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golden shares


Begriff und rechtliche Einordnung der Golden Shares

Golden Shares (deutsch: „Goldene Aktien“) sind spezielle Anteile an Aktiengesellschaften oder vergleichbaren Unternehmen, die Inhabern dieser Aktien über die normalen Aktionärsrechte hinausgehende Befugnisse einräumen. Der Begriff ist insbesondere im Zusammenhang mit eingreifenden Mitspracherechten von Staaten oder staatsnahen Institutionen bei ehemals staatlichen Unternehmen gebräuchlich, die vollständig oder teilweise privatisiert wurden. Golden Shares finden sich überwiegend in den Bereichen der Infrastruktur, Energieversorgung, Telekommunikation sowie in anderen Branchen, die als besonders sicherheitsrelevant oder systemkritisch gelten.

Ursprung und Zielsetzung der Golden Shares

Golden Shares wurden in den 1980er und 1990er Jahren im Rahmen umfassender Privatisierungen in mehreren europäischen Staaten geschaffen. Ziel war es, dem Staat einen Einfluss auf grundlegende unternehmerische Entscheidungen auch nach der Privatisierung zu sichern. Der Staat behält durch die goldene Aktie ein Veto- oder Kontrollrecht hinsichtlich der Unternehmenspolitik, insbesondere bei Entscheidungen, die strategisch relevante nationale Interessen berühren könnten.

Privatisierung und öffentliche Interessen

Durch Privatisierungen drohte der Einfluss des Staates auf ehemals öffentliche Unternehmen zu schwinden. Die Einführung der Golden Shares sollte sicherstellen, dass bestimmte Unternehmensentscheidungen, wie zum Beispiel die Übertragung wesentlicher Vermögenswerte, Fusionen oder die Änderung des Unternehmensgegenstandes, nur mit Zustimmung des Inhabers der goldenen Aktie erfolgen dürfen.

Rechtliche Ausgestaltung von Golden Shares

Gesellschaftsrechtliche Besonderheiten

Golden Shares sind juristisch als Aktien mit Sonderrechten ausgestaltet, welche durch die Satzung des jeweiligen Unternehmens oder per Gesetz eingerichtet werden. Diese Sonderrechte können sich auf unterschiedliche Aspekte erstrecken, insbesondere:

  • Vetorechte bei Hauptversammlungsbeschlüssen
  • Zustimmungserfordernisse bei Anteilsübertragungen
  • Berechtigung zur Bestellung oder Abberufung von Organmitgliedern
  • Zugang zu Informationen und Kontrollmöglichkeiten

Golden Shares sind nicht notwendigerweise mit einer Mehrheitsbeteiligung des Staates verbunden. Ein einzelner Anteil kann ausreichen, um die gewünschten Kontrollmechanismen zu sichern, sofern das Sonderrecht entsprechend ausgestaltet ist.

Gesetzliche Grundlagen und Grenzen

Die rechtliche Legitimation von Golden Shares stützt sich häufig auf nationale Gesetze über Aktiengesellschaften oder Privatisierungen. In Deutschland und anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union wird die Ausgestaltung durch das Gesellschaftsrecht, das Kapitalmarktrecht und spezifische Privatisierungsgesetze beeinflusst.

Europarechtlicher Rahmen

Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hat dem Einsatz von Golden Shares deutliche Grenzen gesetzt. Insbesondere prüft der EuGH, ob goldene Aktien mit der durch Art. 63 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) geschützten Kapitalverkehrsfreiheit und der Niederlassungsfreiheit in Einklang stehen. Staatliche Sonderrechte, die marktfremde Kontrollmöglichkeiten über privatisierte Unternehmen verschaffen, werden grundsätzlich als Beschränkung des freien Kapitalverkehrs angesehen und sind nur unter engen Voraussetzungen zulässig:

  • Dringendes Allgemeininteresse: Golden Shares müssen legitime öffentliche Interessen, wie die Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit oder den Schutz strategischer Infrastrukturen, verfolgen.
  • Verhältnismäßigkeit: Die Ausgestaltung der Sonderrechte darf nicht über das zur Sicherung des Allgemeininteresses erforderliche Maß hinausgehen. Es ist stets eine Einzelfallabwägung erforderlich.
  • Keine Diskriminierung ausländischer Investoren: Golden Shares dürfen keine Investoren aus anderen Mitgliedstaaten benachteiligen.

Nationalrechtliche Gestaltungsspielräume

Im deutschen Recht können Satzungsbestimmungen Sonderrechte für Aktionäre vorsehen (§ 11 AktG). Besondere Zustimmungserfordernisse oder Vetorechte für bestimmte Beschlussfassungen sind jedoch auf ihre Vereinbarkeit mit zwingenden aktienrechtlichen Grundprinzipien, etwa dem Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 53a AktG), sowie auf etwaige Eingriffe in die Unternehmensautonomie zu prüfen.

Praxisbeispiele und Rechtsprechung

Fallbeispiele aus Europa

Zu den bekanntesten europäischen Beispielen gehören die Golden Shares des Vereinigten Königreichs bei British Telecom und British Airways, die französischen Sonderrechte bei einigen Energieversorgern sowie die niederländischen Staatseinflüsse auf den Ölkonzern Royal Dutch Shell.

Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs

Der EuGH hat in zahlreichen Urteilen (z.B. Rechtssache C-367/98 „Kommission/Portugal“) verschiedene nationale Regelungen zu Golden Shares für nicht vereinbar mit dem europäischen Binnenmarktrecht erklärt, soweit sie unverhältnismäßig waren oder ausländische Investoren ungerechtfertigt benachteiligten.

Bewertung und aktuelle Entwicklungen

Im Zuge der europäischen Marktintegration und der wachsenden Bedeutung des europäischen Gesellschaftsrechts haben Golden Shares stark an Bedeutung verloren. Der rechtliche Gestaltungsspielraum für Staaten ist inzwischen stark begrenzt. Der Schutz kritischer Infrastrukturen wird vermehrt durch spezifische sektorspezifische Regulierung und gesetzliche Investitionskontrollmechanismen umgesetzt.

Golden Shares außerhalb der Europäischen Union

In Staaten außerhalb der EU, beispielsweise in Russland, China oder Brasilien, sind Golden Shares als Mittel zur Steuerung und Kontrolle von Unternehmen mit strategischer Bedeutung weiterhin verbreitet. Dort besteht häufig ein weitergehender staatlicher Einfluss, da die europäischen Grundsätze der Kapitalverkehrsfreiheit nicht gelten.

Fazit

Golden Shares sind ein wichtiges Instrument zur Wahrung staatlicher Einflussmöglichkeiten auf privatisierte Unternehmen in sensiblen Sektoren, insbesondere im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge und kritischen Infrastrukturen. Ihr rechtlicher Einsatz unterliegt jedoch insbesondere im europäischen Binnenmarkt erheblichen Restriktionen und setzt eine strenge Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit sowie der Kapitalverkehrsfreiheit voraus. Die strukturierte Ausgestaltung solcher Sonderrechte muss stets an den aktuellen Vorgaben der Rechtsprechung und den anzuwendenden gesetzlichen Regelungen orientiert werden. Im internationalen Kontext werden Golden Shares weiterhin in unterschiedlicher Weise genutzt, wobei sie stets Gegenstand einer kritischen Betrachtung aus Sicht des Investitionsschutzes und des Wettbewerbsrechts sind.

Häufig gestellte Fragen

Inwiefern sind golden shares mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung von Aktionären nach deutschem Aktienrecht vereinbar?

Die Vereinbarkeit von golden shares mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung gemäß § 53a AktG ist ein zentraler Streitpunkt im deutschen Aktienrecht. Grundsätzlich verlangt das Gesetz, dass alle Aktionäre bei gleichen Voraussetzungen gleich zu behandeln sind. Golden shares, welche mit besonderen Rechten – etwa einem Vetorecht bei Hauptversammlungsbeschlüssen oder einem Mehrfachstimmrecht – ausgestattet sind, stellen hier eine Abweichung von diesem Prinzip dar. Diese Abweichungen sind ausnahmsweise zulässig, wenn sie auf einer besonderen gesetzlichen oder satzungsmäßigen Ermächtigung beruhen. Häufig werden sie etwa in der Gründungsphase von Unternehmen mit staatlicher Beteiligung legitimiert, um bestimmte, das öffentliche Interesse betreffende Einflussmöglichkeiten zu sichern (z.B. Gewährleistung der Versorgungssicherheit oder Schutz kritischer Infrastruktur). Die Rechtsprechung und Literatur verlangen hierbei aber eine enge Auslegung und regelmäßig eine sachliche Rechtfertigung, die im Gesellschaftszweck begründet ist. Zudem können goldene Aktien, sofern sie nachträglich eingeführt werden, der Zustimmung der betroffenen Aktionäre (Sonderbeschluss gemäß § 179 Abs. 2 AktG) und nicht selten einer gerichtlichen Überprüfung unterliegen.

Welche spezifischen Grenzen setzt das Europarecht dem Einsatz von golden shares?

Das Europarecht, insbesondere die Kapitalverkehrsfreiheit und die Niederlassungsfreiheit gemäß den Artikeln 49 und 63 AEUV, setzt dem Einsatz von golden shares enge Grenzen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in mehreren Urteilen (z.B. Kommission ./. Portugal, Rs. C-367/98, und Kommission ./. Niederlande, Rs. C-282/04) klargestellt, dass staatliche Sonderrechte im Gesellschaftsrecht regelmäßig eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs darstellen und damit nur dann zulässig sind, wenn sie zwingenden Gründen des Allgemeinwohls dienen, geeignet sowie erforderlich und verhältnismäßig sind. Pauschale privilegierende Rechte zugunsten des Staates – ohne eine genaue und enge Definition der Auslösetatbestände – werden vom EuGH seit Jahren als unverhältnismäßig und damit europarechtswidrig beanstandet. In der Praxis bedeutet dies, dass sowohl die Ausgestaltung als auch die Anwendung golden shares einer sorgfältigen Prüfung in Bezug auf ihre europarechtliche Legitimität bedürfen.

Wie erfolgt die rechtliche Implementierung von golden shares in die Satzung einer Aktiengesellschaft?

Die Einführung von golden shares in einer Aktiengesellschaft erfordert eine eindeutige und rechtskonforme Regelung in der Satzung der Gesellschaft. Solche besonderen Rechte müssen gemäß § 23 Abs. 5 AktG explizit in der Gründungssatzung verankert oder durch eine spätere Satzungsänderung eingeführt werden, wofür ein qualifizierter Mehrheitsbeschluss der Hauptversammlung (meistens 75 % der abgegebenen Stimmen gemäß § 179 Abs. 2 AktG) notwendig ist. Unerlässlich ist ferner eine transparente Ausgestaltung der Sonderrechte; sie müssen ihrem Inhalt und Umfang nach klar bestimmt und für Dritte ersichtlich sein. Des Weiteren ist die Angabe der Inhaber dieser goldenen Aktien notwendig, insbesondere wenn eine etwaige Übertragbarkeit oder ein Einziehungsrecht geregelt werden soll. Im Falle rechtlich relevanter Änderungen sind regelmäßig auch etwaige Sonderrechte einzelner Aktionärsgruppen zu berücksichtigen, für die nach § 141 AktG im Zweifel ein gesonderter Beschluss einzuholen ist.

Welche rechtlichen Risiken bestehen bei der Beibehaltung von golden shares nach einem Börsengang?

Bleiben golden shares nach einem Börsengang bestehen, entstehen mehrere rechtliche Risiken. Erstens können sie zu einer Anfechtbarkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen führen, wenn Rechte einzelner Aktionäre unzulässig eingeschränkt werden (§ 243 AktG). Zweitens sind Konflikte mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz (siehe oben) möglich, was ebenfalls zur Nichtigkeit von Beschlüssen führen kann. Drittens kann die Börsenaufsicht intervenieren, da goldene Aktien zu einer verzerrten Corporate Governance-Struktur führen und damit gegen das Interesse des Kapitalmarkts an Transparenz und Minderheitenschutz verstoßen könnten. Ebenfalls von Relevanz ist das Delisting-Risiko: Einige Börsen fordern, dass bei Erstnotierung sämtliche Stimmrechtsunterschiede beseitigt werden. Schließlich besteht auch die Gefahr europarechtlicher Konsequenzen, insbesondere wenn eine Behörde oder ein Unternehmen aus einem anderen EU-Staat diskriminiert wird und vor den Europäischen Gerichtshof zieht.

Welche gerichtlichen Verfahren können im Zusammenhang mit golden shares relevant werden?

Im Kontext von golden shares können verschiedene gerichtliche Verfahren Bedeutung erlangen. Zum einen können Aktionäre Beschlüsse über die Einführung oder Ausübung von Sonderrechten mittels Anfechtungsklage nach § 246 AktG angreifen, insbesondere wenn diese als unverhältnismäßig oder gesetzeswidrig angesehen werden. Darüber hinaus kann die Eintragung entsprechender Satzungsänderungen im Handelsregister durch das Registergericht verweigert werden, sofern Zweifel an der Gesetz- oder Satzungsmäßigkeit bestehen. Im Kontext des Europäischen Rechts kann schließlich die Europäische Kommission eine Vertragsverletzungsklage gegen einen Mitgliedstaat wegen Goldener Aktien anstrengen, wenn sie einen Verstoß gegen die Diskriminierungsverbote oder Grundfreiheiten des AEUV vermutet – solche Fälle landen häufig vor dem Europäischen Gerichtshof, welcher abschließend über die Rechtmäßigkeit entscheidet.

Wie ist der Übergang oder die Übertragbarkeit von golden shares geregelt?

Die Übertragbarkeit von golden shares hängt von den in der Satzung festgelegten Regelungen ab. Vielfach werden Übertragungssperren vorgesehen, um sicherzustellen, dass die Sonderrechte nicht in „falsche Hände“ geraten. Meist ist die Zustimmung der Gesellschaft oder eines besonderen Gremiums für eine Übertragung notwendig (§ 68 Abs. 2 AktG analog). Alternativ wird auch das Rückerwerbsrecht (Einziehung) der Gesellschaft geregelt, wenn bestimmte Voraussetzungen entfallen, etwa beim Ausscheiden des bisherigen Staates oder Gesellschafters. Rechtlich entscheidend ist, dass solche Regelungen hinreichend bestimmt, transparent und von Beginn an öffentlich bekannt sind. Nicht selten sehen Gerichte eine übermäßige Einschränkung der Übertragbarkeit als sittenwidrig oder ergänzungsbedürftig an, sodass eine Überprüfung im Einzelfall empfehlenswert ist.

Welche Anforderungen stellt die Rechtsprechung an die Begründung von golden shares in Unternehmen mit öffentlicher Beteiligung?

Die Rechtsprechung stellt an die Begründung von golden shares durch den Staat oder öffentliche Einrichtungen strenge Anforderungen. Der bloße Wunsch, Einfluss auf das Unternehmen zu behalten, reicht nicht aus. Vielmehr verlangt beispielsweise der Bundesgerichtshof und der Europäische Gerichtshof, dass ein legitimes, im öffentlichen Interesse liegendes Ziel verfolgt wird, wie etwa die Aufrechterhaltung der Grundversorgung (z.B. Energie, Wasser), die nationale Sicherheit oder der Schutz vor Einflussnahme aus Drittstaaten. Darüber hinaus müssen golden shares das mildeste verfügbare Mittel darstellen; ihre Ausgestaltung muss verhältnismäßig, geeignet und auf das unbedingt Erforderliche beschränkt sein. Die gerichtliche Kontrolle umfasst daher sowohl die Notwendigkeit als auch die konkrete Ausgestaltung der Sonderrechte sowie deren praktische Handhabung.