Geringstes Gebot: Bedeutung und Funktion
Das geringste Gebot ist die Untergrenze, ab der in einer öffentlichen Versteigerung von Grundstücken oder Eigentumswohnungen ein wirksames Gebot abgegeben werden kann. Es besteht aus einem bar zu zahlenden Teil und der Übernahme bestimmter auf dem Objekt lastender Rechte, die nach dem Zuschlag fortbestehen. Das geringste Gebot schützt vorrangige Interessen (etwa Verfahrenskosten und bestimmte Grundstückslasten) und schafft Transparenz darüber, welche Mindestbelastung eine Erwerberin oder ein Erwerber mindestens tragen muss.
Zusammensetzung des geringsten Gebots
1. Bargebot (bar zu zahlender Teil)
Der bar zu zahlende Teil dient dazu, die Kosten des Verfahrens sowie vorrangig zu befriedigende Positionen abzudecken. Dazu gehören insbesondere:
- Kosten des Verfahrens einschließlich erforderlicher Auslagen
- Bestimmte öffentliche Lasten und fällige Abgaben, soweit sie vorrangig aus dem Erlös zu bedienen sind
- Geldbeträge, die für zu löschende Rechte (sofern eine Entschädigung vorgesehen ist) zu zahlen sind
Auf diesen bar zu zahlenden Teil wird im Termin geboten; er bildet die Basis der Steigerung.
2. Übernahme bestehenbleibender Rechte
Ein Teil der am Objekt bestehenden Rechte bleibt trotz Zuschlags bestehen. Diese Rechte werden nicht durch Zahlung abgelöst, sondern von der Ersteherin oder dem Ersteher mit dem Eigentum übernommen. Dazu können insbesondere gehören:
- Dienstbarkeiten (z. B. Wegerechte, Leitungsrechte)
- Nutzungsrechte (z. B. Wohnungsrecht, Nießbrauch)
- Bestimmte grundbuchliche Sicherheiten oder Reallasten, soweit sie bestehen bleiben
Diese Rechte sind Bestandteil des geringsten Gebots, weil sie die wirtschaftliche Gesamtbelastung mitbestimmen, auch wenn dafür kein Geldbetrag in der Versteigerung gezahlt wird.
3. Gesamtbelastung aus Sicht der Bietenden
Für Bietende ist maßgeblich, dass sich ihre minimale Gesamtbelastung aus dem bar zu zahlenden Teil und der wirtschaftlichen Bedeutung der übernommenen Rechte zusammensetzt. Das geringste Gebot gibt damit die Untergrenze der faktischen Belastung vor.
Festsetzung und Bekanntgabe
Das Gericht ermittelt die Versteigerungsbedingungen und legt daraus das geringste Gebot fest. Es wertet die eingetragenen Rechte, ordnet sie ihrem rechtlichen Rang nach und bestimmt, welche Rechte zu bestehen haben und welche gegen Zahlung erlöschen. Das geringste Gebot wird öffentlich bekannt gemacht und im Versteigerungstermin zu Beginn verlesen und ausgerufen. Bietende geben sodann Gebote auf den bar zu zahlenden Teil ab; die Übernahmerechte stehen dabei fest und sind nicht Gegenstand der Steigerung.
Abgrenzungen zu anderen Schwellen und Begriffen
Geringstes Gebot versus Verkehrswertgrenzen
Unabhängig vom geringsten Gebot gibt es gesetzliche Wertgrenzen, die sich am festgestellten Verkehrswert orientieren und unter bestimmten Voraussetzungen einen Zuschlag untersagen. Diese Wertgrenzen betreffen die Zuschlagsentscheidung und nicht die Festsetzung des geringsten Gebots. Es kann daher vorkommen, dass zwar über dem geringsten Gebot geboten wird, ein Zuschlag aber dennoch wegen Unterschreitung einer Wertgrenze nicht erteilt wird.
Geringstes Gebot versus Sicherheitsleistung
Vor Abgabe eines Gebots kann eine Sicherheitsleistung erforderlich sein, die sich regelmäßig an einem Anteil des Verkehrswerts orientiert. Diese Sicherheit ist von der Höhe des geringsten Gebots unabhängig und dient der Absicherung des Verfahrens. Sie ist keine Teilzahlung des geringsten Gebots.
Geringstes Gebot versus Kaufpreis
Der tatsächlich zu zahlende Betrag nach Zuschlag umfasst den bar zu zahlenden Teil (Endgebot) und die übernommenen Rechte. Der „Kaufpreis“ im wirtschaftlichen Sinne ist daher regelmäßig höher als das reine Bargebot.
Wirkungen für Bietende und Gläubiger
Für Bietende
Das geringste Gebot zeigt die Mindestlast auf, die übernommen werden muss. Es schafft Klarheit über die Untergrenze des Bietens und über Rechte, die nach Zuschlag fortbestehen. Gebote unterhalb dieser Schwelle sind unwirksam.
Für Gläubiger
Das geringste Gebot stellt sicher, dass vorrangige Positionen gedeckt werden und verhindert einen Zuschlag zu einer Höhe, die die unverzichtbare Deckung verfehlen würde. Welche Forderungen aus dem Erlös bedient werden, ergibt sich aus der Rangfolge der Rechte und dem späteren Verteilungsverfahren.
Ablauf im Versteigerungstermin
1. Ausruf und Bekanntmachung
Zu Beginn werden die Versteigerungsbedingungen einschließlich der bestehenbleibenden Rechte und das geringste Gebot verlesen. Erst danach beginnt die Bietstunde.
2. Steigerung des Bargebots
Geboten wird auf den bar zu zahlenden Teil. Die übernommenen Rechte stehen fest. Jede Steigerung erhöht nur den Bargebot-Anteil.
3. Zuschlag und Rechtsfolgen
Erhält die Höchstbietende oder der Höchstbietende den Zuschlag, geht das Eigentum über, die festgelegten Rechte bleiben bestehen, und das Bargebot ist fristgerecht an die Gerichtskasse zu zahlen. Rechte, die nicht bestehen bleiben, erlöschen mit Zuschlag; ihre Inhaber werden nach Maßgabe der Rangfolge aus dem Erlös befriedigt.
Spezialfälle und Änderungen
Teilungsversteigerung
Auch in der Teilungsversteigerung (Aufhebung von Gemeinschaft) gilt das geringste Gebot. Es umfasst die Verfahrenskosten und etwaige bestehenbleibende Rechte. Der Erlös wird unter den Beteiligten verteilt.
Änderungen bis zum Termin
Bis zum Termin können sich die Grundlagen des geringsten Gebots ändern, etwa wenn Rechte erlöschen, Beträge teilweise bezahlt werden oder neue fällige Lasten entstehen. Das Gericht passt die Versteigerungsbedingungen entsprechend an und gibt sie im Termin bekannt.
Weiterer Termin
Kommt es zu keinem Zuschlag, kann ein weiterer Termin bestimmt werden. Die gesetzlichen Wertgrenzen können im weiteren Termin unter bestimmten Voraussetzungen keine Anwendung mehr finden. Die Berechnung des geringsten Gebots als solche bleibt an die zugrunde liegenden Rechte und Lasten gebunden.
Beispielhafte Veranschaulichung
Angenommen, ein Grundstück ist mit einem Wohnungsrecht belastet, das bestehen bleibt. Zudem sind Verfahrenskosten und fällige öffentliche Lasten zu decken, und ein nachrangiges Recht ist gegen Entschädigung zu löschen. Das Gericht setzt fest:
- Bestehenbleibendes Recht: Wohnungsrecht (ohne Barzahlung, aber fortbestehend)
- Bargebot mindestens zur Deckung von Verfahrenskosten und fälligen öffentlichen Lasten
- Zusätzlich im Bargebot enthalten: Entschädigung für das zu löschende Recht
Das geringste Gebot besteht damit aus diesem Mindest-Bargebot zuzüglich der Übernahme des Wohnungsrechts. Gebote müssen mindestens diese Schwelle erreichen, damit sie zulässig sind.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zum geringsten Gebot
Was umfasst das geringste Gebot genau?
Es umfasst den bar zu zahlenden Teil zur Deckung von Verfahrenskosten und vorrangigen Lasten sowie die Übernahme der Rechte, die am Objekt fortbestehen. Der bar zu zahlende Teil ist Gegenstand des Bietens; bestehenbleibende Rechte werden mit dem Eigentum übernommen.
Wer legt das geringste Gebot fest und wo wird es bekannt gemacht?
Das Gericht legt es auf Grundlage der Versteigerungsbedingungen fest. Es wird in der Bekanntmachung und zu Beginn des Versteigerungstermins verlesen und ausgerufen.
Muss das geringste Gebot den Verkehrswert erreichen?
Nein. Das geringste Gebot folgt aus Kosten, Lasten und bestehenbleibenden Rechten. Unabhängig davon können Wertgrenzen, die sich am Verkehrswert orientieren, einen Zuschlag verhindern.
Was passiert, wenn kein Gebot das geringste Gebot erreicht?
Gebote unterhalb des geringsten Gebots sind unzulässig. Kommt kein wirksames Gebot zustande, wird kein Zuschlag erteilt, und es kann ein weiterer Termin bestimmt werden.
Wie wirken sich bestehenbleibende Rechte wirtschaftlich aus?
Sie werden nicht in bar bezahlt, mindern aber den wirtschaftlichen Wert des Objekts, weil sie nach Zuschlag fortbestehen. Für Bietende zählen sie daher zur Gesamtbelastung hinzu.
Gilt das geringste Gebot auch in der Teilungsversteigerung?
Ja. Es umfasst dort ebenfalls die Verfahrenskosten und bestehende Lasten; der Erlös wird anschließend zwischen den Beteiligten verteilt.
Kann sich das geringste Gebot zwischen zwei Terminen ändern?
Ja. Ändern sich die zugrunde liegenden Lasten oder Rechte (z. B. Zahlung von Rückständen, Wegfall eines Rechts), wird das geringste Gebot angepasst und im Termin bekannt gegeben.
Welchen Zusammenhang gibt es zwischen geringstem Gebot und Sicherheitsleistung?
Die Sicherheitsleistung dient der Absicherung des Verfahrens und wird regelmäßig in Relation zum Verkehrswert bemessen. Sie ist unabhängig vom geringsten Gebot und wird vor Abgabe von Geboten verlangt.