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Handelsbürgschaft


Definition und Rechtsnatur der Handelsbürgschaft

Die Handelsbürgschaft ist eine besondere Form der Bürgschaft im Rahmen des Handelsrechts. Sie stellt eine vertragliche Verpflichtung eines Kaufmanns dar, für die Verbindlichkeiten eines Dritten gegenüber dem Gläubiger einzustehen. Die Handelsbürgschaft unterliegt dabei eigenen gesetzlichen Bestimmungen, die sich maßgeblich von den allgemeinen Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) unterscheiden. Sie ist insbesondere für geschäftliche Kreditbeziehungen und den Warenkreditverkehr von hoher Bedeutung.

Abgrenzung zur privaten Bürgschaft

Die wesentlichen Unterschiede zwischen der Handelsbürgschaft und der gewöhnlichen Bürgschaft ergeben sich aus der Anwendbarkeit spezieller Regelungen des Handelsgesetzbuchs (HGB). Während die private Bürgschaft primär durch die Vorschriften der §§ 765 ff. BGB geregelt ist, modifizieren die kaufmännischen Gepflogenheiten diverse Vorschriften bei der Handelsbürgschaft. Voraussetzung ist, dass zumindest einer der Vertragsbeteiligten Kaufmann im Sinne des HGB ist und die Bürgschaft im Rahmen eines Handelsgeschäfts abgegeben wird.

Rechtliche Voraussetzungen und Formvorschriften

Person des Bürgen

Im Rahmen der Handelsbürgschaft wird vorausgesetzt, dass der Bürge Kaufmann ist oder im Handelsregister eingetragen ist und die Verpflichtung in Ausübung seines Handelsgewerbes eingegangen wird. Der Gläubiger kann ebenfalls Kaufmann oder eine andere geschäftsfähige Person sein.

Form der Handelsbürgschaft

Gemäß § 350 HGB ist bei einer Handelsbürgschaft keine Schriftform erforderlich. Sie kann daher auch mündlich oder durch schlüssiges Verhalten geschlossen werden. Diese Abweichung gegenüber der Schriftformerfordernis nach § 766 BGB gilt ausschließlich für Handelsbürgschaften. Der Zweck dieser Vorschrift ist die Beschleunigung und Vereinfachung des Handelsverkehrs.

Rechtsfolgen der Handelsbürgschaft

Umfassende Haftung

Der Bürge verpflichtet sich, für die vollständige Erfüllung der Hauptverbindlichkeit gegenüber dem Gläubiger einzustehen. Die Haftung kann sich auf Haupt- und Nebenforderungen erstrecken, insbesondere auch auf Zinsen und Kosten, wenn dies im Bürgschaftsvertrag geregelt ist.

Verzicht auf Einreden des Bürgen

Ein wesentlicher Unterschied zur privaten Bürgschaft besteht darin, dass bei der Handelsbürgschaft auf eine Vielzahl von gesetzlichen Einreden verzichtet werden kann. Häufig wird im Handelsverkehr eine selbstschuldnerische Bürgschaft vereinbart, die gemäß § 773 BGB den sofortigen Zugriff des Gläubigers auf den Bürgen ermöglicht, ohne dass dieser zuvor gegen den Hauptschuldner vorgehen muss (Verzicht auf die Einrede der Vorausklage).

Besondere Vorschriften nach HGB

Das HGB enthält im Zusammenhang mit der Handelsbürgschaft weitere Sonderregelungen. Beispielsweise erleichtert § 349 HGB die Kündigung einer Bürgschaft auf unbestimmte Zeit, und § 350 HGB hebt die Formstrenge auf. Im Übrigen gelten die allgemeinen Vorschriften des BGB, soweit nicht das HGB vorrangig ist.

Beendigung der Handelsbürgschaft

Die Handelsbürgschaft endet durch Erlöschen der gesicherten Hauptverbindlichkeit, durch Erfüllung durch den Bürgen oder durch Kündigung, falls eine auf unbestimmte Zeit eingegangene Bürgschaft vorliegt und eine solche Kündigung nach Handelsrecht möglich ist. Auch kann sie durch Anfechtung, Rücktritt oder Aufhebung des Bürgschaftsvertrags beendet werden, sofern die Voraussetzungen dafür vorliegen.

Bedeutung und praktische Anwendungsfelder

Handelsbürgschaften sind im wirtschaftlichen Geschäftsverkehr weit verbreitet, insbesondere im Rahmen von Lieferantenkrediten, Avalkrediten durch Banken, Miet- und Leasingverträgen sowie bei internationalen Handelsgeschäften. Sie dienen als Sicherungsmittel zur Stärkung des Vertrauens zwischen Geschäftspartnern, indem sie die solvente Rückzahlung bzw. Vertragserfüllung im Falle eines Ausfalls des Hauptschuldners gewährleisten.

Risiken und rechtliche Besonderheiten

Die Übernahme einer Handelsbürgschaft ist mit verschiedenen finanziellen und rechtlichen Risiken verbunden. Aufgrund der häufigen freiwilligen Vereinbarung der selbstschuldnerischen Haftung trägt der Bürge das Risiko der Inanspruchnahme ohne vorherige Rechtsdurchsetzung gegenüber dem Hauptschuldner. Wird die Handelsbürgschaft mündlich abgeschlossen, ist der Nachweis über den Inhalt und die Reichweite der Verpflichtung im Streitfall erschwert.

Zusammenfassung

Die Handelsbürgschaft ist eine im Handelsrecht speziell geregelte Form der Bürgschaft mit erheblicher praktischer Bedeutung für den unternehmerischen Geschäftsverkehr. Sie unterscheidet sich insbesondere in Bezug auf Formvorschriften, Haftung und Einredeausschlüsse von der privaten Bürgschaft. Bei der Nutzung der Handelsbürgschaft ist die genaue Kenntnis der geltenden gesetzlichen Regelungen erforderlich, um Haftungsrisiken und Formfehler zu vermeiden.

Häufig gestellte Fragen

Welche formalen Anforderungen muss eine Handelsbürgschaft nach deutschem Recht erfüllen?

Eine Handelsbürgschaft unterliegt gemäß § 350 HGB sowie den allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Vorschriften des § 766 BGB bestimmten Formvorgaben. Grundsätzlich muss die Bürgschaftserklärung schriftlich erfolgen (§ 766 Satz 1 BGB), was bedeutet, dass die Erklärung des Bürgen eigenhändig unterschrieben sein muss. Bei einem Kaufmann, der die Bürgschaft im Rahmen seines Handelsgewerbes abgibt, kann die Formvorschrift der Schriftform jedoch entbehrlich sein (§ 350 HGB); es genügt dann eine mündliche Bürgschaftserklärung. Diese erleichterte Form soll den Handelsverkehr vereinfachen. Wichtig ist in jedem Fall, dass aus der Bürgschaftsurkunde klar hervorgeht, wer Bürge und Hauptschuldner sind, auf welche Schuld sich die Bürgschaft bezieht und dass eine Verpflichtung zur Sicherung einer fremden Verbindlichkeit übernommen wird. Fehlt es an diesen Mindestangaben, kann die Bürgschaft wegen Formmangels nicht rechtswirksam werden.

Welche Haftungsfolgen ergeben sich aus einer Handelsbürgschaft für den Bürgen?

Mit Abschluss einer Handelsbürgschaft verpflichtet sich der Bürge persönlich gegenüber dem Gläubiger, für die Erfüllung der Hauptschuld einzustehen. Rechtlich handelt es sich um eine akzessorische Sicherheit, das heißt: Die Bürgschaft ist in ihrem Bestand von der Hauptschuld abhängig. Tritt der Sicherungsfall ein, kann der Gläubiger seine Ansprüche unmittelbar gegenüber dem Bürgen geltend machen, wobei dieser unter Umständen auf Einreden und Einwendungen des Hauptschuldners zurückgreifen kann, sofern diese nicht beschränkt wurden. Im Handelsrecht ist jedoch eine selbstschuldnerische Bürgschaft üblich, nach der der Bürge bei Fälligkeit der Schuld sofort belangt werden kann und auf die Einrede der Vorausklage verzichtet (§ 349 HGB). Das bedeutet, dass der Gläubiger nicht erst den Hauptschuldner rechtlich belangen muss, bevor er sich an den Bürgen hält.

Wie kann eine Handelsbürgschaft rechtssicher beendet werden?

Eine Handelsbürgschaft kann unter mehreren Voraussetzungen beendet werden: Zunächst erlischt die Bürgschaft automatisch mit der vollständigen Erbringung der gesicherten Hauptschuld. Darüber hinaus ist ein Rücktritt oder eine Kündigung durch den Bürgen nur dann möglich, wenn dies ausdrücklich im Bürgschaftsvertrag vereinbart wurde oder ein wichtiger Grund nach den allgemeinen Regelungen (§ 314 BGB) vorliegt. Die bloße Kündigung des Handels- oder Geschäftsverhältnisses, das zur Bürgschaft führte, reicht in der Regel nicht aus, um die Bürgschaft zu beenden. Zudem kann eine Bürgschaft durch Vereinbarung aller beteiligten Parteien aufgehoben oder durch Zeitablauf erlöschen, falls dies vertraglich so vorgesehen wurde. Im Insolvenzfall des Hauptschuldners bleibt die Bürgschaft bis zur vollständigen Befriedigung des Gläubigers bestehen.

Welche Rechte und Einreden stehen dem Bürgen im rechtlichen Kontext zu?

Ein Bürge kann verschiedene Einreden und Einwendungen ausüben. Die wichtigste ist die sogenannte Einrede der Vorausklage (§ 771 BGB), durch die er die Inanspruchnahme verweigern kann, solange der Gläubiger den Hauptschuldner nicht erfolglos verklagt hat. Diese Einrede kann im Handelsverkehr durch Vertrag ausgeschlossen werden und ist regelmäßig bei selbstschuldnerischen Bürgschaften – dem Handelsbrauch entsprechend – ausgeschlossen (§ 349 HGB). Weiterhin kann der Bürge auch alle Einwendungen geltend machen, die dem Hauptschuldner zustehen (z.B. Erfüllung, Aufrechnung, Stundung, Erlass), solange diese nicht ausdrücklich ausgeschlossen wurden. Darüber hinaus kann sich der Bürge auf Formmängel oder etwaige Überschreitungen der Verbürgungsgrenze berufen.

Welche Unterschiede bestehen zwischen einer Handelsbürgschaft und einer einfachen Bürgschaft im juristischen Sinne?

Der Hauptunterschied zwischen einer Handelsbürgschaft und einer einfachen Bürgschaft ergibt sich aus den Besonderheiten des Handelsrechts. Während die allgemeine Bürgschaft gemäß BGB an die Schriftform gebunden ist (§ 766 BGB), kann diese Formvorgabe für einen Kaufmann im Rahmen seines Handelsgewerbes entfallen (§ 350 HGB). Zudem ist die Handelsbürgschaft häufig als selbstschuldnerische Bürgschaft ausgestaltet, sodass die Einrede der Vorausklage ausgeschlossen ist. Auch gelten verstärkt handelsübliche Klauseln, die die Haftung des Bürgen erweitern, wie beispielsweise Globalbürgschaften oder Haftungsübernahmen für künftige Forderungen. Im Übrigen gelten aber die allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Vorschriften, sofern das Handelsrecht keine speziellen Regelungen trifft.

Welche gesetzlichen Vorschriften sind auf eine Handelsbürgschaft anwendbar?

Bei einer Handelsbürgschaft gelten in erster Linie die Vorschriften des Handelsgesetzbuches (HGB), insbesondere § 350 HGB hinsichtlich der Formfreiheit für Kaufleute sowie § 349 HGB bezüglich der selbstschuldnerischen Bürgschaft. Ergänzend finden die allgemeinen Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (§§ 765 ff. BGB) Anwendung, insbesondere zur Ausgestaltung, zum Umfang und zur Beendigung der Bürgschaft. Darüber hinaus können aufsichtsrechtliche Vorschriften sowie spezielle handelsrechtliche oder bankrechtliche Regelungen eine Rolle spielen, wenn Banken und Versicherungen als Bürgen auftreten. Bei internationalen Handelsbürgschaften sind unter Umständen zusätzlich ausländische Vorschriften oder internationale Abkommen zu beachten.

Wie wirkt sich die Insolvenz des Hauptschuldners auf die Handelsbürgschaft aus?

Im Fall der Insolvenz des Hauptschuldners bleibt die Bürgschaft als akzessorisches Sicherungsmittel grundsätzlich bestehen. Der Gläubiger kann seine Ansprüche direkt gegenüber dem Bürgen geltend machen, sofern die Forderung fällig, wirksam und nicht bereits durch die Insolvenzmasse ausgeglichen ist. Der Bürge tritt gewissermaßen an die Stelle des insolventen Schuldners. Wird der Bürge in Anspruch genommen, so gehen die durch die Bürgschaft getilgten Forderungen per Gesetz (§ 774 BGB) auf den Bürgen über (gesetzlicher Forderungsübergang, „cessio legis“), sodass ihm ein sogenannter Rückgriffsanspruch gegen die Insolvenzmasse oder den Schuldner zusteht. Der praktische Wert dieses Regressanspruchs ist jedoch meist gering, da die Insolvenzmasse häufig unzureichend ist.

Welche Beweislast gilt bei Streitigkeiten im Zusammenhang mit einer Handelsbürgschaft?

Im Rechtsstreit um die Handelsbürgschaft trägt grundsätzlich derjenige die Beweislast, der sich auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Bürgschaft beruft. Der Gläubiger muss beweisen, dass eine wirksame Bürgschaftserklärung vorliegt, die wesentlichen Vertragsbestandteile enthalten sind und dass die Formvorschriften eingehalten wurden (sofern erforderlich). Bei mündlichen Absprachen zwischen Kaufleuten gemäß § 350 HGB muss der Gläubiger den Abschluss und Inhalt der Bürgschaft ebenso belegen. Kommt es zum Streit über Einreden oder Einwendungen, liegt die Darlegungs- und Beweislast hierfür beim Bürgen. Bei Globalbürgschaften oder ungewöhnlichen Haftungsmodellen sind die Anforderungen an die inhaltliche Transparenz und Verständlichkeit besonders hoch, sodass Zweifel zu Lasten des Verwenders gehen können (vgl. § 305c Abs. 2 BGB).