Definition und Rechtsgrundlagen des Jugendschöffengerichts
Das Jugendschöffengericht ist ein Spruchkörper der deutschen Jugendgerichtsbarkeit, der bei den Amtsgerichten eingerichtet ist. Es handelt sich um ein Kollegialgericht, das in Strafverfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende tätig wird. Rechtsgrundlage für das Jugendschöffengericht ist insbesondere das Jugendgerichtsgesetz (JGG), zudem gelten die maßgeblichen Bestimmungen der Strafprozessordnung (StPO) entsprechend.
Aufgaben und Zuständigkeit des Jugendschöffengerichts
Zuständigkeit nach dem Jugendgerichtsgesetz
Das Jugendschöffengericht ist für Straftaten von Jugendlichen (14 bis unter 18 Jahre) sowie Heranwachsenden (18 bis unter 21 Jahre), die dem Jugendstrafrecht unterliegen, zuständig, sofern es sich nicht um Bagatelldelikte handelt, die vom Jugendrichter entschieden werden können, oder um besonders schwere Delikte, für die die Zuständigkeit bei der Jugendkammer des Landgerichts liegt (§ 28 ff. JGG).
Nach § 24 Abs. 1 JGG ist das Jugendschöffengericht grundsätzlich immer dann zuständig, wenn eine höhere Strafe als Jugendstrafe von einem Jahr zu erwarten ist oder die Sache nach Umfang und Bedeutung nicht mehr vom Jugendrichter allein entschieden werden soll.
Abgrenzung zu anderen Spruchkörpern
Jugendrichter
Der Jugendrichter ist in erster Instanz für weniger schwerwiegende Fälle und strafrechtliche Bagatellen zuständig (§ 25 JGG).
Jugendkammer
Die Zuständigkeit der Jugendkammer am Landgericht ergibt sich gemäß § 41 JGG für besonders schwere Straftaten, etwa bei Mord oder Totschlag und anderen Verbrechen mit erheblicher Strafandrohung.
Besetzung und Zusammensetzung des Jugendschöffengerichts
Zusammensetzung des Spruchkörpers
Das Jugendschöffengericht besteht gemäß § 33 Abs. 1 JGG aus einer Berufsrichterin oder einem Berufsrichter als Vorsitzendem und zwei ehrenamtlichen Richterinnen oder Richtern (Jugendschöffen). Es entscheidet damit regelmäßig zu dritt, wobei die beiden Schöffen gleichberechtigte Stimmen besitzen.
Besondere Regelungen für die Schöffen
Die Jugendschöffen müssen in das Amt berufen worden sein und besondere Eignungskriterien erfüllen (§ 35 Abs. 1 JGG in Verbindung mit §§ 31 ff. GVG), etwa ein Mindestalter und geordnete wirtschaftliche Verhältnisse. Im Verfahren vor dem Jugendschöffengericht haben sie die gleichen Rechte und Pflichten wie der Berufsrichter und nehmen aktiv an der Hauptverhandlung und der Urteilsfindung teil.
Verfahren vor dem Jugendschöffengericht
Anklage und Entscheidung
Das Verfahren vor dem Jugendschöffengericht beginnt in der Regel mit Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft. Die Hauptverhandlung erfolgt mündlich und öffentlich, wobei das Jugendschöffengericht sämtliche strafprozessualen Befugnisse besitzt. Es kann nach vollständiger Beweisaufnahme ein Urteil fällen oder das Verfahren aussetzen bzw. einstellen.
Rechtsfolgen und Sanktionen
Das Jugendschöffengericht kann sämtliche im JGG vorgesehenen Sanktionen verhängen, darunter Erziehungsmaßregeln, Zuchtmittel (z. B. Arrest, Arbeitsauflagen, Verwarnungen) sowie Jugendstrafe von mehr als einem Jahr bis maximal vier Jahre. In besonders schweren Fällen kann auch die Heraufsetzung der Jugendstrafe erfolgen.
Anwendung von Jugend- und Erwachsenenstrafrecht
Ob auf einen Heranwachsenden das Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht anzuwenden ist, entscheidet das Gericht nach §§ 105 ff. JGG, insbesondere unter Berücksichtigung der sittlichen und geistigen Entwicklung des Angeklagten.
Rechtsmittel und Rechtsweg
Gegen Urteile des Jugendschöffengerichts ist die Berufung zum Landgericht – konkret zur Jugendkammer – zulässig (§ 55 JGG). Darüber hinaus besteht die Möglichkeit der Revision zum Oberlandesgericht bzw. Bundesgerichtshof, sofern die Voraussetzungen der §§ 333 ff. StPO vorliegen.
Verfahrensbesonderheiten vor dem Jugendschöffengericht
Öffentlichkeitsgrundsatz und Jugendschutz
Das Verfahren vor dem Jugendschöffengericht ist grundsätzlich öffentlich (§ 48 JGG), jedoch kann die Öffentlichkeit zum Schutz der Persönlichkeitsrechte der jugendlichen Angeklagten ausgeschlossen werden.
Mitwirkung der Jugendgerichtshilfe
Die Jugendgerichtshilfe (Jugendamt) ist obligatorisch zu beteiligen. Sie erstellt Stellungnahmen zur Persönlichkeit, Entwicklung und zum sozialen Umfeld des Angeklagten und nimmt an der Verhandlung teil (§ 38 JGG).
Bedeutung des Jugendschöffengerichts in der deutschen Strafrechtspflege
Das Jugendschöffengericht spielt eine zentrale Rolle im deutschen Jugendstrafrecht. Durch die Beteiligung von Schöffen wird die gesellschaftliche Kontrolle der Rechtsprechung sichergestellt, während die besondere Verfahrensgestaltung das Ziel verfolgt, auf die Entwicklung und Erziehung junger Menschen positiv einzuwirken. Das Verfahren ist speziell auf die Bedürfnisse von Jugendlichen und Heranwachsenden zugeschnitten und dient vorrangig der Resozialisierung und Prävention.
Zusammenfassung
Das Jugendschöffengericht ist ein zentrales Gremium der deutschen Strafgerichtsbarkeit für Jugendliche und Heranwachsende. Es ist amtsgerichtlich organisiert, besteht aus einer Berufsrichterin oder einem Berufsrichter und zwei ehrenamtlichen Richterinnen oder Richtern und ist für mittelschwere bis schwere Straftaten zuständig. Das Verfahren unterliegt besonderen Schutzvorgaben für Jugendliche, legt Wert auf erzieherische Maßnahmen und sieht die Integration der Jugendgerichtshilfe vor. Die rechtliche Ausgestaltung des Jugendschöffengerichts trägt somit den spezifischen Anforderungen des Jugendstrafrechts umfassend Rechnung.
Häufig gestellte Fragen
Wer entscheidet über die Besetzung des Jugendschöffengerichts?
Über die Besetzung des Jugendschöffengerichts entscheidet das Gericht auf Grundlage der gesetzlichen Vorgaben des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) und der Strafprozessordnung (StPO). Das Jugendschöffengericht besteht aus einem Jugendrichter als Vorsitzendem und zwei Jugendschöffen (§ 33 Abs. 1 JGG). Die Jugendschöffen werden auf Vorschlag eines Wahlausschusses durch den Jugendhilfeausschuss der Gemeinde gewählt und anschließend durch das Amtsgericht berufen. Bei besonders gewichtigen oder umfangreichen Fällen kann das Gericht zudem die Hinzuziehung eines zweiten Richters als Beisitzer anordnen, wodurch sich die Besetzung auf zwei hauptamtliche Richter und zwei Jugendschöffen erweitert. Die genaue Personenzusammensetzung variiert je nach den für den Termin berufenen Schöffen, die in einer offiziellen Schöffinnen- und Schöffendatei turnusmäßig geführt werden. Damit soll eine unabhängige und gesetzeskonforme Zusammensetzung des Spruchkörpers gemäß den rechtsstaatlichen Prinzipien gewährleistet werden.
Nach welchen Verfahrensregeln arbeitet das Jugendschöffengericht?
Das Jugendschöffengericht arbeitet nach den Verfahrensregeln der Strafprozessordnung (StPO) in Verbindung mit den spezifischen Vorgaben des Jugendgerichtsgesetzes (JGG). Während die allgemeinen strafprozessualen Grundsätze wie der Amtsermittlungsgrundsatz, Unmittelbarkeitsgrundsatz, Öffentlichkeitsgrundsatz und die Beteiligungsrechte der Verfahrensbeteiligten gelten, werden diese im Jugendstrafrecht durch besondere Vorschriften ergänzt. So ist das Verfahren vor dem Jugendschöffengericht grundsätzlich nicht öffentlich, um den Schutz der Jugendlichen zu gewährleisten (§ 48 JGG). Weiterhin gelten speziellere Regelungen zur Beteiligung der Jugendgerichtshilfe, zur Belehrung und Anhörung des Beschuldigten sowie zu den Möglichkeiten der Diversion und jugendspezifischen Sanktionen. Die Verhandlung wird zudem durch den Vorsitzenden Richter geleitet, der die Verfahrensordnung überwacht und für die Einhaltung der jugendstrafrechtlichen Schutzvorschriften sorgt.
In welchen Fällen ist das Jugendschöffengericht zuständig?
Das Jugendschöffengericht ist gemäß § 28 JGG für die Verhandlung und Entscheidung von Straftaten Jugendlicher und Heranwachsender zuständig, wenn eine höhere Ahndung als durch den Jugendrichter allein zu erwarten ist, jedoch keine Strafkammer oder Schwurgericht zuständig wird. Es ist regelmäßig dann berufen, wenn eine Jugendstrafe von mehr als einem Jahr, aber weniger als vier Jahren anzunehmen ist oder wenn mehrere rechtlich selbständige Taten Gegenstand der Verhandlung sind, die für sich genommen oder in ihrer Gesamtheit eine höhere Sanktion erfordern könnten. Die genaue Zuständigkeit wird anhand des anzunehmenden Strafrahmens und der Bedeutung oder Komplexität des Falls, etwa bei Beteiligung mehrerer Personen oder umfangreichem Beweisaufwand, durch die Staatsanwaltschaft im Rahmen der Anklage oder durch eine richterliche Entscheidung bei Eingang des Verfahrens bestimmt.
Welche Befugnisse und Aufgaben haben die Jugendschöffen während des Verfahrens?
Die Jugendschöffen nehmen eine gleichberechtigte Rolle im Jugendschöffengericht ein und sind in der Entscheidungsfindung bei allen Fragen von Schuld und Rechtsfolgen stimmberechtigt (§ 263 StPO). Sie wirken sowohl bei der gerichtlichen Hauptverhandlung als auch bei der Urteilsfindung mit. Ihre Aufgaben umfassen die Teilnahme an der Beweisaufnahme, die Bewertung von Zeugen- und Sachverständigenaussagen, die Mitwirkung an der Diskussion über das Strafmaß sowie das Abstimmen bei allen relevanten Gerichtsentscheidungen. Auch in Verfahrensfragen, etwa bei Anträgen auf Beweiserhebung, zur Verhandlungsunterbrechung oder Ausschließung der Öffentlichkeit, sind sie beteiligt. Sie sind dabei ausschließlich dem Gesetz verpflichtet und dürfen ihre Entscheidung nur nach ihrer freien Überzeugung treffen.
Welche Rechtsmittel sind gegen Entscheidungen des Jugendschöffengerichts zulässig?
Gegen Entscheidungen des Jugendschöffengerichts steht den Angeklagten, dem Vertreter der Staatsanwaltschaft sowie gegebenenfalls weiteren Verfahrensbeteiligten (z. B. Nebenkläger) grundsätzlich die Berufung zum Landgericht zu (§ 55 Abs. 1 JGG). Mit der Berufung kann das Urteil in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vollständig überprüft werden, sodass eine neue Hauptverhandlung vor einer Jugendkammer des Landgerichts stattfindet. Daneben besteht die Möglichkeit, Revision vor dem Oberlandesgericht oder Bundesgerichtshof einzulegen, sofern ein Berufungsverfahren stattgefunden hat oder die Revision ausnahmsweise unmittelbar zugelassen ist. Die Fristen und formalen Voraussetzungen für die Einlegung dieser Rechtsmittel richten sich nach den Vorschriften der StPO, ergänzt durch spezifische Regelungen des JGG.
Welche Besonderheiten gelten beim Strafmaß vor dem Jugendschöffengericht?
Beim Strafmaß unterscheidet sich das Verfahren vor dem Jugendschöffengericht grundlegend von dem der allgemeinen Strafgerichte. Aufgrund der speziellen Erziehungsfunktion des Jugendstrafrechts (§ 2 Abs. 1 JGG) kann das Jugendschöffengericht anstelle oder neben einer Strafe erzieherische Maßnahmen, Zuchtmittel oder Jugendstrafe verhängen. Das Höchstmaß einer Jugendstrafe, die vom Jugendschöffengericht verhängt werden kann, beträgt in der Regel vier Jahre. In besonders schweren Fällen oder bei bestimmten Vergehen kann die Strafe auch darüber hinaus gehen, dann wäre aber die Große Jugendkammer zuständig. Bei der Festsetzung der Sanktion sind stets die persönlichen, sozialen und erzieherischen Aspekte des jugendlichen Beschuldigten zu berücksichtigen, wobei das Gericht bemüht ist, die individuelle Entwicklung und Resozialisierung zu fördern.
Welche Rolle spielt die Jugendgerichtshilfe im Verfahren vor dem Jugendschöffengericht?
Die Jugendgerichtshilfe ist im Verfahren vor dem Jugendschöffengericht gesetzlich besonders beteiligt (§ 38 JGG). Sie hat die Aufgabe, das Gericht über die Lebensumstände, das soziale Umfeld und die Entwicklungsperspektiven des Jugendlichen zu informieren und zu beraten. Der Vertreter der Jugendgerichtshilfe nimmt an der Hauptverhandlung teil, kann Stellungnahmen abgeben, Beweisanträge stellen und ist bei allen das Persönlichkeitsbild des Beschuldigten betreffenden Entscheidungen zu hören. Die Empfehlungen der Jugendgerichtshilfe sind für das Gericht nicht bindend, fließen aber regelmäßig in die Entscheidungsfindung ein, insbesondere wenn es um die Auswahl, Gestaltung und Dauer von Maßnahmen oder Strafen geht. Diese institutionelle Mitwirkung soll gewährleisten, dass pädagogische, soziale und entwicklungspsychologische Aspekte starker Berücksichtigung finden.