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Memorandum


Begriff und Rechtsnatur des Memorandums

Der Begriff Memorandum stammt aus dem Lateinischen und bedeutet „das, woran erinnert werden soll“. Im rechtlichen Kontext bezeichnet ein Memorandum allgemein eine schriftliche, oft formfreie, Zusammenfassung von Sachverhalten, Absichten, Willenserklärungen oder Vereinbarungen. Es dient in vielen Fällen als Grundlage für formelle Verträge, Protokolle oder zur Dokumentation von Verhandlungsständen. Die konkrete rechtliche Einordnung eines Memorandums hängt vom jeweiligen Kontext, der Ausgestaltung und dem Zweck der Niederschrift ab.

Memoranden finden Anwendung in unterschiedlichen Rechtsgebieten – darunter Gesellschaftsrecht, Vertragsrecht, internationales Recht und öffentliches Recht. Im Folgenden werden die rechtlichen Aspekte, die Arten und die Bedeutung eines Memorandums innerhalb der jeweiligen Rechtsbereiche detailliert dargestellt.

Formen und Funktionen eines Memorandums

Memorandum of Understanding (MoU)

Ein Memorandum of Understanding (kurz: MoU) ist im internationalen Sprachgebrauch eine weit verbreitete Form des Memorandums. Es handelt sich um eine schriftliche Absichtserklärung, in welcher mindestens zwei Parteien darlegen, welche gemeinsamen Ziele sie verfolgen und welche Absichten sie im Hinblick auf eine Zusammenarbeit haben.

Rechtliche Verbindlichkeit eines MoU

Die rechtliche Verbindlichkeit eines MoU ist im Einzelfall anhand des Inhalts, der Formulierungen sowie der gezogenen Schlussfolgerungen zu bestimmen. Ein MoU kann

  • eine unverbindliche Absichtserklärung darstellen,
  • teilweise verbindliche Regelungen (z.B. Vertraulichkeit, Exklusivität) enthalten oder
  • bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 145 BGB bzw. nach internationalem Recht als rechtlich verbindlicher Vertrag angesehen werden.

Die tatsächliche Bindungswirkung hängt maßgeblich vom subjektiven Willen der Parteien und der gewählten Ausdrucksweise ab.

Funktion und Bedeutung

Ein MoU dient häufig als Basis für spätere Detailverhandlungen und kann Vorverträge (wie beispielsweise ein Letter of Intent) ersetzen oder ergänzen. In der Praxis hat ein MoU vor allem eine koordinierende, vertraulichkeitswahrende sowie absichtserklärende Funktion.

Letter of Intent (LoI)

Der Letter of Intent (LoI) ist inhaltlich dem Memorandum ähnlich und enthält ebenfalls Absichtserklärungen bezüglich eines gewünschten Vertragsschlusses. Beide Schrifttypen weisen ähnliche Funktionen auf und können sowohl unverbindlich als auch verbindlich ausgestaltet sein. Die Abgrenzung zwischen Memorandum und LoI erfolgt im Wesentlichen anhand des Verhandlungsstandes sowie der eingesetzten juristischen Begriffe, wobei das LoI typischerweise zu Beginn von Verhandlungen zum Einsatz kommt.

Memorandum im Gesellschaftsrecht

Im anglo-amerikanischen Gesellschaftsrecht (z.B. nach englischem Recht) bezeichnet „Memorandum of Association“ das Gründungsdokument einer Kapitalgesellschaft. Es regelt zentrale Aspekte wie Firmierung, Sitz, Grundkapital und vorläufige interne Regelwerke. In Deutschland existiert mit dem Gesellschaftsvertrag oder der Satzung eine inhaltlich vergleichbare Regelung, jedoch wird der Terminus „Memorandum“ traditionell nicht verwendet.

Memorandum in internationalen Abkommen und Übereinkommen

Im Rahmen zwischenstaatlicher Beziehungen ist ein Memorandum oft das Instrument für politische oder administrative Vereinbarungen, die keine völkerrechtlich verbindliche Wirkung entfalten sollen („Gentleman’s Agreement“). Dennoch können solche Memoranden durch Bezugnahme in spätere völkerrechtliche Verträge oder durch „Transformation“ in nationales Recht rechtliche Relevanz gewinnen.

Memorandum im Verwaltungs- und Vertragsrecht

Auch im nationalen Verwaltungsrecht finden sich Memoranden als Niederschrift informeller Verständigungen, etwa im Vorfeld zur Gesetzgebung oder bei Kooperationsabsprachen zwischen Behörden. In Vergabeverfahren, Unternehmenszusammenschlüssen oder Kooperationsvereinbarungen wird ein Memorandum als Dokumentationsinstrument und Basis für folgende Vertragsverhandlungen genutzt.

Rechtliche Auslegung und Bindungswirkung von Memoranden

Auslegung nach deutschem Recht

Die Auslegung des Memorandums richtet sich primär nach den §§ 133, 157 BGB (Willensermittlung, Vertragsauslegung). Entscheidend sind der objektive Erklärungswert, der erkennbare Parteiwille sowie die Begleitumstände. Als rechtlich unverbindliche Absichtserklärungen dienen Memoranden dazu, die Parteien auf einen zukünftigen Vertrag vorzubereiten, ohne bereits jetzt Rechte und Pflichten zu begründen.

Verbindlichkeitsklauseln und Auslegungsbesonderheiten

Häufig werden im Memorandum ausdrücklich Klauseln zur Unverbindlichkeit oder zur Bindung einzelner Passagen (z.B. Vertraulichkeitsregelungen) aufgenommen. Bei Fehlen solcher Bestimmungen gibt die Rechtsprechung Kriterien vor, wonach insbesondere

  • die Komplexität der Regelungen,
  • die Formulierung von Verpflichtungen und
  • der Kontext der Verhandlungen

entscheiden, ob ein Rechtsbindungswille vorliegt.

Memorandum als Vorvertrag

Ist ein Memorandum so formuliert, dass die wesentlichen Vertragsinhalte bereits abschließend geregelt sind, kann es ausnahmsweise einen Vorvertrag darstellen, aus dem entsprechende Bindungswirkungen und Erfüllungsansprüche resultieren. Hierzu ist insbesondere eine ausdrückliche oder konkludente Bezugnahme auf anzustrebende Hauptverträge notwendig.

Memorandum im Geschäftsverkehr: Praxisrelevanz

Im Wirtschaftsleben und internationalen Handelsverkehr haben Memoranden vor allem die Aufgabe, komplexe Sachverhalte zu strukturieren, Parteien über Grundzüge der Zusammenarbeit zu informieren sowie eine erste rechtliche Grundlage für ggf. spätere, umfassende Vertragsabschlüsse zu schaffen. In Verhandlungsprozessen dienen sie als Protokolle und „Meilensteine“ für die weitere Ausgestaltung zukünftiger Verträge.

Risiken und Vorteile

Risiken

  • Ungewisse Rechtsbindung: Unklare oder missverständliche Formulierungen können unerwünschte Bindungswirkungen entfalten.
  • Vorzeitige Erfüllungspflichten: Ein zu konkret gefasstes Memorandum kann als Vorvertrag angesehen werden.
  • Informationspflichten: Enthaltene Vertraulichkeitsvereinbarungen sind verbindlich und können Schadensersatzpflichten im Falle von Verstößen auslösen.

Vorteile

  • Dokumentation des Verhandlungsstandes
  • Schaffung einer vertrauensbildenden Basis
  • Strukturiertes Vorgehen bei komplexen Vertragsverhandlungen

Memorandum und Datenschutzrecht

Besondere Bedeutung kommt Memoranden zu, wenn sie personenbezogene Daten oder Betriebsgeheimnisse betreffen. Der Umgang und die Verarbeitung von Daten im Rahmen von Memoranden erfordern häufig zusätzliche datenschutzrechtliche Absicherungen und Vertraulichkeitsklauseln, um den Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) oder anderen einschlägigen Datenschutzgesetzen Rechnung zu tragen.

Zusammenfassung

Das Memorandum ist ein vielseitig eingesetztes Rechtsdokument, dessen rechtliche Bedeutung maßgeblich von Inhalt, Kontext und Formulierung abhängt. Es kann sowohl unverbindliche Absichtserklärung als auch eine (teil-)verbindliche Vorvereinbarung sein und wird in verschiedenen Rechtsgebieten als organisatorisches und dokumentarisches Instrument verwendet. Die Auslegung und Wirksamkeit von Memoranden verlangt stets eine genaue Analyse der Umstände des Einzelfalls.

Siehe auch

  • Letter of Intent
  • Vertrag
  • Vorvertrag
  • Gesellschaftsvertrag
  • Absichtserklärung
  • Vertraulichkeitsvereinbarung

Literaturhinweise

  • Schütte, Roland: „Absichtserklärungen (Letter of Intent, Memorandum of Understanding, Heads of Agreement) im deutschen Vertragsrecht“, NJW 2000, 842.
  • Langenbucher, Katja: „Recht der Unternehmensverträge“, 2. Auflage, München 2018.
  • MüKoBGB/Busche, BGB § 145 Rn. 1 ff., 8. Auflage 2020.
  • Palandt, BGB, Vorb. v. § 145 Rn. 16, 82. Auflage 2023.

Hinweis: Dieser Beitrag bietet keine Einzelfallberatung und stellt eine objektive Begriffs- und Rechtsdarstellung dar.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Bindungswirkungen hat ein Memorandum?

Ein Memorandum ist im rechtlichen Kontext grundsätzlich als ein Schriftstück zu verstehen, das die wichtigsten Punkte einer beabsichtigten Vereinbarung oder Verhandlungsergebnisse zusammenfasst. In der Regel entfaltet ein Memorandum selbst keine rechtlich bindende Wirkung, da es sich meist um eine Absichtserklärung („Memorandum of Understanding“, kurz MoU) handelt. Allerdings kommt die rechtliche Bindungswirkung darauf an, wie das Dokument ausgestaltet ist – eine rechtliche Bindung kann entstehen, wenn ausdrücklich bestimmt wird, dass bestimmte Klauseln bereits rechtsverbindlich sein sollen (z.B. Vertraulichkeits- oder Exklusivitätsregelungen). Fehlt eine derartige Einordnung, gehen Gerichte in Deutschland meist davon aus, dass das Memorandum lediglich als Grundlage für spätere, detaillierte und verbindliche Verträge dient. Bei internationalen Sachverhalten spielt zudem die genaue Formulierung im Dokument (wie „subject to contract“ oder „legally binding“) eine erhebliche Rolle für dessen Einordnung im jeweiligen Rechtssystem.

Muss ein Memorandum bestimmte Formvorschriften erfüllen?

Memoranden unterliegen grundsätzlich keinen besonderen Formvorschriften nach deutschem Recht, sofern sie keine Verträge oder individualisierbaren Willenserklärungen mit Formzwang (z.B. notarielle Beurkundung für Grundstücksgeschäfte nach § 311b BGB) beinhalten. In der Praxis erfolgt die Erstellung meist schriftlich, um spätere Missverständnisse zu vermeiden und den Nachweis der besprochenen Punkte zu sichern. Im internationalen Rechtsverkehr können nationale Formvorschriften, insbesondere bei bindenden Abschnitten, eine Rolle spielen. Bei komplexen Transaktionen empfiehlt sich daher eine juristische Prüfung, ob wichtige Inhalte wegen ihrer Bedeutung einer bestimmten Form bedürfen; etwa, wenn sie als Vorvertrag oder bereits als Hauptvertrag angesehen werden könnten.

Können im Memorandum getroffene Absprachen gegen das gesetzliche Verbot verstoßen?

Ja, auch im Rahmen eines Memorandum können getroffene Absprachen oder festgehaltene Absichten je nach Ausgestaltung gegen zwingende gesetzliche Vorschriften oder Verbote (z.B. § 134 BGB: Gesetzeswidrigkeit, § 138 BGB: Sittenwidrigkeit) verstoßen. Einige in einem Memorandum vereinbarte Punkte wie etwa Kartellrechtsverstöße, Umgehung von Arbeitsgesetzen oder Verstöße gegen Geheimhaltungsvorschriften können bereits im Stadium der Absichtserklärung rechtliche Konsequenzen haben. In solchen Fällen kann das Memorandum nichtig sein oder sogar empfindliche Bußgelder und Schadenersatzforderungen nach sich ziehen. Daher ist gerade bei weitreichenden wirtschaftlichen Projekten oder gesellschaftsrechtlichen Transaktionen eine rechtliche Prüfung unerlässlich.

Wie unterscheidet sich ein Memorandum of Understanding (MoU) von einem Vorvertrag?

Im rechtlichen Kontext ist der Unterschied zwischen einem Memorandum of Understanding (MoU) und einem Vorvertrag entscheidend: Während ein MoU meist nur eine Absichtserklärung ohne unmittelbare rechtliche Bindung ist, verpflichtet ein Vorvertrag die Parteien bereits verbindlich zum späteren Abschluss eines Hauptvertrages unter bestimmten Bedingungen. Der Vorvertrag ist als Vertrag im Rechtssinne ausgestaltet (sogenannte „Verpflichtung zum Vertragsschluss“) und kann rechtlich durchgesetzt werden. Bei einem MoU kommt es dagegen darauf an, ob und welche bindenden Klauseln aufgenommen wurden; in der Regel dienen MoUs jedoch lediglich der Koordination und Dokumentation von Verhandlungsständen, nicht einer rechtlichen Verpflichtung.

Wer ist beim Abschluss eines Memorandums vertretungsberechtigt?

Die Vertretungsbefugnis beim Abschluss eines Memorandums richtet sich nach allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften, insbesondere nach §§ 164 ff. BGB. Handelt eine natürliche Person, so erfolgt der Abschluss entweder im eigenen Namen oder als Vertreter, sofern eine entsprechende Vollmacht vorliegt. Bei juristischen Personen oder Gesellschaften müssen die organschaftlichen Vertreter (Geschäftsführer, Vorstand, Prokurist etc.) im Rahmen ihrer Vertretungsmacht handeln. Fehlende oder überschrittene Vertretungsmacht kann die Wirksamkeit des Memorandums beeinträchtigen und im Extremfall Haftungsansprüche (z.B. wegen „culpa in contrahendo“) auslösen. Auch informelle Dokumente wie Memoranden erfordern daher eine genaue Prüfung, ob die unterzeichnende Person im Namen der Partei wirksam auftreten darf.

Welche rechtlichen Risiken bestehen bei einem verfassen eines Memorandums?

Das Verfassen eines Memorandums birgt mehrere Risiken: Wird die Unverbindlichkeit nicht klar kommuniziert, kann ein Gericht im Streitfalle dennoch eine rechtliche Bindung annehmen, insbesondere wenn die Ausgestaltung und Sprache des Dokuments dies nahelegen (z.B. definitive Zusagen, detaillierte Leistungsbeschreibungen). Ferner können durch bereits im Memorandum enthaltene Verschwiegenheits-, Exklusivitäts- oder Wettbewerbsverbote rechtliche Verpflichtungen entstehen. Unklare oder widersprüchliche Formulierungen bergen die Gefahr der Fehlinterpretation oder späteren Konflikte, insbesondere bei internationaler Beteiligung mit unterschiedlichen Rechtstraditionen. Zudem kann das Memorandum Rechte Dritter verletzen oder gegen gesetzliche Verbote und allgemeine Geschäftsgrundsätze verstoßen. Daher empfiehlt sich stets eine juristische Prüfung, insbesondere bei grenzüberschreitenden Sachverhalten und komplexen wirtschaftlichen Vorhaben.