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Raider


Begriff Raider – Definition und rechtliche Einordnung

Der Begriff Raider hat in rechtlicher Hinsicht hauptsächlich im Bereich des Wirtschaftsrechts, vor allem im Zusammenhang mit Unternehmenstransaktionen, Übernahmen und Wertpapierhandel, eine besondere Bedeutung. Während der Begriff im alltäglichen Sprachgebrauch selten genutzt wird, hat er in der Fachsprache Eingang gefunden, insbesondere im Zusammenhang mit sogenannten „Feindlichen Übernahmen“. Im Folgenden werden Wesen, rechtliche Rahmenbedingungen und die verschiedenen Facetten des Begriffs detailliert erläutert.


Herkunft und Grundverständnis des Begriffs „Raider“

Etymologie

Der Ausdruck „Raider“ stammt vom englischen Begriff „to raid“ ab, was so viel bedeutet wie „überfallen“ oder „plündern“. In der Wirtschaft wird er für natürliche oder juristische Personen verwendet, die – meist spekulativ motiviert – aggressive, meist feindliche Übernahmen von Unternehmen anstreben.

Abgrenzung zu anderen Begriffen

Ein „Raider“ unterscheidet sich von strategischen Investoren oder Private-Equity-Gesellschaften durch das Vorgehen, das in der Regel darauf abzielt, sich günstigen Einfluss, Kontrolle oder kurzfristig wirtschaftliche Vorteile zu sichern – häufig gegen den Willen des Unternehmens oder seiner aktuellen Eigentümer.


Rechtliche Grundlagen und Rahmenbedingungen

Übernahmerecht und Wertpapierhandelsrecht

Das zentrale rechtliche Feld, in dem „Raider“ agieren, ist das Übernahmerecht, insbesondere im Zusammenhang mit öffentlichen Übernahmen börsennotierter Gesellschaften. Hierbei sind in Deutschland vor allem das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) sowie europäische Übernahmerichtlinien maßgeblich.

Ablauf einer feindlichen Übernahme durch einen Raider

  1. Aufbau von Beteiligungen: Häufig beginnt ein Raider mit dem schrittweisen Erwerb von Anteilen, oft zunächst unterhalb der gesetzlichen Mitteilungsschwellen nach § 33 WpHG.
  2. Meldepflichten: Beim Überschreiten bestimmter Schwellen (3 %, 5 %, 10 % etc.) muss der Anteilserwerb gemeldet werden.
  3. Pflichtangebot: Ab einer Beteiligung von 30 % der Stimmrechte ist unter Umständen ein Pflichtangebot zur Übernahme an die übrigen Aktionäre abzugeben (§ 35 WpÜG).
  4. Kampf um Kontrolle: Gegenmaßnahmen durch das Management der Zielgesellschaft, wie „Abwehrmaßnahmen“ („defensive Maßnahmen“), sind an rechtliche Schranken gebunden (§ 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG – Neutralitätspflicht).

Zulässigkeit und Beschränkungen raiderischer Aktivitäten

Legalitätsprinzip und Missbrauchsverbote

Übernahmen durch Raider sind dem Grundsatz nach rechtlich zulässig, unterliegen aber vielfältigen Regelungen zum Schutz der Aktionäre, des Marktes und der Zielgesellschaft. Unzulässige Praktiken wie Insiderhandel, Marktmissbrauch oder das vorsätzliche Unterlaufen von Meldepflichten sind straf- und bußgeldbewehrt (§§ 38ff. WpHG, Marktmissbrauchsverordnung (MAR)).

Kartellrechtliche Grenzen

Sollte durch das raiderische Vorgehen eine marktbeherrschende Stellung entstehen oder verstärkt werden können, sind die Regelungen der Fusionskontrolle nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) sowie der EU-Fusionskontrollverordnung zu beachten. Gegebenenfalls sind Übernahmen bei den zuständigen Kartellbehörden anzumelden und dürfen erst nach Freigabe vollzogen werden.


Typische Erscheinungsformen und Motive eines Raiders

Strategischer und finanzieller Raider

  • Strategischer Raider: Ziel ist hierbei häufig die Integration des Übernahmeobjekts in das eigene Unternehmen oder dessen Zerschlagung.
  • Finanzieller Raider: Hier handelt es sich meist um Fonds oder Einzelpersonen, die auf kurzfristige Gewinne zum Beispiel durch Abverkauf von Unternehmenswerten und anschließenden Ausstieg setzen.

Methoden und Taktiken

  • Shareholder activism: Einflussnahme auf Unternehmensentscheidungen durch Nutzung und Mobilisierung von Stimmrechten.
  • Greenmailing: Androhen einer Übernahme mit dem Ziel, sich die Anteile vom Zielunternehmen zu einem überhöhten Preis abkaufen zu lassen.
  • Assetstripping: Verkauf von profitablen Unternehmensteilen nach einer Übernahme.

Schutz- und Abwehrmaßnahmen gegen Raider

Gesetzliche Instrumente

Gestützt durch das WpÜG und das Aktiengesetz (AktG) existieren verschiedene Instrumentarien, um Zielunternehmen vor raiderischen Übernahmen zu schützen:

  • Stimmrechtsbeschränkungen (§ 136 AktG)
  • Vinkulierung von Namensaktien (§ 68 AktG)
  • Mehrstimmrechte (in Deutschland grundsätzlich unzulässig)
  • Verschmelzungs- oder Umwandlungsbeschlüsse, die eine Übernahme erschweren können

Organinterne Maßnahmen

Unternehmensleitungen können durch sogenannte „Abwehrstrategien“ versuchen, eine Übernahme zu verhindern oder zumindest zu erschweren („poison pill“, „white knight“, „golden parachute“ etc.), wobei die Neutralitätspflicht nach dem WpÜG zu beachten ist.


Steuerliche und konkursrechtliche Gesichtspunkte

Nach einer raiderischen Übernahme kann es, insbesondere bei Assetstripping oder Zerschlagung, zu erheblichen steuerrechtlichen Konsequenzen kommen. Ebenso sind die insolvenzrechtlichen Vorschriften, etwa im Fall rechtswidriger Geschäftsführung oder „existenzvernichtender Eingriffe“, zu beachten (§ 826 BGB i.V.m. Insolvenzordnung).


Internationales Recht und grenzüberschreitende Aktivitäten von Raidern

Europäische Ebene

Die europäische Übernahmerichtlinie 2004/25/EG harmonisiert die Rahmenbedingungen innerhalb der Europäischen Union und setzt Mindeststandards für Transparenz, Gleichbehandlung der Aktionäre und Zulässigkeit von Abwehrmaßnahmen.

Globale Perspektive

International agierende Raider sind zusätzlich mit unterschiedlichen nationalen Übernahmeregelungen, Börsenaufsichten und Marktpraktiken konfrontiert, etwa in den USA (reguliert durch das „Williams Act“) oder Großbritannien (reguliert durch den „Takeover Code“ der UK Takeover Panel).


Fazit

Der Begriff Raider ist im Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht ein Synonym für aggressive Akteure, die durch gezielten Erwerb von Unternehmensanteilen Kontrolle oder Gewinne anstreben. Diese Aktivitäten sind rechtlich eng reguliert, wobei zahlreiche Pflichten, Verbote und Kontrollmechanismen bestehen. Die rechtlichen Herausforderungen reichen vom Wertpapierhandelsrecht über das Übernahmerecht bis hin zu kartell- und insolvenzrechtlichen Problemstellungen. Ein umfassendes Verständnis dieser rechtlichen Rahmenbedingungen ist unabdingbar, um Risiken und Handlungsoptionen in Zusammenhang mit Raidern im Unternehmenskontext fundiert beurteilen zu können.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Konsequenzen drohen bei einem „Raider“-Eingriff in ein Unternehmen?

Die rechtlichen Konsequenzen eines sogenannten „Raiders“ – also einer Person, die durch gezielte feindliche Übernahmen oder verdeckte Einflussnahme Kontrolle über ein Unternehmen erlangen will – sind vielfältig und richten sich nach dem gewählten Vorgehen. Bereits der Erwerb erheblicher Stimmrechtsanteile an einer börsennotierten Gesellschaft unterliegt dem Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) sowie dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG), insbesondere den Mitteilungspflichten bei Überschreiten bestimmter Schwellenwerte. Verstöße gegen diese Meldepflichten können mit empfindlichen Bußgeldern geahndet werden (§ 39 WpHG). Bei Manipulationen oder unzulässigen Einflussnahmen, etwa durch Insiderhandel (§ 119 WpHG), Marktmanipulation oder das Erschleichen von Geschäftsgeheimnissen (§ 23 GeschGehG), drohen zudem strafrechtliche Konsequenzen bis hin zu Freiheitsstrafen. Wird die Grenze zur Untreue, zum Betrug oder zu anderen Straftaten überschritten, sieht das Strafgesetzbuch (StGB) weitergehende Sanktionen vor. Zivilrechtlich können betroffene Unternehmen auf Schadensersatz oder Unterlassung klagen. Auch gesellschaftsrechtliche Instrumente wie die Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen oder aktienrechtliche Sonderprüfungen (§§ 142 ff. AktG) kommen in Betracht.

Welche Melde- und Veröffentlichungspflichten bestehen bei Beteiligungserwerb durch einen Raider?

Im deutschen Kapitalmarktrecht bestehen strenge Melde- und Veröffentlichungspflichten, sobald ein Investor – auch ein „Raider“ – wesentliche Beteiligungen an einer börsennotierten Aktiengesellschaft erwirbt oder veräußert. Nach § 33 WpHG sind natürliche oder juristische Personen verpflichtet, der Gesellschaft und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) mitzuteilen, wenn ihr Stimmrechtsanteil bestimmter Schwellenwerte (3 %, 5 %, 10 %, 15 %, 20 %, 25 %, 30 %, 50 % und 75 %) erreicht, über- oder unterschreitet. Die Gesellschaft wiederum muss diese Information nach § 40 WpHG öffentlich machen. Darüber hinaus kann ab einem Kontrollwechsel gemäß § 35 WpÜG ein Pflichtangebot an die übrigen Aktionäre notwendig werden. Zuwiderhandlungen ziehen nicht nur aufsichtsrechtliche Sanktionen nach sich, sondern können auch Rechte aus den erworbenen Aktien suspendieren (§ 44 WpHG).

Welche Beschränkungen gibt es für Raider bei Einsatz von Stimmrechten und Mehrheitsentscheidungen?

Die Ausübung von Stimmrechten ist in Deutschland durch aktienrechtliche, gesellschaftsrechtliche und teils kapitalmarktrechtliche Vorschriften geregelt. Raider sind, wie alle Aktionäre, an das Aktiengesetz (AktG) gebunden, insbesondere an die Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft und das Verbot des Missbrauchs von Stimmrechten (§ 243 AktG: Anfechtung wegen Gesetzesverstoßes). Versucht ein Raider, Stimmrechte im Rahmen von Stimmenbündelungen, verdeckten Absprachen (sog. Acting-in-concert gemäß § 34 WpHG) oder durch Treuhandkonstruktionen zu bündeln und so eine Mehrheitsentscheidung herbeizuführen, kann dies weitreichende Folgen haben. Bei Verstößen gegen Meldevorschriften kann die BaFin die Stimmrechte ruhen lassen (§ 44 WpHG). Im Einzelfall kann auch die Anfechtung von Beschlüssen der Hauptversammlung erfolgreich sein, wenn diese auf unrechtmäßig ausgeübten Stimmrechten beruhen.

Gibt es besondere Regelungen zur Abwehr feindlicher Übernahmen durch Raider?

Das deutsche Aktienrecht sieht verschiedene Verteidigungsmechanismen gegen feindliche Übernahmen vor. Einerseits beschränkt § 33 WpÜG das eigenmächtige Vorgehen des Vorstands während einer laufenden Übernahme – er darf wesentliche Maßnahmen zur Abwehr einer Übernahme grundsätzlich nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats ergreifen („Neutralitätsgebot“). Andererseits können Unternehmen sich durch satzungsrechtliche Vorkehrungen schützen, etwa durch Höchststimmrechte, Vinkulierung von Namensaktien oder die Ausgabe von Vorzugsaktien ohne Stimmrecht. Auch das Einholen einer Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss zugunsten freundlicher Investoren ist unter den gesetzlichen Voraussetzungen möglich (§§ 186, 203 AktG). Letztlich steht es Unternehmen auch offen, Übernahmeangebote mit Gegenangeboten oder Abfindungszahlungen abzuwehren.

Wann liegt eine unzulässige Marktmanipulation bei Raider-Aktivitäten vor und wie wird diese sanktioniert?

Marktmanipulation ist nach der EU-Marktmissbrauchsverordnung (MAR) sowie §§ 119 ff. WpHG strikt verboten. Eine unzulässige Marktmanipulation liegt vor, wenn ein Raider durch bewusst irreführende Transaktionen, falsche Gerüchte oder andere manipulative Maßnahmen versucht, den Kurs der Zielgesellschaft zu beeinflussen. Solche Handlungen werden von der BaFin aktiv überwacht und können mit Bußgeldern in Millionenhöhe geahndet werden. In schwerwiegenden Fällen drohen zudem strafrechtliche Konsequenzen (§ 120 WpHG), darunter Geld- und Freiheitsstrafen. Daneben können zivilrechtliche Ansprüche von Geschädigten, etwa Schadensersatzansprüche nach § 826 BGB (sittenwidrige vorsätzliche Schädigung), bestehen.

Welche Rolle spielen Offenlegungspflichten bei der Finanzierung feindlicher Übernahmen?

Die Finanzierung einer feindlichen Übernahme wird durch zahlreiche Transparenz- und Publizitätspflichten flankiert. Insbesondere muss ein Angebot nach dem WpÜG (§ 11) ein umfassendes Finanzierungskonzept enthalten, das die gesicherte Finanzierung des Erwerbs glaubhaft macht. Häufig eingesetzte Finanzierungsmethoden wie Leverage Buy-Outs (LBO) bedürfen deshalb einer transparenten Offenlegung der Fremdfinanzierungsquellen. Verstoß gegen diese Pflichten kann zur Untersagung des öffentlichen Angebots oder zur nachträglichen Unwirksamkeit führen. Gegebenenfalls kann auch das Strafrecht zum Tragen kommen, etwa bei vorsätzlicher Täuschung der Marktteilnehmer über die tatsächlichen Finanzierungsmöglichkeiten.

Welche besonderen Sorgfaltspflichten treffen Organmitglieder bei drohenden Raider-Aktivitäten?

Organmitglieder, insbesondere Vorstand und Aufsichtsrat, haben im Vorfeld und im Verlauf einer feindlichen Übernahme besonders hohe Sorgfalts- und Überwachungspflichten (§§ 93, 116 AktG). Sie müssen potenzielle Risiken einer Übernahme für das Unternehmen und die Aktionäre rechtzeitig erkennen und geeignete Gegenmaßnahmen im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften vorbereiten. Hierzu zählt auch die ordnungsgemäße Information des Kapitalmarkts (§ 15 WpHG; ad hoc-Publizität), die sorgfältige Dokumentation aller Entscheidungsprozesse und die transparente Kommunikation mit den Anteilseignern. Bei einer Verletzung dieser Pflichten drohen Haftungstatbestände gegenüber der Gesellschaft (§ 93 Abs. 2 AktG) und gegebenenfalls auch Schadensersatzansprüche der Aktionäre.