Begriff und Wesen des Gesellschaftsvertrags
Der Gesellschaftsvertrag stellt das zentrale Rechtsdokument für die Gründung und Organisation einer Gesellschaft dar. Er regelt das Verhältnis zwischen den Gesellschaftern und legt die grundlegenden Strukturen der jeweiligen Gesellschaftsform fest. Der Gesellschaftsvertrag ist ein zivilrechtlicher Vertrag, der insbesondere im Rahmen von Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften unabdingbar ist und eine rechtliche Grundlage für deren Bestand und Tätigkeit bildet.
Rechtliche Bedeutung
Der Gesellschaftsvertrag ist die maßgebliche Rechtsgrundlage für das Entstehen einer Gesellschaft. Er begründet Rechte und Pflichten der Gesellschafter untereinander und gegenüber der Gesellschaft. Während er bei Personengesellschaften (z. B. GbR, OHG, KG) konstitutive Bedeutung hat, ist bei Kapitalgesellschaften (insbesondere der GmbH) die notariell beurkundete Fassung Voraussetzung für die Eintragung in das Handelsregister und damit für die rechtliche Entstehung der Gesellschaft.
Gesellschaftsvertrag im deutschen Recht
Der Gesellschaftsvertrag unterliegt insbesondere den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), des Handelsgesetzbuches (HGB) sowie bei Kapitalgesellschaften dem GmbH-Gesetz (GmbHG) oder Aktiengesetz (AktG).
Formvorschriften
Die Form des Gesellschaftsvertrags hängt maßgeblich von der gewählten Gesellschaftsform ab:
- Für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) besteht grundsätzlich Formfreiheit, außer das Gesetz schreibt für bestimmte Geschäfte eine besondere Form vor.
- Für Personengesellschaften wie OHG und KG gelten ebenfalls keine besonderen Formerfordernisse, empfohlen wird jedoch eine schriftliche Fixierung zu Beweiszwecken.
- Der Gesellschaftsvertrag einer GmbH muss notariell beurkundet werden (§ 2 Abs. 1 GmbHG).
- Bei der Aktiengesellschaft spricht das Gesetz von der Satzung; diese bedarf notarieller Beurkundung (§ 23 AktG).
Mindestinhalte
Die gesetzlichen Mindestanforderungen an den Gesellschaftsvertrag variieren je nach Gesellschaftsform. Typischerweise müssen folgende Aspekte geregelt werden:
- Name und Sitz der Gesellschaft
- Gegenstand des Unternehmens
- Höhe und Art der Einlagen (Kapital, Sacheinlagen)
- Höhe der Geschäftsanteile und deren Verteilung
- Bestellung und Kompetenzen der Geschäftsführung
- Gewinn- und Verlustverteilung
- Vertretungsregelungen gegenüber Dritten
- Dauer der Gesellschaft und Voraussetzungen für die Kündigung oder Auflösung
Vertragsfreiheit und zwingende Normen
Grundsätzlich besteht Vertragsfreiheit, soweit gesetzliche Vorschriften nicht entgegenstehen. Viele gesellschaftsrechtliche Regelungen sind dispositiv und können durch Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag individuell ausgestaltet werden. Zwingende Gesetzesvorschriften, wie z. B. Mindestkapitalanforderungen oder zwingende Regelungen zur Geschäftsführung, können jedoch nicht abgeändert werden.
Typische Regelungsgegenstände und Gestaltungsmöglichkeiten
Der Gesellschaftsvertrag kann neben den gesetzlichen Mindestanforderungen eine Vielzahl individueller Regelungen beinhalten, um den besonderen Bedürfnissen der Gesellschafter oder spezifischen Anforderungen des Unternehmens gerecht zu werden.
Geschäftsführung und Vertretung
Im Vertrag können Regelungen getroffen werden, welche Gesellschafter oder Geschäftsführer die Gesellschaft nach außen vertreten und wie die interne Willensbildung abläuft. Bei Personengesellschaften kann z. B. die Einzelvertretung oder Gesamtvertretung geregelt werden, bei der GmbH finden sich Vorschriften zur Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer.
Gewinn- und Verlustverteilung
Abweichend von der gesetzlichen Regelung kann die Beteiligung der Gesellschafter am Gewinn und Verlust individuell gestaltet werden. Dies bietet insbesondere bei unterschiedlichem Kapitaleinsatz oder unterschiedlichen Beiträgen zur Gesellschaft erheblichen Gestaltungsspielraum.
Einlagenverpflichtungen
Der Gesellschaftsvertrag regelt, in welchem Umfang und in welcher Form Gesellschafter zur Kapitalausstattung der Gesellschaft beitragen und welche Folgen eine Nichterbringung der Einlage hat.
Übertragung und Vererbung von Gesellschaftsanteilen
Die Modalitäten der Übertragung, Abtretung oder Vererbung von Gesellschaftsanteilen können detailliert geregelt werden. Hierzu zählen insbesondere Vorkaufsrechte, Zustimmungserfordernisse, Abfindungsregelungen und Wettbewerbsverbote.
Dauer, Kündigung und Auflösung
Der Gesellschaftsvertrag bestimmt, ob die Gesellschaft auf bestimmte oder unbestimmte Zeit besteht und regelt Voraussetzungen sowie Folgen der Beendigung, etwa durch Kündigung, Auflösung oder Ausschluss von Gesellschaftern.
Gesellschaftsvertrag im internationalen Kontext
Im internationalen Wirtschaftsverkehr gewinnt die Ausgestaltung und Anerkennung von Gesellschaftsverträgen zunehmend an Bedeutung. Bei grenzüberschreitenden Gesellschaften ist insbesondere auf die Anknüpfung des maßgeblichen Gesellschaftsstatuts nach den internationalen privatrechtlichen Vorschriften (z. B. Rom-I-VO, EuGH-Rechtsprechung) zu achten.
Abgrenzung zu anderen Gesellschaftsdokumenten
Der Begriff Gesellschaftsvertrag ist insbesondere von der Satzung, dem Gesellschaftsbeschluss sowie etwaigen Nebenabreden abzugrenzen. Während der Gesellschaftsvertrag die grundlegenden Rechte und Pflichten regelt, können Nebenabreden als eigenständige schuldrechtliche Vereinbarungen bestehen, entfalten jedoch keine satzungsmäßige Bindungswirkung gegenüber Dritten.
Bedeutung in der Praxis
Der Gesellschaftsvertrag trägt entscheidend zur Stabilität und Funktionsfähigkeit einer Gesellschaft bei. Er dient als Orientierungsrahmen in rechtlichen, wirtschaftlichen und organisatorischen Fragestellungen und ist häufig Ausgangspunkt bei Streitigkeiten unter Gesellschaftern oder im Fall gesellschaftsrechtlicher Änderungen.
Eine sorgfältige und individuell angepasste Ausgestaltung ist somit unerlässlich, um potenziellen Konflikten vorbeugen und die unternehmensspezifischen Interessen wahren zu können.
Hinweis: Dieser Artikel vermittelt einen umfassenden Überblick über rechtliche Aspekte des Gesellschaftsvertrags. Weitergehende Detailfragen und deren gesellschaftsformabhängige Besonderheiten können sich abhängig von der konkreten Ausgestaltung und unternehmensspezifischen Besonderheiten ergeben.
Häufig gestellte Fragen
Welche Formvorschriften sind beim Abschluss eines Gesellschaftsvertrags zu beachten?
Die Einhaltung bestimmter Formvorschriften beim Abschluss eines Gesellschaftsvertrags hängt maßgeblich von der gewählten Gesellschaftsform ab. Bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) kann der Gesellschaftsvertrag grundsätzlich formfrei, also mündlich, schriftlich oder sogar konkludent abgeschlossen werden. Für andere Gesellschaftsformen, insbesondere bei Kapitalgesellschaften wie der GmbH (§ 2 GmbHG) oder der AG (§ 23 Abs. 1 AktG), ist dagegen zwingend die notarielle Beurkundung des Gesellschaftsvertrags vorgeschrieben. Wird diese Formvorschrift nicht eingehalten, ist der Vertrag nichtig. Zusätzlich können weitere Formerfordernisse, wie Eintragungserfordernisse ins Handelsregister oder besondere Schriftformerfordernisse in Bezug auf Sacheinlagen bestehen. Die Verletzung dieser Formvorschriften kann gravierende rechtliche Folgen haben, wie etwa die Nichtigkeit der Gesellschaftsgründung oder die Vertragsunwirksamkeit in Bezug auf bestimmte Regelungen.
Kann ein Gesellschaftsvertrag nachträglich geändert werden?
Grundsätzlich ist eine Änderung des Gesellschaftsvertrags möglich, sofern die Gesellschafter darüber Einvernehmen erzielen. Die für die Änderung erforderlichen Mehrheiten bestimmen sich entweder nach gesetzlicher Regelung oder, sofern im Vertrag geregelt, nach den dort festgelegten Mehrheitsverhältnissen. Bei Kapitalgesellschaften ist häufig ein notarieller Formzwang für Vertragsänderungen vorgesehen, der beispielsweise bei einer GmbH aus § 53 GmbHG resultiert. Auch bestehende Vorgaben zur Handelsregistereintragung müssen beachtet werden, insoweit die Änderung eintragungspflichtige Tatsachen betrifft. Änderungen, die gegen zwingende gesetzliche Vorschriften oder die guten Sitten verstoßen, sind unwirksam. Zu beachten ist zudem, dass einige Vertragsänderungen, wie etwa Kapitalerhöhungen oder Satzungsänderungen bezüglich des Unternehmensgegenstands, zusätzliche rechtliche oder behördliche Genehmigungen erfordern können.
Welche Mindestinhalte muss ein Gesellschaftsvertrag enthalten?
Die zwingenden Mindestinhalte eines Gesellschaftsvertrags richten sich nach der jeweiligen Gesellschaftsform. Im Gesellschaftsvertrag einer GbR genügt grundsätzlich die Einigung über die Förderung eines gemeinsamen Zwecks (§ 705 BGB). Bei einer GmbH verlangt das Gesetz gemäß § 3 GmbHG zwingend die Angabe der Firma, des Sitzes, des Gegenstands des Unternehmens, der Höhe des Stammkapitals und der Nennbeträge der von den Gesellschaftern übernommenen Geschäftsanteile. Für Aktiengesellschaften regelt § 23 AktG vergleichbare Mindestangaben, ergänzt um die Zahl und die Übernahme der Aktien. Fehlen diese Angaben, ist der Gesellschaftsvertrag nichtig beziehungsweise die Gründung unwirksam. Darüber hinaus empfiehlt sich die Aufnahme weiterer Bestimmungen, beispielsweise zur Geschäftsführung, Vertretung oder Gewinnverteilung, um Streitigkeiten vorzubeugen; gesetzlich erforderlich sind sie aber nur in Ausnahmefällen.
Welche Rechtsfolgen hat die Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit eines Gesellschaftsvertrags?
Die Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrags führt grundsätzlich dazu, dass die Gesellschaft als solche nicht wirksam gegründet wurde und daher rechtlich nicht existiert. Handeln die Gesellschafter trotzdem im Namen der Gesellschaft, so haften sie eventuell persönlich als sogenannte „Gesellschaft bürgerlichen Rechts in Gründung“ oder als sogenannte „Vorgründungsgesellschaft“ – Letzteres insbesondere bei Kapitalgesellschaften. Die Nichtigkeit kann auf einem Verstoß gegen zwingende Vorschriften, Formmängel oder Sittenwidrigkeit beruhen. Im Falle der Anfechtbarkeit – etwa wegen Irrtums, arglistiger Täuschung oder Drohung (§§ 119 ff. BGB) – wird der Vertrag rückwirkend (ex tunc) unwirksam, sofern die Anfechtung rechtzeitig erklärt wird. Es können dann Ansprüche auf Rückabwicklung (Rückgabe von Einlagen, ggf. Schadensersatz) entstehen; unter Umständen haftet der Erklärende auch für den Vertrauensschaden (§ 122 BGB).
Inwieweit können vom Gesetz abweichende Regelungen im Gesellschaftsvertrag getroffen werden?
Viele gesetzliche Bestimmungen im Gesellschaftsrecht sind dispositiv, das heißt, sie gelten nur, soweit im Gesellschaftsvertrag keine abweichende Regelung getroffen wurde. Besonders weitgehend ist diese Gestaltungsfreiheit bei der GbR und der OHG. Dort können etwa Regelungen zu Geschäftsführung, Vertretung oder Gewinnverteilung individuell und abweichend vom Gesetz getroffen werden. Bei Kapitalgesellschaften ist die Vertragsfreiheit durch zwingende rechtliche Vorgaben stärker eingeschränkt; hier darf nicht von gesetzlichen Formvorschriften, Kapitalaufbringungs- und -erhaltungsvorschriften sowie von Grundsatzregelungen zu Organen und Haftung abgewichen werden. Abweichungen dürfen außerdem nicht gegen die guten Sitten oder das ordre public verstoßen. Vertragsbestimmungen, die solche Schranken missachten, sind nichtig und werden durch die gesetzlichen Regelungen ersetzt.
Welche Rolle spielen gesellschaftsvertragliche Wettbewerbsverbote?
In vielen Gesellschaftsverträgen finden sich Wettbewerbsverbote für Gesellschafter oder Geschäftsführer, um Konkurrenzhandlungen zum Nachteil der Gesellschaft zu unterbinden. Gesetzlich normiert ist ein Wettbewerbsverbot beispielsweise für Geschäftsführer der GmbH (§ 88 AktG analog) oder für den persönlich haftenden Gesellschafter der OHG und KG. Vereinigungen können Wettbewerbsverbote im Rahmen des Gesellschaftsvertrags verschärfen oder auch lockern, solange keine gesetzlichen Grenzen überschritten werden. Im Falle eines Verstoßes gegen ein gesellschaftsvertragliches Wettbewerbsverbot drohen Unterlassungs-, Schadensersatz- und ggf. Ausschlussansprüche. Auch eine Vertragsstrafe kann vereinbart werden. Wettbewerbsverbote müssen hinsichtlich Dauer, Gegenstand und räumlichem Geltungsbereich angemessen sein, andernfalls besteht das Risiko der Sittenwidrigkeit oder der Unwirksamkeit der Klausel.
Wie kann ein Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheiden und welche Regelungen sollte der Gesellschaftsvertrag hierzu vorsehen?
Der Austritt eines Gesellschafters kann durch Kündigung, Übertragung von Anteilen oder im Wege des Ausschlusses erfolgen. Die konkreten Modalitäten hängen von der Gesellschaftsform und dem Gesellschaftsvertrag ab. Für Personengesellschaften (GbR, OHG, KG) ist eine ordentliche Kündigung in der Regel möglich, sofern diese nicht im Gesellschaftsvertrag ausgeschlossen oder beschränkt ist (§§ 723 ff. BGB). Bei Kapitalgesellschaften erfolgt ein Austritt typischerweise über die Abtretung von Geschäftsanteilen, wobei der Gesellschaftsvertrag regelmäßig Zustimmungserfordernisse oder Vorkaufsrechte vorsieht. Ein guter Gesellschaftsvertrag enthält detaillierte Regelungen zum Ausscheiden, zur Abfindung sowie zur Bewertung der Anteile und etwaigen Wettbewerbsverhalten nach Austritt. Fehlen solche Regelungen, greifen die gesetzlichen Vorschriften, was zu langwierigen Streitigkeiten führen kann. Unterschiede bestehen darüber hinaus hinsichtlich handelsregisterrechtlicher Meldepflichten und steuerlicher Folgen.