Begriff und Definition von Kältenetzen
Kältenetze sind zentrale Infrastruktursysteme zur Versorgung von Gebäuden oder Liegenschaften mit Kälte, die insbesondere zur Klimatisierung, Kühlung von Prozessen oder Räumen sowie für sonstige technische Anwendungen genutzt wird. Die Kälteerzeugung erfolgt zumeist dezentral in einer oder mehreren Energiezentralen eines solchen Netzes und wird durch ein Rohrleitungssystem verteilt. Typischerweise handelt es sich dabei um ein „kaltes Fernwärmenetz“ (vergleichbar Fernwärme), das kaltes Wasser oder ein Kältemittel transportiert. Der rechtliche Rahmen für Kältenetze gewinnt aufgrund gesetzlicher Vorgaben zur Energiewende und zur Steigerung der Energieeffizienz zunehmend an Bedeutung.
Rechtliche Grundlagen und Einordnung
Energierechtliche Regelungen
Im deutschen Energierecht sind die Vorschriften für Kältenetze nicht explizit, sondern im Wege der Analogie oder aufgrund technischer Gleichwertigkeit zu Fernwärmenetzen geregelt. Wichtige Gesetze und Verordnungen sind insbesondere:
- Energiewirtschaftsgesetz (EnWG): Das EnWG regelt vor allem die Versorgung mit Strom und Gas, umfasst jedoch grundsätzlich auch „Energienetzen“, zu denen Kältenetze mitunter gezählt werden, sofern sie der allgemeinen Versorgung oder der „öffentlichen Energieversorgung“ dienen.
- Fernwärme-Verordnungen: Für Kältenetze, die nach Art, Funktion und Organisation mit Fernwärmenetzen vergleichbar sind, finden die Vorschriften zur Fernwärmeentsprechende Anwendung, etwa hinsichtlich der Entgelte oder Anschlussbedingungen.
Kältenetze im Bau- und Umweltrecht
Der Neubau oder die wesentliche Änderung von Kältenetzen ist nach dem Bauordnungsrecht eine genehmigungsbedürftige Maßnahme. Dies betrifft aufgrund der Trassenführung und der verwendeten technischen Anlagen regelmäßig das öffentliche Baurecht und gegebenenfalls das Immissionsschutzrecht – insbesondere, wenn größere Kältemaschinen zum Einsatz kommen.
Ferner können wasserrechtliche Genehmigungen erforderlich werden, etwa wenn Grundwasser als Kältequelle dient oder Kältemittel das Grundwasser beeinträchtigen könnten. Ebenso greifen Vorschriften des Umweltrechts zur Emissionsbeschränkung und Energieeinsparung.
Vertragsrechtliche Aspekte
Anschluss- und Benutzungsbedingungen
Die rechtlichen Rahmenbedingungen für Anschluss und Nutzung von Kältenetzen werden in Anschluss- und Benutzungsverträgen geregelt. Inhaltlich orientieren sich diese Verträge häufig an den Musterverträgen und den Vorschriften zum Fernwärmerecht, etwa bezüglich des Anschlusszwangs, der Lieferpflicht und der Haftungsregelungen bei Ausfällen.
Preisgestaltung und Entgelte
Für die Preisbildung und Abrechnung gelten oft analoge Regelungen zur Fernwärme. So kann z.B. § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV (Allgemeine Versorgungsbedingungen für die Versorgung mit Fernwärme) als Orientierung dienen. Preisanpassungsklauseln, Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Preisänderungen unterliegen dabei der zivilrechtlichen Kontrolle, insbesondere nach den Vorschriften zu Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB).
Regulatorische Anforderungen und Meldepflichten
Melde- und Anzeigeverpflichtungen
Für Betreiber von Kältenetzen gelten diverse Meldepflichten, etwa gegenüber lokalen Behörden oder dem Umweltbundesamt, falls umweltrelevante Stoffe eingesetzt werden. Im Rahmen der Energieeffizienzgesetzgebung können zusätzliche Verpflichtungen zur Bilanzierung oder zur Vorlage von Einsparkonzepten entstehen.
Förder- und Genehmigungsverfahren
Zur Förderung energieeffizienter Kälteversorgung bietet der Gesetzgeber eine Vielzahl an Zuschüssen und Förderprogrammen, etwa über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) oder das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Voraussetzung ist jeweils die Einhaltung technischer und rechtlicher Mindeststandards, die im Fördermittelbescheid konkret festgelegt werden.
Genehmigungsverfahren richten sich in der Regel nach dem Umfang des Vorhabens und betreffen u.a. das Bauordnungsrecht, das Naturschutzrecht und das Wasserrecht (beispielsweise § 10 Wasserhaushaltsgesetz – WHG, im Einsatz von Wasser als Kältequelle).
Besonderheiten im Ordnungsrecht
Anschluss- und Benutzungszwang
Kommunen können im Rahmen ihrer Daseinsvorsorge den Anschluss und die Benutzung von Kältenetzen vorschreiben (§ 17 Abs. 1 BauGB in Verbindung mit entsprechenden Satzungen). Zweck dieser Regelungen ist die Versorgungssicherheit, die Einhaltung von Klimazielen und die Reduktion innerstädtischer Emissionen durch zentralisierte Energieversorgung.
Öffentlich-rechtliche Verträge
Bei der Übertragung von Aufgaben an private Betreiber oder beim Betrieb gemeindeeigener Netze ist oftmals ein öffentlich-rechtlicher Vertrag nach den Vorschriften der §§ 54 ff. Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) abzuschließen. Diese regeln Zuständigkeiten, Haftung, Finanzierung und Überwachungsmechanismen.
Wettbewerbs- und Vergaberecht
Kältenetze können als Teil der kommunalen Daseinsvorsorge der Ausschreibungspflicht nach dem Vergaberecht unterliegen (z.B. nach GWB, VgV und SektVO), sofern Schwellenwerte überschritten werden und ein öffentlicher Auftrag vorliegt. Durch das Wettbewerbsrecht wird sichergestellt, dass der Netzzugang diskriminierungsfrei gestaltet wird, sofern Fremdanschlüsse möglich sind.
Datenschutzrechtliche Aspekte
Im Rahmen des Netzbetriebes fallen zahlreiche Daten über den Energieverbrauch der angeschlossenen Kunden an. Die Erhebung, Speicherung und Verarbeitung dieser personenbezogenen Daten unterliegt den Regelungen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG).
Zusammenfassung
Kältenetze stellen ein wesentliches Element der kommunalen und industriellen Kälteversorgung dar und sind rechtlich in vielfältigen Bereichen geregelt. Neben spezifischen energierechtlichen und regulatorischen Vorgaben sind bau-, umwelt- und wasserrechtliche Aspekte zu beachten. Die rechtliche Behandlung orientiert sich häufig am Fernwärmerecht, jedoch sind stets die Besonderheiten der jeweiligen Anlagen und Anwendungen zu berücksichtigen. Vertragliche Gestaltung, Preisbildung sowie datenschutzrechtliche und vergaberechtliche Anforderungen sind integraler Bestandteil der Rechtsanwendung bei Planung, Bau und Betrieb von Kältenetzen.
Häufig gestellte Fragen
Welche Gesetze und Verordnungen gelten für den Betrieb von Kältenetzen in Deutschland?
Für den Betrieb von Kältenetzen gelten in Deutschland eine Vielzahl von Gesetzen und Verordnungen, die sich sowohl auf den Bau, den Betrieb als auch auf die Nutzung beziehen. Zentrale Grundlage ist das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG), das insbesondere die energierechtlichen Rahmenbedingungen für Energieversorgungsnetze regelt, wozu Kältenetze unter bestimmten Voraussetzungen zählen können. Ferner sind umweltrechtliche Vorschriften wie das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) sowie zugehörige Verordnungen, etwa die 42. BImSchV zur Vermeidung von Legionellen, einschlägig. Bei der Verwendung von Kältemitteln greifen das Chemikaliengesetz (ChemG) und insbesondere die Verordnung (EU) Nr. 517/2014 über fluorierte Treibhausgase (F-Gase-Verordnung), welche den Umgang mit Kältemitteln regelt. Baurechtliche Vorschriften auf Landesebene sowie das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) können insbesondere bei der Standortwahl von Anlagen relevant sein. Betreiber müssen zudem arbeitsschutzrechtliche Anforderungen nach dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) einhalten, etwa zu Sicherheits- und Gesundheitsmaßnahmen für das Personal. Bei der Einbindung in öffentliche Versorgungssysteme sind gegebenenfalls auch kommunale Satzungen zu beachten.
Welche Genehmigungen sind für die Errichtung und den Betrieb eines Kältenetzes erforderlich?
Die Errichtung und der Betrieb eines Kältenetzes bedürfen in der Regel verschiedener behördlicher Genehmigungen. Abhängig von Größe und technischer Auslegung kann eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung gemäß § 4 BImSchG erforderlich sein, besonders wenn größere Kälteanlagen oder zentrale Kälteerzeuger geplant werden, die in der 4. BImSchV als genehmigungsbedürftig eingestuft sind. Für den Einsatz bestimmter Kältemittel kann zudem eine Anzeige- oder Genehmigungspflicht gemäß Chemikaliengesetz oder F-Gase-Verordnung bestehen. Baurechtliche Genehmigungen basierend auf den Landesbauordnungen müssen eingeholt werden, insbesondere hinsichtlich der Errichtung von Anlagenteilen oder Trassen im öffentlichen Raum. Bei Eingriffen in Gewässer oder beim Umgang mit wassergefährdenden Stoffen sind zusätzliche Erlaubnisse nach Wasserhaushaltsgesetz (z.B. §§ 24, 37 WHG) erforderlich. Nicht zuletzt sind je nach Umfang der Arbeiten und Anlagen auch arbeitsschutzrechtliche und sicherheitstechnische Genehmigungen zu berücksichtigen, etwa im Bereich Explosionsschutz oder bei Arbeiten an Druckanlagen (BetrSichV).
Inwiefern unterliegen Kältenetze dem Energie- oder Wettbewerbsrecht?
Kältenetze unterliegen grundsätzlich den Regelungen des Energierechts, insbesondere sofern sie als Energieversorgungsnetze gemäß EnWG qualifiziert werden. Dies ist der Fall, wenn Kälte leitungsgebunden über eine Strecke an Dritte geliefert wird. Betreiber solcher Netze unterliegen unter Umständen der Regulierungspflicht, müssen Netzentgelte kalkulieren und Dritten diskriminierungsfreien Netzzugang ermöglichen, vergleichbar mit Strom- und Wärmenetzen. Das Kartellrecht, insbesondere das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), sowie das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) finden Anwendung, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Darüber hinaus beeinflusst das Vergaberecht die Vergabe öffentlicher Aufträge im Zusammenhang mit Kältenetzen – speziell bei öffentlichen Auftraggebern greift spätestens ab den EU-Schwellenwerten das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen und die Vergabeverordnung (VgV).
Welche Pflichten bestehen hinsichtlich Energie- und Emissionsberichterstattung für Betreiber von Kältenetzen?
Betreiber von Kältenetzen können verschiedenen Melde- und Berichtspflichten unterliegen. Relevantes Beispiel ist die Pflicht zur Energieberichterstattung gemäß § 6 EnEffG (Energieeffizienzgesetz), sofern Schwellenwerte bei der Netzdurchleitung überschritten werden. Emissionsbezogen müssen Betreiber, die BImSchG-genehmigungsbedürftige Anlagen verwenden, regelmäßig Emissionsberichte an die zuständigen Behörden übermitteln. Im Rahmen der EU-Monitoringverordnung CLP (Classification, Labelling and Packaging), sowie gemäß F-Gase-Verordnung Nr. 517/2014, sind gewisse Emissions- und Mengenmeldungen bezüglich des Einsatzes bestimmter Kältemittel erforderlich. Wird Eigenstrom erzeugt oder eingespeist, sind zudem Meldepflichten gegenüber der Bundesnetzagentur und dem Umweltbundesamt zu beachten.
Welche Vorgaben bestehen für Verträge zwischen Betreibern und Endkunden in Kältenetzen?
Vertragsrechtlich bestehen zwischen Betreibern von Kältenetzen und Endkunden zahlreiche Anforderungen. Grundlage ist häufig das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff. BGB), insbesondere bei standardisierten Lieferverträgen. Es gelten die Informationspflichten nach dem Energiewirtschaftsgesetz, wie Preis- und Tariftransparenz (§ 40 EnWG). Neben allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften sind auch besondere Vorgaben zur Versorgungssicherheit und Vertragstreue relevant. Auch das Energie-dienstleistungsgesetz (EDL-G) kann Pflichten bezüglich Energieaudits für gewerbliche Nutzer enthalten. Datenschutzrechtliche Anforderungen (vor allem bei modernen, digitalen Messsystemen, „Smart Metering“) nach DSGVO und BDSG müssen beachtet werden, etwa bei der Speicherung und Übertragung nutzerbezogener Verbrauchsdaten.
Wie werden Kältenetze aus dem Gesichtspunkt des Umweltrechts reguliert?
Das Umweltrecht stellt für Kältenetze hohe Anforderungen an den Schutz von Natur und Umwelt. Emittieren Anlagen relevante Emissionen, etwa durch Kältemittelaustritte oder Energieumwandlungsprozesse, greifen Regelungen aus dem Bundes-Immissionsschutzgesetz sowie spezifische Verordnungen zu Anlagenüberwachung und Emissionsbegrenzung. Die Auswahl und der Umgang mit Kältemitteln unterliegen der F-Gase-Verordnung (EU) und dem Chemikalienrecht; bestimmte Treibhausgase dürfen nur noch eingeschränkt eingesetzt werden. Bei Eingriffen in Natur und Landschaft, beispielsweise beim Leitungsbau, greift das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) und kann Kompensations- oder Ersatzmaßnahmen vorschreiben. Das Wasserhaushaltsgesetz regelt den Schutz des Grund- und Oberflächenwassers, etwa wenn Kältenetze durch Grundwasserentnahme betrieben oder an Oberflächenwasser angeschlossen werden.
Welche Haftungs- und Überwachungspflichten treffen die Betreiber von Kältenetzen?
Betreiber unterliegen umfassenden Haftungs- und Überwachungspflichten. Im Schadensfall haften Betreiber bei Pflichtverletzungen verschuldensunabhängig oder nach deliktischem Recht (§§ 823 ff. BGB), insbesondere bei Umweltschäden, Gesundheitsschäden oder Sachschäden infolge von Störungen im Netz. Zudem bestehen weitgehende Überwachungspflichten zur laufenden Kontrolle von Betrieb, Wartung und Zustand der Anlage, etwa nach § 51 BImSchG und nach der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV), insbesondere bei überwachungspflichtigen Anlagen, wie großen Druckbehältern oder Kältemaschinen. Ebenso entstehen Pflichten aus dem Produkthaftungsgesetz bzw. Umweltschadensgesetz bei der Inverkehrbringung schadstoffhaltiger Materialien oder bei freigesetzten Kältemitteln. Bei Verstößen gegen öffentliche Sicherheit und Ordnung drohen darüber hinaus empfindliche Bußgelder und Ordnungsmaßnahmen seitens der Behörden.