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Handelsvertreter

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Begriff und rechtliche Einordnung des Handelsvertreters

Ein Handelsvertreter ist gemäß § 84 Handelsgesetzbuch (HGB) eine selbstständige Person, die dauerhaft damit betraut ist, für ein anderes Unternehmen Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Die rechtliche Stellung, Pflichten und Rechte eines Handelsvertreters sind im deutschen Recht umfassend normiert und weisen zudem Berührungspunkte zu anderen Rechtsgebieten, insbesondere zum Wirtschafts-, Zivil- und Gesellschaftsrecht, auf.

Definition und Abgrenzung

Allgemeine Definition gemäß § 84 HGB

Nach § 84 Abs. 1 HGB ist Handelsvertreter, wer als selbstständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Selbstständigkeit bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der Handelsvertreter seine Tätigkeit im Wesentlichen frei gestalten sowie seine Arbeitszeit grundsätzlich selbst bestimmen kann.

Abgrenzung zu anderen Vermittlerarten

  • Handelsmakler: Vermittelt lediglich Geschäfte, schließt diese aber nicht im Namen des Auftraggebers und ist nicht ständig betraut.
  • Angestellter Reisender: Ist Arbeitnehmer und nicht selbstständig.
  • Kommissionär: Schließt im eigenen Namen, jedoch auf fremde Rechnung ab.

Rechte und Pflichten des Handelsvertreters

Vermittlungs- und Abschlusstätigkeit

Der Handelsvertreter ist grundsätzlich verpflichtet, im Interesse des Unternehmers tätig zu werden (§ 86 HGB), Geschäfte zu vermitteln oder abzuschließen und diesen laufend zu unterrichten.

Informations- und Berichtspflichten

Gemäß § 86 HGB muss der Handelsvertreter dem Unternehmer über jede Vermittlungstätigkeit sowie über relevante Marktinformationen in angemessenem Umfang Bericht erstatten.

Wettbewerbsverbot

Während des Bestehens des Handelsvertretervertrages unterliegt der Handelsvertreter gemäß § 86 Abs. 1 HGB einem gesetzlichen Wettbewerbsverbot. Ihm ist es untersagt, konkurrierende Geschäfte ohne Zustimmung des Unternehmers zu vermitteln oder abzuschließen.

Interessenwahrnehmung

Nach § 86 Abs. 2 HGB ist der Handelsvertreter verpflichtet, die Interessen des Unternehmers mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns wahrzunehmen.

Vergütung und Provisionsansprüche

Anspruch auf Provision

Dem Handelsvertreter steht gemäß § 87 HGB für alle während des Vertragsverhältnisses abgeschlossenen und von ihm vermittelten Geschäfte ein Provisionsanspruch zu. Der Provisionsanspruch besteht auch dann, wenn der Unternehmer das Geschäft ohne seine Vermittlung, aber mit einem Kunden abschließt, den der Handelsvertreter zuvor geworben hat.

Fälligkeit und Abrechnung der Provision

Die Provision wird mit der Ausführung des Geschäfts fällig (§ 87a HGB). Der Unternehmer muss spätestens zum Monatsende eine Provisionsabrechnung erstellen und auszahlen, sofern der Anspruch bereits entstanden ist.

Ausgleichsanspruch bei Vertragsbeendigung

Ein wesentlicher Aspekt des Handelsvertreterrechts ist der Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB. Dieser soll die wirtschaftlichen Nachteile abfedern, die dem Handelsvertreter durch die Beendigung des Vertragsverhältnisses entstehen, insbesondere hinsichtlich der von ihm geworbenen Stammkundschaft.

Vertragsgestaltung und Beendigung

Inhalt des Handelsvertretervertrages

Der Vertrag bestimmt insbesondere:
  • Gebietszuständigkeit
  • Art der zu vermittelnden oder abzuschließenden Geschäfte
  • Höhe und Fälligkeit der Provisionen
  • Pflichten zur Rechenschaftslegung und Berichterstattung
  • Regelungen zum Kundenschutz

Beendigung des Vertragsverhältnisses

Das Vertragsverhältnis kann ordentlich oder außerordentlich beendet werden. Dabei sind gesetzliche und vertragliche Kündigungsfristen gemäß § 89 HGB zu beachten. Nach Beendigung sind insbesondere der Ausgleichsanspruch (§ 89b HGB) sowie Rückgabepflichten hinsichtlich Geschäftsunterlagen und anderer dem Handelsvertreter überlassener Materialien zu prüfen.

Besonderheiten bei verschiedenen Handelsvertretern

Handelsvertreter-Status im Handelsrecht

Handelsvertreter sind in Deutschland typischerweise Kaufleute im Sinne des HGB, es gelten jedoch für bestimmte Gruppen (z.B. Versicherungsvertreter, Handelsvertreter im Verkehrsgewerbe) spezielle gesetzliche Vorschriften, etwa im Versicherungsvertragsgesetz oder in Sondergesetzen.

Selbstständigkeit und Statusfeststellungen

Die Abgrenzung zur Scheinselbstständigkeit spielt insbesondere im Bereich des Sozialversicherungsrechts eine Rolle. Maßgeblich ist hierbei, ob die Tätigkeit tatsächlich weisungsgebunden ausgeübt wird oder eine unternehmerische Eigenständigkeit besteht.

Internationales Handelsvertreterrecht

Europäische Richtlinien

Das deutsche Recht zum Handelsvertreter ist harmonisiert durch die Richtlinie 86/653/EWG, die Mindeststandards für Handelsvertreter in der EU festlegt, insbesondere bezüglich Informationspflichten, Provisionsansprüchen und Ausgleichszahlungen.

Anwendung im internationalen Geschäftsverkehr

Bei grenzüberschreitenden Tätigkeiten können das internationale Privatrecht sowie Bestimmungen des UN-Kaufrechtsrelevant sein. Die Vertragsparteien sollten deshalb die geltende Rechtsordnung ausdrücklich festlegen.

Fazit

Das Rechtsinstitut des Handelsvertreters ist von hoher praktischer Relevanz im Wirtschaftsleben und weist komplexe rechtliche Ausgestaltungen auf. Die gesetzlichen Regelungen gewährleisten einen balancierten Interessenausgleich zwischen Unternehmer und Handelsvertreter und legen insbesondere Wert auf Provisionsschutz, Ausgleichsansprüche und die Wahrung von Geschäftsgeheimnissen. Wegen der Vielzahl spezieller Sachverhalte ist eine genaue Vertragsgestaltung wie auch die Beachtung einschlägiger Vorschriften von zentraler Bedeutung.

Häufig gestellte Fragen

Wann besteht für Handelsvertreter ein Anspruch auf Handelsvertreterausgleich und wie wird dieser berechnet?

Der Anspruch auf Handelsvertreterausgleich ist in § 89b Handelsgesetzbuch (HGB) geregelt. Er besteht grundsätzlich, wenn das Vertragsverhältnis zwischen Unternehmen und Handelsvertreter beendet wird und der Handelsvertreter dem Unternehmer neue Kunden zugeführt oder die Geschäftsverbindungen mit bestehenden Kunden wesentlich erweitert hat. Zusätzlich muss das Unternehmen auch nach Vertragsbeendigung noch erheblich von diesen Geschäftsverbindungen profitieren können. Der Ausgleichsanspruch entsteht nicht, wenn der Handelsvertreter das Vertragsverhältnis gekündigt hat, es sei denn, es liegen besondere Gründe wie Krankheit oder Alter vor, oder das Unternehmen Anlass zur Kündigung gegeben hat. Die Berechnung erfolgt in mehreren Schritten: Zunächst wird der Provisionsverlust bestimmt, den der Handelsvertreter durch die Beendigung des Vertragsverhältnisses für die vom Unternehmer fortgeführten Geschäfte erleidet. Davon wird eine Billigkeitserwägung abgezogen, etwa wenn der Handelsvertreter während der Vertragsdauer außergewöhnlich hohe Vergütungen erhalten hat. Schließlich darf der Ausgleich den Höchstbetrag von einer Jahresprovision nicht überschreiten, der aus dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre errechnet wird.

Welche Pflichten treffen Handelsvertreter im Zusammenhang mit dem Wettbewerbsverbot nach Vertragsende?

Nach der gesetzlichen Regelung (§ 90a HGB) unterliegt der Handelsvertreter grundsätzlich keinem Wettbewerbsverbot nach Vertragsbeendigung, es sei denn, ein solches Nachvertragliches Wettbewerbsverbot wurde ausdrücklich vereinbart. Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot ist jedoch nur wirksam, wenn es schriftlich vereinbart wurde, auf höchstens zwei Jahre beschränkt ist und sich lediglich auf das zugeteilte Gebiet sowie die Kundengruppe bezieht. Ferner muss dem Handelsvertreter für die Dauer des Wettbewerbsverbots eine angemessene Entschädigung gezahlt werden, die sich meist an seinen bisherigen Einkünften orientiert. Ohne eine solche ausdrückliche Vereinbarung oder ohne Einhaltung der rechtlichen Voraussetzungen ist ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot unwirksam, sodass der Handelsvertreter nach Beendigung grundsätzlich auch mit Konkurrenzprodukten tätig werden kann.

Wie gestaltet sich das Recht auf Buchauszug für Handelsvertreter?

Der Handelsvertreter hat gemäß § 87c Abs. 2 HGB einen Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs durch das Unternehmen, für das er tätig ist. Dieser Anspruch dient vor allem der Überprüfung der vom Unternehmer abgerechneten Provisionen. Im Rahmen des Buchauszugs muss das Unternehmen alle für die Provisionsberechnung relevanten Informationen offenlegen, insbesondere zu abgeschlossenen Geschäften, Vertragsabschlüssen, Rücknahmen, Stornierungen und Zahlungsflüssen. Die Pflicht geht dabei über die reine Provisionsabrechnung hinaus und schließt sämtliche Unterlagen ein, die es dem Handelsvertreter ermöglichen, die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Abrechnungen nachzuvollziehen. Dieser Anspruch ist häufig ein wichtiger Baustein bei etwaigen Auseinandersetzungen zwischen Handelsvertreter und Unternehmer im Zusammenhang mit Abrechnungen.

Unter welchen Voraussetzungen haben Handelsvertreter einen Anspruch auf Provision und wann entfällt dieser?

Der Provisionsanspruch des Handelsvertreters richtet sich nach § 87 HGB. Ein Anspruch auf Provision besteht, wenn der Handelsvertreter ein Geschäft vermittelt oder abgeschlossen hat und das Unternehmen dieses Geschäft ausführt oder auszuführen verpflichtet ist. Der Anspruch entfällt, wenn das Geschäft ohne Verschulden des Unternehmers nicht ausgeführt wird, etwa weil der Endkunde von seinem Widerrufsrecht Gebrauch macht oder zahlungsunfähig ist. Im Ausnahmefall besteht jedoch weiterhin ein Provisionsanspruch, wenn das Geschäft aus Gründen nicht ausgeführt wird, die dem Unternehmen zuzurechnen sind. Die Höhe der Provision richtet sich entweder nach den vertraglichen Vereinbarungen oder, sofern eine solche fehlt, nach der üblichen Vergütung.

Welche Rechte und Pflichten bestehen hinsichtlich der Beendigung des Handelsvertretervertrags?

Die Beendigung eines Handelsvertretervertrages kann durch Zeitablauf, Kündigung oder einvernehmliche Aufhebung erfolgen. Für die ordentliche Kündigung gelten die Fristen des § 89 HGB, abhängig von der Dauer der bisherigen Vertragslaufzeit. Ist keine Frist vereinbart, gelten gestaffelte gesetzliche Mindestkündigungsfristen, beginnend mit einem Monat zum Monatsende im ersten Jahr und steigend auf bis zu sechs Monate zum Monatsende ab dem fünften Jahr der Vertragsbeziehung. Das Recht zur außerordentlichen fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund bleibt unberührt. Bei Beendigung bestehen insbesondere Ausgleichsansprüche, Rückgabe- und Herausgabepflichten für überlassene Unterlagen und Produkte, sowie ggf. Pflichten aus einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot.

In welchen Fällen kann ein Unternehmer dem Handelsvertreter Schadensersatz wegen Vertragsverletzungen verlangen?

Der Unternehmer kann vom Handelsvertreter Schadensersatz verlangen, wenn dieser schuldhaft gegen seine vertraglichen oder gesetzlichen Pflichten verstößt (§ 280 BGB i.V.m. § 84 HGB). Typische Pflichtverletzungen sind die missbräuchliche Verwendung von Geschäftsinterna, die Verletzung des Wettbewerbsverbots während des Vertrags oder die unvollständige oder verspätete Information über Vermittlungsgeschäfte. Auch unterlassene Benachrichtigungen über drohende Zahlungsausfälle oder Reputationsrisiken können Schadensersatzansprüche Auslösen. Voraussetzung ist stets, dass dem Unternehmen durch das Verhalten des Handelsvertreters ein konkret nachweisbarer Schaden entstanden ist, den er beziffern und belegen muss.

Wie ist das Verhältnis zwischen Handelsvertreter und Untervertreter rechtlich ausgestaltet?

Der Handelsvertreter ist berechtigt, Untervertreter einzusetzen, jedoch bleibt das rechtliche Verhältnis zwischen dem Unternehmer und dem Handelsvertreter grundsätzlich von jenem zwischen Handelsvertreter und Untervertreter getrennt. Der Handelsvertreter haftet für das Handeln des Untervertreters, sofern keine ausdrückliche Genehmigung oder Anweisung des Unternehmers vorliegt. Rechtlich sind Untervertreter eigenständige Handelsvertreter, deren Verträge direkt mit dem zuerst eingesetzten Handelsvertreter bestehen. Der Unternehmer kann daher keine unmittelbaren Ansprüche gegen den Untervertreter geltend machen, es sei denn, es wurde eine direkte Vertragsbeziehung begründet oder der Untervertreter handelt im Namen und auf Rechnung des Unternehmers. Im Kontext der Provisionszahlung ist zu beachten, dass der Hauptvertreter für die Abrechnung gegenüber seinen Untervertretern eigenständig verantwortlich ist.