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Reisegewerbe


Begriff und rechtliche Einordnung des Reisegewerbes

Das Reisegewerbe stellt nach deutschem Recht eine besondere Form der gewerblichen Tätigkeit dar, bei der selbständige Leistungen außerhalb einer festen Niederlassung, insbesondere ohne vorhergehende Bestellung, angeboten oder erbracht werden. Die rechtlichen Regelungen hierzu sind primär in den §§ 55 ff. der Gewerbeordnung (GewO) verankert. Das Reisegewerbe ist von anderen gewerblichen Tätigkeiten, insbesondere vom stehenden Gewerbe, klar abzugrenzen und unterliegt spezifischen gesetzlichen Vorgaben sowie Genehmigungsanforderungen.

Abgrenzung des Reisegewerbes

Stehendes Gewerbe versus Reisegewerbe

Im Gegensatz zum stehenden Gewerbe wird beim Reisegewerbe die gewerbliche Tätigkeit ohne eine auf Dauer angelegte Geschäftsstelle oder Niederlassung ausgeübt. Während das stehende Gewerbe regelmäßig mit einer festen Betriebsstätte verbunden ist und einer bloßen Anzeige bei der zuständigen Behörde bedarf (§ 14 GewO), ist für das Reisegewerbe eine spezielle Reisegewerbekarte erforderlich.

Merkmale des Reisegewerbes

Charakteristisch für das Reisegewerbe sind folgende Merkmale:

  • Fehlen einer festen Niederlassung: Es wird keine dauerhafte Betriebsstätte unterhalten.
  • Außendienstliche Tätigkeit: Die Leistungen erfolgen außerhalb der eigenen Geschäftsräume, typischerweise an wechselnden Orten.
  • Fehlende vorherige Bestellung: Die Ansprache potentieller Kunden erfolgt regelmäßig ohne deren vorherigen Auftrag.
  • Selbständige Tätigkeitsform: Das Reisegewerbe wird eigenständig, nicht als Arbeitnehmer, ausgeübt.

Zu den typischen Erscheinungsformen zählen unter anderem der ambulante Verkauf von Waren, das Anbieten von Dienstleistungen an Haustüren oder auf öffentlichen Plätzen ohne Marktveranstaltungen sowie Schaustellerbetriebe.

Rechtliche Grundlage und Zulassungspflicht

Reisegewerbekarte

Die Ausübung eines Reisegewerbes bedarf gemäß § 55 Abs. 2 GewO einer sogenannten Reisegewerbekarte. Diese wird auf Antrag von der zuständigen Behörde (meist die örtliche Ordnungsbehörde oder das Gewerbeamt) erteilt. Voraussetzung ist in der Regel die persönliche Zuverlässigkeit (§ 55c GewO), gegebenenfalls die Vorlage von behördlichen Führungszeugnissen sowie Nachweise über geordnete finanzielle Verhältnisse.

Die Reisegewerbekarte ist personengebunden, nicht übertragbar und kann mit Auflagen verbunden oder – bei Wegfall von Voraussetzungen – widerrufen werden.

Von der Erlaubnispflicht ausgenommene Tätigkeiten

Nicht jede Außendiensttätigkeit zählt zum Reisegewerbe. Der Gesetzgeber sieht in § 55a GewO verschiedene Ausnahmen vor, etwa für:

  • das gewerbsmäßige Tätigwerden durch Handelsvertreter oder Handelsmakler,
  • Tätigkeiten im Rahmen von öffentlichen Märkten, Messen oder Ausstellungen, sofern hierfür separate Erlaubnisse bestehen,
  • das gelegentliche Anbieten bestimmter geringwertiger Güter,
  • Verkäufe durch landwirtschaftliche Erzeuger ihrer eigenen Produkte.

Ausschluss bestimmter Tätigkeiten

Verschiedene gewerbliche Tätigkeiten sind für die Ausübung im Reisegewerbe ausdrücklich untersagt oder beschränkt, beispielsweise der Verkauf bestimmter gefährlicher Waren oder Dienstleistungen, die aus Gründen des Verbraucherschutzes oder der öffentlichen Ordnung besondere Zulassungen erfordern.

Pflichten und Rechte im Reisegewerbe

Ausweisungspflichten

Gewerbetreibende im Reisegewerbe sind verpflichtet, auf Verlangen den Besitz der Reisegewerbekarte sowie einen Identitätsnachweis unverzüglich vorzuzeigen. Zudem können Nachweise über die Berechtigung zum Warenverkauf oder zur Dienstleistung verlangt werden.

Verhalten gegenüber Kunden

Im Rahmen des Reisegewerbes sind spezielle Verbraucherschutzvorschriften zu beachten, beispielsweise nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) die Widerrufsrechte für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge (§§ 312b ff. BGB). Kunden, die im Rahmen eines Reisegewerbes angesprochen werden, genießen daher besondere Schutzrechte, wie etwa umfassende Informations- und Belehrungspflichten.

Veranstaltungsbezogene Sonderformen

Das Reisegewerbe kann im Zusammenhang mit bestimmten Veranstaltungen, etwa Volksfesten, Jahrmärkten und Spezialmärkten, besonderen Regelungen unterliegen, wenn diese als „Marktprivilegien“ nach §§ 66 ff. GewO zugelassen sind und die Anbieter entsprechend zugelassen wurden. In diesen Fällen treten an die Stelle der Reisegewerbekarte häufig andere Zulassungsmodalitäten und Marktbescheinigungen.

Verwaltungsrechtliche Kontrolle und Sanktionen

Aufsicht und Kontrolle

Die zuständigen Ordnungsbehörden führen regelmäßig Kontrollen bzgl. der Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften im Reisegewerbe durch. Dies umfasst insbesondere die Kontrolle der persönlichen Zuverlässigkeit, den Besitz der notwendigen Genehmigungen und die Einhaltung verbraucherschutzrechtlicher Regelungen.

Ordnungswidrigkeiten und Straftatbestände

Das unerlaubte Betreiben eines Reisegewerbes ohne gültige Genehmigung stellt eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 146 GewO dar und kann mit empfindlichen Geldbußen belegt werden. Darüber hinaus kommen gegebenenfalls weitere Sanktionen bei Verstößen gegen spezielle Schutzvorschriften (wie z.B. Jugendschutzgesetz oder Verbraucherschutzvorschriften) in Betracht.

Steuerrechtliche Aspekte

Gewerbetreibende im Reisegewerbe sind verpflichtet, die einschlägigen steuerrechtlichen Vorschriften zu beachten, insbesondere hinsichtlich:

  • Einkommensteuerpflicht
  • Gewerbesteuerpflicht
  • Umsatzsteuerlicher Registrierungspflichten
  • Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten

Die mobilen und dezentralen Geschäftsformen erfordern dabei besondere Sorgfalt in der ordnungsgemäßen Dokumentation und Nachweisführung.

Zusammenfassung

Das Reisegewerbe repräsentiert eine spezifische Form des selbständigen, mobilen Gewerbebetriebs in Deutschland, die durch besondere gesetzliche Regelungen hinsichtlich Zulassung, Ausübung und behördlicher Kontrolle geprägt ist. Die klare Abgrenzung zum stehenden Gewerbe, die Erlaubnispflicht in Form der Reisegewerbekarte, umfangreiche Verbraucherschutzbestimmungen und spezielle Pflichten gegenüber den Behörden stellen zentrale Merkmale dieser Gewerbeform dar.

Ein umfassender rechtlicher Überblick zeigt, dass das Reisegewerbe aus dem deutschen Wirtschaftsrecht nicht wegzudenken, aber mit einer Vielzahl von gesetzlichen Vorgaben verbunden ist, deren Einhaltung für die Rechtmäßigkeit des Gewerbebetriebs unerlässlich bleibt.

Häufig gestellte Fragen

Wann ist für das Reisegewerbe eine Reisegewerbekarte erforderlich?

Eine Reisegewerbekarte ist gemäß § 55 GewO (Gewerbeordnung) stets erforderlich, wenn eine gewerbliche Tätigkeit ohne eine vorherige Bestellung außerhalb einer gewerblichen Niederlassung oder ohne eine solche an wechselnden Orten ausgeführt wird. Dies umfasst klassische Tätigkeiten wie das Hausieren, den Verkauf auf Messen, Märkten oder direkt an der Haustür sowie das Anbieten von Dienstleistungen außerhalb der eigenen Betriebsstätte. Aus rechtlicher Sicht dient die Pflicht zur Reisegewerbekarte dem Schutz der Allgemeinheit vor unseriösen Geschäftspraktiken und der Ermöglichung behördlicher Kontrolle. Die Beantragung erfordert eine persönliche Zuverlässigkeitsprüfung, für die ein Führungszeugnis sowie eine steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung vorgelegt werden müssen. Auch ausländerrechtliche Aspekte sind zu berücksichtigen, insbesondere durch Staatsangehörige aus Nicht-EU-Ländern. Bestimmte Tätigkeiten sind von der Reisegewerbekartenpflicht ausgenommen (§ 55a GewO), etwa das Anbieten auf sog. Wochenmärkten mit entsprechender Marktberechtigung oder das Vertreiben bestimmter Produkte. Auch in diesen Ausnahmefällen sollte stets eine genaue Prüfung erfolgen.

Welche Meldepflichten bestehen für Reisegewerbetreibende?

Reisegewerbetreibende sind nach § 14 GewO verpflichtet, den Beginn des Reisegewerbes unverzüglich der zuständigen Behörde anzuzeigen. Im Rahmen der Anmeldung sind die Art und der Umfang der gewerblichen Tätigkeit detailliert anzugeben. Die zuständige Behörde prüft die Unterlagen und stellt nach der erfolgreichen Prüfung die Reisegewerbekarte aus. Darüber hinaus besteht die Pflicht, bei jeder Ausübung des Gewerbes die Reisegewerbekarte mitzuführen und auf Verlangen den Behörden sowie Kunden vorzuzeigen. Änderungen in den persönlichen Verhältnissen oder in Art und Ausmaß des Gewerbes müssen ebenso angezeigt werden. Eine Abmeldung ist bei Aufgabe des Gewerbes oder bei Aufgabe der Reisegewerbetätigkeit ebenfalls erforderlich.

Welche Rechtsfolgen drohen bei Verstößen gegen die Vorschriften des Reisegewerbes?

Wer ohne erforderliche Reisegewerbekarte ein erlaubnispflichtiges Reisegewerbe ausübt, begeht eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 146 GewO, die mit einer Geldbuße von bis zu 5.000 Euro geahndet werden kann. Zusätzlich kann die Gewerbeausübung untersagt werden, und wiederholte Verstöße können zur Zuverlässigkeitsprüfung und sogar zum Entzug der Gewerbeerlaubnis führen. Bei besonders schweren Fällen oder im Zusammenhang mit anderen Straftaten (z.B. Betrug, Diebstahl) kann es auch zu strafrechtlichen Konsequenzen kommen. Auch der Versuch gilt bereits als Ordnungswidrigkeit. Zudem drohen bei Missachtung der Mitführungspflicht der Reisegewerbekarte Bußgelder. Durch Behörden dürfen Auskünfte und Nachweise verlangt und nicht rechtzeitig vorgelegte Unterlagen als weiterer Verstoß gewertet werden.

Welche Besonderheiten gelten für ausländische Staatsangehörige im Reisegewerbe?

Ausländische Staatsangehörige – insbesondere aus Drittstaaten – benötigen neben der deutschen Reisegewerbekarte häufig eine spezielle Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis, die zur selbstständigen Tätigkeit in Deutschland berechtigt. Staatsangehörige aus EU- oder EWR-Ländern genießen aufgrund der Niederlassungsfreiheit grundsätzlich die gleichen Rechte wie Deutsche, müssen jedoch dies durch entsprechende Dokumente belegen können. Für Drittstaatsangehörige schreibt das Aufenthaltsgesetz vor, dass die selbstständige Ausübung genehmigungspflichtig ist, und die Gewerbebehörde prüft im Rahmen der Zuverlässigkeit auch ausländerrechtliche Voraussetzungen. Werden diese Nachweise nicht oder nicht ausreichend erbracht, wird die Erteilung der Reisegewerbekarte versagt.

Welche Aufbewahrungspflichten und Dokumentationspflichten bestehen im Reisegewerbe?

Reisegewerbetreibende unterliegen wie andere Gewerbetreibende bestimmten Aufbewahrungspflichten. Nach steuerrechtlichen Vorgaben (§§ 140 ff. Abgabenordnung, § 147 AO) sind geschäftliche Unterlagen, wie Rechnungen, Quittungen, und Belege mindestens sechs beziehungsweise zehn Jahre aufzubewahren. Dies gilt auch, wenn das Gewerbe zwischenzeitlich abgemeldet wird. Im Verhältnis zu den gewerberechtlichen Vorgaben sind zudem Buchführungsunterlagen, Verträge mit Kunden sowie Nachweise über die Art der Tätigkeit, durchgeführte Geschäfte und Umsatzaufzeichnungen bereitzuhalten. Bei Kontrollen durch Behörden müssen diese Unterlagen auf Verlangen vorgelegt werden können.

Ist die Ausübung eines Reisegewerbes neben einem festen Gewerbebetrieb zulässig?

Die parallele Ausübung eines Reisegewerbes neben einem stehenden Gewerbe ist grundsätzlich rechtlich zulässig, bedarf jedoch einer getrennten Erlaubnis beziehungsweise Anzeige bei der zuständigen Behörde. Während für den festen Gewerbebetrieb eine Gewerbeanmeldung nach § 14 GewO ausreicht, ist für das Reisegewerbe zwingend eine gesonderte Reisegewerbekarte erforderlich. Dabei muss die Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden erneut für das Reisegewerbe geprüft werden. Ferner sind unterschiedliche steuerrechtliche Rahmen und unterschiedliche Buchführungsvorschriften zu beachten, was insbesondere Auswirkungen auf die Umsatzsteuerpflicht und die Abgrenzung der Einnahmen haben kann.

Welche Rolle spielen verbraucherschutzrechtliche Vorschriften im Reisegewerbe?

Das Reisegewerbe ist in besonderer Weise durch verbraucherschutzrechtliche Vorschriften geprägt, da Geschäfte häufig außerhalb der Betriebsstätte und ohne vorherige Bestellung abgeschlossen werden. Nach § 312g BGB steht Verbrauchern bei Verträgen außerhalb von Geschäftsräumen in aller Regel ein Widerrufsrecht von 14 Tagen zu. Reisegewerbetreibende sind verpflichtet, die Verbraucher ordnungsgemäß über dieses Widerrufsrecht aufzuklären und die entsprechenden Hinweise schriftlich auszuhändigen. Werden diese Informationspflichten verletzt, beginnt die Widerrufsfrist nicht zu laufen, wodurch der Verbraucher das Recht hat, den Vertrag auch noch nach längerer Zeit zu widerrufen. Auch sonstige Vorschriften, etwa zum Datenschutz, greifen hier besonders streng, da der persönliche Kontakt zu Kunden im Reisegewerbe im Vordergrund steht.