Konsensualkontrakt / Konsensualvertrag – Definition und rechtliche Einordnung
Der Begriff Konsensualkontrakt oder Konsensualvertrag beschreibt im Zivilrecht einen Vertragstyp, bei dem der rechtsverbindliche Vertragsschluss allein durch die übereinstimmende Willenserklärung der beteiligten Parteien zustande kommt. Die physische Übergabe eines Gegenstands oder eine weitere Handlung ist für die Wirksamkeit des Vertragsabschlusses nicht erforderlich. Diese Vertragsform steht im Gegensatz zu sogenannten Realverträgen und Formalverträgen.
Systematik der Vertragstypen im Zivilrecht
Die Typisierung nach Vertragsabschluss
Verträge lassen sich im Zivilrecht nach dem Modus ihres Zustandekommens unterscheiden:
- Konsensualverträge (Konsensualkontrakte): Wirksam mit Übereinkunft, Konsens beider Parteien.
- Realverträge: Kommen erst mit zusätzlicher Leistungshandlung (z. B. Überlassung einer Sache) zustande.
- Formalverträge: Erfordern neben dem Konsens auch eine bestimmte Form (Schriftform, notarielle Beurkundung).
Historische Entwicklung und Rechtsvergleich
Das Konzept der Konsensualverträge stammt ursprünglich aus dem römischen Recht. Dort bildeten Konsensualverträge einen eigenen Vertragstyp, zu dem beispielsweise Kauf, Miete und Auftrag gehörten. Im modernen Zivilrecht – etwa nach deutschem oder österreichischem Recht – ist das Konsensprinzip beim Vertragsschluss grundsätzlich vorherrschend.
Zustandekommen und Wirksamkeit des Konsensualvertrags
Essentialia negotii und Konsens
Ein Konsensualvertrag entsteht durch mindestens zwei übereinstimmende Willenserklärungen: Angebot und Annahme. Diese müssen sich über die sog. essentialia negotii (Vertragsgegenstand, Parteien, Leistung, Gegenleistung) einigen. Gelingt keine Einigung über alle notwendigen Punkte, kommt kein wirksamer Konsensualvertrag zustande.
Abgrenzung zu Realverträgen und Formalverträgen
Beim Realvertrag wird neben dem Konsens eine tatsächliche Leistungserbringung verlangt (z. B. bei Leihe erst mit Übergabe). Der Formalvertrag benötigt eine bestimmte gesetzlich vorgeschriebene Form, z. B. bei einem Grundstückskaufvertrag die notarielle Beurkundung.
Konsensualverträge sind im Regelfall formfrei, sofern nicht gesetzlich eine bestimmte Form vorgeschrieben ist.
Anwendungsbeispiele und typische Konsensualverträge
Häufige Anwendungsfälle
Die meisten Alltagsverträge sind Konsensualverträge, wie etwa:
- Kaufvertrag (§§ 433 ff. BGB)
- Mietvertrag (§§ 535 ff. BGB)
- Dienstvertrag (§§ 611 ff. BGB)
- Werkvertrag (§§ 631 ff. BGB)
- Schenkungsvertrag (grundsätzlich, mit Ausnahmen wegen Formvorschriften)
Praktische Relevanz
Der Konsensualvertrag steht im Zentrum des täglichen Rechtsverkehrs. Insbesondere im Geschäftsleben werden Verträge in der Regel alleine durch Einigung der Parteien geschlossen. Das Prinzip „pacta sunt servanda“ („Verträge sind einzuhalten“) gilt dabei als tragende Säule des Vertragsrechts.
Formvorschriften und Ausnahmen
Obwohl Konsensualverträge grundsätzlich formfrei sind, können gesetzliche Formvorschriften eine Ausnahme darstellen, etwa bei bestimmten Verträgen (z. B. Immobiliengeschäfte, Bürgschaften). In diesen Fällen wird der Konsens durch eine zusätzliche Formbindung ergänzt.
Rechtsfolgen und Bedeutung des Konsensualvertrags
Bindungswirkung des Konsens
Wurde ein Konsensualvertrag wirksam geschlossen, sind die Parteien rechtlich an ihre Vereinbarung gebunden. Einseitige Abänderungen oder Rücktritte sind nur dort möglich, wo dies gesetzlich zugelassen oder individuell vereinbart wurde.
Anfechtung und Rücktritt
Auch Konsensualverträge können angefochten werden, falls beispielsweise ein Irrtum, eine Täuschung oder eine Drohung vorliegt (§§ 119 ff. BGB). Die gesetzlichen Rücktrittsmöglichkeiten bleiben ebenfalls unberührt, sofern ihre Voraussetzungen erfüllt sind.
Internationales Privatrecht und Konsensualverträge
Im internationalen Rechtsverkehr gelten für Konsensualkontrakte die kollisionsrechtlichen Grundsätze, etwa nach Rom I-Verordnung oder Art. 27 ff. EGBGB (Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch). Die Frage, ob ein Vertrags zwischen Parteien verschiedener Länder bereits durch Konsens als bindend anzusehen ist, richtet sich in der Regel nach dem anwendbaren Recht.
Konsensualvertrag in Abgrenzung zu anderen Vertragstypen
Konsensualvertrag vs. Realvertrag
Der wesentliche Unterschied liegt darin, dass beim Konsensualvertrag der Vertrag mit der Einigung abgeschlossen ist. Beim Realvertrag ist eine zusätzliche reale Handlung (z. B. Übergabe) für das Zustandekommen erforderlich.
Konsensualvertrag vs. Verbindliche Angebote und Letter of Intent
Verbindliche Angebote, sogenannte „Invitatio ad offerendum“ und Absichtserklärungen (Letter of Intent) sind keine Konsensualverträge, da es an der gegenseitigen abschließenden Willensübereinkunft fehlt.
Bedeutung für die Vertragspraxis
Der Konsensualkontrakt vereinfacht das Zustandekommen und die Durchführbarkeit von Rechtsgeschäften erheblich. Die Parteien können in beliebiger Form (mündlich, schriftlich, elektronisch oder durch schlüssiges Verhalten) Verträge schließen, sofern keine allgemeine oder besondere Form gefordert ist. Rechtssicherheit und Vertrauen in die Verbindlichkeit von Vereinbarungen werden auf diese Weise gewährleistet.
Zusammenfassung
Der Konsensualkontrakt bzw. Konsensualvertrag ist ein Vertrag, der allein durch die Einigung der Parteien zustande kommt. Im Gegensatz zu Real- und Formalverträgen bedarf es keiner tatsächlichen Leistung oder vorgeschriebenen Form, sofern das Gesetz nichts anderes verlangt. Das Modell des Konsensualvertrags prägt das moderne Vertragsrecht und bildet die Grundlage für zahlreiche wirtschaftliche und private Rechtsbeziehungen.
Häufig gestellte Fragen
Welche Rolle spielt die Formfreiheit beim Abschluss eines Konsensualvertrags?
Ein wesentliches Merkmal von Konsensualverträgen ist die sog. Formfreiheit. Das bedeutet, dass das Zustandekommen dieser Verträge grundsätzlich keiner besonderen Formvorschrift – wie Schriftform oder notarielle Beurkundung – unterliegt. Entscheidend ist allein der übereinstimmende Wille der Vertragsparteien, d.h. Angebot und Annahme müssen inhaltlich korrespondieren (Deckungsgleichheit von Willenserklärungen). Allerdings kann die gesetzliche Formfreiheit durch spezielle gesetzliche Regelungen eingeschränkt sein: Beispielsweise unterliegen Grundstückskaufverträge oder Schenkungen besonderen Formvorschriften nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Fehlt eine solche, ist auch ein mündlich, fernmündlich oder sogar konkludent geschlossener Vertrag rechtlich voll wirksam. Die Beweisbarkeit stellt jedoch in der Praxis eine mögliche Herausforderung dar, was die Parteien gelegentlich doch zur Schriftform greifen lässt.
Wann gilt ein Konsensualvertrag als wirksam zustande gekommen?
Ein Konsensualvertrag kommt im deutschen Recht mit dem sogenannten „Konsens“ zustande, also dann, wenn sich mindestens zwei Parteien über die wesentlichen Vertragsbestandteile (sog. essentialia negotii) einig sind. Zu diesen gehören bei einem Kaufvertrag beispielsweise Kaufgegenstand und Kaufpreis. Der Konsens wird aus dem Austausch von Angebot und Annahme gebildet, wobei beide Erklärungen aufeinander bezogen und übereinstimmend sein müssen (§§ 145 ff. BGB). Sobald Einigung über die wesentlichen Punkte erzielt wurde, ist der Vertrag entstanden und bindend, es sei denn, die Parteien haben eine ausdrückliche Schriftform oder aufschiebende Bedingung vereinbart. Unwesentliche Nebenpunkte können notfalls durch das Gesetz oder die ergänzende Vertragsauslegung geregelt werden.
Welche Unterschiede bestehen zwischen Konsensualverträgen und Realverträgen?
Der grundlegende Unterschied zwischen Konsensual- und Realverträgen liegt im Zeitpunkt des Zustandekommens. Beim Konsensualvertrag genügt für das Entstehen des Schuldverhältnisses der reine Konsens über den Vertrag. Im Gegensatz dazu bedürfen Realverträge – wie etwa die Leihe oder Verwahrung – neben dem Konsens noch eine tatsächliche Realhandlung (z.B. Überlassung einer Sache). Erst mit der tatsächlichen Handlung wird der Vertrag wirksam geschlossen. Während die meisten im BGB geregelten Verträge Konsensualverträge sind, handelt es sich bei Realverträgen nur um Ausnahmen. Dieser Unterschied wirkt sich insbesondere auf Fragen des Rücktritts zwischen Angebot und Überlassung aus und in Bezug auf die Rechte und Pflichten vor und nach dem Vollzug.
Welche rechtlichen Folgen hat ein Dissens beim Konsensualvertrag?
Ein Dissens liegt vor, wenn die Parteien sich entweder bewusst (offener Dissens) oder unbewusst (versteckter Dissens) über bestimmte Vertragspunkte nicht geeinigt haben. Ist der Dissens auf wesentliche Vertragsbestandteile bezogen, kommt der Konsensualvertrag nicht zustande, da es am erforderlichen Konsens fehlt. Bei Nebenpunkten, deren Einigung nicht ausdrücklich zur Bedingung gemacht wurde, ist nach §§ 154, 155 BGB zu prüfen, ob der Vertrag im Übrigen hinreichend bestimmt ist. In diesem Fall kann das Gesetz oder die ergänzende Vertragsauslegung den Vertrag fortwirken lassen, und der Vertragsinhalt wird entsprechend ergänzt. Ein offener Dissens ist meist erkennbar (z.B. durch das Verschieben einer Entscheidung), während beim versteckten Dissens Unklarheiten oft erst später auffallen und gegebenenfalls zu Anfechtungs- oder Nichtigkeitsfolgen führen können.
Kann ein Konsensualvertrag auch stillschweigend (konkludent) zustande kommen?
Ja, ein Konsensualvertrag kann ausdrücklich durch Willenserklärungen, aber auch stillschweigend (konkludent) zustande kommen. Konkludentes Handeln liegt vor, wenn die Parteien durch ihr Verhalten eindeutig zum Ausdruck bringen, dass sie einen bestimmten Vertrag abschließen wollen, obwohl keine ausdrücklichen Worte gewechselt wurden. Beispielsweise geschieht dies beim Betreten öffentlicher Verkehrsmittel, wenn Fahrgäste stillschweigend den Beförderungsvertrag akzeptieren. Voraussetzung bleibt in jedem Fall, dass Angebot und Annahme vorliegen – auf welche Weise auch immer verständlich gemacht. Auch bei Vertragsabschlüssen über elektronische Medien oder durch das einfache Handauflegen an einen Kartenleser ist regelmäßig von konkludentem Zustandekommen auszugehen.
Welche Bedeutung hat die Geschäftsfähigkeit beim Abschluss eines Konsensualvertrags?
Die Geschäftsfähigkeit der Parteien ist eine grundlegende Voraussetzung für das wirksame Zustandekommen eines Konsensualvertrags. Nur geschäftsfähige Personen können rechtswirksam bindende Willenserklärungen abgeben. Minderjährige, die das siebte Lebensjahr vollendet haben, beschränkt geschäftsfähig (vgl. §§ 104 ff. BGB) oder geschäftsunfähige Personen können nur unter bestimmten Voraussetzungen wirksam Verträge eingehen, teilweise nur mit Zustimmung ihrer gesetzlichen Vertreter. Fehlt die Geschäftsfähigkeit, so ist der Vertrag entweder schwebend unwirksam oder nichtig, es sei denn, es handelt sich um sogenannte rechtlich lediglich vorteilhafte Geschäfte (z.B. Schenkungen, die keine Verpflichtungen auslösen). Daher ist die Prüfung der Geschäftsfähigkeit ein zentrales Element bei allen Konsensualverträgen.