Begriff und rechtlicher Rahmen des In-House-Geschäfts
Das In-House-Geschäft beschreibt ein für das öffentliche Beschaffungswesen und das Vergaberecht relevantes Rechtsinstitut. Es handelt sich um Rechtsgeschäfte, insbesondere Auftragsvergaben, deren Durchführung zwischen öffentlich-rechtlichen Auftraggebern und ihren ihnen zuzurechnenden rechtlich selbstständigen Einheiten erfolgt, ohne dass eine Ausschreibung im Sinne des öffentlichen Vergaberechts notwendig wird. Ziel des In-House-Geschäfts ist die effektive, flexible und eigenständige Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben unter Verzicht auf ein wettbewerbliches Verfahren.
Gesetzliche Grundlagen
Europarechtliche Grundlage
Die Grundlage des sogenannten In-House-Geschäfts findet sich in Art. 12 der Richtlinie 2014/24/EU („Vergaberichtlinie“). Demnach sind Aufträge zwischen öffentlichen Auftraggebern von den Vergaberegeln ausgenommen, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Die EU-Vorgaben wurden in den jeweiligen nationalen Rechtsordnungen, so etwa in Deutschland, Österreich und der Schweiz, unterschiedlich umgesetzt.
Deutsches Vergaberecht
In Deutschland ist das In-House-Geschäft in § 108 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) normiert. Diese Vorschrift regelt, unter welchen Voraussetzungen eine rechtlich selbstständige Organisation öffentliche Aufträge erhalten kann, ohne dass eine öffentliche Ausschreibung durchgeführt wird.
Voraussetzungen nach § 108 GWB
- Kontrollausübung: Der öffentliche Auftraggeber übt über die rechtlich selbstständige Einheit (z. B. eine Gesellschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts) eine Kontrolle aus, die der über eine eigene Dienststelle entspricht.
- Tätigkeit für den Auftraggeber: Die Einheit erbringt mindestens 80 % ihrer Tätigkeiten für den kontrollierenden öffentlichen Auftraggeber.
- Keine private Beteiligung: Eine Kapitalbeteiligung Privater an der Einheit ist ausgeschlossen, es sei denn, dies ist gesetzlich vorgeschrieben und erfolgt ohne maßgeblichen Einfluss.
Österreichisches Vergaberecht
In Österreich findet sich die Regelung zum In-House-Geschäft insbesondere in § 10 BVergG 2018. Die Voraussetzungen orientieren sich hierbei ebenfalls an den europäischen Vorgaben.
Schweiz
Im Schweizer Vergaberecht wurde das In-House-Geschäft in jüngerer Zeit im Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB) gesetzlich geregelt. Art. 10 BöB enthält die maßgeblichen Bestimmungen, die sich an den europäischen Regelungen orientieren.
Voraussetzungen und Abgrenzung des In-House-Geschäfts
Wesentliche Merkmale
Ein In-House-Geschäft liegt vor, wenn der öffentliche Auftraggeber über die Auftragnehmerorganisation eine vergleichbare Kontrolle wie über eigene Dienststellen ausübt. Die Aufgabenwahrnehmung muss im Wesentlichen für den (die) öffentlichen Auftraggeber erfolgen, die dem kontrollierenden Auftraggeber zuzurechnen sind. Private Dritte dürfen keinen bestimmenden Einfluss auf die Gesellschaft haben.
Abgrenzung zu anderen Rechtsverhältnissen
Das In-House-Geschäft ist klar von sogenannten Interkommunalen Kooperationen sowie von gemischtwirtschaftlichen Unternehmen mit relevanter privater Beteiligung abzugrenzen, bei denen eine vergabefreie Auftragsvergabe in der Regel nicht zulässig ist. Des Weiteren unterscheiden sich die Voraussetzungen eines In-House-Geschäfts deutlich von klassischen Dienstleistungs- und Werkverträgen mit privaten Dritten.
Praxisrelevanz und Anwendungsbereiche
Kommunale und staatliche Eigenbetriebe
Typische Beispiele für In-House-Geschäfte sind die Vergabe von Entsorgungsleistungen oder IT-Dienstleistungen an stadteigene Betriebe oder ausgegliederte Gesellschaften im Alleinbesitz der öffentlichen Hand. Auch der Betrieb von Stadtwerken, Verkehrsbetrieben oder Immobiliengesellschaften nimmt im Rahmen von In-House-Geschäften eine zentrale Rolle ein.
Öffentliche Ausschreibungen und Ausnahmen
In-House-Geschäfte bilden im Vergaberecht eine bedeutsame Ausnahme von der Ausschreibungspflicht. Die verfahrensfreie Vergabe unterliegt jedoch strengen formellen und materiellen Anforderungen sowie einer engen Auslegung durch die Rechtsprechung.
Rechtsprechung zum In-House-Geschäft
Europäischer Gerichtshof (EuGH)
Der EuGH hat in mehreren Grundsatzentscheidungen, insbesondere in der „Teckal“-Entscheidung (Rechtssache C-107/98), die Voraussetzungen und die Reichweite des In-House-Geschäfts präzisiert. Zentrale Aspekte sind die Kontrollausübung und die Tätigkeit im Wesentlichen für den öffentlichen Auftraggeber.
Deutsche Obergerichte
Auch die deutschen Vergabekammern und Oberlandesgerichte haben sich wiederholt mit der Reichweite und den Grenzen des In-House-Geschäfts befasst. Insbesondere die Frage, wie umfassend Kontrolle und Tätigkeitsumfang ausgestaltet sein müssen, wurde immer wieder diskutiert.
Rechtliche Risiken und Missbrauchsgefahr
Prüfungspflichten und Nachweiserfordernisse
Weil das In-House-Geschäft eine Ausnahme zur Pflicht zur Ausschreibung öffentlicher Aufträge darstellt, ist eine genaue und dokumentierte Prüfung der Voraussetzungen unerlässlich. Öffentliche Auftraggeber müssen jederzeit nachweisen können, dass die Voraussetzungen erfüllt wurden.
Rechtsfolgen bei unzulässigem In-House-Geschäft
Erfolgt eine Auftragsvergabe unter Überschreitung der In-House-Ausnahmeregelungen, kann dies zu erheblichen Konsequenzen führen: Der Vertrag kann für unwirksam erklärt werden, vergaberechtliche Nachprüfungsverfahren können eingeleitet werden und Schadensersatzforderungen Dritter drohen.
Entwicklungen und Ausblick
Die Regelungen zum In-House-Geschäft entwickeln sich auf nationaler und europäischer Ebene stetig weiter. Die zunehmende Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Stellen sowie die fortschreitende Privatisierung erfordern eine kontinuierliche Überprüfung und Anpassung der rechtlichen Vorgaben.
Zusammenfassung
Das In-House-Geschäft ermöglicht es öffentlichen Auftraggebern, unter bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen Aufträge an eigene oder ihnen zurechenbare Organisationen zu vergeben, ohne wettbewerbliche Vergabeverfahren. Die strengen Anforderungen des nationalen und europäischen Vergaberechts dienen dem Schutz des Wettbewerbs, begrenzen die Ausnahme jedoch auf eng umrissene Fallgruppen. Ein rechtssicheres In-House-Geschäft bedarf sorgfältiger Vorbereitung und umfassender Dokumentation zur Vermeidung rechtlicher Risiken.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Rahmenbedingungen sind für ein In-House-Geschäft im öffentlichen Auftragswesen zu beachten?
Die rechtlichen Rahmenbedingungen für In-House-Geschäfte im öffentlichen Auftragswesen richten sich maßgeblich nach den Vorgaben des europäischen und nationalen Vergaberechts. Ein In-House-Geschäft ist nur dann zulässig, wenn bestimmte Ausnahmetatbestände vom Vergabeverfahren greifen – insbesondere die sogenannte In-House-Vergabe, welche durch Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB, § 108) konkretisiert wurde. Hierzu zählen vor allem die vollständige Kontrolle der öffentlichen Hand über das beauftragte Unternehmen („Kontrollkriterium“), dass das Unternehmen überwiegend im Interesse der öffentlichen Auftraggeber tätig ist („Wesentlichkeitskriterium“), und dass keine private Kapitalbeteiligung an dem Unternehmen besteht. Die Anwendungsvoraussetzungen sind streng auszulegen, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Des Weiteren sind Transparenzvorschriften zu beachten, etwa durch Bekanntmachungspflichten oder Dokumentationspflichten der Entscheidungsfindung. Unzulässige In-House-Geschäfte können vergaberechtlich angefochten und mit Sanktionen belegt werden.
Welche Konsequenzen drohen bei einem Verstoß gegen die Voraussetzungen eines In-House-Geschäfts?
Bei einem Verstoß gegen die gesetzlichen Voraussetzungen eines zulässigen In-House-Geschäfts drohen mehrere rechtliche Konsequenzen. Zum einen kann der betroffene Auftrag von Wettbewerbern im Wege des Nachprüfungsverfahrens vor den Vergabekammern angegriffen werden. Wird das Verfahren als unzulässig angesehen, kann dies zur Aufhebung des erteilten Auftrags führen („Nichtigkeit“ nach § 134 GWB). Die betroffene Behörde kann Schadenersatzforderungen ausgesetzt sein, falls einem zu Unrecht ausgeschlossenen Bieter ein Schaden entstanden ist. Zusätzlich sind verwaltungsrechtliche und haushaltsrechtliche Folgen möglich, insbesondere Verstöße gegen Haushaltsgrundsätze. In Einzelfällen kommt sogar eine strafrechtliche Haftung infrage, falls eine unzulässige Umgehung des Vergaberechts nachgewiesen wird (z.B. Untreue). Schließlich kann ein Verstoß das unternehmerische Renommee der Beteiligten nachhaltig schädigen.
Wie gestaltet sich die rechtliche Kontrolle durch die öffentliche Hand im Rahmen eines In-House-Geschäfts?
Im Rahmen eines In-House-Geschäfts muss die beauftragende öffentliche Stelle eine Kontrolle über die beauftragte Einrichtung ausüben, die einer eigenen Dienststelle gleicht. Juristisch fordert dies nach dem sogenannten „Kontrollkriterium“, dass die Öffentliche Hand, allein oder gemeinsam mit anderen Behörden, auf das beauftragte Unternehmen einen maßgeblichen, umfassenden Einfluss über Strategie, wesentliche Entscheidungen und Geschäftsführung ausübt. In der Praxis wird dies typischerweise durch Satzungsrechte, Weisungsbefugnisse, Mitbestimmungsrechte in Gremien und die direkte Beteiligung an den Entscheidungsorganen ausgestaltet. Es genügt nicht, wenn die öffentliche Hand lediglich als (Mit-)Gesellschafter fungiert – vielmehr müssen tatsächlich effektive Steuerungs- und Einflussmöglichkeiten bestehen und regelmäßig wahrgenommen werden.
Welche Dokumentationspflichten bestehen bei der Vergabe eines In-House-Auftrags?
Bei der Durchführung eines In-House-Geschäfts trifft die öffentliche Hand umfangreiche Dokumentationspflichten. Die Auftraggeber müssen nachvollziehbar und prüfbar sämtliche Voraussetzungen, die einen In-House-Auftrag rechtfertigen, in den Vergabeakten dokumentieren. Dies umfasst insbesondere Nachweise zur Beherrschungskontrolle, die Darstellung der wirtschaftlichen und rechtlichen Bindungen, die Prüfung der Tätigkeitsschwerpunkte sowie die Abwesenheit privater Kapitalbeteiligung. Die Dokumentation muss so geführt werden, dass eine nachträgliche Überprüfung durch Vergabekammern und Rechnungshöfe jederzeit möglich ist. Bei der Nichtbeachtung der Dokumentationspflichten droht die Unwirksamkeit des Auftrags und eine mögliche persönliche Haftung der Verantwortlichen.
Welche Rolle spielt das Wettbewerbsrecht bei der Vergabe von In-House-Aufträgen?
Auch wenn In-House-Geschäfte vom klassischen Vergaberecht teilweise ausgenommen werden, unterliegen sie dennoch den Grundsätzen des europäischen und nationalen Wettbewerbsrechts. Insbesondere ist zu prüfen, ob die Gestaltung des konkreten Rechtsverhältnisses kartellrechtliche Implikationen, etwa eine Marktabschottung oder Missbrauchstatbestände (§§ 19, 20 GWB), hervorruft. Die Ausnutzung einer beherrschenden Stellung oder unbillige Behinderung konkurrierender Unternehmen kann zu kartellrechtlichen Ermittlungen und Bußgeldern führen. Damit bleibt die Einhaltung von Wettbewerbsregeln ein zentrales Element, auch wenn formal keine Ausschreibung erforderlich ist.
Können auch Mischformen aus In-House und klassischer Ausschreibung rechtlich zulässig sein?
Ja, es existieren in der Praxis sogenannte „hybride Modelle“ oder auch „gemischte Aufträge“, bei denen sowohl In-House-Elemente als auch klassische Ausschreibungselemente vorhanden sind. Rechtlich ist dabei bei jedem Teilaspekt individuell zu prüfen, ob und auf welche Leistungen die Voraussetzungen des In-House-Geschäfts zutreffen und für welche Bereiche eine Ausschreibungspflicht besteht. Die Abgrenzung ist oftmals komplex und erfordert eine sorgfältige rechtliche Analyse, um sogenannte „Rosinenpickerei“ und Umgehungstatbestände zu verhindern. Falls eine klare Trennung nicht möglich ist, empfiehlt die Rechtsprechung überwiegend die Durchführung einer Vergabe unter Beachtung aller einschlägigen Vorschriften.
Welche gerichtlichen oder behördlichen Prüfmechanismen existieren bei Streitigkeiten um ein In-House-Geschäft?
Streitigkeiten rund um die Zulässigkeit, Umsetzung oder Folgen von In-House-Geschäften werden in Deutschland durch anerkannte Prüfmechanismen und Kontrollinstanzen geklärt. Zunächst steht Wettbewerbern ein Nachprüfungsantrag bei der zuständigen Vergabekammer offen. Gegen deren Entscheidung kann vor dem Oberlandesgericht Beschwerde eingelegt werden. Parallel dazu können kommunale Rechnungsprüfungsämter, Landesrechnungshöfe und ggf. das Bundeskartellamt prüfend tätig werden. Schließlich unterliegen sämtliche Maßnahmen der Überprüfung durch Verwaltungsgerichte sowie – im Rahmen eines Schadensersatzprozesses – auch ordentlichen Gerichten. Die gerichtliche Praxis folgt dabei konsequent den Auslegungshinweisen des EuGH und der nationalen Gesetze, sodass ein hohes Maß an Rechtssicherheit gewährleistet ist.