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Getränkebezugsverpflichtung


Getränkebezugsverpflichtung

Die Getränkebezugsverpflichtung ist ein rechtlicher Begriff, der vor allem im gewerblichen Mietrecht, insbesondere im Zusammenhang mit dem Betrieb von Gaststätten, Bars und gastronomischen Betrieben, eine zentrale Bedeutung hat. Sie beschreibt die vertragliche Verpflichtung eines Mieters oder Betreibers, Getränke ausschließlich oder zu einem bestimmten Umfang von einem bestimmten Anbieter, meist dem Vermieter oder einer verbundenen Brauerei, zu beziehen. Vertragliche Getränkebezugsverpflichtungen besitzen insbesondere im deutschen Recht eine lange Tradition und sind Gegenstand umfangreicher Rechtsprechung.


Begriff und Systematik der Getränkebezugsverpflichtung

Definition

Die Getränkebezugsverpflichtung ist eine rechtsgeschäftliche Bindung, die in der Regel in Mietverträgen über gastronomische Räume oder Lieferverträgen, auch als „Brauereibindung“ bekannt, vereinbart wird. Gegenstand der Vereinbarung ist meist, dass der Betreiber eines gastronomischen Betriebs bestimmte Getränke, häufig Bierprodukte und alkoholfreie Erfrischungen, ausschließlich von einem bestimmten Lieferanten bezieht.

Typische Vertragskonstellationen

Typischerweise wird die Getränkebezugsverpflichtung als Nebenabrede zu einem Hauptmietvertrag oder Pachtvertrag vereinbart. Oftmals tritt sie aber auch in eigens abgeschlossenen Bezugsverträgen oder als Teil eines Gesamtpakets (z. B. im Rahmen einer Brauereifinanzierung) auf. Die Bindung kann sich auf das gesamte Getränkesortiment oder auf einzelne Produktgruppen beschränken.


Rechtliche Grundlagen und Einordnung

Vertragsrechtlicher Rahmen

Die Getränkebezugsverpflichtung unterliegt allgemeinen Grundsätzen des Schuldrechts, insbesondere denen über Dauerschuldverhältnisse (§§ 241 ff., § 311 BGB). Sie ist rechtlich als Dauerschuldverhältnis oder langfristige Leistungsbeziehung zu qualifizieren. Der Hauptvertrag (z. B. Gaststättenmietvertrag) und die Bezugsverpflichtung bilden in der Auslegung häufig ein rechtliches Einheit, auch wenn sie formal als selbstständige Verträge ausgestaltet sind.

Wettbewerb- und Kartellrecht

Die Vereinbarung einer Getränkebezugsverpflichtung kann wettbewerbsrechtliche und kartellrechtliche Fragestellungen aufwerfen, insbesondere nach § 1 GWB (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen) sowie Art. 101 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union). Verträge dieser Art sind rechtlich als vertikale Bindungen einzuordnen, die grundsätzlich zulässig sind, sofern sie keine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung darstellen und unterhalb der kartellrechtlichen Schwellenwerte liegen.

Brauereibindungsverträge unterliegen zudem teilweise besonderen kartellrechtlichen Freistellungen nach der sog. Vertikal-GVO (VO (EU) 330/2010). Maßgeblich ist, dass keine Marktabschottung und keine unangemessene Wettbewerbsbehinderung erfolgt.

AGB-Recht und Inhaltskontrolle

Regelungen zur Getränkebezugsverpflichtung werden regelmäßig als Allgemeine Geschäftsbedingungen (§ 305 BGB) verwendet, weshalb sie der Kontrolle nach §§ 307 ff. BGB unterliegen. Eine unangemessene Benachteiligung des gebundenen Betriebes, etwa durch überraschende Klauseln oder übermäßig lange Laufzeiten, kann zur Unwirksamkeit der Bezugsverpflichtung führen.


Typische Inhalte und Ausgestaltung von Getränkebezugsverpflichtungen

Umfang

  • Exklusivität: Oft beschränkt sich der Bezugspflicht auf bestimmte Getränkesparten (z. B. Bier oder alkoholfreie Getränke).
  • Mindestbezugsmenge: Es können Mindestabnahmeverpflichtungen über bestimmte Zeiträume vereinbart werden.
  • Ausschließlichkeitsbindung: Der Bezug von Drittanbietern ist vertraglich untersagt.

Laufzeit

Getränkebezugsverträge werden üblicherweise für mehrere Jahre abgeschlossen, teils gekoppelt an die Laufzeit eines Pacht- oder Mietvertrages. Unverhältnismäßig lange Laufzeiten, die eine wirtschaftliche Abhängigkeit zur Folge haben können, sind kritisch zu betrachten und werden von Gerichten im Lichte der §§ 138, 242 BGB (Sittenwidrigkeit, Treu und Glauben) geprüft.

Gegenleistungen

Oft werden Getränkebezugsverpflichtungen vom Lieferanten durch Investitionszuschüsse, Darlehen, Einrichtungsgestellung oder verbilligte Preise flankiert. Diese wirtschaftlichen Vorteile sind bei der rechtlichen Bewertung mit zu berücksichtigen.


Rechtsprechung und Besonderheiten

Bundesgerichtshof (BGH)

Der BGH hat die Wirksamkeit und Grenzen von Getränkebezugsverpflichtungen wiederholt bestätigt, jedoch eine Inhaltskontrolle und die Beachtung kartellrechtlicher Vorschriften hervorgehoben. Insbesondere bei sehr langen Bindungen (über 5 Jahre hinaus) oder einer einseitigen Belastung des Betreibers bestehen rechtliche Bedenken, die zur Unwirksamkeit führen können.

Sittenwidrigkeit und Benachteiligung

Eine Getränkebezugsverpflichtung kann sittenwidrig (§ 138 Abs. 1 BGB) sein, wenn sie zu einer faktischen Knebelung des Betreibers führt, insbesondere wenn Laufzeit, Bezugsmenge und Vertragsstrafen außer Verhältnis zu den gewährten Vorteilen stehen.

Kündigung und Beendigung

Die vorzeitige Kündigung einer Getränkebezugsverpflichtung ist nur aus wichtigem Grund möglich (vgl. § 314 BGB). Ein solcher kann etwa vorliegen, wenn der Getränkelieferant nicht leistungsfähig ist oder wesentliche Vertragsverletzungen begeht.


Besonderheiten im Gaststätten- und Brauereiwesen

Brauereibindung

Besonders im Braugewerbe ist die Getränkebezugsverpflichtung traditionell als „Brauereibindung“ ausgestaltet, wobei oft mit umfassenden Vorfinanzierungen und Gewährung von Sachwerten verbunden. Im Fokus steht dabei der Schutz der eigenen Absatzwege und die Sicherung eines festen Kundenstamms.

Räumliche und sachliche Geltung

Die Getränkebezugsverpflichtung kann sich sowohl auf einzelne gastronomische Einheiten als auch auf größere Vertriebsregionen beziehen. Die rechtliche Beurteilung orientiert sich u. a. an der Marktmacht und gegenseitigen Abhängigkeiten der Vertragsparteien.


Steuerrechtliche und betriebswirtschaftliche Aspekte

Getränkebezugsverpflichtungen haben auch steuerliche und bilanziellen Auswirkungen, vor allem bei der Gewährung von Investitionszuschüssen oder Boni durch den Lieferanten. Derartige Leistungen sind als Betriebseinnahmen zu erfassen und im Rahmen der Gewinn- und Verlustrechnung zu berücksichtigen.


Zusammenfassung und praktische Bedeutung

Die Getränkebezugsverpflichtung ist ein wesentliches Instrument der Vertriebsbindung im gewerblichen Gastronomierecht. Sie ist vielschichtig geregelt und unterliegt einer Vielzahl rechtlicher Anforderungen, die von der Inhaltskontrolle bis zu kartellrechtlichen Freistellungen reichen. Betreiber und Vertragspartner sollten die rechtliche Tragweite solcher Abreden umfassend prüfen, um Risiken wie Sittenwidrigkeit, Wettbewerbsverstöße oder wirtschaftlich nachteilige Langzeitbindungen zu vermeiden.


Literatur und weiterführende Hinweise:

  • BGH-Rechtsprechung zu Brauereibindungs- und Getränkebezugsverträgen
  • Ratgeber: Das neue AGB-Recht in der Gastronomie
  • Richtlinien zur Anwendung der Gruppenfreistellungsverordnung (Vertikal-GVO)

(Dieser Beitrag dient der allgemeinen Information und ersetzt keine individuelle Rechtsberatung.)

Häufig gestellte Fragen

Ist eine Getränkebezugsverpflichtung grundsätzlich rechtlich zulässig?

Eine Getränkebezugsverpflichtung ist grundsätzlich rechtlich zulässig, sofern keine gesetzlichen Verbote oder sittenwidrige Bedingungen vorliegen. In der Praxis werden Getränkebezugsverpflichtungen häufig im Rahmen von Miet- oder Pachtverträgen, insbesondere bei der Anmietung von Gaststätten, Vereinsheimen oder Veranstaltungsräumen, vereinbart. Die rechtliche Zulässigkeit richtet sich insbesondere nach den allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften, insbesondere aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Hierbei sind vor allem die Bestimmungen zur Vertragsfreiheit (§ 311, 305 ff. BGB) sowie die AGB-rechtlichen Einschränkungen relevant. Die Verpflichtung darf die Vertragsparteien jedoch nicht unangemessen benachteiligen (§ 307 BGB), muss klar und verständlich vereinbart sein und darf nicht gegen das Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen. Zudem sind kartellrechtliche Vorgaben, insbesondere §§ 19, 20 GWB (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen), sowie etwaige landes- oder branchenbezogene Regelungen zu beachten. Werden die Voraussetzungen eingehalten, sind Getränkebezugsverpflichtungen regelmäßig wirksam.

Welche Grenzen gelten für die Dauer einer Getränkebezugsverpflichtung?

Hinsichtlich der Vertragsdauer unterliegt eine Getränkebezugsverpflichtung gesetzlichen und richterrechtlichen Begrenzungen. Nach Ansicht der Rechtsprechung, insbesondere des Bundesgerichtshofs, darf eine solche Bindung nicht zu einer übermäßigen und unangemessenen Knebelung führen. Typischerweise gelten Bindungsfristen von bis zu fünf Jahren als zulässig und werden als branchenüblich angesehen. Längere Laufzeiten können im Einzelfall zulässig sein, etwa wenn der Vertragspartner im Gegenzug erhebliche Investitionen tätigt (zum Beispiel bei der Finanzierung von Einrichtungen oder Umbauten durch den Lieferanten), wobei dann eine Einzelfallprüfung vorzunehmen ist. Überschreitet die Laufzeit jedoch zehn Jahre, wird dies in der Regel als unverhältnismäßig betrachtet und kann zur Nichtigkeit der Vereinbarung bezüglich der überlangen Bindung führen (§ 138 BGB, Sittenwidrigkeit). Eine automatische Verlängerungsklausel ist rechtlich möglich, sofern sich der Vertragsnehmer rechtzeitig und mit angemessener Frist vom Vertrag lösen kann.

Welche Anforderungen bestehen an die Formulierung einer Getränkebezugsverpflichtung im Vertrag?

Für die rechtliche Wirksamkeit muss die Getränkebezugsverpflichtung eindeutig, transparent und verständlich formuliert sein. Insbesondere ist es notwendig, dass der Vertragspartner klar erkennt, welche Getränke und welche Mengen von welchem Lieferanten zu beziehen sind. Unbestimmte oder mehrdeutige Formulierungen können zur Unwirksamkeit führen oder im Zweifel zu Lasten des Verwenders (Lieferanten oder Verpächters) ausgelegt werden (§ 305c BGB). Neben den Warenarten sollten auch der Preis, Regelungen zu Preisanpassungen, Modalitäten des Bezugs und die Laufzeit präzise geregelt sein. Die Formulierung sollte ebenfalls eventuelle Ausnahmen (z.B. Nichtverfügbarkeit einzelner Artikel) berücksichtigen. Werden AGB verwendet, sind die strengen Vorgaben nach den §§ 305 ff. BGB zu beachten, insbesondere das Transparenzgebot und das Verbot überraschender Klauseln.

Was sind die rechtlichen Folgen eines Verstoßes gegen die Getränkebezugsverpflichtung?

Verstößt der Verpflichtete gegen eine wirksam vereinbarte Getränkebezugsverpflichtung, liegen regelmäßig Vertragsverletzungen vor, die den Lieferanten oder Vermieter zu Schadensersatzansprüchen berechtigen können (§§ 280 ff. BGB). Üblicherweise wird in den Verträgen für solche Fälle eine Vertragsstrafe (Pönale) vereinbart, die unter Berücksichtigung des AGB-Rechts (§§ 307 ff. BGB) einer Angemessenheitsprüfung standhalten muss. Zudem kann der Lieferant oder Vermieter auf die Erfüllung des Bezugs bestehen (Erfüllungsanspruch) oder gegebenenfalls den Vertrag aus wichtigem Grund kündigen. Schadensersatz bemisst sich im Regelfall an der Differenz zwischen dem vertraglich vereinbarten Bezug und der tatsächlich erfolgten Abnahme, wobei ersparte Aufwendungen des Lieferanten in Abzug zu bringen sind. Ein darüber hinaus gehender entgangener Gewinn kann im Einzelfall zusätzlich liquidiert werden.

Inwieweit sind Getränkebezugsverpflichtungen mit dem Wettbewerbsrecht vereinbar?

Getränkebezugsverpflichtungen können aus wettbewerbsrechtlicher Sicht problematisch sein, insbesondere wenn marktbeherrschende Stellungen oder eine erhebliche Einschränkung des Wettbewerbs vorliegen. Nach den §§ 19 und 20 GWB ist es missbräuchlich, wenn ein marktstarker Anbieter seine Geschäftsstellung dazu nutzt, Abnehmer unangemessen zu benachteiligen oder andere Wettbewerber unbillig zu behindern. Allerdings sind diesbezügliche Klauseln grundsätzlich zulässig, wenn der Wettbewerb auf dem betroffenen Markt weiterhin gewährleistet bleibt und keine marktabschottenden Effekte erreicht werden. Insbesondere bei weitreichenden Bezugsverpflichtungen großer Getränkekonzerne oder Brauereien, die zahlreiche Gastronomiebetriebe binden, findet eine kartellrechtliche Prüfung statt. In diesen Fällen kann es zu Einschränkungen oder sogar zur Unwirksamkeit einzelner Verträge kommen, falls der Zugang anderer Anbieter zum Markt unzumutbar erschwert wird. Für rein lokale und kleinteilige Lieferbeziehungen ist das Risiko der kartellrechtlichen Unzulässigkeit in der Regel gering.

Wer trägt die Beweislast bei Streitigkeiten über Getränkebezugsverpflichtungen?

Im Falle von Streitigkeiten trägt grundsätzlich derjenige die Beweislast, der sich auf das Bestehen oder die Verletzung einer Getränkebezugsverpflichtung beruft. Will beispielsweise der Lieferant Schadensersatz wegen eines Verstoßes geltend machen, muss er beweisen, dass eine wirksame Getränkebezugsverpflichtung besteht, welche konkret verletzt wurde und welcher Schaden daraus resultiert ist. Der Verpflichtete (z.B. Pächter) kann dagegen den Nachweis führen, dass die Voraussetzungen für die Verpflichtung nicht vorliegen, etwa weil der Vertrag unwirksam ist oder eine Ausnahme greift (z.B. Lieferverzug oder Unmöglichkeit der Belieferung). Im Prozess gilt insofern der Grundsatz der Darlegungs- und Beweislast nach allgemeinen zivilrechtlichen Regeln.

Kann der Verpflichtete aus der Getränkebezugsverpflichtung vorzeitig aussteigen?

Ein vorzeitiger Ausstieg aus einer wirksam vereinbarten Getränkebezugsverpflichtung ist grundsätzlich nur dann möglich, wenn hierfür entweder im Vertrag selbst entsprechende Regelungen (Kündigungsrecht, Sonderkündigungsrecht) vorgesehen sind oder ein gesetzlicher Grund zur außerordentlichen Kündigung (§ 314 BGB) vorliegt. Ein solcher Grund kann beispielsweise gegeben sein, wenn dem Verpflichteten eine Fortsetzung des Bezugsverhältnisses nicht mehr zumutbar ist, etwa aufgrund gravierender Vertragsverstöße des Lieferanten (z.B. nachhaltige Lieferausfälle, Preismissbrauch, Qualitätsmängel). Ohne einen solchen wichtigen Grund und ohne vertraglich eingeräumtes Rücktrittsrecht bleibt der Vertrag bis zum Ablauf der vereinbarten Laufzeit verbindlich. Ein vorzeitiger Austritt ohne Rechtsgrund kann erhebliche Schadensersatzforderungen oder Vertragsstrafen nach sich ziehen.