegrenzungen

Im deutschen Recht können berufsrechtliche Vorgaben eine Rolle spielen, etwa das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) oder die Steuerberatervergütungsverordnung (StBVV), die Vorgaben zu zulässigen Vergütungsmodellen machen. Dort, wo gesetzliche Honorarrahmen bestehen, müssen Retainerverträge diese Vorgaben beachten und dürfen vereinbarte Entgelte nicht unzulässig überschreiten. Eine gesonderte Vereinbarung über einen Retainer ist regelmäßig dann möglich, wenn sie den gesetzlichen Rahmenbedingungen entspricht.

USt-rechtliche Behandlung des Retainers

Retainerleistungen gelten umsatzsteuerrechtlich als fortlaufende Dienstleistungen (§ 13 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 UStG). Die Umsatzsteuer entsteht in der Regel mit Ablauf des jeweiligen Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt vereinnahmt wird oder die jeweilige Leistung erbracht wurde. Die korrekte Rechnungsstellung unter Ausweis der gesetzlichen Umsatzsteuer ist zu beachten, sofern der Dienstleister nicht von der Umsatzsteuer befreit ist.


Steuerrechtliche Behandlung

Retainerzahlungen sind auf Seiten des Leistenden als laufende Betriebseinnahmen zu erfassen, beim Mandanten als sofort abziehbare Betriebsausgaben, sofern sie betrieblich veranlasst sind. Die Zuordnung kann sich insbesondere bei mehrjährig vereinbarten Retainerverträgen auf das Jahr des Leistungsbezugs oder das Jahr der Zahlung beziehen, je nach Regelung und Abgrenzung.


Besonderheiten bei Beendigung des Retainers

Kündigungsmodalitäten

Regelmäßig werden Retainerverträge auf bestimmte Laufzeiten abgeschlossen. Sie enthalten Kündigungsfristen, die wechselseitig eingehalten werden müssen. Es gelten im Übrigen die allgemeinen gesetzlichen Regelungen für Dienstverträge (§ 621 BGB), sofern nichts Abweichendes im Vertrag vereinbart ist. Eine außerordentliche Kündigung ist bei Vorliegen eines wichtigen Grundes möglich.

Behandlung nicht abgerufener Leistungen

Im Retainervertrag ist vorzusehen, wie mit nicht genutzten Kontingenten oder nicht abgerufenen Leistungen umzugehen ist. Möglich sind Modelle, bei denen ungenutzte Leistungen verfallen, übertragen oder in den Folgemonat/-zeitraum carried-forward werden dürfen. Die Modalitäten sollten eindeutig geregelt sein, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.


Internationale Aspekte des Retainers

Im internationalen Dienstleistungsverkehr treten Retainerverträge insbesondere bei grenzüberschreitend tätigen Unternehmen auf. Hier sind gegebenenfalls ausländische Rechtsordnungen, Wechselkursschwankungen und steuerliche Aspekte zu berücksichtigen. Insbesondere sollte der Vertrag eine Rechtswahlklausel sowie Regelungen zu Gerichtsstand und Streitbeilegung enthalten, um Rechtssicherheit für beide Parteien zu gewährleisten.


Fazit

Der Retainer ist ein wichtiger Vertragstyp im Dienstleistungsrecht, der zur Sicherung dauerhafter und verlässlicher Verfügbarkeit von Beratungsleistungen dient. Seine rechtliche Ausgestaltung verlangt besondere Aufmerksamkeit bei der Vertragsgestaltung, der Beachtung berufsrechtlicher, steuerlicher und umsatzsteuerlicher Vorschriften sowie bei der Klarheit im Umgang mit nicht genutzten Leistungsbestandteilen. Sorgfältig formulierte Retainerverträge sichern Planungssicherheit und Transparenz für alle Beteiligten und sind somit ein bewährtes Instrument im Verhältnis zwischen Dienstleistern und Mandanten.

Häufig gestellte Fragen

Wie wird ein Retainervertrag rechtlich wirksam abgeschlossen?

Ein Retainervertrag wird rechtlich wirksam abgeschlossen, wenn sich beide Parteien – der Dienstleister und der Auftraggeber – über die wesentlichen Vertragsinhalte einig sind. Neben der Einigung über die Vergütung (z. B. monatliche Pauschale oder Stundenkontingente) müssen auch die Art und der Umfang der zu erbringenden Leistungen, die Laufzeit des Vertrags sowie etwaige Kündigungsmodalitäten eindeutig geregelt sein. Idealerweise erfolgt der Abschluss schriftlich, um späteren Beweisproblemen vorzubeugen. In bestimmten Konstellationen (z. B. bei Rechtsanwälten) ist eine Schriftform sogar zwingend erforderlich. Im Vertrag sollten auch Regelungen zur Abrechnung, zu Zahlungsfristen, Leistungsnachweise und etwaige Verjährungsfristen enthalten sein, um Transparenz und Rechtssicherheit für beide Seiten zu gewährleisten. Die Wirksamkeit setzt zudem voraus, dass der Vertrag nicht gegen gesetzliche Verbote oder die guten Sitten (§ 134, § 138 BGB) verstößt.

Welche Rechte und Pflichten ergeben sich aus einem Retainervertrag für beide Parteien?

Der Dienstleister ist verpflichtet, die im Vertrag festgelegten Leistungen während der angegebenen Laufzeit stets verfügbar zu halten bzw. auf Abruf zur Verfügung zu stehen – unabhängig davon, ob der Auftraggeber die Leistungen tatsächlich in Anspruch nimmt. Im Gegenzug ist der Auftraggeber verpflichtet, die vereinbarte Vergütung zu zahlen, selbst wenn diese Dienste nicht oder nur teilweise genutzt werden. Der Dienstleister muss die Verfügbarkeit auch dokumentieren können, z. B. durch Stundennachweise oder Protokolle. Der Auftraggeber kann die Leistungen jederzeit abrufen, solange sie im Rahmen des vereinbarten Kontingents bleiben. Beide Parteien müssen sich an etwaige Kündigungsfristen, Verschwiegenheitspflichten und weitere besondere Vertragsbedingungen halten.

Sind Retainerverträge jederzeit kündbar oder gelten bestimmte Fristen?

Ob und wie ein Retainervertrag gekündigt werden kann, richtet sich in erster Linie nach den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien. Häufig werden feste Laufzeiten (z. B. 6 oder 12 Monate) und Kündigungsfristen (z. B. einen Monat zum Ende der Laufzeit) vereinbart. Fehlen entsprechende Regelungen, finden allgemeine gesetzliche Vorschriften Anwendung: Bei sogenannten Dienstverträgen (§ 621 BGB) mit unbestimmter Laufzeit kann meist mit einer angemessenen Frist gekündigt werden; bei Werkverträgen (§ 648 BGB) gelten abweichende gesetzliche Vorgaben. Bei Vorliegen eines wichtigen Grundes (Vertrauensverlust, grobe Vertragsverletzungen) kann in der Regel auch ohne Einhaltung einer Frist gekündigt werden. Die jeweilige Rechtslage hängt jedoch stark von der Vertragsgestaltung und der Natur des Retainers ab.

Welche rechtlichen Konsequenzen drohen bei Nichterfüllung des Retainervertrags?

Kommt eine Partei ihren vertraglichen Pflichten nicht nach, etwa durch Nichtzahlung der Vergütung oder Nichterbringung der vereinbarten Leistungen, liegt eine Vertragsverletzung vor. Die jeweils andere Partei kann die gesetzlichen Gewährleistungsrechte geltend machen: Neben der Geltendmachung von Schadensersatz sind Rücktritt, Minderung und ggf. die außerordentliche Kündigung möglich. In der Praxis ist eine vorherige Abmahnung oft sinnvoll, um der Gegenseite Gelegenheit zur Nachbesserung zu geben. Bei fortgesetzter Nichterfüllung kann der Schaden vor Gericht geltend gemacht werden. Es ist ratsam, die Vertragsverletzungen und etwaige Folgeschäden zu dokumentieren, um späteren Beweisproblemen vorzubeugen. Bestehen vertragliche Haftungsbegrenzungen oder Ausschlüsse, sind diese im Rahmen der gesetzlichen Grenzen zu berücksichtigen.

Wie erfolgt die rechtliche Behandlung von nicht abgerufenen Leistungen innerhalb eines Retainerzeitraums?

Regelmäßig steht im Zentrum eines Retainervertrags die Verfügbarkeit bestimmter Leistungen innerhalb eines Zeitraums, nicht deren tatsächliche Inanspruchnahme. Daher verfällt grundsätzlich der Anspruch auf nicht abgerufene Leistungen nach Ablauf der vereinbarten Periode, sofern keine Übertragung (Roll-over) ausdrücklich vereinbart wurde. Das bedeutet: Die Vergütung ist auch dann geschuldet, wenn der Auftraggeber die Dienste gar nicht oder nur teilweise in Anspruch genommen hat. Eine Ausnahme kann sich ergeben, wenn der Dienstleister seiner sogenannten Annahmeverpflichtung nicht nachkommt oder seine Verfügbarkeit nicht nachweist. Die genaue Regelung hierzu sollte aus Gründen der Rechtsklarheit immer im Vertrag fixiert werden.

Kann die Höhe des Retainerhonorars rechtlich angefochten werden?

Grundsätzlich gilt im Zivilrecht der Grundsatz der Vertragsfreiheit, sodass die Parteien die Höhe des Honorars frei vereinbaren können. Eine Anfechtung der Honorarvereinbarung ist nur in Ausnahmefällen möglich, etwa bei Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB, z. B. besonders auffälliges Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung) oder bei arglistiger Täuschung, Irrtum oder Drohung (§§ 119 ff. BGB). Eine nachträgliche Anpassung ist vorgesehen, wenn sich herausstellt, dass die Vertragsanpassung aufgrund einer Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) erforderlich ist. In bestimmten reglementierten Berufen (z. B. Anwälte, Steuerberater) unterliegen die Honorare gesetzlichen oder standesrechtlichen Beschränkungen, die bei überhöhten Honoraren eine Korrektur ermöglichen.

Unterliegt ein Retainervertrag besonderen Formvorschriften?

Für Retainerverträge besteht grundsätzlich Formfreiheit, sie können also mündlich, schriftlich oder auch konkludent abgeschlossen werden. Aus Beweisgründen ist jedoch stets die Schriftform zu empfehlen, insbesondere bei umfangreichen oder langfristigen Vereinbarungen. In einzelnen Branchen (z. B. bei Verträgen mit Rechtsanwälten, Architekten oder Steuerberatern) ist die Schriftform zu Beweis- und Dokumentationszwecken sogar verpflichtend (§ 3a RVG, § 34 StBerG). Bei Verbraucherverträgen können zusätzliche Informationspflichten und Formvorschriften gelten, ebenso wie im Fernabsatzrecht oder bei elektronisch geschlossenen Verträgen.