Begriff und rechtliche Grundlagen der Genossenschaft
Eine Genossenschaft ist eine Rechtsform für eine Gesellschaft von nicht geschlossener Mitgliederzahl, die auf die Förderung der wirtschaftlichen, sozialen oder kulturellen Belange ihrer Mitglieder durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb angelegt ist. Die Genossenschaft ist in Deutschland durch das Genossenschaftsgesetz (GenG) geregelt und stellt eine eigenständige juristische Person des Privatrechts dar.
Definition und Charakteristika
Die Genossenschaft zeichnet sich durch das Prinzip der Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung aus. Die Mitglieder einer Genossenschaft verfolgen gemeinschaftliche Ziele und sind zugleich Eigentümer und Nutzer der Genossenschaft. Die Gewinnmaximierung steht dabei in der Regel nicht im Vordergrund; vielmehr soll der wirtschaftliche Nutzen der Mitglieder durch Dienstleistungen oder Warenbezug verbessert werden.
Charakteristische Merkmale sind:
- Offener Mitgliederkreis (Prinzip der offenstehenden Mitgliedschaft)
- Förderzweck zugunsten der Mitglieder
- Demokratische Willensbildung nach dem „Kopfprinzip“ (unabhängig von der Kapitalbeteiligung gilt grundsätzlich eine Stimme pro Mitglied)
- Mindestmitgliederzahl von drei Personen (§ 4 GenG)
- Haftung, die auf das Genossenschaftsvermögen beschränkt ist, wobei Nachschüsse durch die Satzung vorgesehen sein können
Gründung und Entstehung der Genossenschaft
Voraussetzungen und Gründungsverfahren
Zur Gründung einer Genossenschaft sind mindestens drei Gründungsmitglieder erforderlich. Diese beschließen eine Satzung, welche den Förderzweck, das Geschäftsjahr, die Mitgliederrechte und -pflichten, Organe und deren Zuständigkeiten sowie die Art und Höhe der Geschäftsanteile regelt. Die Gründung muss notariell beurkundet und die Genossenschaft in das Genossenschaftsregister beim zuständigen Amtsgericht eingetragen werden (§ 10 GenG). Erst mit der Eintragung erlangt die Genossenschaft ihre Rechtsfähigkeit.
Eine Besonderheit stellt die Pflichtprüfung durch einen Prüfungsverband dar (§§ 11 ff. GenG). Jede Genossenschaft muss vor der Eintragung und in regelmäßigem Turnus durch einen Verband geprüft werden. Ziel ist die Sicherstellung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und Gesetzmäßigkeit der Gründung und der Organisation.
Satzung der Genossenschaft
Die Satzung bildet die rechtliche Grundlage der Genossenschaft. Sie muss mindestens Angaben zu folgenden Punkten enthalten:
- Name und Sitz der Genossenschaft
- Gegenstand des Unternehmens
- Bedingungen für die Mitgliedschaft
- Rechte und Pflichten der Mitglieder
- Kapitalaufbringung und -haftung
- Organe und ihre Zuständigkeiten
Änderungen der Satzung bedürfen in der Regel einer qualifizierten Mehrheit der General- oder Vertreterversammlung und sind zum Teil eintragungspflichtig.
Rechtliche Stellung und Innenverhältnis
Rechtsfähigkeit und Träger der Rechte
Die Genossenschaft besitzt als juristische Person eigene Rechtsfähigkeit. Sie kann Eigentum erwerben, klagen und verklagt werden. Mitgliedschaftsrechte und -pflichten entstehen durch den Erwerb der Mitgliedschaft, welche durch Erklärung gegenüber der Genossenschaft und Annahme durch das zuständige Organ (meist der Vorstand) begründet wird.
Mitgliederrechte und -pflichten
Die Mitglieder haben das Recht, am Förderzweck teilzuhaben, insbesondere durch Leistungen der Genossenschaft. Zu den wesentlichen Mitgliederrechten zählen:
- Teilnahme an der Generalversammlung
- Wahl- und Stimmrecht (unabhängig vom Kapitalanteil)
- Anspruch auf Auskunft über die Angelegenheiten der Genossenschaft
- Recht auf Auszahlung von Anteilen bei Ausscheiden
Mitgliedspflichten bestehen insbesondere in der Einzahlung der gezeichneten Geschäftsanteile und evtl. darüber hinausgehenden Nachschusspflichten, sofern die Satzung dies vorsieht.
Haftung und Nachschusspflicht
Die Genossenschaft haftet grundsätzlich mit ihrem Vermögen. Die Haftung der Mitglieder ist im GenG geregelt (§§ 17, 105 GenG) und in der Satzung zu regeln. Eine Nachschusspflicht der Mitglieder über ihren Geschäftsanteil hinaus besteht nur, wenn diese in der Satzung ausdrücklich festgelegt ist.
Organe der Genossenschaft
Vorstand
Der Vorstand leitet die Genossenschaft in eigener Verantwortung und vertritt diese gerichtlich sowie außergerichtlich. Er ist zur Geschäftsführung, zum Abschluss von Rechtsgeschäften und zur Einhaltung der gesetzlichen und satzungsmäßigen Vorschriften verpflichtet. Die Bestellung und Abberufung erfolgt durch den Aufsichtsrat.
Aufsichtsrat
Die Genossenschaft benötigt ab einer bestimmten Mitgliederzahl zwingend einen Aufsichtsrat (§ 9 Abs. 1 GenG). Die Aufgabe besteht in der Kontrolle und Überwachung des Vorstands. Der Aufsichtsrat bestellt und entlässt den Vorstand, überwacht dessen Geschäftsführung und berichtet der General- oder Vertreterversammlung.
Generalversammlung
Die Generalversammlung ist das oberste Organ der Genossenschaft und trifft alle grundlegenden Entscheidungen per Beschluss. Sie entscheidet insbesondere über die Satzung, die Verwendung des Jahresüberschusses, die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat sowie über die Bestellung und Abberufung von Organmitgliedern.
Ab einer bestimmten Mitgliederzahl kann eine Vertreterversammlung an die Stelle der Generalversammlung treten (§ 43a GenG).
Buchführung, Prüfung und wirtschaftliche Überwachung
Buchführungspflicht
Genossenschaften sind verpflichtet, ordnungsgemäße Bücher zu führen (§ 38 GenG) und einen Jahresabschluss nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung aufzustellen. Abhängig von ihrer Größe und Anzahl von Mitgliedern kommen ergänzende Prüfungs- und Offenlegungspflichten zur Anwendung.
Pflichtprüfung
Die periodische Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse, der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung sowie der Anlage des Genossenschaftsvermögens ist eine Besonderheit der Genossenschaft (§ 53 GenG). Der Prüfungsverband übernimmt diese Aufgabe im Interesse des Gläubigerschutzes und der Mitglieder.
Beendigung und Abwicklung der Genossenschaft
Auflösung
Eine Genossenschaft kann auf verschiedene Weise aufgelöst werden, darunter:
- Beschluss der Generalversammlung
- Eröffnung des Insolvenzverfahrens
- Entzug der Rechtsfähigkeit
- Verschmelzung auf eine andere Genossenschaft oder Gesellschaft
Liquidation
Nach der Auflösung erfolgt die Liquidation (Abwicklung) durch die Liquidatoren, die die laufenden Geschäfte beenden, Forderungen einziehen, Verbindlichkeiten begleichen und das verbleibende Vermögen an die Mitglieder verteilen (§ 87 ff. GenG).
Erlöschen
Die Genossenschaft erlischt durch Löschung im Genossenschaftsregister, sobald die Liquidation abgeschlossen oder die Insolvenz beendet ist.
Genossenschaftstypen und Formen
Eingetragene Genossenschaft (eG)
Die häufigste Form in Deutschland ist die eingetragene Genossenschaft (eG), die ins Genossenschaftsregister eingetragen werden muss und als vollwertige juristische Person gilt.
Europäische Genossenschaft (SCE)
Die Europäische Genossenschaft (Societas Cooperativa Europaea, SCE) ist eine supranationale Rechtsform nach EU-Recht, die grenzüberschreitende Kooperationen erleichtern soll.
Sonderformen
Daneben existieren verschiedene Sonderformen, wie Konsum-, Wohnungsbau-, Produktions- und Kreditgenossenschaften, jeweils mit branchenspezifischen Regelungen.
Steuerliche Behandlung
Die steuerliche Behandlung der Genossenschaft erfolgt nach allgemeinen ertragsteuerlichen Maßstäben. Die Genossenschaft ist körperschaftsteuer- und gewerbesteuerpflichtig. Mitglieder können Dividenden oder Rückvergütungen erhalten, die steuerlich als Einkünfte behandelt werden.
Literatur und Rechtsquellen
- Genossenschaftsgesetz (GenG)
- Handelsgesetzbuch (HGB)
- EU-Verordnung über das Statut der Europäischen Genossenschaft (SCE)
- Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) betreffend allgemeine Regelungen zu Körperschaften
Mit dieser umfassenden Übersicht werden alle relevanten rechtlichen Aspekte des Begriffs Genossenschaft detailliert erläutert. Der Beitrag dient der schnellen Orientierung und dem vertieften Verständnis innerhalb eines Rechtslexikons.
Häufig gestellte Fragen
Welche gesetzlichen Anforderungen bestehen für die Gründung einer Genossenschaft?
Für die Gründung einer Genossenschaft sind die Vorgaben des Genossenschaftsgesetzes (GenG) maßgeblich. Gemäß § 4 GenG bedarf es zur Gründung mindestens drei Gründungsmitglieder, die entweder natürliche Personen, juristische Personen oder Personengesellschaften sein können. Die Satzung der Genossenschaft muss nach § 6 GenG schriftlich fixiert und von sämtlichen Gründungsmitgliedern unterschrieben werden. Sie muss insbesondere Angaben über Firma, Sitz, Gegenstand des Unternehmens, Höhe des Geschäftsanteils, Regelungen zur Generalversammlung, Organe sowie deren Aufgaben und Wahlmodalitäten enthalten. Weiterhin ist die Anmeldung der Genossenschaft zur Eintragung ins Genossenschaftsregister beim zuständigen Amtsgericht erforderlich (§§ 10, 11 GenG). Zuvor ist eine Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse und der Organisation durch einen vom Prüfungsverband bestellten Prüfer zwingend vorgeschrieben (§ 11 Abs. 2 GenG). Erst mit Eintragung ins Genossenschaftsregister erlangt die Genossenschaft ihre Rechtsfähigkeit.
Welche Organe sind gesetzlich für eine Genossenschaft vorgeschrieben und welche Aufgaben haben sie?
Nach § 9 GenG sind die Genossenschaften verpflichtet, bestimmte Organe einzurichten: den Vorstand, den Aufsichtsrat (bei mehr als 20 Mitgliedern, § 9 Abs. 2 GenG) sowie die Generalversammlung. Der Vorstand vertritt die Genossenschaft gerichtlich und außergerichtlich und führt deren Geschäfte (§ 24 ff. GenG). Er ist an die Satzung und gegebenenfalls an Weisungen der Generalversammlung gebunden. Der Aufsichtsrat überwacht die Geschäftsführung des Vorstands, prüft die wirtschaftliche Lage und kann Berichte und Auskünfte verlangen (§ 36 ff. GenG). Die Generalversammlung ist das oberste Organ und fasst alle grundlegenden Beschlüsse, insbesondere zur Satzungsänderung, Feststellung des Jahresabschlusses, Gewinnverwendung und zur Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat (§ 43 ff. GenG). Jede Person hat grundsätzlich eine Stimme, unabhängig von der Anzahl ihrer Geschäftsanteile – das sogenannte „Kopfstimmrecht“.
Wie erfolgt der Beitritt und das Ausscheiden von Mitgliedern rechtlich korrekt?
Der Beitritt zu einer Genossenschaft richtet sich nach den jeweils in der Satzung festgelegten Bedingungen. In der Regel ist ein schriftlicher Beitrittsantrag notwendig, über dessen Annahme der Vorstand entscheidet (§ 15 GenG). Beim Ausscheiden wird zwischen freiwilligem und unfreiwilligem Austritt unterschieden: Freiwilliges Ausscheiden erfolgt normalerweise durch schriftliche Kündigung des Mitglieds an den Vorstand, wobei Kündigungsfristen einzuhalten sind, die in der Satzung geregelt sind (§ 65 GenG). Unfreiwilliges Ausscheiden kann z.B. mittels Ausschluss durch Beschluss des Vorstands erfolgen, was ebenfalls durch die Satzung genauer bestimmt wird. Scheidet ein Mitglied aus, hat es Anspruch auf Auszahlung seines Auseinandersetzungsguthabens, das in der Regel dem Geschäftsanteil nach Abzug von Verlusten entspricht (§ 73 ff. GenG).
Welche besonderen Haftungsregelungen gelten für die Mitglieder einer Genossenschaft?
Die Haftung der Mitglieder ist im Genossenschaftsrecht grundsätzlich auf die Geschäftsanteile beschränkt, soweit nicht in der Satzung eine Nachschusspflicht festgelegt wurde (§ 22 GenG). Fehlt eine solche Regelung, haften Mitglieder nur mit ihren gezeichneten Geschäftsanteilen. Wird eine Nachschusspflicht vereinbart, muss deren Umfang klar begrenzt sein; unbeschränkte persönliche Haftung ist bei Genossenschaften unzulässig (§ 22 Abs. 2 GenG). Gläubiger der Genossenschaft können auf das Vermögen der Mitglieder grundsätzlich nicht zurückgreifen, es sei denn, es wurde durch die Satzung ausdrücklich etwas anderes geregelt. Für Verbindlichkeiten der Genossenschaft haften also primär das Genossenschaftsvermögen und subsidiär – nur bei einer Nachschusspflicht – die Mitglieder bis zum jeweils festgelegten Betrag.
Unterliegt eine Genossenschaft der Pflicht zur Jahresabschlussprüfung, und wer ist hierfür zuständig?
Ja, Genossenschaften sind nach § 53 GenG verpflichtet, regelmäßig ihren Jahresabschluss durch einen genossenschaftlichen Prüfungsverband prüfen zu lassen. Diese Pflicht gilt unabhängig von der Größe der Genossenschaft, wobei der Umfang und Takt der Prüfung sich an der Größe und Art der Genossenschaft orientieren können (§ 53 Abs. 1 und 2 GenG). Der zuständige Prüfungsverband, dessen Mitglied die Genossenschaft sein muss (§ 54 GenG), führt die Prüfung durch und übermittelt dem Vorstand, dem Aufsichtsrat und der Generalversammlung einen Prüfungsbericht. Die Prüfung erstreckt sich sowohl auf die wirtschaftlichen Verhältnisse als auch auf die Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung. Dieser Prüfbericht ist der Generalversammlung zugänglich zu machen und bildet eine wesentliche Grundlage für die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat.
Welche rechtlichen Regelungen existieren bezüglich der Auskunfts- und Einsichtsrechte der Mitglieder?
Gemäß § 51a GenG steht jedem Mitglied ein umfassendes Auskunftsrecht über alle Angelegenheiten der Genossenschaft in der Generalversammlung zu. Darüber hinaus können Mitglieder Einsicht in die Bücher und Schriften der Genossenschaft verlangen, sofern ein berechtigtes Interesse besteht und das Verlangen nicht gesetzlich oder satzungsmäßig ausgeschlossen ist. Ein individuellem Einsichtsrecht außerhalb der Generalversammlung steht jedoch grundsätzlich die Vertraulichkeit der Geschäftsangelegenheiten entgegen; dieses Recht kann beschränkt und ist an strenge Voraussetzungen geknüpft. Bei verweigerter Auskunft oder Einsicht kann das Mitglied die Entscheidung der Generalversammlung oder gegebenenfalls auch gerichtliche Überprüfung anstreben.
Was ist bei der Auflösung und Liquidation einer Genossenschaft rechtlich zu beachten?
Die Auflösung einer Genossenschaft kann durch Beschluss der Generalversammlung, Ablauf der in der Satzung bestimmten Zeit, durch gerichtliches Urteil oder durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen (§§ 76 ff. GenG). Zur Liquidation sind ebenfalls detaillierte Vorschriften einzuhalten: Nach Auflösung geht die Genossenschaft in das Stadium der Liquidation über, es sei denn, über ihr Vermögen ist das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Die Liquidatoren – in der Regel die bisherigen Vorstandsmitglieder, sofern die Generalversammlung nicht andere bestimmt – müssen das Vermögen der Genossenschaft verwerten, die Gläubiger befriedigen und das verbleibende Vermögen gemäß Satzung verteilen. Die Liquidation wird im Genossenschaftsregister eingetragen, ebenso der Abschluss dieser Liquidation (§ 80 GenG). Mit der Löschung der Genossenschaft im Register erlischt deren Rechtsfähigkeit endgültig.